wenn fresszellen nicht mehr fressen wollen

WISSENSCHAFT 11
Wie sich Tumore ernähren
Makrophage im Einsatz: Fresszellen spielen eine wichtige Rolle in der Immunabwehr. Werden sie
in ihrer Arbeit nicht gestört, können sie ganze Zellen verschlingen.
WENN FRESSZELLEN NICHT
MEHR FRESSEN WOLLEN
Frankfurt/M. (ko) – Durch raffinierte Mechanismen sind Tumor­
zellen in der Lage, die Immunabwehr auszutricksen. Wie das funktioniert, ergründen derzeit Frankfurter Wissenschaftler.
Unser Immunsystem ist mit verschiedenen Zelltypen ausgestattet, um den Körper
vor fremdartigen Substanzen und Strukturen wie etwa Tumorzellen zu schützen.
Teil dieses ausgeklügelten Bollwerks sind die Fresszellen, sogenannte Makrophagen. Auf der Jagd nach Schädlingen verleiben sie sich diese ein und lösen sie in
ihrem Zellinneren auf. Makrophagen kommen in zahlreichen Geweben und natürlicherweise auch in Tumoren vor. Um sich jedoch vor ihrem Angriff zu schützen,
haben Tumorzellen eine clevere Überlebensstrategie entwickelt: Sie manipulieren
die Fresszellen so, dass diese ihre Anti-Tumorwirkung verlieren. Der Angriffspunkt
für diese Strategie sind fettähnliche Substanzen, sogenannte Lipide, die aus den
Zellhüllen der Makrophagen stammen. Mit Hilfe eines Enzyms mit dem wissenschaftlichen Namen mPGES-1 verändern Krebszellen die Lipide so, dass diese
sogar das Wachstum von Tumoren fördern können.
Wissenschaftler der Universität Frankfurt am Main versuchen nun, diesen Schutzmechanismus auszuhebeln. Untersuchungen haben gezeigt, dass Brusttumoren
langsamer wachsen, wenn ihnen mPGES-1 fehlt. Deshalb wollen die Forscher
herausfinden, wie genau das Enzym die Fresszellen in ihrer Anti-Tumorwirkung
hemmt. In der Studie soll auch geklärt werden, ob sich durch eine medikamentöse
Hemmung von mPGES-1 die Wirksamkeit einer Tumortherapie verbessern lässt.
Die Deutsche Krebshilfe fördert das Projekt mit rund 180.000 Euro.
München (elf) – Für unsere Zellen
ist er ein schneller Energielieferant:
Zucker. Auch Krebszellen nehmen den
süßen Nährstoff auf. Sie verwerten
ihn jedoch anders als ihre gesunden
Artgenossen: Sie vergären den Zucker.
Die Energieausbeute der Vergärung ist
vergleichsweise gering. Daher brauchen
Krebszellen deutlich mehr Zucker, um
ihren Energiebedarf zu decken. Als
Folge können Krebspatienten stark
abmagern und ein weiteres, eigenes
Krankheitsbild entwickeln – die sogenannte Tumorkachexie. Welche Faktoren
zu dem veränderten Stoffwechsel von
Tumorzellen führen, ist bislang nicht
bekannt. Professor Dr. Hana Algül aus
München möchte diese Wissenslücke
nun im Rahmen eines Forschungsprogrammes und einer von der Deutschen
Krebshilfe geförderten Stiftungsprofessur schließen.
Bedeutet der veränderte Stoffwechsel
von Krebszellen auch, dass wir durch
unsere Ernährung das Wachstum von
Tumoren beeinflussen können? Unbestritten ist, dass Übergewicht bei vielen
Krebsarten das Risiko einer Erkrankung
erhöht. Warum, ist jedoch noch unklar.
Auch dies wird Algül gemeinsam mit
seinem Team in den kommenden fünf
Jahren untersuchen. Dabei konzentrieren sich die Forscher auf den Bauchspeicheldrüsenkrebs. Bei dieser Krebsart
erhöht Übergewicht das Erkrankungsrisiko und Betroffene leiden schon früh
im Krankheitsverlauf an einer Kachexie.
Dadurch ist der Bauchspeicheldrüsenkrebs ideal geeignet, um die wechselseitige Beziehung zwischen Tumor und
Ernährung zu untersuchen. Die Deutsche Krebshilfe fördert die Stiftungsprofessur mit einer Million Euro über einen
Zeitraum von fünf Jahren.
Projektleitung: Professor Dr. med. Hana Algül,
Geschäftsführender Oberarzt der II. Medizini-
Projektleitung: Professor Dr. Bernhard Brüne, Institut für Biochemie I, Fachbereich Medizin,
schen Klinik des Klinikums rechts der Isar
Universität Frankfurt am Main.
der Technischen Universität München.
Magazin der Deutschen Krebshilfe Nr. 3/2015