Juni 2015 Weshalb Migros und Coop für den Obligationenmarkt unverzichtbar sind Eine Tomate lässt sich nicht einfach mit einer Kartoffel vergleichen. Und eine Spargelzucht ist weit risikoreicher und aufwendiger als der Anbau von Getreide. Entsprechend unterschiedlich sind auch die Preise, Anbaugebiete und Mittel zur Bewirtschaftung. Der Markt für festverzinsliche Anleihen kann durchaus mit dem Agrarbereich verglichen werden. Wie bei Gemüse und Getreide gibt es bei Obligationen sehr unterschiedliche “Sorten“, mit verschiedenen Spezialitäten und Eigenheiten. wieder verkaufen können. Solche Geschäfte benötigen kein oder nur wenig eigenes Kapital zur Absicherung, da der Händler nur als Vermittler und nicht aber als Zwischenhändler fungiert. Doch dies macht es umso schwieriger, gerade grössere Position zu handeln. Handelsbestände gehen deutlich zurück Im Gegensatz zur Nahrungsmittelindustrie, wo mit Lidl und Aldi in der Schweiz neue Zwischenhändler dazugekommen sind, entstand in den letzten Jahren im Obligationenmarkt ein grösseres Problem: Je länger je mehr verschwinden die Zwischenhändler, beziehungsweise die Coops und die Migros‘ der Finanzbranche. Es gibt kaum mehr Zwischenhändler welche die „Ernte“ der Investoren aufkaufen. Obwohl es viele Endkunden gäbe, die noch so gerne die reifen „Tomaten“ kaufen würden. Weshalb ist dies so? Zwischenhändler gehen beim Kauf von Obligationen ein Risiko ein. Sie kaufen die Position, nehmen diese aufs eigene Handelsbuch und suchen danach nach einem geeigneten Käufer. Sie laufen aber Gefahr, dass sich, während dem sie die Position auf dem Buch haben, die Nachfrage nach den Obligationen schlagartig ändert und der Preis deutlich sinkt. Der Zwischenhändler würde plötzlich einen grösseren Verlust auf der zwischenzeitlich gehaltenen Position einfahren. In der Finanzbranche muss der Händler deshalb für solche Positionen Eigenkapital der Bank zur Absicherung unterlegen. Regulierung führt zu höheren Kapitalvorschriften Mit den neuen Regulierungen im Nachgang an die Finanzkrise muss der Händler nun deutlich mehr Kapital unterlegen. Viele Banken haben deshalb ihre Bestände an Wertpapieren gekürzt, um den neuen Standards Folge zu leisten. Zeitgleich haben sie zusätzliches Eigenkapital aufgebaut. Dies hat das Finanzsystem, soweit wir es heute beurteilen können, stabiler gemacht. Doch die höhere Sicherheit des Finanzsystems hat auch ihren Preis. Denn die Händler sind aufgrund der höheren Kosten für das Halten von Handelspositionen je länger je weniger bereit, eine Obligation aufs eigene Buch zu nehmen. Zudem bieten sie ihre Dienstleistungen je länger je mehr nur noch als Vermittler an. Das heisst, sie führen diesen Kauf nur durch, wenn sie sicherstellen können, dass sie die Position mit einem kleinen Aufpreis Quelle: BIS Quarterly Review, March 2015 Problematisch vor allem bei Unternehmensanleihen Marktteilnehmer wollen in erster Linie möglichst liquide Märkte. Denn sie möchten ihre Käufe und Verkäufe möglichst schnell, zu geringen Kosten und zum aktuellen Kurs durchführen. Mit den neuen Regulierungen und infolge einer gesunkenen Risikobereitschaft der Banken nach der Finanzkrise hat sich die Situation aber deutlich verschlechtert. Am problematischsten ist es vor allem bei den sehr heterogenen Unternehmensanleihen. Viele Obligationen werden am Sekundärmarkt bereits jetzt kurz nach der Emission illiquid. Das bedeutet, dass die Differenz zwischen Geld- und Briefkurs grösser wird. Dies war zum Teil schon früher der Fall, hat sich aber gerade im Schweizer Markt in den letzten Jahren deutlich akzentuiert. Dass im Finanzbereich immer weniger Zwischenhändler für Liquidität sorgen, wird beim Investor somit für hohe Kosten in Form von Preisabschlägen sorgen. Kontakt: Beat Schiffhauer, Tel.: 044 214 32 55, E-Mail: [email protected] Juni 2015 Doch wie schlimm steht es wirklich? Eine Indikation über die Liquiditätssituation gibt das aktuelle Inventar der Zwischenhändler, beziehungsweise wie sich dieses in den letzten Jahren entwickelt hat. Und diese Entwicklung lässt aufhorchen. Die Zahlen der US-Banken geben ansatzweise einen Überblick darüber, wie sich die Bücher der Händler entwickelt haben. Es muss an dieser Stelle erwähnt werden, dass der US-Obligationenmarkt mit Abstand der grösste und liquideste Markt weltweit ist. Somit ist die Situation in anderen Märkten, beispielsweise im Schweizer Franken Markt, tendenziell schlechter. In der Grafik 1 zeigt sich, dass seit der Finanzkrise die Handelsbestände (rote Linie) deutlich zurückgegangen sind. Zudem haben sich im gleichen Zeitraum auch viele Händler komplett aus dem Markt zurückgezogen. Das heisst: Nicht nur sind die Zwischenhändler weniger risikobereit geworden. Ihre Anzahl insgesamt hat sich auch deutlich verkleinert. Emissionen von Obligationen haben massiv zugenommen Aber nicht nur die kleineren Bücher der Zwischenhändler geben Anlass zu Sorge. Gleichzeitig mit dem Schrumpfen der Bücher haben die Emissionen massiv zugenommen. Die ausstehenden Unternehmensanleihen (ohne Banken) haben sich seit 2006 fast verdoppelt (Grafik 2). Gemäss der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich waren Ende 2014 weltweit rund 10 Billionen US-Dollar an Unternehmensanleihen ausstehend. Noch 2006 lag dieser Wert bei rund 5.5 Billionen US-Dollar. Wenn wir eins und eins zusammenzählen, ergibt sich für die Liquidität solcher Anleihen ein düsteres Bild: Bei gleichzeitig massiv gestiegenem Angebot (die ausstehenden Anleihen) sind die Möglichkeiten, diese zu handeln deutlich gesunken. Denn es fehlt an Zwischenhändlern und Marktplätzen. Die Investoren können ihre Positionen nicht mehr oder nur mit einem grossen Preisabschlag verkaufen. Um es in die Landwirtschaft zu übersetzen: Der Gemüsebauer muss sein stark gesteigerter Ernteertrag selber auf kleinen Marktplätzen feilbieten, oder direkt ab Hof in mühsamer Kleinarbeit seine Produkte vertreiben. Was in der Landwirtschaft noch romantisch klingt, ist im Obligationenmarkt verheerend. Gerade Grossinvestoren wie Fonds werden vermehrt Mühe haben, grosse Positionen schnell und ohne grössere Preisabschläge zu verkaufen. Unterliegen wir einer Liquiditätsillusion? Viele Asset Manager versprechen ihren Kunden, kurzfristig Liquidität bereitstellen zu können. Als Kunde des Fonds wähnt man sich in der Illusion, dass die Fonds ihre Positionen immer zu Marktpreisen abstossen können und diese sind auch entsprechend bewertet. Unter den vorher beschriebenen Bedingungen muss dies aber ernsthaft in Frage gestellt werden. Kann der Fonds nicht zu Marktpreisen liquidieren, werden vor allem bei jenen Investoren hohe Kosten verursacht, welche in Stresssituationen weiterhin im Fonds investiert bleiben. Denn die Preisabschläge auf den verkauften Positionen werden meist den bestehenden Investoren aufgebürdet und nicht jenen, welche frühzeitig ausgestiegen sind. Diese Faktoren müssen bei der Auswahl eines Fonds berücksichtigt werden. Vor allem Fonds mit grösseren Einzelinvestoren sowie Fonds in exotischeren Obligationen können in Probleme geraten. Eine sorgfältige Selektion der Fonds ist aus diesen Gründen unabdinglich. Ausstehende Unternehmensanleihen haben sich verdoppelt Quelle: BIS Quarterly Review, March 2015 Disclaimer: Die Angaben dieser Empfehlung und insbesondere die Beschreibung des einzelnen Wertpapiers stellt weder eine Offerte zum Kauf des Produktes noch eine Aufforderung zu einer anderen Transaktion dar. Sämtliche dieser Empfehlung zugrunde liegenden Informationen sind sorgfältig ausgewählt und stammen aus Quellen, die vom Investment Center der St.Galler Kantonalbank grundsätzlich als verlässlich betrachtet werden. Meinungsäusserungen oder andere Darstellungen dieser Empfehlung können jederzeit und ohne vorherige Ankündigung geändert werden. Es wird keine Garantie, Verantwortung oder Haftung bezüglich der Genauigkeit und Vollständigkeit der Informationen übernommen. Kontakt: Beat Schiffhauer, Tel.: 044 214 32 55, E-Mail: [email protected]
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