»Fachwissenschaft in didaktischer Absicht«1 Nachruf auf den Ehrenvorsitzenden der KGD: Uwe Uffelmann Wolfgang Hasberg/Heinz Pfefferle 1. Ehrenvositzender der KGD Am 21. November 2008 verstarb völlig überraschend Uwe Uffelmann, seit 2001 Ehrenvorsitzender der Konferenz für Geschichtsdidaktik. Seine Verdienste um den Verband würdigte die Vorsitzende der KGD, Susanne Popp, während der Begräbnisfeier auf dem Friedhof von Neckargmünd-Dilsbergerhof, wo der bis zu seinem jähen Ende unvermindert engagierte Gelehrte seine letzte Ruhestätte gefunden hat. Er war es, der 1989, als der Verband eine ernste Krise durchlebte und sein Fortbestand keineswegs gesichert schien, den Vorsitz übernahm. Während seiner zehnjährigen Tätigkeit als Vorsitzender hat die KGD durch wohl organisierte Zweijahrestagungen reiche Fruchtbarkeit entfaltet und regen Zulauf erfahren. Doch nicht nur die Vermehrung des Mitgliederbestandes gehört zu seinen Verdiensten; vor allem war U. Uffelmann es, der die lose Vereinigung der im Bereich der Didaktik der Geschichte Forschenden 1995 in Magdeburg in die Rechtsform eines eingetragenen Vereins überführte und ihr somit eine stabile Existenz gab. Nicht zuletzt war diese neue Organisationsform die Basis dafür, dass durch die Initiative des in Verbandsgeschäften unermüdlichen U. Uffelmanns mit der Zeitschrift für Geschichtsdidaktik ein Publikationsorgan geschaffen wurde, ohne das die akademische Geschichtsdidaktik heute ohne wissenschaftliches Forum dastünde. Nicht minder als der inneren Konsolidierung galt das Bemühen U. Uffelmanns der Etablierung der Disziplin nach außen: Er schuf die Grundlage für eine gedeihliche Kooperation mit dem Verband der Historiker Deutschlands wie mit dem Verband der Geschichtslehrer, er knüpfte die Verbindung zur Konferenz der Vorsitzenden der fachdidaktischen Fachverbände, die inzwischen als Gesellschaft für Fachdidaktik firmiert, und sorgte sich darum, dass der DFG Gutachter für geschichtsdidaktische Antragsprojekte benannt wurden. Nicht zuletzt galt sein Anliegen der personellen Erneuerung des Verbandes wie der Disziplin, wobei ihm die Fähigkeit zugute kam, den akademischen Nachwuchs individuell anzusprechen und fordernd zu fördern. 1 Uwe Uffelmann: Fachwissenschaft in didaktischer Absicht. Eine Einführung. In: Ders.: Politische Wegzeichen. Bausteine zu den westdeutschen Weichenstellungen und zur staatlichen Formierung Südwestdeutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg. Weinheim/Basel 2002, S. 7–10. Zeitschrift für Geschichtsdidaktik, Jg. 9 (2010), S. 303–307 © Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen, 2010, ISSN 1610-5982 Buch_ZfGD_01_2010.indb 303 20.08.10 12:03 304 Nachruf 2. Erforscher der Heimat und Region Die wissenschaftlichen Verdienste U. Uffelmanns wurden auf einer Gedenkveranstaltung gewürdigt, die im September 2009 auf der Dilsburg oberhalb Neckargemünds stattfand. A. Cser hob die Forschungsleistungen ins Gedächtnis, die U. Uffelmann zu diesem, ihm zur Heimat gewordenen Ort seit Mitte der 1980er Jahre erbracht hat.2 Von Hause aus Mediävist, hat U. Uffelmann sich auch der neueren und neuesten Geschichte zugewandt. Von der Wirtschaftspolitik der Westzonen3 bis zum 17. Juni 19534 reicht dabei die Palette der Publikationen. Im Zentrum seiner zeitgeschichtlichen Bemühungen stand indes eindeutig ein Themenkreis: die Identitätsstiftungen im Südwesten. Der letzte Band, den wir U. Uffelmann zu verdanken haben, bringt seine Forschungsbemühungen um die Vergangenheit des 1952 geschaffenen Baden-Württembergs zu einem würdigen Abschluss. Er erforschte sie vorrangig unter dem Aspekt der Identitätsbildung. Denn der renommierte Landeshistoriker O. Borst hatte 1990 kritisiert, dass die Frage nach dem Landesbewusstsein ein Desiderat landesgeschichtlicher Forschung in BadenWürttemberg darstelle. Wohl deshalb hat U. Uffelmann gerade hier für 20 Jahre sein zeitgeschichtliches Betätigungsfeld gefunden. Zunächst war ihm wichtig, am Beispiel des badischen Politikers H. Köhler, der seit 1948 für die Gründung eines Südweststaates eingetreten war, den Nachweis zu führen, dass ein badisches Profil, durch Herkunft und politische Tätigkeit im Land Baden ausgewiesen, sich mit einer rationalen Entscheidung für den Südweststaat vereinbaren ließe, dass also eine Identitätsrevision in der konkreten historischen Situation von 1948 möglich wäre. U. Uffelmanns zweiter Anlauf galt der südbadischen Identitätsstiftung, der »Erfindung der badischen Kernlande«, wie er sie pointiert nannte. Sorgfältig hat er hier differenziert: Hohe Begabung in der Popularisierung der identitätsstiftenden These stand politischer »Naivität« in der entscheidenden Verhandlungsphase entgegen. Durch die Verweigerung des Karlsruher Vertrags verspielt L. Wohleb das Maximum an regionaler Mitbestimmung. U. Uffelmann gesteht der Bevölkerung prinzipiell eine tragende Rolle zu. Sie akzeptiert, modifiziert oder verwirft die aufkeimenden Identitätsangebote. Ihre Mitwirkung wird dadurch nicht auf punktuelle Ereignisse, auf die Probeabstimmung von 1950 und die Volkabstimmung von 1951 reduziert, sondern wird zu einem genuin und durchgängig demokratischen Vorgang, wobei die grundliberale Position U. Uffelmanns durchscheint. Zunehmend hat er sich auch mit 2 Verzeichnisse der Publikationen von U. Uffelmann finden sich in: Herbert Raisch/Armin Reese (Hrsg.): Historica Didactica. Geschichtsdidaktik heute. Uwe Uffelmann zum 60. Geburtstag. Idstein 1997, S. 291–297 u. Manfred Seidenfuß/Armin Reese (Hrsg.): Vorstellungen und Vorgestelltes. Geschichtsdidaktik im Gespräch, Uwe Uffelmann zum 65. Geburtstag. Neuried 2002, S. 231–243. 3 Uwe Uffelmann: Der Weg zur Bundesrepublik. Wirtschaftliche, gesellschaftliche und staatliche Weichenstellungen 1945–1949. Düsseldorf 1988. 4 Ders.: Die Erhebung des 17. Juni 1953 in der DDR. Neuried 2006. Buch_ZfGD_01_2010.indb 304 20.08.10 12:03 Hasberg / Pfefferle: »Fachwissenschaft in didaktischer Absicht« 305 der Vereinbarkeit regionaler Identitätswünsche und der Notwendigkeit großräumiger rationaler Binnengrenzen befasst, die für ihn Grundbedingung eines funktionierenden Föderalismus waren. Vor allem davon zeugt der neueste und letzte Band mit dem programmatischen Titel »Politischer Regionalismus«.5 3. Geschichtsdidaktik auf geschichtswissenschaftlichem Fundament Die vielfältigen Bemühungen auf zeitgeschichtlichem Gebiet überraschen, wenn man bedenkt, dass U. Uffelmann mit einer unveröffentlicht gebliebenen Dissertation zur karolingischen Staatsstruktur bei Karl Ferdinand Werner in Heidelberg promoviert wurde6 und dass seine letzte Monografie wiederum der – dieses Mal der frühen – fränkischen Geschichte gewidmet war.7 Diverse Studien zum Zisterzienserorden, die der Protestant U. Uffelmann mit notorischer Stetigkeit betrieben hat, mündeten in eine lesenswerten Monografie.8 Hinzu kommen Bände, die er in Kooperation mit E. Erdmann und C. A. Lückerath publizierte.9 Die erwähnten Monografien zu den Zisterziensern und zum frühen Frankenreich versuchen, den Leser als Dialogpartner einzubeziehen und ihm die Sachverhalte als auch die Forschungskontroversen in gezielt anschaulicher Weise vor Augen zu stellen. Sie vor allem belegen, was U. Uffelmann darunter verstand, Fachwissenschaft in didaktischer Absicht zu betreiben. Sie bündeln zum Teil unübersichtliche Ereigniszusammenhänge wie die Geschichte des Merowingerreiches, indem sie einem thematischen Leitfaden folgen, sie anhand unterschiedlicher Quellentypen und Anschauungsmaterialien (z.B. Kartenfolgen) plastisch darstellen, zugleich aber durch inserierte Quellenkritik im Einzelnen wie im Ganzen hinterfragbar machen.10 Es hieße, Eulen nach Athen zu tragen, in einem Organ wie der Zeitschrift für Geschichtsdidaktik die Verdienste würdigen zu wollen, die U. Uffelmann sich im Bereich geschichtsdidaktischer Forschung erworben hat, und dennoch erscheint es angesichts eines mit Vehemenz vonstatten gehenden Generationenwandels in der scientific community angemessen, auf mindestens drei Sektoren hinzuweisen. 5 Heinz Pfefferle/Uwe Uffelmann (Hrsg.): Politischer Regionalismus. Identitätsstiftung und Neugliederung im Südwesten und anderen deutschen Bundesländern, Neuried 2009. 6 Uwe Uffelmann: Studien zur Ostfränkischen Staatsstruktur. Das Regnum Baiern von 788 bis 911. phil. Diss. Heidelberg 1965. 7 Ders.: Das frühe Frankenreich 482–687. Anfänge der abendländischen Geschichte. Neuried 2008. 8 Jörg Thierfelder /Uwe Uffelmann (Hrsg.): Die Zisterzienser. Entwicklungen und Zusammenhänge. Neckargemünd 1985 u. Uwe Uffelmann: Die Zisterzienser im hohen Mittelalter. Anspruch und Wirklichkeit einer europäischen Lebensform. Neuried 2005. 9 Carl August Lückerath/Uwe Uffelmann (Hrsg.): Das Mittelalter als Epoche. Idstein 1995 u. Elisabeth Erdmann/Uwe Uffelmann (Hrsg.): Das Altertum. Idstein 2001. 10 Vgl. dazu die Rezensionen von Wolfgang Hasberg. In: Cistercienser Chronik 113 (2006), S. 203–505 u. in Zeitschrift für Geschichtsdidaktik 8 (2009), S. 190–192. Buch_ZfGD_01_2010.indb 305 20.08.10 12:03 306 Nachruf Keineswegs war U. Uffelmann der Erste, der geschichtsdidaktische Überlegungen in Bezug auf die Epoche Mittelalter anstellte; aber er war der Erste, der ein konsistentes Konzept zu dieser Epoche vorlegte, das nicht nur curriculare Züge aufwies, sondern bereits 1978 so weit geronnen war, dass es zur Basis schulischer Lehrpläne hätte werden können.11 Dass seine Überlegungen kaum curriculare Resonanz nach sich zogen, enttäuschte ihn nachhaltig,12 hielt ihn indes nicht davon ab, immer neue Anläufe zu nehmen. Diese Versuche zeichnen sich dadurch aus, dass sie stets an den Entwicklungen in der Mediävistik orientiert waren, indem neue Zugangsweisen und Methoden daraufhin geprüft wurden, inwieweit ihre Transformation in Lehr-Lernzusammenhänge eine Ausdifferenzierung des historischen Bewussteins versprach. Nur eine positive Evaluation ebnete den Weg zur Rezeption. So waren das Konzept wie sein Autor flexibel genug, neue Impulse aufzunehmen und zu verwerfen. Das gilt in gleicher Weise für den Problemorientierten Geschichtsunterricht (PoGU), der in immer neuen Anläufen zu einem konsistenten Modell entwickelt wurde, von dem H.-J. Pandel 1990 bekundete, es handle sich um »eine geschichtsdidaktische Konzeption […], die in ihren Grundlagen erstaunlich konstant geblieben ist.«13 Dennoch wurde das Konzept 1998 auf dem Frankfurter Historikertag erneut zur Diskussion gestellt. Die »Neue(n) Ansätze des Problemorientierten Geschichtsunterrichts« machen einerseits das Bemühen deutlich, den PoGU auf immer weitere wissenschaftliche Grundlagen zu stützen (z.B. Gestaltpsychologie), andererseits lassen sie erkennen, wie ursprüngliche Aspekte des Konzepts neu gedacht und ggf. aufgegeben wurden.14 Eine neue, pointiertere Gewichtung – etwa im Raster zur Inhaltsauswahl – erfährt dabei die historische Identität, die im Zusammenhang mit der Wiedervereinigung beider deutscher Teilstaaten nach 1989 für U. Uffelmann zunehmend an Bedeutung gewonnen hatte. Das erhellt, dass die zeitgeschichtliche Auseinandersetzung mit Identität und Identitätsstiftung auf die Studien zurückgeht, die der Geschichtsdidaktiker U. Uffelmann im Rahmen seiner Grundlegung des PoGU anstellte.15 Damit wird ein zweites Merkmal verständlicher, das U. Uffelmanns Arbeiten zur Identitätsbildung noch schärfer von der landesgeschichtlichen Literatur abhebt: Die explizite theoretische Fundierung seiner Vorstellungen zur Entstehung von Identität und zur Identitätsstiftung ist in der landesgeschichtlichen Literatur zum deutschen Südwesten singulär. Überlegungen solcher Art finden sich wohl bei Politologen 11 Uwe Uffelmann: Das Mittelalter im historisch-politischen Unterricht, Düsseldorf 1978. 12 Ders.: Mittelalter und Geschichtsbewusstsein. In: Wolfgang Hasberg/Uwe Uffelmann (Hrsg.): Mittelalter und Geschichtsdidaktik. Neuried 2002, S. 259–265. 13 Hans-Jürgen Pandel: Geschichtsdidaktik und Problemorientierter Geschichtsunterricht. Eine Einführung. In: Uwe Uffelmann u.a.: Problemorientierter Geschichtsunterricht. Grundlegung und Konkretion. Villingen-Schwenningen 1990, S. 7–17. 14 Uffelmann, Uwe u.a.: Neue Beiträge zum Problemorientierten Geschichtsunterricht, Idstein 1999. 15 So Pandel (Anm. 13), S. 10ff. Buch_ZfGD_01_2010.indb 306 20.08.10 12:03 Hasberg / Pfefferle: »Fachwissenschaft in didaktischer Absicht« 307 wie H.-G. Wehling und Kulturwissenschaftlern wie H. Bausinger, nicht aber bei Historikern. 4. Wissenschaftler und Lehrer Der Geschichtsdidaktiker U. Uffelmann bekannte sich dazu, als Geschichtsdidaktiker Historiker oder als Historiker Geschichtsdidaktiker zu sein. Zugleich aber war er immer Lehrer, der sich seinen Studierenden, aber auch den Fachkollegen zuwandte, um im Dialog Kenntnisse zu vermitteln oder neue Erkenntnisse zu erwirken. Seinem Institut und seinen Studierenden hielt er die Treue weit über die Emeritierung hinaus, die ihn nach über 30 Dienstjahren 2002 ereilte. Geboren 1937 in Kassel, studierte U. Uffelmann in Marburg und Heidelberg und wirkte nach seiner Promotion (1965) sieben Jahre als Studienrat in Fritzlar, bevor er 1971 an die Pädagogische Hochschule Heidelberg berufen wurde, wo er seit 1973 einen Lehrstuhl für Mittelalter, Zeitgeschichte und Didaktik der Geschichte innehatte.16 An der PH Heidelberg engagierte er sich in der akademischen Selbstverwaltung: als Senator und Leiter der Strukturkommission sowie als Fachbereichsleiter und Dekan seiner Fakultät. Zugleich leitete er mehrer Jahre die Landesfachschaft Geschichte in Baden-Württemberg und gehörte der Lehrplankommission für die Realschule an. Schließlich war er seit 1991 korrespondierendes Mitglied der Kommission für Geschichtliche Landeskunde des Landes Baden-Württemberg. Ein besonderes Anliegen war es dem Wissenschaftsorganisator U. Uffelmann, der Didaktik der Geschichte die gebührende Anerkennung im Rahmen der Hochschullandschaft, bei der Kultusbürokratie und in der Öffentlichkeit zu verschaffen. Ein Instrument zur Realisierung dieses Ziels war die Konferenz für Geschichtsdidaktik, deren Vorsitz er 1989 übernahm, nachdem er bereits fünf Jahre als zweiter Vorsitzender fungiert hatte. Mit der Amtsübernahme war die Konferenz vor neue Aufgaben gestellt. Dass es ihm nicht gelang, die Geschichtsdidaktik und die Geschichtsmethodik wiederzuvereinigen, schmerzte ihn noch im Nachhinein sichtlich.17 Wenn der Verband heute aber über eine gediegene Organisationsstruktur verfügt, dann gehört dies zu den Errungenschaften, die er seinem Ehrenvorsitzenden zu verdanken hat, dem es nicht nur aus diesem Grunde ein ehrendes Andenken zu bewahren gilt. 16 Zur Biographie s. Carl August Lückerath: Ein vir illustrer der Geschichtsdidaktik – Uwe Uffelmann. In: Seidenfuß/Reese: Vorstellungen und Vorgestelltes (Anm. 2), S. 11–18. 17 Uwe Uffelmann/Heinz Pfefferle: Geschichtsdidaktik und Wiedervereinigung. Verstehen, Verständigen, Versagen?, Münster 2005 (GVG 3). Buch_ZfGD_01_2010.indb 307 20.08.10 12:03
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