Staatliche Beihilfen: Kommission erklärt belgischen

Europäische Kommission - Pressemitteilung
Staatliche Beihilfen: Kommission erklärt belgischen Steuerregelung für
Gewinnüberschüsse für unzulässig und verlangt Rückforderung von
insgesamt rund 700 Mio. EUR von 35 multinationalen Unternehmen
Brüssel, 11. Januar 2016
Die Kommission hat entschieden, dass die von Belgien im Rahmen seiner Steuerregelung für
Gewinnüberschüsse gewährten selektiven Steuervergünstigungen nach den EUBeihilfevorschriften unzulässig sind.
Mindestens 35 multinationale Unternehmen, größtenteils aus der EU, haben diese Regelung
in Anspruch genommen und müssen nun die entsprechenden Steuerbeträge an Belgien
nachzahlen.
Durch die belgische Steuerregelung für Gewinnüberschüsse, die seit 2005 in Kraft ist, erhielten
bestimmte Unternehmen multinationaler Gruppen die Möglichkeit, auf der Grundlage von
Steuervorbescheiden in Belgien wesentlich weniger Steuern zu zahlen. Im Rahmen der Regelung wurde
die Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage der betreffenden Unternehmen um 50 % bis 90 %
verringert, um den sogenannten „ Gewinnüberschuss“ auszugleichen, der angeblich auf ihre
Zugehörigkeit zu einer multinationalen Gruppe zurückzuführen ist. Die von der Kommission im
Februar 2015 eingeleitete eingehende Untersuchung ergab, dass die Regelung von der üblichen Praxis
nach dem belgischen Körperschaftsteuerrecht und dem sogenannten Fremdvergleichsgrundsatz
abweicht. Dies ist nach den EU-Beihilfevorschriften unzulässig.
Die für Wettbewerbspolitik zuständige EU-Kommissarin Margrethe Vestager erklärte dazu: „Belgien hat
bestimmten multinationalen Unternehmen erhebliche Steuervorteile gewährt, die gegen die EUBeihilfevorschriften verstoßen. Dadurch werden kleinere Konkurrenten, die nicht Teil einer
multinationalen Unternehmensgruppe sind, im Leistungswettbewerb benachteiligt.
Es gibt viele legale Möglichkeiten, über die die EU-Mitgliedstaaten verfügen um Investitionen zu
fördern, und es gibt viele gute Gründe dafür, in der EU zu investieren. Wenn ein Mitgliedstaat jedoch
bestimmten multinationalen Unternehmen unzulässige Steuervergünstigungen gewährt, die es ihnen
ermöglichen, den Großteil ihrer tatsächlich erzielten Gewinne nicht zu versteuern, dann schadet dies
dem fairen Wettbewerb in der EU und letztlich auch den EU-Bürgern erheblich.“
Die Steuerregelung für Gewinnüberschüsse, die von den belgischen Finanzbehörden unter dem Label
„Only in Belgium“ beworben wurde, kam nur bestimmten multinationalen Konzernen zugute, denen auf
der Grundlage der Regelung ein Steuervorbescheid ausgestellt wurde. Ausschließlich in Belgien tätige,
eigenständige (d. h. nicht zu einer Unternehmensgruppe gehörende) Unternehmen konnten diese
Vorteile hingegen nicht in Anspruch nehmen. Die Regelung bewirkt eine sehr schwerwiegende
Verzerrung des Wettbewerbs im EU-Binnenmarkt, die eine Vielzahl von Wirtschaftszweigen betrifft.
Bei den durch die Regelung begünstigten multinationalen Unternehmen handelt es sich vornehmlich
um europäische Unternehmen. Sie sich es auch, die den Großteil der eigentlich geschuldeten Steuern
aufgrund der Regelung vermeiden konnten. Diesen Anteil muss Belgien nun von den begünstigten
Unternehmen nacherheben. Die Kommission beziffert die Steuerschuld auf rund 700 Mio. EUR.
Die Steuerregelung für Gewinnüberschüsse
Nach den belgischen Körperschaftsteuervorschriften müssen Unternehmen auf der Grundlage der
tatsächlich mit ihren Tätigkeiten in Belgien erwirtschafteten Gewinne besteuert werden. Gemäß der
Steuerregelung für Gewinnüberschüsse aus dem Jahr 2005, die auf Artikel 185 Absatz 2 Buchstabe b
des „Code des impôts sur les revenus/Wetboek van de inkomstenbelastingen“ beruht, konnten
multinationale Unternehmen ihre Steuerbemessungsgrundlage um angebliche „Gewinnüberschüsse“
auf der Grundlage eines verbindlichen Steuervorbescheids verringern. Diese Steuervorbescheide galten
in der Regel für einen Zeitraum von vier Jahren und konnten verlängert werden.
Im Rahmen der Steuervorbescheide wird der von einem multinationalen Unternehmen tatsächlich
erzielte Gewinn mit dem hypothetischen durchschnittlichen Gewinn verglichen, den ein eigenständiges
Unternehmen in einer vergleichbaren Lage erwirtschaftet hätte. Die geltend gemachte Gewinndifferenz
wird von den belgischen Steuerbehörden als „Gewinnüberschuss“ eingestuft und bildet die Grundlage
für die proportionale Verringerung der Steuerbemessungsgrundlage des multinationalen
Unternehmens. Die Regelung stützt sich auf die Annahme, dass multinationale Unternehmen aufgrund
ihrer Zugehörigkeit zu einer multinationalen Gruppe, z. B. aufgrund von Synergien, Größenvorteilen,
der Reputation, Kunden- und Lieferantennetzen und dem Zugang zu neuen Märkten,
„Gewinüberschüsse“ erwirtschaften. Die belgischen Steuerbehörden verringerten daher die tatsächlich
erzielten Gewinne der betreffenden Unternehmen in der Regel um mehr als 50 %, in einigen Fällen
sogar um bis zu 90 %.
Die eingehende Untersuchung der Kommission ergab, dass die Regelung aufgrund der Verringerung
der Steuerbemessungsgrundlage der betreffenden Unternehmen um den Gewinnüberschuss abwich
von:
- der üblichen Praxis nach dem belgischen Körperschaftsteuerrecht. Multinationalen
Unternehmen, die einen Steuervorbescheid erhalten konnten, wird eine selektive Beihilfe gewährt.
So erhielten mindestens 35 multinationale Unternehmen einen unfairen steuerlichen
Wettbewerbsvorteil gegenüber den eigenständigen Konkurrenzunternehmen, die nach den
normalen belgischen Körperschaftsteuervorschriften Steuern auf seine tatsächlich in Belgien
erzielten Gewinne entrichten muss;
- dem in den EU-Beihilfevorschriften verankerten Fremdvergleichsgrundsatz. Selbst wenn ein
multinationales Unternehmen einen solchen Gewinnüberschuss erzielt, so würde dieser nach dem
Fremdvergleichsgrundsatz zwischen den Unternehmen der Gruppe entsprechend den
wirtschaftlichen Fakten aufgeteilt und dann am Ort der Gewinnerzielung besteuert. Nach der
belgischen Steuerregelung für Gewinnüberschüsse wird der Gewinnüberschuss hingegen einfach
einseitig von der Steuerbemessungsgrundlage eines einzelnen Unternehmens einer Gruppe
abgezogen.
Die mit der Regelung einhergehenden selektiven Steuervergünstigungen sind auch nicht durch das von
Belgien vorgebrachte Argument zu rechtfertigen, dass sie erforderlich seien, um eine
Doppelbesteuerung zu vermeiden. Die belgischen Steuerbehörden haben diese Anpassungen nämlich
einseitig vorgenommen und nicht etwa, weil ein anderes Land die Gewinne besteuern wollte. Die
Regelung sieht nicht vor, dass die Unternehmen eine Doppelbesteuerung oder auch nur die Gefahr
einer Doppelbesteuerung nachweisen müssen. So führte die Regelung in der Praxis letztlich zu einer
doppelten Nichtbesteuerung.
Daher führt die Regelung zu einer steuerlichen Begünstigung der betreffenden Unternehmen, die nach
den EU-Beihilfevorschriften (Artikel 107 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union)
unzulässig ist.
Rückforderungen
Seit Einleitung des Prüfverfahrens im Februar 2015 hat Belgien die Regelung für Gewinnüberschüsse
ausgesetzt und keine neuen Steuervorbescheide nach dieser Regelung gewährt. Jedoch haben
Unternehmen, die seit Einführung der Regelung im Jahr 2005 bereits Steuervorbescheide erhalten
hatten, die Regelung weiter in Anspruch genommen.
Mit dem Beschluss der Kommission wird Belgien angewiesen, die Regelung für Gewinnüberschüsse
nicht mehr anzuwenden. Um den ungerechtfertigten Vorteil, der den Begünstigten durch die Regelung
gewährt wurde, aufzuheben und den fairen Wettbewerb wiederherzustellen, muss Belgien außerdem
von den mindestens 35 multinationalen Unternehmen, die von der unzulässigen Regelung profitiert
haben, die nicht gezahlten Steuerbeträge nacherheben. Nun müssen die den belgischen
Steuerbehörden ermitteln, welche Unternehmen tatsächlich von der unzulässigen Steuerregelung
profitiert haben und welche genauen Steuerbeträge nachträglich von den einzelnen Unternehmen zu
erheben sind. Die Kommission schätzt den Gesamtbetrag auf rund 700 Mio. EUR.
Hintergrund
Die Kommission untersucht seit Juni 2013, wie die Mitgliedstaaten in der Praxis bei
Steuervorbescheiden vorgehen. Im Dezember 2014 richtete sie an alle Mitgliedstaaten
Auskunftsersuchen. Im Oktober 2015 stellte die Europäische Kommission per Beschluss fest, dass
Luxemburg und die Niederlande Fiat und Starbucks jeweils selektive Steuervergünstigungen gewährt
haben. Außerdem führt die Kommission derzeit drei weitere eingehende Prüfungen durch, weil sie
beihilferechtliche Bedenken wegen Steuervorbescheiden hat, die Apple in Irland, Amazon in Luxemburg
und McDonald's in Luxemburg betreffen.
Die Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Steuerbetrug zählt zu den wichtigsten Prioritäten der
aktuellen Kommission. Für das im März 2015 von der Kommission vorgestellte Maßnahmenpaket zur
Steuertransparenz konnte im Oktober 2015 ein erster Erfolg verbucht werden, als die Mitgliedstaaten
nach nur siebenmonatigen Verhandlungen eine politische Einigung über den automatischen Austausch
von Informationen über Steuervorbescheide erzielten. Diese Rechtsvorschriften tragen zu einer
wesentlich höheren Transparenz bei und werden von der missbräuchlichen Nutzung der
Steuervorbescheide abschrecken. Das sind gute Nachrichten für Unternehmen und Verbraucher. Die
Ausstellung der sehr nützlichen Vorbescheide ist auch in Zukunft möglich, wird aber künftig streng
kontrolliert, um einen Rahmen für fairen Steuerwettbewerb zu gewährleisten.
Im Juni 2015 stellte die Kommission eine Reihe von Initiativen zur Bekämpfung der Steuervermeidung,
zur Sicherung nachhaltiger Steuereinnahmen und zur Verbesserung des Geschäftsumfelds im
Binnenmarkt vor. Die geplanten Maßnahmen, die Teil des Aktionsplans der Kommission für eine faire
und effiziente Unternehmensbesteuerung in der EU sind, sollen eine erhebliche Verbesserung bewirken
und eine gerechtere, effizientere und wachstumsfreundlichere Gestaltung der steuerlichen
Rahmenbedingungen für Unternehmen in Europa ermöglichen. Kernpunkte des Aktionsplans sind eine
Regelung, die die effektive Besteuerung am Ort der Gewinnerzielung sicherstellen soll, sowie eine
Neuauflage des Vorschlags zur Einführung der gemeinsamen konsolidierten KörperschaftsteuerBemessungsgrundlage (GKKB), der im Laufe des Jahres 2016 wiederaufgegriffen werden soll.
Nun plant die Kommission ein weiteres Paket von Maßnahmen zur Bekämpfung der
Körperschaftssteuerumgehung in der EU und im Rest der Welt. Die Vorschläge werden sich auf den
einfachen Grundsatz stützen, dass alle Unternehmen, große wie kleine, ihre Steuern dort zahlen
müssen, wo sie ihre Gewinne erzielen. Das Paket wird am 27. Januar vorgelegt und zudem einen
koordinierten EU-weiten Ansatz für die Umsetzung von Grundsätzen für verantwortungsvolles Handeln
im Steuerbereich auf internationaler Ebene umfassen.
Sobald alle Fragen im Zusammenhang mit dem Schutz vertraulicher Daten geklärt sind, wird die
nichtvertrauliche Fassung der Beschlüsse über das Beihilfenregister auf der Website der
GD Wettbewerb unter der Nummer SA.37667 zugänglich gemacht. Über neu im Internet und im
Amtsblatt der EU veröffentlichte Beihilfebeschlüsse informiert der elektronische Newsletter State aid
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