Von der Suche nach dem kulturhistorischen Hintergrund des os

Von der Suche nach dem kulturhistorischen
Hintergrund des os sacrum.
Weshalb heisst ein Knochen in unserem Skelett „heiliges Bein“? Und was hat es damit auf
sich, dass es Völker gegeben habe, bei denen das Sacrum in Ritualen, bei Opferungen und bei
Grabschändungen eine besondere Rolle spielte.
Wann wurden unsere Knochen überhaupt benannt? Vielmehr: Zu welcher Zeit in der
Geschichte des Menschen, waren Einzelteile des Körpers bedeutungsvoll genug, um sie zu
benennen. Es geht um die Geschichte der Anatomie. Doch davon später.
In der Bibliothek des medizinhistorischen Institutes stosse ich schon bald auf die Aussage,
dass das Sacrum von den Griechen grosser Knochen oder grosser Wirbel genannt wurde. Da
das Wort gross im Griechischen auch für hoch und heilig steht, wurde in der Übersetzung ins
Lateinische der grosse Wirbel zum heiligen Bein.
Und weiter schreibt Joseph Hyrtl, Professor der Anatomie in Wien, 1880:
Die Benennung im Deutschen ergibt sich aus der alten Bedeutung von Krütz, Kreutz =
Erhabenheit. Dieses alte Kreutz bezieht sich auf die sehr ansehnliche Erhabenheit, welche das
Kreuzbein bei Tieren, insbesondere beim Pferde zwischen den Hüften bildet, auch Kruppe
genannt. Mit dem Symbol des Christentums hat dieses Kreuz nichts gemein.
Doch so schnell wollte ich „das heilige“ am Kreuzbein nicht ad acta legen.
Es folgten weitere Besuche in Bibliotheken mit äusserst hilfsbereiten Bibliothekaren. Mails an
Dozenten verschiedener Institute wurden freundlich aber ratlos beantwortet. Internetseiten
haben mich in schier endlose Schlaufen von Links geführt. Was ich gesucht habe, konnte ich
nicht finden. Aber einige Bücher haben mir faszinierende Inhalte offenbart, haben mich mit
ihren Geschichten in Bann gezogen.
Ein paar Beispiele:
In Neuguinea benutzen Eingeborene die Schädel ihrer Ahnen als Kopfstütze zum Schlafen.
Indische und tibetanische Bettelmönche verwendeten im 9. Jahrhundert menschliche Schädel
als Essgefässe.
Auch im Tibet wurden die Fingerglieder Verstorbener zu Rosenkränzen aneinander gereiht.
Bei den Andamanen ging der Ahnenkult soweit, dass die Witwe den Schädel des verstorbenen
Mannes an einer Schnur um den Hals trug, bis sie sich wieder verheiratete.
Oder es fanden nur Teile des Schädels als Erinnerungsstücke Verwendung. So wurden beim
Unterkiefer die beiden Condylen mit einer Schnur verbunden, damit er als Armband getragen
werden konnte.
Im 17. Jahrhundert wurde mit Körper von Hingerichteten reger Handel getrieben. Man sprach
den Leichenteilen Zauberkräfte zu, im Glauben an die noch unverbrauchte Lebenskraft in den
zu früh Gestorbenen.
Gegen die Ruhr wurde geraten, eine kleine Rippe eines gehängten Diebes zu pulverisieren
und mit etwas Wein oder Essig einzunehmen.
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„Armsünder-Fett“ half gegen Bruchleiden und Fallsucht und konnte in den Apotheken
gekauft werden. Noch 1761 erscheint Menschenfett in der offiziellen Dresdener
Medizinaltaxe.
Am höchsten wurde aber das Blut eines Hingerichteten geschätzt, da es als Träger der
Lebenskraft angesehen wurde. Noch 1862 erhielt eine an Fallsucht leidende Frau in einem
Armenhaus in Appenzell vom Vorstand die Erlaubnis, zu einer Hinrichtung zu reisen, und
dieses Heilmittel zu versuchen, wobei ihr geraten wurde, drei Schluck unter Anrufung der drei
höchsten Namen warm hinunterzutrinken…
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