der Link - BUND Naturschutz in Bayern eV

Bayern
Die Wildkatze ist zurück
Im Anhauser Tal wurden ein Wildkatzen-Männchen und mehrere Weibchen nachgewiesen.
Warum die scheuen Tiere in Bayern wieder auf dem Vormarsch sind. Von Dorothea Schuster
Viele Jahre lang hielt man sie in Bayern für ausgestorben. Jetzt ist die Wildkatze in Bayern
wieder auf dem Vormarsch.
Foto: dpa, Fredrik von Erichsen
Als 2013 die Nachricht kam, dass im Revier Mittelneufnach (Kreis Augsburg) eine Wildkatze
genetisch nachgewiesen wurde, war das eine Sensation. Denn niemand hatte geglaubt, dass bei uns
die scheuen Waldtiere leben. Jetzt zeigt sich: Immer mehr Tiere streifen mittlerweile durch unsere
Region. Die roten Punkte auf der Verbreitungskarte des Bund Naturschutz sind mehr geworden.
Hubert Droste, Chef des Forstbetriebs Zusmarshausen (Kreis Augsburg) der Bayerischen
Staatsforsten, ist mächtig stolz, dass bei ihm jetzt drei Funde bestätigt wurden: im Anhauser Tal
zwei im zweiten Jahr in Folge und bei Horgau das erste Mal. Wildkatzen gibt es nachweislich jetzt
auch nordöstlich von Memmingen. Die untersuchten Haare stammen von einem Kater und
mehreren Weibchen. Um wie viele Tiere es sich handelt, konnte genetisch nicht nachgewiesen
werden.
Die Wildkatzen waren vor Jahrzehnten systematisch ausgerottet worden. Jäger sahen in ihnen
Beutekonkurrenten. Sie wurden nicht nur geschossen, sondern auch in Fallen gefangen. Dabei
fressen sie keine Rehe und Hasen, sondern Mäuse und anderes Kleingetier. Außerdem waren sie
begehrte Trophäen. Heute sind die geschützten Wildkatzen allein schon wegen der geliebten
„Haustiger“ Sympathieträger.
Ein Wildkatzen-Revier liegt 40 Kilometer von Augsburg entfernt
1984 startete der Bund Naturschutz in Bayern eine Wiedereinbürgerungsaktion. Im Spessart wurden
über 600 Wildkatzen ausgesetzt. Die Jungtiere mussten sich nach und nach neue Reviere suchen
und breiteten sich über den Frankenwald und den Steigerwald Richtung Süden aus. Über den
Jurabogen gelangten sie schließlich in den Naturpark „Augsburg Westliche Wälder“. Das war 2013
im Revier Mittelneufnach, rund 40 Kilometer südwestlich von Augsburg. Ein Jahr darauf wurde die
heimliche Waldbewohnerin das erste Mal bei Droste im Anhauser Tal nachgewiesen.
Anfang dieses Jahres war das Forschungsprojekt „Katzensprung“ gezielt in großem Stil auf
Südbayern ausgeweitet worden. Der Bund Naturschutz gewann die Bayerischen Staatsforsten als
Partner. Rund 700 Ehrenamtliche betreuten über zehn Wochen lang 1100 Lockstöcke im Wald,
präparierten sie immer wieder mit Baldrian. Diesem Geruch können Wildkatzen nämlich nicht
widerstehen. Die Tiere reiben sich daran und hinterlassen an dem rauen Holz Haare. Droste selbst
konnte einige bei windigem Wetter sichern, bevor sie wegflogen. Es dauerte Monate, bis er endlich
das mit Spannung erwartete Ergebnis bekam: Die Anhauser Katze ist noch da und noch eine
weitere.
Hunderte Proben, die im Frühjahr von Mitarbeitern der Staatsforsten und den vielen
Ehrenamtlichen bei der Biologin Sabine Jantschke eingegangen waren, mussten vorsortiert werden.
Es waren auch Haare von Wildschweinen und Rehen dabei, sagt die Ehrenamtskoordinatorin. Rund
300 Proben wurden dann zur genetischen Untersuchung an das bayerische Amt für forstliche Saatund Pflanzenzucht in Teisendorf (Kreis Berchtesgadener Land) geschickt.
Auch wenn die aufwendige und kostspielige Suchaktion (ein Test kostet um die 80 Euro) wohl erst
wieder in drei Jahren durchgeführt werden soll, möchte Förster Droste dranbleiben. Er hat noch
einen Baldrian-Vorrat und denkt außerdem darüber nach, Fotofallen in potenziellen Revieren zu
installieren. Es ist denkbar, dass schon in den vergangenen Jahren Wildkatzen die heimischen
Wälder durchstreiften. Es hat sie aber niemand gesehen. Auch Droste nicht, der viel im Wald
unterwegs ist und bei der Jagd vom Hochsitz aus einen Überblick hat. Die Tiere sind scheu,
nachtaktiv und halten sich von Siedlungen fern.
Wildkatzen mögen lichte Mischwälder
Ob es sich im Anhauser Tal um ein oder zwei Tiere handelt, lässt sich nicht feststellen. Funde
wurden im Übrigen auch im baden-württembergischen Allgäu Richtung Leutkirch gemacht. Doch
man weiß nicht, ob diese Katzen von Bayern über die Landesgrenze gewandert sind. Dort wurde
noch nie ein Monitoring gemacht, sagt Ulrike Geise, die das Projekt beim Bund Naturschutz
koordiniert. Fest steht auch: im südlichen Oberbayern Fehlanzeige. Bis die Katze kommt, braucht
man Geduld. Bei der Großaktion in Südbayern mit 1100 Lockstöcken gab es nur 16, an denen
Haare gefunden wurden.
Droste glaubt zu wissen, warum sich die Wildkatze in den Westlichen Wäldern, einem 50 000
Hektar großen zusammenhängenden Gebiet westlich von Augsburg, wohlfühlt. Sie liebt einen
strukturreichen Wald. Den gibt es beispielsweise im Anhauser Tal wieder. In den letzten 20 bis 25
Jahren entstanden dort – beschleunigt durch Orkan Lothar – lichte Mischwälder. Vorher waren es
dunkle Fichtenbestände. Es gibt Grasstreifen entlang der Forstwege, wo sich die Mäuse tummeln.
Es liegt Totholz am Boden, wo sich die Wildkatze vor Feinden verstecken und schlafen kann. Was
Droste zum Ende des bayerischen Aktionsjahres Waldnaturschutz besonders freut: Die Wildkatze
fühlt sich offensichtlich in einem intensiv genutzten Wirtschaftswald wohl.