Simple Wahrheiten und warum ihnen nicht zu trauen ist

Simple Wahrheiten
und warum ihnen nicht zu trauen ist
marianne gronemeyer
Simple Wahrheiten
und warum ihnen
nicht zu trauen ist
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© 2006 by Primus Verlag, Darmstadt
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Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem
Papier
Einbandgestaltung: Jutta Schneider, Frankfurt
Gestaltung und Satz: Johannes Steil, Karlsruhe
Printed in Germany
www.primusverlag.de
isbn-10: 3-89678-294-0
isbn-13: 978-3-89678-294-6
Inhalt
Vorwort
7
i
Sicherheit und Sorge im Alltag
Vertrauen ist gut – Garantie ist besser
Wachstum scha≠t Arbeit
9
10
16
ii
Lebensphasen unter dem Zwang des Konsums
Generationen kommen und gehen
Kinder brauchen Kindergärten
Familien brauchen Förderung
Sterbende brauchen Sterbeorte
35
36
44
58
75
iii
Bildung im Angebot
Zukunftsfähig durch lebenslanges Lernen
Nicht für die Schule, sondern für’s Leben lernen wir
Der Mensch ist ein erziehungsbedürftiges Mängelwesen
88
90
103
115
iv
Widerstand und Anpassung
Politik ist die Kunst des Machbaren
und Erfolg gibt ihr Recht
Guter Rat ist teuer
Vorbeugen ist besser als heilen
132
Passagen
Verstehen heißt, sich ein Bild machen
Jenseits der Stadt liegt das Land
Rauchen gefährdet die Gesundheit
Man kann das Rad der Geschichte nicht zurückdrehen
Sehnsucht will Erfüllung
164
165
177
183
186
192
Anhang
Anmerkungen
Literaturverzeichnis
202
205
v
133
145
155
Ulrich Senftleben, caro amico
Vorwort
Die hier vorliegenden Texte sind ein Exerzitium in Ungläubigkeit.
Nicht dass ich den Unglauben gegenüber der Suche nach der letzten
Wahrheit kultivieren wollte, die so wenig gefunden werden kann, wie
die Suche nach ihr aufgegeben werden darf. Unglauben will ich vielmehr gegenüber jenen verteufelt plausiblen Satzwahrheiten schüren,
die sich so harmlos und selbstverständlich geben und so oft wiederholt wurden, dass es der Mühe, sie zu bezweifeln, kaum zu lohnen
scheint.
Sie sind Legion und haben sich in den Köpfen eingenistet, so dass
sie der Aufmerksamkeit listig entgehen. Das eine oder andere ‚Versteck
der Selbstverständlichkeiten‘ (Elias Canetti) habe ich durchstöbert
und versucht herauszufinden, wie sich das ganz und gar Fraglose ausnimmt, wenn man es für höchst fragwürdig hält. Dass dabei mehr Fragen als Antworten herauskommen, versteht sich von selbst, denn das
ist ja der Zweck der Übung.
Die Texte sind in den letzten 10 Jahren entstanden, und es freut
mich sehr, dass der Primus Verlag mir zum Ende meiner ‚Dienstreise‘
die Gelegenheit gibt, dieses Konvolut in größerem Zusammenhang
zur Diskussion zu stellen. Meinen besonderen Dank für eine gute und
gedeihliche Zusammenarbeit im Verlag sage ich Frau Regine Gamm.
Dann ist, wie immer, ein inniger Dank an Reimer Gronemeyer fällig,
den unermüdlichen Ersthörer der geschriebenen Texte. Wie sehr ich
mich darüber freue, dass wir in der allmontäglichen Runde der ‚Philosophischen Fragmente‘ nun seit 20 Jahren zusammenkommen und
uns im Textstudium gegenseitig inspirieren zu weiterem Nachdenken,
kann ich gar nicht genug beteuern. Und dann geht ein ganz besonders
aufrichtiger Dank an Isabell Schreiber und Sabrina Decho, die die
meisten Aufsätze gründlich gelesen und mit manchen hilfreichen Anmerkungen und Korrekturen versehen haben.
i
Sicherheit und Sorge im Alltag
Dass wir umso sorgloser sein können, je besser für unsere Versorgung gesorgt ist, und je mehr wir für uns vorgesorgt haben, das gehört zu den
Selbstverständlichkeiten, die nicht groß diskutiert werden müssen.
Diskussionswürdig ist allenfalls, wie dieser sorgenfreie Zustand sichergestellt werden kann.
Aber auch da wird man sich schnell einig: mit Geld. Sorglosigkeit
ist eine Frage des Geldes. Wer davon genug hat, kann leidlich unbesorgt in die Zukunft sehen. Denn für Geld kann man kaufen, was der
Sicherheit dient: das täglich Brot, medizinische Versorgung, ein sicheres Auto, eine solide Ausbildung, allerlei Versicherungen gegen beliebige Unwägbarkeiten des Lebens, sogar das Wohlwollen bedrohlicher
Fremder. Aus den meisten Bedrängnissen kann man sich mit Geld herauskaufen.
Und weil das so ist, gilt heutzutage die allererste Sorge dem sicheren Arbeitsplatz, denn der ist der Garant dafür, dass das notwendige
Kleingeld zur Sicherung des Alltags zur Hand ist.
Genau die Arbeit aber wird vor unseren Augen besorgniserregend
knapp. Und darum wird allenthalben ‚Wachstum‘ propagiert, denn
nur durch Wachstum könne die Arbeit wieder vermehrt werden.
Wie nun aber, wenn es ganz anders ist?
• Wenn die Versorgung und die Vorsorge die Sorgen vermehren?
• Wenn Geld ein ganz ungeeignetes Mittel ist, um uns Sicherheit zu
gewähren?
• Wenn die Arbeit gar nicht knapp ist?
• Und wenn – schließlich – Wachstum Arbeitsplätze vernichtet?