Kammern horten Berge von Geld

Kammern
horten Berge
von Geld
Das Verwaltungsgericht Koblenz erklärt
die Zwangsbeiträge für rechtswidrig.
Von Kerstin Schröder
Rostock – Streit um das Millionenvermögen der Industrie- und Handelskammern (IHK): Das Koblenzer Verwaltungsgericht hat IHKZwangsbeiträge für rechtswidrig
erklärt. Die Begründung: Rücklagen dürfen nicht der Bildung von
Vermögen dienen. Das Urteil dürfte für Unruhe in den drei Kammern
in Mecklenburg-Vorpommern sorgen. Denn auch sie haben in den
vergangenen Jahren viel Geld angespart.
Das Eigenkapital der Industrieund Handelskammern in Rostock,
Schwerin und Neubrandenburg beträgt insgesamt 47 Millionen Euro.
Darunter sind neben Ausgleichsauch Liquiditätsrücklagen. „Das
ist ein doppelter Geldspeicher“, beklagt Kai Boeddinghaus, Geschäftsführer des Bundesverbandes für
freie Kammern (BFFK). Die meisten IHKn würden auf Bergen von
Geld sitzen, aber nicht auf die Idee
kommen, es ihren Mitgliedern zurückzuzahlen. „Stattdessen strecken sie wie Kraken ihre Arme
nach neuen Aufgabenfeldern aus
und machen damit ihren Mitgliedsunternehmen noch Konkurrenz“,
ergänzt Boeddinghaus. Um dieser
Selbstbedienungsmentalität entgegenzutreten, habe sein Verband
deutschlandweit Gerichtsprozesse
gegen verschiedene Kammern angeschoben, auch am Verwaltungsgericht Koblenz.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig und wird „in dieser Form
keinen Bestand haben“, sagt Andreas Kraus, Pressesprecher der
IHK Schwerin. Bei einem ähnlichen Prozess in Stuttgart hätten
die Richter die Rücklagen für
rechtmäßig gehalten, weil sie
die satzungsrechtliche Grenze
nicht überschritten hätten. Mit
1,3 Millionen Euro ist die Liquiditätsrücklage 2012
für die IHK Schwerin ausgewiesen.
Sie soll in den kommenden Jahren
durch eine Senkung der Beitragseinnahmen vollständig abgebaut
werden, kündigt Pressesprecher
Kraus an. Nicht ohne Grund: Das
bayerische Wirtschaftsministerium
hatte sich 2012 dafür starkgemacht, diese Reserven aufzulösen.
Denn: Um schwankende Beiträge
kompensieren zu können, sei „die
Ausgleichsrücklage ausreichend“,
hieß es damals. Die Kammern haben auf die wachsende Kritik reagiert: Seit kurzem gibt es ein neues
Muster-Finanzstatut. In dem steht,
dass die Liquiditätsreserven bis
2018 aufzulösen sind.
Bei der IHK zu Rostock beträgt
die Gesamtrücklage 9,9 Millionen
Euro, die Liquiditätsrücklage 3,26
Millionen Euro. Letztere soll in den
nächsten fünf Jahren über niedrigere Beiträge zurückgezahlt werden.
Wie der amtierende Kammerchef
Jens Rademacher berichtet, würden die Rücklagen bereits seit mehreren Jahren kontinuierlich abgebaut: 2012 um 320 000 Euro, im vergangenen Jahr um 580 000 Euro.
Auch bei der IHK Neubrandenburg findet laut Hauptgeschäftsführer Torsten Haasch „keine unzulässige Vermögensbildung“ statt. Die
Mitglieder würden von den Rücklagen profitieren, weil sie den niedrigen Beitragssatz stabil halten.
BFFK-Chef Boeddinghaus warnt
davor, dass Kammern aufgelöste
Rücklagen umbuchen oder nachträglich ausgeben können. Es sei eine Frage der Glaubwürdigkeit, dass die,
„die vom Staat Gebühren- und Steuersenkungen fordern, mit gutem Beispiel vorangehen“.
Jens Rademacher,
amtierender
Kammerchef
Firmen zahlen jährlich über 300 Euro
Industrie- und Handelskammern gibt es
möglichen, legen sie Ausgleichsrücklagen an. Mit Liquiditätsrücklagen über-