Premiere: Suzuki GSX

PREMIERE
SUZUKI GSX-S 1000 F
INSEL
STÜRMER
26 PS 8/2015
N
ach Cronk-y-Voddy lässt der
Verkehr nach, und bald ist
Richtung Glen Helen auch
das Speed Limit aufgehoben.
Das bedeutet auf der Isle of Man „volle
Lotte“, was geht! Genau das Richtige
für unseren Guide, TT-Legende Milky
Quale. Kaum ist das entsprechende
Schild nämlich passiert, stellt er auf
Vollgas. Durch die teilweise blinden
Kurvenkombinationen bis hinaus Richtung Sarah’s Cottage sollte man an
Quale dranbleiben, denn er bringt
nicht nur allen TT-Newcomern bei, was
man über den Kurs wissen muss, er
kennt hier jeden Kieselstein beim Vornamen. Seinem Heck kann man vertrauen. Wenn er einlenkt, ist es Zeit einzulenken. Wenn er bremst, macht man
das besser auch. Und wenn er dann
wieder den Hahn spannt – hinterher!
Dazu muss man am langhubigen
Vierzylinder der Suzuki GSX-S 1000 F
aber gehörig Drehzahlen bemühen. Mal
locker im vierten Gang von Bummelbetrieb in der Tempolimit-Zone auf TTSpeed umschalten geht nicht. Da heißt
es ein, besser zwei Gänge runter im
superflutschig schaltenden Getriebe –
und gib ihm! Dann geht was.
Das passt zum Konzept der 1000 F.
Sie hat die Verkleidung nicht bekommen, um Touren-Trödlern mit der
Liebsten hinten drauf das Naked Bike
GSX-S 1000 für einen moderaten Aufpreis (plus 605 Euro) zu optimieren
und es gleich noch mit Kofferhaltern
am Heck zu ergänzen. Die F steht wohl
für „Force“, für Sport auf der Straße –
Kofferzubehör Fehlanzeige. Dafür ist
die Verkleidung aggressiv tief gezogen.
Die Sitzhaltung ist zwar deutlich entspannter als auf einer Gixxer, aber
auch nicht kommoder als auf dem
schon sportlichen Naked Bike.
F steht nicht für „Fahr mal hin“
Suzuki präsentierte die neue
GSX-S 1000 F selbstbewusst im
Paradies für Roadracer – auf der
Isle of Man. Harakiri oder Volltreffer für den Neuling? PS fand
das heraus.
Text: Uwe Seitz; Fotos: Suzuki
WWW.PS-ONLINE.DE
Vor allem Käufer um die 40 Jahre plus
X, die von den Sportlern kommen, aber
nicht mehr allzu viel Freude an gequälten Handgelenken übers Wochenende
haben, nimmt die F aufs Korn. „Sportriding on road“ nennt das Suzuki. Na,
das kann man nirgendwo so gut testen
wie auf der Isle of Man, und so heizt
der PS-Tester dann hinter Milky her
und darf die Vorzüge der F erproben.
Zunächst gefällt einmal der Sound,
den Motor, Airbox und Endtopf zu einer
bärigen Symphonie zusammenfügen.
Und der Vortrieb bei entsprechenden
Drehzahlen passt perfekt zu dieser
Klangkulisse. Sind die 7000/min überschritten, schnalzt es einen herrlich
PS 8/2015 27
über die Insel. Auf den welligen Geraden Richtung Ramsey hebt die Suzuki
dann wie bei McGuinness und Co. regelmäßig ab oder lupft das Vorderrad –
und das, obwohl die Verkleidung die
Gewichtsverteilung von 50/50 Prozent
bei der Nackten bei der F auf 51/49
Prozent zu Lasten der Front verschiebt.
Insgesamt bedeutet das etwa sechs Kilo
mehr für die F, und bei Tempo 200 – so
sagen die Techniker – sorgt die Verkleidung für 20 Kilo mehr Anpressdruck
auf dem Vorderrad. Das spürt man auf
den schnellen TT-Passagen vor allem
dann, wenn die Brause nach leichtem
Anbremsen wieder voll aufgedreht wird.
Man bemerkt zwar ein leichter werdendes Vorderrad, aber die Gefahr von
Lenkerschlagen bestand nicht.
Sehr gut gefiel das Handling der F.
Ohne Mühe ließ sie sich ab Ramsey
in die Berge zirkeln, nahm Gooseneck
ebenso problemlos wie komplizierte,
schnelle Richtungswechsel bei Joey’s.
Highspeed-Wechselkurven zwischen
Verandah und Kate’s Cottage waren
auch kein Problem. Dort oben konnte
man dann tief hinter die Verkleidung
abtauchen und den enormen Vorteil
der hochgezogenen Scheibe spüren.
In der Creg-ny-Baa-Rechts zeigte
die 1000 F dann wie schon zuvor in
DATEN
SUZUKI
GSX-S 1000 F
ANTRIEB
Vierzylinder-Reihenmotor, vier Ventile/
Zylinder, 107 kW (145 PS) bei 10 000/min*,
106 Nm bei 9500/min*, 999 cm³, Bohrung/
Hub: 73,4/59,0 mm, Verdichtung: 12,2:1,
Zünd-/Einspritzanlage, 44-mm-Drosselklappen, mechanisch betätigte Mehrscheiben-Ölbadkupplung, Sechsganggetriebe, Kette
FAHRWERK
Leichtmetall-Brückenrahmen, Lenkkopfwinkel: 65 Grad, Nachlauf: 100 mm,
Radstand: 1460 mm, Ø Gabelinnenrohr:
43 mm, Federweg v./h.: 120/130 mm
RÄDER UND BREMSEN
Leichtmetall-Gussräder, 3.50 x 17/6.00 x
17, Reifen vorn: 120/70 ZR 17, hinten:
190/50 ZR 17, 310-mm-Doppelscheibenbremse mit Vierkolben-Festsätteln vorn,
250-mm-Einzelscheibe mit
Einkolben-Schwimmsattel hinten, ABS
GEWICHT
(vollgetankt) 214 kg*,
Tankinhalt: 17 Liter Super
GRUNDPREIS
12 795 Euro (zzgl. NK)*
* Herstellerangabe
28 PS 8/2015
der Links bei Bungalow Bridge, wie
stabil sie in Schräglage durch längere
Kurven pfeilt und punktgenau wieder
bereit für volles Herausbeschleunigen
ist. Damit dabei nichts schiefgeht, hat
die F eine dreifach verstellbare Traktionskontrolle, die zusätzlich deaktiviert
werden kann. Die funktioniert für ihren
Einsatzzweck auf der Straße auch sehr
gut, was sich in der Gooseneck-Rechts
schön analysieren ließ. Da es trocken
war, machte die früh regelnde Stufe 1
keinen Sinn. In Stufe zwei regelte die
Kontrolle dann aber schon so zügig,
dass beim Aufziehen des Gasgriffs
ein Moment Sendepause herrschte.
Nanu, ist der Gaseinsatz so verzögert
oder werkelt schon die TC? Also
beim nächsten Mal auf Stufe 3 – und
schwupp brach das Hinterrad schon
leicht aus, bevor die Elektronik es
wieder einfing. Für die Straße sollte
diese TC tadellos funktionieren.
Das Fahrwerk passte ganz gut für
die mitunter extrem holprigen Straßen,
ohne zu weich und damit unsportlich
zu Werke zu gehen. Für unterschiedliche Geschmäcker ist die Gabel – wie
bei der Nackten – voll einstellbar. Für
die Verkleidungsversion passten die
Japaner lediglich die Gabelöl-Menge
an. Das Federbein bietet zur Vorspannung noch eine Zugstufen-Einstellung.
Als die Show nach ein paar Runden
mit Milky schließlich in Douglas endet,
stehen wir noch eine Weile mit dem
sympathischen Insulaner beisammen
und philosophieren über das Bike.
Richtig erfrischend aus PS-Sicht ist die
sportliche Ausrichtung der F. Wer ein
verkleidetes Motorrad für die schnelle
Sonntagsrunde sucht, aber weder großen Wert auf Mitfahrer noch Gepäck
legt, wer nicht zu sehr in die Beugehaltung eines Supersportlers gezwängt
werden möchte, doch Drehzahlen nicht
scheut, um richtig anzugreifen, wer
aber auch genug Alltagstauglichkeit
braucht, um mit dem Bike durch die
Stadt zu kommen, der sollte sich die
GSX-S 1000 F mal ansehen. Vielleicht
legen echte Sportskanonen noch ein
paar Euro drauf und besorgen sich
feistere Bremsbeläge, denn die Bremse
dürfte ruhig etwas doller zupacken.
Und leider hat die F auch die etwas
ruppige Gasannahme und im Bummelbetrieb die unschönen Lastwechsel ihrer nackten Schwester mitbekommen.
Aber damit kann man umgehen.
Auf die Insel der Roadracer hat die
Suzuki GSX-S 1000 F jedenfalls hervorragend gepasst, denn nach PS-Ansicht
ist die Neue wahrlich sportlich und
schnell geworden.
„IN DER CREGNY-BAA-RECHTS
ZEIGT DIE F IHRE
KURVENSTABILITÄT UND AGILES
HANDLING“
01
01 Das übersichtliche Cockpit bietet
alle nötigen Infos. Die Drehzahlanzeige
lässt sich nach Geschmack einstellen
02 Die für Straßenbetrieb gut funktionierende Dreifach-Traktionskontrolle
wird am linken Lenkerende per ModeWippe verstellt
03 Gute Zangen, etwas weichgespülte
Verzögerung. Sportskanonen empfiehlt PS aggressivere Beläge, damit
das ABS wirklich was zu tun bekommt
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03
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