Suzuki GSX-S 1000 - Fahrbericht aus MOTORRAD 08/2015 Viel Power für Windgesichter: Das muss ein leistungsstarkes Naked Bike ab dem ersten Meter bieten. Denkt sich auch Suzuki und tauft die neue GSX-S 1000 gleich auf den Namen „Pure Sport Roadster“. Trifft die Bezeichnung zu? In Spanien konnte MOTORRAD das testen. Bewölkter Himmel, regennasse Straßen und keine Sonne in Aussicht: Bei solchen Wetterbedingungen schlägt das Testerherz nicht gerade bis zum Anschlag. Besonders wenn es gleich auf eine ausgiebige Runde ins Hinterland von Alicante gehen soll – mit Kurvengarantie bis zum Abwinken. Andersrum: Ein Bike, das selbst bei nicht gerade idealen Bedingungen gut funktioniert, fährt meist auch unter Top-Konditionen mehr als passabel. Also Helm rauf und los. Dumpf grollend schickt der schön designte Edelstahldämpfer Soundproben in die Umwelt. Nicht vierzylindrig kreischend, sondern tief und maskulin fauchend. Das macht an. Präzise rastet Gangstufe eins ein. Das bleibt auch beim weiteren Hin- und Herspringen im Getriebe so. Die Hände finden wie von selbst auf dem konifizierten Renthal-Lenker Halt. Dessen Position ergibt zusammen mit Fußrasten und Sitzbank eine leicht nach vorne gebeugte Fahrerintegration mit guter Spielübersicht. Easy schwingt die GSX-S auf der nassen Fahrbahn um die Ecken, bildet schnell Vertrauen. Die Schräglagen nehmen zu, erste trockene Flecken sind zu sehen. Beim Straßenbau bewiesen die Spanier Mut zur Vielfalt. Gripstarke Oberflächen mischen sich mit haftarmen Belägen auf Muschelkalk-Basis. Darauf einmal zu stark am Kabel gezogen, und ... Eben nicht und eben doch. Ziehen ist schon richtig, weil die Suzuki Befehle zum Öffnen und Schließen der Drosselklappen noch klassisch über Züge empfängt. Nix Ride by Wire. Das akute Sturzpotenzial bei zu harschem Aufmachen der Gemischfabrik mildert die GSX-S aber durch eine Traktionskontrolle. Und die funktioniert richtig gut. Zur Auswahl stehen die Stufen 1, 2 und 3. Abstimmung drei ist extra für schwierige Straßenverhältnisse ausgelegt. Also gleich mal ausprobiert. Bevor Fragen aufkommen: Suzuki setzt auf Traktionskontrolle pur – ohne gleichzeitig über Fahrmodi noch die PS-Zahl zu beschneiden. Die defensivste Auslegung der TC arbeitet sicher und geschmeidig. Sie nimmt bei zu viel Leistungseinsatz das Gas sanft zurück. Wer nicht drauf eingestellt ist, bemerkt einfach irgendwann die wild blinkende, gelbe Kontrollleuchte im gut ablesbaren Cockpit. Aha, also dann mal schnell Stufe 2 reingedrückt, den Normalmodus. Schließlich schickt die Sonne doch noch richtig viele, warme Strahlen gen Erde. Mit der Wetterbesserung wird auch der Motor mehr gefordert. Und der will das. Er basiert auf den GSX-R-Aggregaten von 2005 bis 2008 und hat deren tendenziell eher langhubige (73,3 mm Bohrung/59,0 mm Hub) sowie drehmomentstarke Auslegung übernommen. Allerdings wanderte er nicht einfach so in den komplett neuen Alurahmen der GSX-S. Vielmehr schliffen die Suzuki-Techniker ihn für den Einsatz im Naked Bike gezielt fein. So entfielen die nur für höchste Drehzahlen notwendigen Titanventile, dafür flitzen nun drei Prozent leichtere Kolben als noch 2007 im Motor hoch und runter. Daneben optimieren neue Nockenwellenprofile die Steuerzeiten. Ein Update der Kraftstoffeinspritzung mit doppelten 44-mm-Drosselklappen pro Zylinder rundet die Anpassungsmaßnahmen weiter ab. Wer jetzt an strikte Leistungskastration denkt, wird enttäuscht. Oder darf sich über einen wirklich bombigen Motor freuen. Die Eckdaten von 145 PS bei 10000/min und 106 Nm knapp darunter haben schon auf dem Papier die Potenz angedeutet. Die Wahrheit ist noch besser. Unten herum drückt der Reihenvierer ordentlich vorwärts. Ab der Drehzahlmitte bei guten 5000 Umdrehungen steht er richtig gut im Saft, bevor kurz nach der 7000er-Marke noch ein spürbarer Leistungsnachschlag folgt. Dann ist richtig Feuer in der Hütte. Das fühlt sich super an. Das fühlt sich stark an. Das fühlt sich auch irgendwie nach einem kleinen Powerplus an. Aber mal ehrlich: Sich über zu viel Leistung beschweren? Wo sind wir denn. Lieber weiter den satten Schub genießen. Leichte Lastwechsel trüben dabei ein wenig die Gas-auf-Gaszu-Übergänge im Kurven-Dickicht. Vielleicht wären Fahrmodi doch nicht so schlecht gewesen? Nach ein paar Kilometern hat man sich aber dran gewöhnt. Die GSX-S fliegt mit viel Schmackes durch die verschiedenen Radien, biegt an der tiefen, nur wenig gekröpften Lenkstange verlässlich einfach in Schräglage. Da bleibt der Blick frei für die richtige Linienwahl. Einen großen Anteil an dieser Performance im Links-rechts-links-Dschungel haben Gewicht und Fahrwerk. Suzuki gibt glaubhafte 209 Kilogramm vollgetankt an. Das ist im Vergleich zu Mitbewerbern wie Hondas CB 1000 R, Kawas Z 1000 oder der Triumph Speed Triple richtig wenig. Nur BMWs S 1000 R liegt auf ähnlichem Weight-Watchers-Niveau. Auch beim Fahrwerk hat Suzuki keine Kompromisse gemacht: Vorne führt eine voll einstellbare 43erKayaba-Upside-down-Gabel das Rad sicher über den Asphalt, hinten kümmert sich ein in Zugstufe und Vorspannung justierbares Federbein um den Bodenkontakt. Gabel und Stoßdämpfer sind sportlich straff abgestimmt, ohne jedoch auf unnachgiebige Härte zu setzen. Das sorgt für feinfühlig präzisen Kontakt zur Straße und ein sauberes Lenkverhalten. Bei den Geometriedaten des Fahrwerks baute Suzuki eher auf konservative Werte. Mit 1460 mm fällt der Radstand 55 mm länger aus als bei der aktuellen GSX-R 1000. Ähnlich sieht es bei den Zahlen für den Lenkkopfwinkel und den Nachlauf aus. Fällt Ersterer beim Sportler noch 66,5 Grad steil aus, sind es beim Naked Bike flachere 65 Grad. Dazu wuchs der Nachlauf bei der GSX-S im Vergleich um zwei auf 100 Millimeter. Insgesamt etwas moderatere Maße: Dieses Konzept funktioniert „on the road“ einwandfrei. Und liefert der nackten Kanone die dringend benötigte Fahrstabilität bei hohen Geschwindigkeiten, die allein durch die aufrechte Sitzposition nötig wird. Jedenfalls rennt die GSX-S auch bei verschärftem Tempo stabil über die Bahn. Was ist noch wichtig für ungetrübt flottes Herumwedeln? Die Brems-Performance! Vorne greifen die aus der aktuellen GSX-R bekannten Brembo-Monoblocks in schwimmend gelagerte 310er-Scheiben. Hinten komplettieren ein Einkolben-Sattel sowie eine 250 Millimeter große Scheibe das Bremspaket. Beim ersten Anlegen der Beläge erfolgt der Geschwindigkeitsabbau leicht defensiv. Mit mehr Zug am Hebel wird’s deutlich besser, nimmt die Verzögerungsleistung kräftig zu. Sport-Cracks würden sich wohl einen knackigeren Biss wünschen, alle anderen kommen mit der Auslegung gut zurecht. Damit die GSX-S im Extremfall sicher zum Stehen kommt, hat Suzuki ihr eine lediglich 640 Gramm wiegende ABS-Einheit von Bosch spendiert. Die regelt sportlich spät und stoppt das Motorrad sicher – ohne dass das Hinterrad beim Ankern am Limit abhebt. Und, ist die GSX-S nun der Pure Sport Roadster, wie Suzuki meint? Auf jeden Fall! Die 1000er ist ein sportliches, fahraktives Naked Bike, eine Bereicherung für die Kategorie der potenten, unverkleideten Bikes. Das macht schon jetzt neugierig auf den Schlagabtausch mit der Konkurrenz. Technische Daten Motor Wassergekühlter Vierzylinder-Viertakt-Reihenmotor, zwei obenliegende, kettengetriebene Nockenwellen, vier Ventile pro Zylinder, Tassenstößel, Nasssumpfschmierung, Einspritzung, 4 x Ø 44 mm, geregelter Katalysator, Lichtmaschine 400 W, Batterie 12 V/10 Ah, mechanisch betätigte Mehrscheiben-Ölbadkupplung, Sechsganggetriebe, Kette, Sekundärübersetzung 44:17. Bohrung x Hub: 73,4 x 59,0 mm Hubraum: 999 cm³ Verdichtungsverhältnis: 12,2:1 Nennleistung: 107,0 kW (146 PS) bei 10.000/min Max. Drehmoment: 106 Nm bei 9500/min Fahrwerk Brückenrahmen aus Aluminium, Upside-down-Gabel, Ø 43 mm, verstellbare Federbasis, Zug- und Druckstufendämpfung, Zweiarmschwinge aus Aluminium, Zentralfederbein mit Hebelsystem, verstellbare Federbasis und Zugstufendämpfung, Doppelscheibenbremse vorn, Ø 310 mm, Vierkolben-Festsättel, Scheibenbremse hinten, Ø 250 mm, EinkolbenSchwimmsattel, Traktionskontrolle, ABS. Alu-Gussräder: 3.50 x 17; 6.00 x 17 Reifen: 120/70 ZR 17; 190/50 ZR 17 Maße + Gewichte Radstand 1460 mm, Lenkkopfwinkel 65 Grad, Nachlauf 100 mm, Federweg v/h 120/130 mm, Sitzhöhe 810 mm, Leergewicht 209 kg, zulässiges Gesamtgewicht 400 kg, Tankinhalt 17,0 Liter. Farben: Blau, Schwarz/Rot, Grau Preis Garantie:zwei Jahre Preis: 12.195 Euro Nebenkosten: 145 Euro Copyright: MOTORRAD, Motor Presse Stuttgart GmbH & Co. KG
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