Holz auf Jesu Schulter, von der Welt verflucht, ward zum Baum des

Ein König gibt ein großes Fest. Viele angesehene Bürger sind eingeladen. Die
meisten Gäste kommen mit vornehmen
Kutschen. Es beginnt zu regnen. Vor der
Toreinfahrt bildet sich eine große Pfütze.
Ein vornehm gekleideter, älterer Herr
steigt aus, bleibt am Trittbrett hängen
und fällt der Länge nach in die Pfütze.
M
ühsam erhebt er sich wieder. Er ist von oben bis unten
beschmutzt und sehr traurig. Denn so kann er sich auf
dem Fest ja nicht mehr sehen lassen. Ein paar andere
Gäste machen spöttische Bemerkungen. Ein Diener, der den
Vorfall beobachtet hat, meldet ihn seinem Herrn, dem König.
Dieser eilt sofort hinaus und kann den beschmutzten Gast gerade noch erreichen, als dieser zurückfahren will. Der König
bittet den Gast, doch zu bleiben, ihm würde der Schmutz an
seinen Kleidern nichts ausmachen. Doch der Gast hat Angst. Da
lässt sich der König mit seinen schönen Gewändern in dieselbe
Pfütze fallen, so dass auch er von oben bis unten voller Dreck
ist. Er nimmt den Gast an der Hand und zieht ihn mit sich. Sie
gehen beide, beschmutzt wie sie sind, in den festlich geschmückten Saal.
Diese Geschichte von Ralf Johnen hält fest, was für mich im
Menschen Jesus geschah. Gott hat sich in unsere Welt und in
unsere Zusammenhänge »fallen lassen«. Es scheint der einzige
Weg zu sein, um uns zu erreichen, um uns zu sagen: »Du Mensch,
egal wie du aussiehst, egal was dich plagt, egal was du ausgefressen hast, ich, Gott, stehe an deiner Seite. Ich lade dich ein,
mit mir zu leben und zu feiern.«
Was Jesus uns vorlebte
Gott zeigte sich in Jesus Christus als Mensch den Menschen. Er
sammelte Freunde und Freundinnen, war mit ihnen unterwegs,
teilte ihre Sorgen und Freuden. Er unterwies sie: »Liebt Gott,
liebt die Menschen, liebt noch eure Feinde.« Das lebte er selbst
vor. Einen der Soldaten, die ihn gefangen nahmen, heilte Jesus. Jesus ging zu denen, um die andere einen Bogen machten.
Er lud sich beim Zolleintreiber Zachäus ein, sie aßen und redeten. Das veränderte Zachäus. Er gab zurück, was er ergaunerte. Von einer ortsbekannte Frau, deren Ruf nicht der Beste
war, ließ Jesus sich salben mit kostbarem Öl. Keine Distanz
baute er auf, sondern riss Schranken nieder. Jesus nahm die Menschen an. In seiner Nähe wurden sie heil. Sie entdeckten das Leben ganz neu. Ein Kind stellte Jesus als Vorbild hin. Mit Fischern
saß er zusammen und mit jüdischen Lehrern. Frauen durften bei
ihm zuhören und mitreden. Blinden öffnete er die Augen und
Lahme hatten wieder festen Stand. Einer Frau, wegen Ehebruch
angeklagt und schon zur Steinigung vorverurteilt, schenkte er
das Leben, indem er alle danach befragte: »Wer ist ohne Schuld?
Der mag steinigen.« Es fand sich keiner. Jesus selbst vergab den
Menschen ihre Vergehen. »Dir ist vergeben!« mehrfach lesen wir
das in der Bibel. »Die Last ist von dir genommen und nun lebe,
lebe neu, lebe anders, wage Liebe« höre ich weiter.
Was Christen zentral mit dem Kreuz verbinden, nämlich Vergebung von Schuld und Versöhnung mit Gott und mit sich selbst
und den Nächsten, das gewährte Jesus mitten im Leben. Dazu
brauchte es keinen gewaltsamen Tod. Und doch führte sein Leben in den Tod. Es ist wie der Fall des Königs in die Pfütze aus der
Geschichte. Der König macht sich schmutzig. Jesus erlitt das
Sterben, wie wir und mehr als wir. Er tat es mit uns und er tat es
für uns, so wie er mit und für uns lebte.
Warum musste Jesus so qualvoll sterben? Hat das eine besondere Bedeutung? Das Sterben Jesu verstehe ich als die Konsequenz seines Lebens. Denn an ihm, seiner Art zu leben und zu
glauben, schieden sich die Geister. Es gab genug Menschen, die
seinen Tod wollten, seine Hinrichtung. Die religiöse Führungsschicht war empört, wenn Jesus Schuld vergibt, ohne dass man
opfern geht. Oder sie war brüskiert, wenn Jesus nach dem Sinn
einengender Gesetzeshaltung fragt: »Wozu dienen die Gebote –
dem Leben und der Heilung oder der Knechtung?« Diese Frage
wurde laut, wenn Jesus am Sabbat, dem Ruhetag, heilte.
H ol z au f Je su S ch u lter,
von d er Welt ver fl u ch t, s
w ar d z u m B au m d es L eb en
u n d br in gt gute Fru ch t.
W ill em Ba rn ar d / Jü rg en He nk ys
Aber auch viele im Volk wollten seinen Tod, so berichten es
die Evangelien. Das Volk war aufgewiegelt, es ließ sich manipulieren. Wie schnell wird die eigene Ansicht aufgegeben, um nicht
aufzufallen und dazuzugehören? Die römische Besatzungsmacht
schließlich duldete keinen, der einen wie auch immer gearteten
Machtanspruch erheben könnte. Deshalb wurde Jesus hingerichtet als »der König der Juden«. Dieses Todesurteil verfügte
der römische Statthalter Pontius Pilatus. Da waren ein Hauptmann und Soldaten als Henkersleute, die ihre Arbeit verrichteten. Es lässt sich benennen, wer den Tod beschloss.
Es gab aber welche, die den Kreuzweg anders begleiteten. Einer trug das Kreuz mit. Da waren Frauen, die trauerten und weinten. Ein Jünger stand dabei und nahm sich der Mutter Jesu an.
Andere waren in der Ferne und verfolgten das Geschehen voll
Angst. Zitternd warteten sie, was kommen wird, untröstlich,
dass der hoffnungsvolle Beginn in den Kreuzestod führte.
Was der Tod von Jesus uns bedeutet
Frage ich nach der Bedeutung des Kreuzes für mich, gibt es keine
abstrakte theologische Antwort. Ich sehe die Menschen, in diesem Drama und erkenne mich mal mehr, mal weniger in ihnen
wieder.
Ich bin in Arbeit vertieft und im Alltag eingespannt, manchmal so sehr, dass ich das Leid anderer gar nicht wahrnehme. Ich
bin in Strukturen gefangen, die mich mitverantwortlich machen
für ungerechten Handel, der Leben einschränkt oder zerstört.
Ich erlebe mich immer wieder auch ängstlich und verzweifelt,
wenn andere mit dem Leben ringen, wenn nicht absehbar ist, wie