D&O-Versicherung im Mittelsstand

magazin
unternehmer
63. Jahrgang • G 4012 • 9,50 Euro
unternehmermagazin
Inhaber im Mittelstand
•
Zeitschrift für Familienunternehmen
3/4 • 2015
75.000 Auflage
Titelthema
Standort Deutschland
Industrie 4.0 | Daten und Datensicherheit
Special
Mittelstandsfinanzierung
Titelthema
Titelthema
Special
Neue Geschäftsmodelle Sicherheitstechnologien Familienunternehmen
Vierte industrielle Revolution Autonome Maschinenparks Internationale Standards
EXTRA
Betriebliche Vorsorge und Versicherungen
D&O-Versicherungen im Mittelstand
Aggressiv und freundlich
ber die Haftung für unternehmeri- vanten deutschen Unternehmen D&O-Versche Fehler wurde noch vor 25 Jah- sicherungen haben, summiert sich die Zahl
ren nicht einmal diskutiert. Makler, der Haftungsfälle auf über 20.000! Mit diedie D&O-Haftpflichtpolicen in ihrem Port- ser Zahl liegt Deutschland gemessen an seifolio hatten (»Directors and
ner ökonomischen Potenz
Officers«-Versicherung)
im weltweiten Ranking der
blieb der Zutritt zu ChefetaManagerhaftung auf dem
gen verwehrt. Doch die Zeiersten Platz. Für diese Entten haben sich geändert. Seit
wicklung spielt die hier zidem ARAG-Urteil des BGH,
tierte ARAG-Entscheidung
das Aufsichtsräte verpflichdes BGH eine große Rolle.
tet, Schadenersatzansprüche
Die Verpflichtung des
gegen Vorstände geltend zu
Aufsichtsrats oder der Gemachen, werden D&O-Versellschafterversammlung
sicherungen auch hierzulanzur Auslösung von Hafde verkauft. Kunden waren
tungsansprüchen
wird
zunächst die börsennotierernst genommen. Im
Michael Hendricks
ten Konzerne. Dann kamen
Übrigen haben sich die gedie Familienkonzerne hinzu.
setzlichen RahmenbedinHeute ist das Interesse im Mittelstand gungen verschärft. Ungenügende »Compliallgemein, wobei die Initiative unverändert ance« wird von den Behörden verfolgt. Daroft aus Aufsichtsräten oder Beiräten kommt, über hinaus kann die Verschärfung von
die ja zunehmend auch in Gesellschaften mit Wettbewerbssituationen Unternehmen an
beschränkter Haftung eingerichtet werden. die Grenzen der Legalität führen, was nicht
Außerdem löst die Einstellung von Fremdge- zuletzt die vielen Kartellverfahren zeigen.
schäftsführern, speziell im Zuge von Gene- Die aus ihnen resultierenden Geldbußen für
rationswechseln, Bedarf an D&O-Versiche- Firmen rufen heute Regressansprüche gegen
rungen aus.2015 lebt der deutsche Markt von die Vorstände, Geschäftsführer und Aufüber 50.000 Policen mit einem Prämienvo- sichtsräte hervor.
lumen von rund 750 Mio. Euro im Jahr.
Insofern wird von frisch berufenen VorZugleich sind über 40 Versicherungsge- ständen und Geschäftsführern oft nachgesellschaften mit rund 6.000 laufenden Ma- sucht, eine Haftungsfreistellungsklausel in
nagerhaftungsverfahren befasst. Wenn zur- ihre Anstellungsverträge aufzunehmen, was
zeit laut vagen Schätzungen 30 % der rele- für Vorstände von Aktiengesellschaften
Ü
Industriespionage in Deutschland | Geschädigte Branchen
je 2,7
1,9
22,5
4,5
5,4
6,3
7,2
17,1
6,3
8,1
12,6
Automotive | Luftfahrt | Schiffsbau | Maschinenbau
Chemie/Pharma | Biotechnologie
Elektrotechnik | Elektronik | Feinmechanik | Optik
Eisen+Stahl | Metallverarbeitung | Grundstoffe
Banken | Finanzdienstleistungen | Versicherungen
Logistik | Verkehr
Computer | Software
Handel | E-Commerce
Telekommunikation | Internet
Immobilien | Wohnungswirtschaft
Textilien | Bekleidung | Leder | Holz | Glas
Versorgung | Energie
Unternehmensberatung
Personalberatung | Steuerberatung | Wirtschaftsprüfung
In %
42
Quelle: Corporate Trust 2014
unternehmermagazin 3/4·2015
nicht geht, während GmbH-Geschäftsführer im Innenverhältnis mit den Gesellschaftern Haftungserleichterungen vereinbaren
können, wennglich jede Begrenzung ihrer
Haftung gegenüber Dritten auch bei ihnen
unwirksam bleibt. Bei solchen Diskussionen tritt die D&O-Versicherung heute jedenfalls in den Vordergrund.
Der Abschluss einer Police durch ein
Unternehmen erfolgt meist in Verbindung
mit der Gewährung von Rechtsschutz im
Zusammenhang mit Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren, wobei die Regelung
ab einer bestimmten Betriebsgrößenklasse
inzwischen nahezu Standard ist. Allerdings
finden sich sehr unterschiedliche Formulierungen in den Verträgen. Sie können sich in
der einfachen Feststellung erschöpfen, dass
die Gesellschaft verpflichtet ist, angemessenen D&O-Versicherungsschutz zu stellen.
Die Vereinbarungen können aber durchaus
auch mehrere Seiten umfassen sowie die Art
und den Umfang der Deckung präzisieren.
In der Praxis stellt sich die Interessenlage beim Abschluss von D&O-Versicherungen recht einfach dar: In erster Linie geht es
immer um den Schutz privaten Vermögens
angestellter Vorstände, Geschäftsführer und
Aufsichtsräte sowie mittlerweile auch bezogen auf Gesellschafter. Zugleich geht es stets
aber auch um den Schutz des Unternehmens
selbst. Die hohen Deckungssummen der Policen stellen hohe Beträge bereit, die mit der
Vollstreckung ins Privatvermögen des Managements normalerweise nicht realisierbar
wären. Dieser aktive »Bilanzschutz« dient der
Sicherung der Existenz des Unternehmens.
Hinzu kommt, dass Haftungsfragen in
der Praxis nach einer Schädigung von Unternehmensvermögen weniger aggressiv diskutiert werden, wenn eine Versicherungsgesellschaft die Feststellung des Tatbestandes
und die späteren Vergleichsgespräche moderiert. Dieses Prozedere vermeidet auch negative Publizität, da es dann weder gerichtliche
noch öffentliche Auseinandersetzungen gibt.
Zuzugeben ist, dass das Bedingungswerk
von D&O-Versicherungen relativ intransparent ist, was nicht nur an der relativ großen
Zahl der Anbieter liegt, sondern auch daran,
Buch 11
dass sie sich nicht an den Rahmenbedingungen des Verbandes der Versicherungswirtschaft orientieren. Insofern ist bei einem Vertragsabschluss auf diese Punkte zu achten:
> Schadenersatzansprüche aus eventuellen
Pflichtverletzungen vor Beginn des Versicherungsvertrags können mit abgedeckt werden.
> Der Kreis der versicherten Personen sollte
möglichst weit gefasst sein und auch die Gesellschafter des Unternehmens einschließen.
Zwei Ziele • Bilanz- und Vermögensschutz
> Nach dem Ausscheiden aus dem Amt soll-
te der Versicherungsschutz für die vormals
versicherten Personen weiter gelten.
> Deckungsausschlüsse sollten mit der Ausnahme von vorsätzlichen Pflichtverletzungen
nicht akzeptiert werden.
> Die Deckungssumme der Police sollte 10 %
des Umsatzes des Unternehmens betragen.
> Die Obliegenheiten, dem Versicherer Ereignisse anzuzeigen, sollten auf ein Mindestmaß reduziert werden. Umfangreichen Fragenkatalogen der Versicherungsgesellschaften muss nicht nachgekommen werden. Es
darf nur danach gefragt werden, ob der Geschäftsleitung des Unternehmens zu einem
Zeitpunkt Pflichtverletzungen bekannt sind,
die zu einem Haftungsfall führen könnten.
Die Jahresprämien sind gegenwärtig historisch günstig. Die Anbieter kalkulieren im
Schnitt Prämien von 1.000 Euro pro Million
Euro Deckungssumme. In diesem Tarif sind
alle Organmitglieder in den Beteiligungsgesellschaften eines Unternehmens mit erfasst.
Hendricks & Co. hat seit dem Jahr 2000
rund 800 D&O-Haftungsfälle registriert und
in einer Schadendatenbank ausgewertet. Im
Zuge dieser Statistik haben wir ermittelt, dass
> 80 % der festgestellten Schadenfälle im Innenverhältnis liegen, so dass daraus resultierend ein Anspruch einer Gesellschaft gegen
ihre eigene Geschäftsleitung besteht,
> der überwiegende Teil der übrigen 20 %
auf Insolvenzen zurückzuführen ist,
> in lediglich 7 % der gemeldeten Fälle klare
Haftungslagen gegeben sind,
> über 90 % der gemeldeten Haftungsfälle
mit Vergleichen enden,
> 70 % der Ausgaben der Versicherungen
profan Anwalts- und Gerichtskosten gelten.
Die empirischen Fakten zeigen, dass der
Rechtsschutzcharakter einer D&O-Versicherung überwiegt. Da Rechtskosten jedoch auf
die Deckungssumme angerechnet werden,
ergibt sich daraus ein latentes Risiko, dass es
für einen Schadenausgleich bisweilen knapp
werden könnte. Daher werden neuerdings
zusätzlich Vermögensschaden-Rechtsschutzversicherungen abgeschlossen,um die eigentliche D&O-Deckungssumme zu schonen.
Die Abwicklung von D&O-Haftungsfällen mit Versicherungen kann sehr verschieden erfolgen. In der Praxis gibt es zwei Fallgruppen, die feindlich aggressive Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen sowie die freundliche Inanspruchnahme. In die
erste Gruppe fallen in erster Linie Ansprüche
außenstehender Dritter, also von Behörden,
Kunden, Wettbewerbern und Insolvenzverwaltern. In dieser Konstellation ist die Interessenlage des angegangenen Unternehmens
und seiner versicherten Personen oft gleich.
Die (gemeinschaftliche) Abwehr von Schadenersatzansprüchen steht im Vordergrund.
Freundliche Inanspruchnahmen finden
ausschließlich zwischen einer Gesellschaft
und ihren meist noch amtierenden Organmitgliedern statt. Hier versuchen die Parteien darzulegen, dass es in Folge einer schuldhaften Pflichtverletzung der versicherten Person zu einem Schaden kam, der von der Versicherungsgesellschaft ausgeglichen werden
müsse. Solche Anlässe rufen den Unmut der
Versicherer hervor, da Schadenersatzansprüche auch nur deshalb erhoben werden, weil
es eine D&O-Versicherung gibt. Nicht selten
wird es dann erforderlich,denVersicherungsschutz mit einer Klage geltend zu machen.
Gleichwohl wird sich der Markt weiterentwickeln und auch eine Sättigung im mittelständischen Segment erreichen. Ein Preiswettbewerb ist eher nicht zu erwarten, da das
Schadenvolumen heute schon deutlich höher
als das jährliche Prämienvolumen liegt.
Michael Hendricks, Geschäftsführender
Gesellschafter Hendricks & Co. GmbH,
Düsseldorf
BEHAVIORAL
STRATEGY
Denken und Fühlen im
Entscheidungsprozess
Das Unbewusste und der
Unternehmenserfolg
Neues Standardwerk
THEORIE UND PRAXIS
» Dr. Claudia Nagel
Das Strategische Denken ist die letzte
Bastion im Management, die noch als
rein rationale Aufgabe gilt. Nur was
zahlen-, daten- und faktenbasiert ist,
soll hier auftreten dürfen. Dabei erschließt die Psychologie heute Fähigkeiten und Kompetenzen, die über
Verstandesarbeit, Vernunft und Logik
weit hinausgehen. Dieser neue Ansatz
verspricht bessere Entscheidungen.
Dabei werden auch Tabuthemen für
die Wirtschaft geöffnet, vor allem die
Welt unserer Gefühle und der Intuition.
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GEDANKEN FÜR GENERATIONEN
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