Weihnachtsbrief 2015 - Evangelisches Gymnasium Nordhorn

Liebe Schülerinnen und Schüler, liebe Eltern und Großeltern,
liebe Mitarbeitende des EGN
„Help me!“ – mit großen Augen schaut sie mich an. Eine junge Frau
mit Kopftuch, drei kleine Kinder an der Hand, von denen der
Zweijährige sich offensichtlich in der Trotzphase befindet und sich
schreiend und wütend immer wieder auf den Boden wirft. Ihr
ganzes Hab und Gut befindet sich in zwei großen gelben Säcken.
Schwer sind sie und auch uns gelingt es kaum, die Säcke über die
weiten Bahnsteige in Leipzig zu tragen. Sie ist mit den drei Kindern den weiten Weg
aus Syrien allein gekommen und will nun zu ihrem Mann nach Chemnitz. Herr Gastler
und ich sind auf dem Weg nach Mylau, – ein Ortsteil der Nordhorner Partnerstadt
Reichenbach – um dort das Evangelische Gymnasium zu besuchen. „Help me!“
verloren steht sie auf dem Bahnsteig, verwirrt über fremde Buchstaben, die sie nicht
entziffern kann. Sie drückt mir ihr kleines einjähriges Mädchen auf den Arm und
gemeinsam suchen wir das richtige Gleis. Mit Händen und Füßen versuchen wir, ihr zu
erklären, dass ihr Zug Verspätung hat. Die Angst steht ihr in den Augen geschrieben,
die Angst ihren Mann in Chemnitz nun nicht wieder zu finden. Als wir die
Bahnhofsmission verständigt haben, sind wir froh und wissen Mutter und Kinder in
guten Händen, zumal die Bahnhofsmission in Leipzig sich sofort mit der
Bahnhofsmission in Chemnitz in Verbindung gesetzt hat. „Help me“ – das Elend und
die Not dieser jungen Frau, das uns in Leipzig so unmittelbar auf die Haut gerückt
war, relativiert Vieles von dem, was wir im Alltag für entscheidend wichtig halten.
Am EGN haben wir bislang fünf Flüchtlingsschüler aufgenommen. Ich bin sehr dankbar
dafür, dass unsere Landeskirche auf der letzten Landessynode erhebliche Mittel zur
Verfügung gestellt hat, um diesen Schülern zu helfen, sich schnell in Deutschland
zurechtzufinden und v.a. die deutsche Sprache zu lernen. Neben großartiger
ehrenamtlicher Unterstützung durch zwei pensionierte Lehrer können wir darüber
hinaus unkompliziert Personal einstellen und Materialien für den Unterricht
anschaffen. Die Schüler haben auf diese Weise zur Zeit 15 Stunden Deutschunterricht
und 4 Stunden zusätzlichen Englischunterricht. Die übrige Zeit sind sie in den Klassen
untergebracht, in denen sie nach meinem Eindruck sehr gut eingebunden worden sind
– dafür danke ich den Schülern, Eltern und (Klassen)lehrern von ganzem Herzen. Die
Landeskirche bittet uns, Flüchtlingskinder unbürokratisch aufzunehmen und dafür
auch die Klassenschülerobergrenze zu überschreiten. Selbstverständlich bemühen wir
uns in der Schulleitung, neue Schüler gut über die verschiedenen Klassen zu verteilen.
Ich bin bislang stets auf großes Verständnis und spontane Hilfsbereitschaft gestoßen.
Dass wir in diesem Zusammenhang unsere Sporthalle verloren haben, mutet zwar den
Schülern und Sportkollegen einiges an zusätzlichen Fahrtzeiten zu, ist aber angesichts
der dramatischen Wohnungssituation für Flüchtlinge verkraftbar. Schnell und
unkompliziert haben sich die Schulleitungen beider Gymnasien in den Herbstferien
verständigt. Wir rücken, wenn Not ist, näher zusammen – das ist kein schlechtes
Zeichen für Lehrer, Schüler und Eltern beider Gymnasien. Dass der Wunsch nach einer
eigenen, neuen Sporthalle durch diese Situation größer wird, ist allerdings auch klar.
Die Sporthalle fehlt uns nun noch – aber wir freuen uns im Moment täglich an
unserem schönen neuen Erweiterungsbau. Unter Hochdruck haben wir am Ende der
Sommerferien die Schule ‚beschulbar’ gemacht – dafür auch an dieser Stelle an alle
Beteiligten ganz herzlicher Dank. Ich werde nicht vergessen, wie uns vor den
Sommerferien ungefähr 50 Eltern bei brütender Hitze dabei geholfen haben, Stühle
aus dem Bildungshaus in das Oberstufenzentrum zu tragen (und umgekehrt) – einmal
mehr hat sich an dieser Stelle der großartige Zusammenhalt der Schulgemeinschaft
gezeigt. Ich selbst bin froh, dass wir die Bauphase hinter uns gebracht haben (auch
wenn eigentlich täglich noch diese oder jene Kleinigkeit zu erledigen ist) und wir alle
die Schule konzeptionell weiter entwickeln können. Einen Beitrag dazu hat das
Schulforum zum Thema ‚Rhythmisierung des Schulalltags’ geleistet, bei dem Eltern,
Schüler und Lehrer, unterstützt von einem Gastreferenten, darüber nachgedacht
haben, wie wir unser Ganztagskonzept unter den Bedingungen von G9
weiterentwickeln können. Auf die Weiterarbeit an diesem Thema im neuen Jahr freue
ich mich sehr.
Wir haben in diesem Schuljahr nicht nur 86 neue Schülerinnen und Schüler in Klasse 5
aufgenommen, die sich schon prima eingelebt haben und das EGN erobert haben,
sondern auch viele neue KollegInnen: Wir haben Herrn Drupsteen als Hausmeister
verabschiedet und dafür zwei neue Hausmeister gewonnen: Frau Oltrop und Herr
Teuber sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Viele neue Kolleginnen und
Kollegen bereichern seit den Sommerferien bzw. seit dem 1. November unser
Lehrerteam am EGN: Am 31. Oktober endet das Referndariat in NRW und wir sind
froh, dass wir sehr gute KollegInnen zum 1. November einstellen können, bevor sie
sich an staatlichen Schulen, die erst zum 1. Februar ausschreiben dürfen, bewerben.
Dies ist unweigerlich mit Lehrerwechseln verbunden. Im Abiturjahrgang haben wir in
den Prüfungsfächern weitgehend auf Lehrerwechsel verzichten können, in den übrigen
Jahrgängen war dies notwendig. Wir hoffen, dass wir auch zum 1. Februar noch
einmal KollegInnen dauerhaft einstellen können, dann aber ist die „Mannschaft“ am
EGN weitgehend komplett. Wir freuen uns sehr über 6 Kinder von Kolleginnen (und
erwarten noch eines) und sind dankbar, dass Mütter und Kinder gesund sind. Einen
weiteren Wechsel gab es, der sich auf unsere Schulleitung auswirkt: Herr Michners ist
als Schulleiter in das Gymnasium an der Vechte (Emlichheim) gewechselt. Ich danke
ihm für seine engagierte und gewissenhafte Arbeit am EGN, bedaure es, ihn als
‚Stellvertreter’ verloren zu haben und gratuliere ihm zu dieser neuen Tätigkeit
herzlich. Herr Gastler ist kommissarisch als Stellvertreter berufen worden, Herr Dreier
und Frau Potgeter ergänzen und bereichern als kommissarische Koordinatoren unser
Schulleitungsteam. Ich bin mir sicher, dass alle drei in ihren neuen Tätigkeitsfeldern
von der Schulgemeinschaft unterstützt werden und wünsche ihnen für die neuen
Aufgaben Gottes Segen.
„Machet die Tore weit und die Türen in der Welt hoch, dass der König der Ehren
einziehe“ so heißt es in Psalm 24. In dieser Perspektive bereiten wir uns auf das
Weihnachtsfest vor, an dem Jesus, das arme Flüchtlingskind, in unsere Welt und
unsere Herzen einziehen will.
Wer sich darauf einstimmen will, sei herzlich zu unserem Konzert am Freitag, dem
18.12. und dem Weihnachtsgottesdienst am 22.12. 2015 eingeladen (nähere
Informationen auf unserer Homepage).
Ihnen und Euch allen eine gesegnete Weihnachtszeit und einen guten Rutsch in das
Jahr 2016!
Ihre Gabriele Obst