Liebe Schülerinnen und Schüler, liebe Eltern und Großeltern, liebe Mitarbeitende des EGN „Help me!“ – mit großen Augen schaut sie mich an. Eine junge Frau mit Kopftuch, drei kleine Kinder an der Hand, von denen der Zweijährige sich offensichtlich in der Trotzphase befindet und sich schreiend und wütend immer wieder auf den Boden wirft. Ihr ganzes Hab und Gut befindet sich in zwei großen gelben Säcken. Schwer sind sie und auch uns gelingt es kaum, die Säcke über die weiten Bahnsteige in Leipzig zu tragen. Sie ist mit den drei Kindern den weiten Weg aus Syrien allein gekommen und will nun zu ihrem Mann nach Chemnitz. Herr Gastler und ich sind auf dem Weg nach Mylau, – ein Ortsteil der Nordhorner Partnerstadt Reichenbach – um dort das Evangelische Gymnasium zu besuchen. „Help me!“ verloren steht sie auf dem Bahnsteig, verwirrt über fremde Buchstaben, die sie nicht entziffern kann. Sie drückt mir ihr kleines einjähriges Mädchen auf den Arm und gemeinsam suchen wir das richtige Gleis. Mit Händen und Füßen versuchen wir, ihr zu erklären, dass ihr Zug Verspätung hat. Die Angst steht ihr in den Augen geschrieben, die Angst ihren Mann in Chemnitz nun nicht wieder zu finden. Als wir die Bahnhofsmission verständigt haben, sind wir froh und wissen Mutter und Kinder in guten Händen, zumal die Bahnhofsmission in Leipzig sich sofort mit der Bahnhofsmission in Chemnitz in Verbindung gesetzt hat. „Help me“ – das Elend und die Not dieser jungen Frau, das uns in Leipzig so unmittelbar auf die Haut gerückt war, relativiert Vieles von dem, was wir im Alltag für entscheidend wichtig halten. Am EGN haben wir bislang fünf Flüchtlingsschüler aufgenommen. Ich bin sehr dankbar dafür, dass unsere Landeskirche auf der letzten Landessynode erhebliche Mittel zur Verfügung gestellt hat, um diesen Schülern zu helfen, sich schnell in Deutschland zurechtzufinden und v.a. die deutsche Sprache zu lernen. Neben großartiger ehrenamtlicher Unterstützung durch zwei pensionierte Lehrer können wir darüber hinaus unkompliziert Personal einstellen und Materialien für den Unterricht anschaffen. Die Schüler haben auf diese Weise zur Zeit 15 Stunden Deutschunterricht und 4 Stunden zusätzlichen Englischunterricht. Die übrige Zeit sind sie in den Klassen untergebracht, in denen sie nach meinem Eindruck sehr gut eingebunden worden sind – dafür danke ich den Schülern, Eltern und (Klassen)lehrern von ganzem Herzen. Die Landeskirche bittet uns, Flüchtlingskinder unbürokratisch aufzunehmen und dafür auch die Klassenschülerobergrenze zu überschreiten. Selbstverständlich bemühen wir uns in der Schulleitung, neue Schüler gut über die verschiedenen Klassen zu verteilen. Ich bin bislang stets auf großes Verständnis und spontane Hilfsbereitschaft gestoßen. Dass wir in diesem Zusammenhang unsere Sporthalle verloren haben, mutet zwar den Schülern und Sportkollegen einiges an zusätzlichen Fahrtzeiten zu, ist aber angesichts der dramatischen Wohnungssituation für Flüchtlinge verkraftbar. Schnell und unkompliziert haben sich die Schulleitungen beider Gymnasien in den Herbstferien verständigt. Wir rücken, wenn Not ist, näher zusammen – das ist kein schlechtes Zeichen für Lehrer, Schüler und Eltern beider Gymnasien. Dass der Wunsch nach einer eigenen, neuen Sporthalle durch diese Situation größer wird, ist allerdings auch klar. Die Sporthalle fehlt uns nun noch – aber wir freuen uns im Moment täglich an unserem schönen neuen Erweiterungsbau. Unter Hochdruck haben wir am Ende der Sommerferien die Schule ‚beschulbar’ gemacht – dafür auch an dieser Stelle an alle Beteiligten ganz herzlicher Dank. Ich werde nicht vergessen, wie uns vor den Sommerferien ungefähr 50 Eltern bei brütender Hitze dabei geholfen haben, Stühle aus dem Bildungshaus in das Oberstufenzentrum zu tragen (und umgekehrt) – einmal mehr hat sich an dieser Stelle der großartige Zusammenhalt der Schulgemeinschaft gezeigt. Ich selbst bin froh, dass wir die Bauphase hinter uns gebracht haben (auch wenn eigentlich täglich noch diese oder jene Kleinigkeit zu erledigen ist) und wir alle die Schule konzeptionell weiter entwickeln können. Einen Beitrag dazu hat das Schulforum zum Thema ‚Rhythmisierung des Schulalltags’ geleistet, bei dem Eltern, Schüler und Lehrer, unterstützt von einem Gastreferenten, darüber nachgedacht haben, wie wir unser Ganztagskonzept unter den Bedingungen von G9 weiterentwickeln können. Auf die Weiterarbeit an diesem Thema im neuen Jahr freue ich mich sehr. Wir haben in diesem Schuljahr nicht nur 86 neue Schülerinnen und Schüler in Klasse 5 aufgenommen, die sich schon prima eingelebt haben und das EGN erobert haben, sondern auch viele neue KollegInnen: Wir haben Herrn Drupsteen als Hausmeister verabschiedet und dafür zwei neue Hausmeister gewonnen: Frau Oltrop und Herr Teuber sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Viele neue Kolleginnen und Kollegen bereichern seit den Sommerferien bzw. seit dem 1. November unser Lehrerteam am EGN: Am 31. Oktober endet das Referndariat in NRW und wir sind froh, dass wir sehr gute KollegInnen zum 1. November einstellen können, bevor sie sich an staatlichen Schulen, die erst zum 1. Februar ausschreiben dürfen, bewerben. Dies ist unweigerlich mit Lehrerwechseln verbunden. Im Abiturjahrgang haben wir in den Prüfungsfächern weitgehend auf Lehrerwechsel verzichten können, in den übrigen Jahrgängen war dies notwendig. Wir hoffen, dass wir auch zum 1. Februar noch einmal KollegInnen dauerhaft einstellen können, dann aber ist die „Mannschaft“ am EGN weitgehend komplett. Wir freuen uns sehr über 6 Kinder von Kolleginnen (und erwarten noch eines) und sind dankbar, dass Mütter und Kinder gesund sind. Einen weiteren Wechsel gab es, der sich auf unsere Schulleitung auswirkt: Herr Michners ist als Schulleiter in das Gymnasium an der Vechte (Emlichheim) gewechselt. Ich danke ihm für seine engagierte und gewissenhafte Arbeit am EGN, bedaure es, ihn als ‚Stellvertreter’ verloren zu haben und gratuliere ihm zu dieser neuen Tätigkeit herzlich. Herr Gastler ist kommissarisch als Stellvertreter berufen worden, Herr Dreier und Frau Potgeter ergänzen und bereichern als kommissarische Koordinatoren unser Schulleitungsteam. Ich bin mir sicher, dass alle drei in ihren neuen Tätigkeitsfeldern von der Schulgemeinschaft unterstützt werden und wünsche ihnen für die neuen Aufgaben Gottes Segen. „Machet die Tore weit und die Türen in der Welt hoch, dass der König der Ehren einziehe“ so heißt es in Psalm 24. In dieser Perspektive bereiten wir uns auf das Weihnachtsfest vor, an dem Jesus, das arme Flüchtlingskind, in unsere Welt und unsere Herzen einziehen will. Wer sich darauf einstimmen will, sei herzlich zu unserem Konzert am Freitag, dem 18.12. und dem Weihnachtsgottesdienst am 22.12. 2015 eingeladen (nähere Informationen auf unserer Homepage). Ihnen und Euch allen eine gesegnete Weihnachtszeit und einen guten Rutsch in das Jahr 2016! Ihre Gabriele Obst
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