Gemeinsam das Problem des Lehrermangels lösen

ph
Fachgewerkschaft der Gymnasiallehrerinnen und Gymnasiallehrer in Sachsen-Anhalt
Gemeinsam das Problem des Lehrermangels lösen
Seit Jahren sieht es nicht gut aus im Land, seit Jahren wiederholt der Philologenverband die
gleiche Forderung nach notwendigen Lehrereinstellungen, aber seit etwa zwei Jahren ist nun
endlich ein deutliches Bemühen der Landesregierung erkennbar, dieses gravierende Problem
zu lösen. Es ist dabei wenig hilfreich, auch mit Blick auf den bevorstehenden Wahlkampf, die
gegenwärtige Regierungskoalition allein dafür verantwortlich zu machen und – mit dem
populistischen Vorwurf der Verantwortungslosigkeit und Unfähigkeit gewürzt - eine
undifferenzierte Einstellung von 400 bis 600 Lehrerinnen und Lehrern zu fordern.
Klassenkampfrhetorik hilft hier nicht weiter. Dieses ernste Problem des Lehrermangels kann
kein Vehikel für politisch wie auch immer geartete Interessen sein und nur gemeinsam mit
allen Beteiligten auf einer sachlichen Ebene gelöst werden. Der Lehrermangel zeichnet sich
schon seit über 15 Jahren ab und es wurden besonders in dieser Zeit kaum präventive
Maßnahmen getroffen, um die Überalterung des Lehrkörpers zu bremsen. Neue und vor allem
junge Lehrerinnen und Lehrer blieben an unseren Schulen die Ausnahme.
Die Zahl der Einstellungsangebote wurde im ersten Halbjahr 2015 bereits von 250 auf 470 in
Sachsen-Anhalt erhöht. Es fehlen aber derzeit noch immer etwa 300 Lehrkräfte, um eine
105%ige Versorgung sicherzustellen. Der momentane Stand entspricht zwar einer
Verbesserung gegenüber dem Jahresbeginn, aber mit einer Versorgung am Gymnasium von
100,8 % und an den Sekundarschulen von 101,1 % ist weder das Ziel der Landesregierung
(102,5 %) erreicht noch unsere Forderung nach 105 % an jeder Schule in jeder Schulform
erfüllt. Eine Vertretungsreserve, die den zu Recht beklagten Unterrichtsausfall minimiert, ist,
auch mit Blick auf die Altersstruktur der Lehrerschaft von durchschnittlich fast 52
Lebensjahren, dringend notwendig. Das Kultusministerium und das Landesschulamt sind
sichtlich bemüht, durch schulscharfe Bedarfsermittlungen, intensiven Kontakt mit den
Schulleitungen und mit terminunabhängigen Neueinstellungsangeboten dieses Problem zu
lösen: Im Kalenderjahr 2015 werden bis zum Jahresende 600 Einstellungen vorgenommen
sein (momentan sind es 530 realisierte Stellen), davon etwa 110 an unseren Gymnasien. Die
nächsten 265 Stellenausschreibungen sind für die erste Novemberwoche geplant, die im 2.
Halbjahr besetzt werden sollen. Erstmals verfügt das Land auch über reguläre
Befristungsmittel in größerem Umfang, um schnell auf Langzeitausfälle reagieren zu können.
Darüber hinaus sind weitere finanzielle Mittel für die befristete Einstellung von Lehrkräften zur
Sprachförderung zur Verfügung gestellt worden. Es wagt zum gegenwärtigen Zeitpunkt und
vor dem Hintergrund unkalkulierbarer Flüchtlingsströme wohl niemand, eine ernsthafte
Prognose für den Bedarf an „Sprachförderungs“-Lehrern anzustellen.
Philologenverband Sachsen-Anhalt
Landesgeschäftsstelle
Sixtistraße 16 a, 06217 Merseburg
Tel.: (0 34 61) 20 35 62, Fax: (0 34 61) 41 54 58
Email: [email protected], Internet: www.phvsa.de
Als Bumerang erweist sich jetzt, dass jahrelang kaum Referendare - ausgebildet bei uns unter
hohen Kosten - in den regulären Schuldienst übernommen wurden. Es ist ebenfalls zu
bedenken, dass in den strukturschwachen Regionen, im ländlichen Raum, abseits größerer
Städte, oft keine Bewerber für ausgeschriebene Stellen gefunden werden und Mangelfächer
wie Mathematik, Physik, Kunsterziehung oder Musik selbst in Ballungszentren kaum neu
besetzt werden können. Es ist zwar beabsichtigt, die Zahl der Lehramtsstudenten von
gegenwärtig etwa 400 auf 750 pro Jahr zu erhöhen, aber dazu sind weitere Mittel für die
Martin-Luther-Universität zur Verfügung zu stellen, die das Land momentan nicht aufbringen
kann. Hier besteht dringender Handlungsbedarf.
Von den derzeit 14.378 aktiven Lehrerinnen und Lehrern (im Vorjahr waren es noch 14.515)
im Land sind 161 älter als 62 Jahre. Hinzu kommt, dass der Anteil der Langzeiterkrankten in
den Jahren von 2004 – 2014 von 0,8 % auf 2,3 % gestiegen ist. Die meisten älteren
Lehrerinnen und Lehrer sind am Ende ihrer Kräfte, wenn sie jenseits der 60 noch mit fast
voller Stundenzahl unterrichten und sie können sich nicht auf weniger anstrengende
Tätigkeiten zurückziehen, wie es in anderen Bereichen des öffentlichen Dienstes möglich ist.
Das Problem der Überalterung ist kein sachsen-anhaltisches allein: Von den deutschlandweit
181.000 Lehrkräften an Gymnasien (2015) gehören 45 % der Altersgruppe zwischen 50 und
65 Jahren an, bis zum Jahr 2025 werden 28 % aller Lehrkräfte gesichert aus dem Schuldienst
ausscheiden. Ähnliche Relationen bestehen in den anderen Schulformen. Allein an den
Gymnasien müssten in Deutschland 47.000 Lehrerinnen und Lehrer eingestellt werden, um
den gegenwärtigen Stand an Gymnasiallehrkräften zu erhalten. Aufgrund des demografischen
Echos wird es aber dieser Quote nicht bedürfen. In Deutschland existiert in den Jahren 2015 2025 ein Lehrereinstellungsbedarf allein für die Sekundarstufe II (durchschnittlich pro Jahr)
von 5.200. Dem steht aber ein Lehrereinstellungsangebot von 12.100 gegenüber. Es ist also
falsch, die Rentenalterserhöhung von Lehrern damit zu begründen, dass der
Lehrernachwuchs fehlt. Es ist absolut unverantwortlich, einem Pädagogen zuzumuten, sich im
Alter von über 65 Jahren noch mit voller Stundenzahl vor eine Klasse zu stellen. In SachsenAnhalt quittieren bis 2025 an den Grundschulen 1.836, an den Sekundarschulen 2.225 und an
den Gymnasien 1.680 Lehrerinnen und Lehrer aus Altersgründen den Dienst. Diese müssen
zu etwa zwei Drittel ersetzt werden, denn das demographische Echo halbiert die
gegenwärtigen Schülerzahlen, wie jahrelang propagiert, nicht.
Ausdrücklich warnt der Gymnasiallehrerverband davor, den weiterhin bestehenden
Lehrermangel mit einer Erhöhung der Pflichtstundenzahl, des Klassenteilers, dem Wegfall
jeder Art von Anrechnungsstunden, dem Einschmelzen der Vertretungsreserve und Kürzung
der Stundentafel zu kompensieren. Es wäre ein Teufelskreislauf, denn dieser Weg führte
direkt in die Erhöhung des Krankenstandes, damit zu massenhaftem Ausfall und zum Wegfall
jeder Art außerunterrichtlicher Tätigkeit, die Lehrerinnen und Lehrer aller Schulformen noch
immer mit großem Engagement leisten. Die Ganztagsangebote und die – wenn auch völlig
unzureichenden – Unterstützungssysteme im Zusammenhang mit der Inklusion – fielen
ebenfalls weg. Es bleibt nur ein Weg: Bedarfsbedingte Neueinstellungen sind vorzunehmen,
um eine Unterrichtsversorgung in allen Schulen von 105 % zu gewährleisten. Um diese Ziel zu
erreichen, muss gemeinsam gehandelt werden.
Dr. phil. Jürgen Mannke
Vorsitzender des Philologenverbandes Sachsen-Anhalt
Philologenverband Sachsen-Anhalt
2/2