28 Sport Zürichsee-Zeitung Freitag, 20. November 2015 Auf EinEn CAppuCCino Mit KunstrAdfAhrEr YAnniCK MArtEns, VMC hoMbrEChtiKon «Ich brauche täglich Bewegung» obwohl er Kunstradfahren einst uncool fand, trat Yannick Martens (24) in die fussstapfen seiner Vorfahren. Ab heute steht der mehrfache Landesmeister und schweizer rekordhalter an der WM in Malaysia im Einsatz. Sie haben eben einen Cappuc cino bestellt. Was mögen Sie daran? Yannick Martens: Für mich hat er die genau richtige Mischung zwischen Kaffee und Milch. Ist das auch Ihr Lieblings getränk? Ich trinke täglich Kaffee, aber am liebsten mag ich Vivi Kola, das vor einigen Jahren neu lancierte, legendäre Schweizer Kola – und zwar nicht nur, weil ich die Firma aus Eglisau zu meinen Sponsoren zählen darf. (schmunzelt) Meist trinke ich jedoch Wasser. Bleiben wir noch beim Kulina rischen. Was essen Sie gerne? Fleisch, beispielsweise ein saftiges Cordon bleu. Bei Pizzas muss ich Mass halten. Können Sie es auch selbst zubereiten? Ich kann kochen, ja, bereite mir ab und zu selber das Mittagessen zu. Nächstes Jahr werde ich dann häufiger am Herd stehen, weil ich für einige Monate in Tschechien leben werde – wegen der Sprache, der Trainingsbedingungen und der Freundin, die von dort kommt. Inwiefern achten Sie als Sportler auf die Ernährung? Ich schaue vor allem, dass ich mich ausgewogen ernähre. Ab und zu liegt auch ein Stück Schokolade oder Kuchen drin, ich sollte einfach das Gewicht zwischen 66 und 67 kg halten. Gibt es sonst noch Einschrän kungen? In den Ausgang gehe ich selten. Und Zeit, um mit Kollegen etwas zu unternehmen, bleibt ebenfalls wenig. Aber ich denke immer: Sportler bist du vielleicht bis 30. Es bleibt mir also noch genügend Zeit, um Verpasstes nachzuholen. Womit bestreiten Sie Ihren Lebensunterhalt? Ich arbeite in einem 50-ProzentPensum bei der Firma Swan in Hinwil. Grosse Hilfe erhalte ich natürlich auch von meinem Vater – wofür ich im Gegenzug bei Be- darf in seinem Geschäft in Stäfa anpacke. Zudem darf ich auf die Unterstützung einiger treuer Sponsoren zählen. Welchen Beruf haben Sie gelernt? Zweiradmechaniker, im Betrieb meines Vaters. Eigentlich wurde mir zuerst eine Lehrstelle als Multimedia-Elektroniker zugesagt, doch dann machte der Lehrbetrieb einen Rückzieher. Weshalb nehmen Sie das alles auf sich? Aus Liebe zum Sport. Welchen sportlichen Gross anlass haben Sie als ersten bewusst wahrgenommen? Die Fussball-WM 2002 in Japan und Südkorea. Ich war oder bin ein riesiger Fan von Oliver Kahn. Leider verlor er mit Deutschland den Final 0:2 gegen Brasilien. Wie sind Sie zum Kunstrad fahren gekommen? Es ist quasi eine Familientradition. Mein Vater war aktiv, meine Grossmutter ebenso. Sie war es, die mich dazu motivierte, ebenfalls aufs Rad zu steigen. Da war ich etwa 5-jährig. So richtig gepackt hat es mich aber erst mit 14. Zunächst war meine Hauptsportart das Kunstturnen, ab circa 10 spielte ich dann intensiv Fussball – was auch bei meinen Kollegen viel besser ankam als Kunstradfahren. Meine Haltung änderte sich, als Petra Ackermann meine Trainerin wurde und mir viele tolle Sachen auf dem Velo beibrachte. Fortan setzte ich dann voll aufs Kunstrad. Welches war Ihr schönster Moment im Sport? Den erlebte ich 2012 an der WM im deutschen Aschaffenburg. Ist man nach seiner Darbietung unter den Top 3, darf man auf dem Leadersofa Platz nehmen. So sass ich dann dort, hoffte, bangte – und irgendwann war mir die Bronzemedaille sicher. Dieser Moment war unbeschreiblich. Und welches war die grösste Enttäuschung? Dass ich dieses Jahr aufgrund einer völlig unverhältnismässigen Sperre nicht an den Schweizer Meisterschaften teilnehmen konnte (siehe Kasten). Überhaupt dieser ganze Fall und die Reaktion des Verbandes. Sportlich gesehen die grösste Enttäuschung war, Yannick Martens ist ein aufgestellter Typ, die Vorkommnisse der letzten Wochen (siehe Kasten) haben ihm aber ziemlich zugesetzt. dass ich 2013 an der WM in Basel die Medaille nicht verteidigen konnte. Ich hatte mich nicht optimal vorbereit, und prompt unterlief mir ein gröberer Fehler. Mit welchen Erwartungen star ten Sie an der diesjährigen WM? Die Vorbereitung war natürlich WoruM GEhts? WM-Teilnahme vor Gericht erkämpft Yannick Martens musste sich die Teilnahme an den Hallenradsport-Weltmeisterschaften, die von heute Freitag bis Sonntag im malaysischen Johor ausgetragen werden, härter erkämpfen denn je. Aber nicht in der Sporthalle, sondern vor Gericht. Der Fall ist kompliziert und der Sachverhalt nicht genau geklärt. Zurück geht das Ganze auf einen Vorfall am 22. August am internationalen Wettkampf in Hohenems (Ö). Martens sah sich ungerecht bewertet («Ein Element wurde einfach ignoriert.») und wurde ausfällig. Mit welcher Wortwahl und gegenüber wem, darüber gehen die Meinungen weit auseinander, es konnte nicht eindeutig rekonstruiert werden. Dies war mit ein Grund, weshalb das Verbandsschiedsgericht dem mehrfachen Schweizer Meister und aktuellen Schweizer Rekord- halter im Kunstradfahren am Montag, kurz vor seiner Abreise, die er aufgrund der Verhandlung von Freitag auf Montagabend verlegt hatte, grünes Licht für einen WM-Start gab. Es tat dies, indem es die zuvor von der Fachkommission Hallenradsport Schweiz verhängte und von der zuständigen Disziplinarkommission von Swiss Cycling nach einem Rekurs seitens des Sportlers bestätigte bis Ende 2015 gültige Sperre auf einen Monat verkürzte. Zudem wurde der Beginn der Laufzeit auf den 11. September angesetzt – womit die Sperre bereits verbüsst ist. Das Verbandsschiedsgericht verknurrte Swiss Cycling des weiteren dazu, Martens dessen Partei- sprich Anwaltskosten (5000 Franken) zu vergüten sowie drei Viertel der Gerichtskosten zu berappen. Warum das Verbandsschiedsge- richt so entschied, wird erst die schriftliche Urteilsbegründung offenbaren, die Anfang nächster Woche erwartet wird. Aufgrund der Dringlichkeit war das Urteil am Montag nur mündlich eröffnet worden. Beigelegt ist der Konflikt zwischen dem besten Schweizer Kunstradfahrer und Swiss Cycling damit aber nicht. Gemäss Martens’ Anwalt Thomas Meier sind zwei weitere Verfahren hängig. Das eine befasst sich damit, ob Yannick Martens während der von der Fachkommission verhängten Sperre dennoch Wettkämpfe bestritt und wenn ja, ob dies rechtens war. Im anderen geht es um Hermann Martens, Yannicks Vater, der vom Verband aufgrund desselben Vorfalls eine 2-jährige Hallensperre für sämtliche Kunstradwettkämpfe aufgebrummt erhielt. Fortsetzung folgt. su alles andere als optimal. Ich werde dennoch versuchen, mit Freude in den Wettkampf zu gehen und mein Potenzial abzurufen. Wenn mir dies gelingt, liegt eine Medaille in Reichweite. Vom Ausgangswert her bin ich die Nummer 3 hinter den beiden Deutschen Michael Niedermeier und Simon Puls. Knapp dahinter liegt der Chinese Chin To Wong. Wie lange brauchen Sie morgens vor dem Spiegel? Inklusive Zähneputzen? Fünf Minuten oder so. Am meisten Wert lege ich auf die Frisur. Mit welcher Person würden Sie gerne einmal für einen Tag tauschen? Mit Roger Federer. Ich würde gerne erfahren, wie es in ihm aussieht vor, während und nach einem wichtigen Spiel wie dem Wimbledon-Final. Welche Person bewundern Sie? Lara Gut. Sie geht ihren eigenen Weg und hat gezeigt, dass man auch ohne Verband an die Spitze kommen kann (so wie Martens, der beispielsweise darauf verzichtet, Mitglied des Nationalkaders zu sein, weil er die damit verbundenen Pflichttermine nicht wahrnehmen will; Red.). Ganz speziell gefällt mir an ihr, dass sie so oft lacht, ihre Freude so offen zeigt. Die Freude geht im Sport leider oft vergessen. Wie sieht für Sie ein perfektes Wochenende aus? Dazu gehört sicher ein gutes Training, das viel Spass bereitet. Dann leckeres Essen, ein schöner Abend mit der Freundin und, wenn die Zeit reicht, noch ein Ausflug in die Natur, in die Berge. Wo und mit wem verbringen Sie Ihre nächsten Ferien? Im Anschluss an die WM fliege ich zusammen mit meiner Schwester Jeannine für eine knappe Woche nach New York. Darauf freue ich mich sehr. Ich war noch nie dort. «Die Freude geht im Sport leider oft vergessen.» Yannick Martens Ihr Lieblingssong? «Levels» von Avicii. Das Lied ist schon älter (es erschien Ende 2011; Red.) und ich habe es bestimmt schon 1000-mal gehört. Aber bisher ist es mir nie verleidet. Ihr Lieblingsfilm? Ich bin ein grosser James-BondFan – wobei mir die alten Streifen besser gefallen als die neuen. Sie sind stilvoller, humorvoller. Ihr Lieblingsbuch? Da fällt mir keines ein. Ich glaube, ich habe seit der Schulzeit kein Buch mehr gelesen. Silvano Umberg Ihr Lebensmotto? Gib niemals auf. Was ist Ihr grösstes Laster? Der Sport. Betätige ich mich einmal zwei, drei Tage nicht, kann ich ziemlich nervig werden. Ich brauche täglich Bewegung – in welcher Form auch immer. Und welches ist Ihre beste Eigenschaft? Das müssten eigentlich andere beurteilen … (überlegt lange) Ich denke, ich bin ein aufgestellter Typ. Ich lache gerne, habe es gerne lustig und mache gerne Spässe – um die Stimmung aufzulockern. Was macht Sie glücklich? Wenn es den Menschen, die ich gern habe, gut geht. Was ärgert Sie? Wenn man ungerecht behandelt wird. Und wenn man seine Meinung nicht äussern darf. Was ist Ihnen wichtig im Leben? Kurz gesagt: Gesundheit, Glück und Liebe. Was machen Sie in zehn Jahren? Ich hoffe, dass ich einen Beruf haben werde, der mir Spass macht – dies könnte im Bereich Velo sein oder vielleicht im Bereich Sicherheitspolizei. Und ich könnte mir gut vorstellen, dass ich dann verheiratet bin. Interview: Silvano Umberg
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