4.2 Die Symptome und deren Folgen

4.2 Die Symptome und deren Folgen
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Die Symptome und deren Folgen
4.2.1 Problemstellung
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Fehlende Liquidität ist zweifelsohne eine Notlage für das Unternehmen. Die Schwierigkeit, Materialeinkäufe zu tätigen, Löhne pünktlich zu zahlen, die Mahnungen der
Gläubiger in den Griff zu kriegen, die Besuche des Betreibungsbeamten zu verhindern
etc., sind tägliche Herausforderungen für den Unternehmer. Die Fragen, die ihn pausenlos beschäftigen und an der produktiven Tätigkeit hindern, sind:
•Wie löse ich mich vom Druck meiner Gläubiger?
•Wie löse ich mein Liquiditätsproblem?
• Wie überzeuge ich meine Bank?
•Wie schaffe ich den Turnaround?
•Wie komme ich wieder zu einem ruhigen Schlaf?
Wir vergleichen den Unternehmer in einer solchen Situation mit einem Stabhochspringer, der versucht, mit dem «Altlastenrucksack» auf dem Rücken die Latte zu überqueren.
Abb. 53: ... mit dem Altlastenrucksack über die Latte?
Das schafft nicht einmal ein Spitzensportler. Mit einem «Altlastenrucksack» ist das
Unternehmen schlicht wettbewerbsunfähig.
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4.2.2 Teil 4 KMU in Not – was tun?
Was tun? Die Bilanzsanierung
Eines ist klar: Wenn eine Firma in Not geraten ist, sei es wegen Überschuldung oder
Zahlungsunfähigkeit, muss sie saniert werden, sonst wird sie liquidiert. Ist von einer
Sanierung ohne nähere Bezeichnung die Rede, ist in der Regel die Bilanzsanierung
gemeint. In Wirklichkeit wird nicht die Firma saniert, sondern deren Bilanz, und zwar
primär zum Schutz der Gläubiger. Die Sanierung kann gerichtlich (gerichtlicher Nachlass und/oder Stundung) oder aussergerichtlich erfolgen.
Für eine Bilanzsanierung braucht es in der Regel Geld. Im Kleinunternehmen ist das
häufig die letzte Reserve. In anderen Fällen «verkauft man dem Teufel seine Seele»,
um das Geld aufzutreiben. Da stellt sich natürlich die Frage nach dem Nutzen. Warum
sollte es plötzlich besser gehen als vor der Bilanzsanierung? Was hat sich grundsätzlich geändert, ausser dass man für eine Weile etwas Ruhe vor den Gläubigern hat, weil
sie mit dem eingebrachten Geld zumindest teilweise befriedigt wurden? Schützt uns
etwa die sanierte Bilanz vor der nächsten Katastrophe?
Die Gläubiger sind mit dieser Massnahme mehr oder minder zufrieden, denn eine
sanierte Bilanz reduziert die Konkursgefahr und es gibt wieder etwas Hoffnung, zum
allenfalls noch geschuldeten Geld zu kommen. Ob diese Rechnung schlussendlich
aufgeht, ist eine andere Frage.
Der geschilderten Sanierungsmethode liegt die Annahme zugrunde, dass eine sanierte Bilanz auch die operative Lage des Unternehmens wesentlich verändert. Zum
Teil ist das sicher zutreffend, denn allein die frei werdenden Energien können die
Voraussetzungen für den Erfolg beträchtlich verbessern. Es darf jedoch nicht ausser
Acht gelassen werden, dass der der Bilanzsanierung vorangegangene Leidensweg
seine Spuren hinterlassen hat, die sich nicht innert kurzer Zeit beseitigen lassen. Es
kommt dabei sehr darauf an, was zu den Liquiditätsproblemen geführt hat, und ob
die Ursachen durch die Sanierung beseitigt werden konnten oder ob die Bilanzsanierung einfach eine (im Übrigen sehr teure) Symptombekämpfung war. Ausserdem
vollzieht sich eine Bilanzsanierung oft durch Massnahmen, die weder Geld bringen
noch sonst auf das operative Geschäft wirken (siehe Kapitel 4.2.3.1).
4.2.3 Was tun? Das Erwägen von Alternativen
Es gilt, zwischen einer Bilanzsanierung und einem Turnaround zu unterscheiden. Die
Rückfälle, die im Anschluss an vorgenommene Bilanzsanierungen erfolgen, sind ein
Beweis dafür, dass hier oft zu wenig differenziert wird. Die Bilanzsanierung kann eine
begrüssenswerte Massnahme sein, sie kann aber den gezielten, auf die Wiederherstellung der operativen Fähigkeit ausgerichteten Prozess nicht automatisch ersetzen.
Es stellt sich auch die Frage nach der Reihenfolge.