Offene Correspondenz

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Zeitschrift f. Augenheilkunde 1901;6:500-501
Offene Correspondenz
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Lübeck. Mein Referat über Hirschberg’s Einführung erfährt von Seiten
des Autors folgende Kritik (Centralblatt f. Augenh., November 1901,
S. 350):
„Wenn er sich mit meiner Anmerkung aus I, S. 87 eingehe¤d l > eschäftigt und erklärt: „„der
Verallgemeinerung des Verfassers, dass der Begriff der Unendlichkeit immer erst aus der
Beziehung zwischen zwei Grössen erwächst, vermag ich nicht zu folgen.”“ – so kann ich ihm
nicht helfeti; vielleicht1) hilft ihm noch ein Lehrer der Mathematik.”
*) Dieses Wort ist auch im Text gesperrt gedruckt.
Offeαe Correspondenz. – Tagesnachrichten. 501
H. giebt in der betreffenden Anmerkuug die übliche, für die Methoden der angewandten
Matliematik verwertbare Erklärung: 1st für aíle Messungen, die wir ausführen können (A-j-a)
und (A – a) für uns nicht merkbar verschieden von A, so können wir sagen, dass
A
a
A unendlich gross gegen a oder = ∞ oder – = 0 ist. Bea
A
züglich dieser Erklärung hatte ich mich auf die Bemerkung beschränkt,
dass die sog. „oplitbalmologische Unendlichkeit” doch kaum in irgend
einem Lehrbuche oder überhaupt von irgend einem denkenden Menschen
anders als in solchem Sinne aufgefasst vvorden sein kann. λVenn der
V”erfasser aber in dem darauffolgenden, oben zitierten Satze gegenüber
einem schwierigen, – wie ich gern zugebe – nicht abgeschlossenen,
erkenntnis-theoretischen Problem seine persönliehe Meinung zum Ausdrucke bringt, so sollte er nicht annelnnen, dass die gegen diese
geäusserten Bedenken durcb den Unterricht eines Mathematiklehrers
sich vielleicht werden beseitigen lassen.
Dass die strenge Forderung, die Arithmetik als Bestandteil der re in en Logik auftreten zu lassen,
in den populär-pädagogischen Schriften nicht befriedigt vvird, tritt nach Franz Meyer am
schärfsten bei dem Begriff der Unendlichkeit hervor. Schon Hegel stellt dem „schlechten
Unendlichen” der Mathematiker ein absolute? Un-endliches als das allein Existierende
gegenüber. Nachdem sich der proteusartige Begriff des unendlich λVerdenden als unzulässig
erwiesen hatte, suchte man dem unendlich Seienden beizukommen, welches durch Dedekind
folgende Definition gefunden hat: ‚‚Ein Inbegriff von Dingen ist unendlich, wenn er mit einem
Teile seiner selbst gleiche Mächtigkeit besitzt, im anderen Fade dagegen endlich.” Auf dieser
Grundlage liess sich gegenüber der älteren llerleitung des Unendlichen aus dem Endlichen auf
einem, hier nicht zu erörternden λVege nunmehr die Umkehrung wagen, die Ableitung des
Endlichen aus dem apriorischen Begriffe der Unendlichkeit. Enter einem „Ding” versteht wohl
auch H. irgend einen Gegenstand unseres Denkens, also z. B. das Weltenganze, das doch in
einem anderen Sinne unendlich ist, als die Distanz unserer Sehprobentafel oder selbst die Siriusferne es in irgend einer Beziehung werden könnte. Mögen auch unsere Vorstellungen zwischen
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zwei Unendlichkeiten eingeschlossen sein, zwischen der unendlichen Grösse des Planetenraumes
und der unendlichen Kleinheit der moleculären Struktur, so haftet doch der menschlichen Natur
vieles vom Unendlichen an, und, wie Cantor be-merkt, „wenn sie nicht in vielen Beziehungen
selbst unendlich Λväre, so würde die feste Zuversicht und Gewissheit hinsichtlich des Seins des
Absoluten nicht zu erklären sein, worin wir uns alle einig wissen.’·
November 1901.
Feilchenfeld.
Tagesnachrichten.
Professor Knies in Freiburg hat auf die Venia legendi verzichtet und widmet sich nur noch der
Ausiibung der Praxis.
Prof. Dr. W. A. Nagel in Freiburg hat einen Ruf als Nachfolger von Arthur König in Berlin
erhalten und angenommen.