Warum klassische Schichtmodelle nicht mehr funktionieren und wie man es besser machen kann Der demografische Wandel und der Druck auf die Rentensysteme erfordern eine lebensphasenorientierte Arbeitszeitgestaltung Der demografische Wandel führt zu immer höheren Anteilen älterer Mitarbeiter in den Belegschaften. Bis vor wenigen Jahren waren Mitarbeiter über 57 oder 60 Jahre noch seltene Exoten, weil durch gut dotierte Frühverrentungsprogramme diese Altersgruppen flächendeckend aus den Betrieben aussortiert wurden. Mit dem Wegfall der großzügigen staatlichen Förderung der Altersteilzeit und dem Hineinwachsen der geburtenstarken Jahrgänge in diese Altersstufen ist ein solches Vorgehen für die Unternehmen nicht mehr tragbar geworden. Dies führt dazu, dass die Anteile älterer Mitarbeiter über 55 und 60 Jahren rapide gewachsen sind und in Zukunft noch weiter zunehmen werden. Dies auch in Bereichen mit gesundheitlich belastenden Tätigkeiten, also z.B. Arbeit mit körperlicher Belastung und Schichtarbeit. Gleichzeitig verschiebt sich das Renteneintrittsalter von 65 in Richtung 67. Gerade die geburtenstarken Jahrgänge werden zwar – sofern sie die Eintrittsvoraussetzung von mindestens 45 Beitragsjahren erfüllen – von der Rente mit „63 plus x“ profitieren. Allerdings stellen wir heute fest, dass z.B. Mitarbeiter im vollkontinuierlichen Schichtbetrieb in der Regel nicht einmal bis zum Erreichen des sechzigsten Lebensjahrs bei guter Gesundheit ihrer Beschäftigung in Vollzeit nachgehen können. Es gibt also wenig Anlass zu der Annahme, dass dies zukünftig flächendeckend bis zum Alter von 63, 65 oder gar 67 der Fall sein wird. Das gleichzeitig sinkende Rentenniveau (eine weitere Folge der demografischen Verschiebung) lässt den meisten der gesundheitlich besonders betroffenen Mitarbeitergruppen wenig Chancen auf einen vorzeitigen Renteneintritt, der ja mit erheblichen Renteneinbußen verbunden ist. Und da das Rentensystem durch den immer höheren Anteil von Rentnern bei sinkender Anzahl Menschen im klassischen Erwerbsalter (20 bis 65) zukünftig noch mehr unter Druck geraten wird, gibt es keine realistische Aussicht auf Besserung dieser Situation: Das Renteneintrittsalter wird in Zukunft eher weiter steigen als sinken, das Rentenniveau wird eher weitere sinken als steigen. All dies macht die Gestaltung lebensphasenorientierter Arbeitszeitsysteme notwendig, die ein allmähliches Absenken der Arbeitszeit von Mitarbeitern (zumindest von denen, die in ihrer Tätigkeit besonderen Belastungen ausgesetzt sind) in den Jahren vor dem Renteneintritt ermöglichen. Eine weitere Entwicklung, die diese Notwendigkeit verstärkt, ist die steigende Erwartungshaltung in den jüngeren Generationen in Bezug auf die Vereinbarkeit von Familie in Beruf. Aus Befragungen von Schul- und Hochschulabsolventen wissen wir, dass Work-LifeBalance einen höheren Stellenwert genießt als ein hohes Gehalt oder beruflicher Aufstieg. Die Erwartung, dass Zeiten der Kindererziehung oder der Pflege von Familienangehörigen durch eine entsprechend angepasste (insbesondere auch reduzierte) Arbeitszeit besser gestaltet werden können, ist bei jungen Menschen deutlich ausgeprägt. Unternehmen, die qualifizierte junge Mitarbeiter gewinnen wollen, werden sich dieser Erwartungshaltung stellen müssen. Mit Blick auf Beschäftigte in Schichtbetrieben folgt daraus: Es muss Angebote für eine Arbeitszeitreduzierung auch und gerade im Schichtbetrieb geben. Nur so werden ältere Mitarbeiter ihre Beschäftigung bis zum Renteneintrittsalter aufrecht erhalten können, nur so werden die Betriebe auch zukünftig noch qualifizierte Mitarbeiter (z.B. Maschinenbediener für die immer komplexeren digitalisierten Anlagen) gewinnen und halten können. Einige Tarifverträge (z.B. Chemie, Papierindustrie) schreiben eine Arbeitszeitverkürzung für ältere Mitarbeiter bereits vor. Idealerweise geht eine solche Arbeitszeitverkürzung mit einem Demografiefonds (wie in der Chemieindustrie) oder einer anderen Form der Lebensarbeitszeitgestaltung einher, die den Mitarbeitern einen vollständigen oder anteiligen Ausgleich der Einkommenseinbuße ermöglicht. Reduzierte Arbeitszeit im Schichtbetrieb bedeutet in der Regel weniger Schichten pro Woche, mehr schichtfreie Tage Die meisten heute vorzufindenden Schichtsysteme gehen von einer festen Anzahl von Mitarbeitern aus, die über die gesamte Dauer einer Schicht anwesend sind. Nicht immer ist dies die einzig mögliche oder beste Lösung – aber das ist ein anderes Thema, über das an anderer Stelle noch zu sprechen sein wird. Schichten mit individuell unterschiedlicher Schichtlänge, über die eine Arbeitszeitentlastung in Form verkürzter täglicher Arbeitszeit realisiert werden könnte, sind heute ebenfalls kaum gebräuchlich. Wenn diese Voraussetzungen nicht angegriffen werden sollen (und zum Teil auch tatsächlich schwer verändert werden können, ohne die Effizienz eines Schichtsystems erheblich zu beeinträchtigen), kann eine Arbeitszeitverkürzung im Schichtbetrieb nur über zusätzliche schichtfreie Tage für die betreffenden Mitarbeiter realisiert werden. Reduzierte Arbeitszeit im Schichtbetrieb bedeutet also mehr Abwesenheitstage für die Mitarbeiter, deren Arbeitszeit verkürzt wird. Die Herausforderung für die Organisation eines Schichtbetriebs lautet somit: Es werden Schichtmodelle benötigt, die auch mit signifikant erhöhten Abwesenheitsquoten noch gut funktionieren. Klassische Schichtmodelle scheitern schon an der „normalen“ Anzahl von Abwesenheitstagen bei Vollzeitbeschäftigten Dies ist aber keine triviale Herausforderung. Denn die meisten heutigen Schichtmodelle scheitern schon an der „normalen“, durchschnittlichen Abwesenheitsquote von Vollzeitbeschäftigten. Typische Abwesenheitsquoten (bedingt durch Tarifurlaub, zusätzliche Ausgleichstage für die Belastungen des Schichtbetriebs, Krankheitstage, Training etc.) in einem vollkontinuierlichen Schichtbetrieb liegen in der Größenordnung von 20%. Und was den Umgang mit den Abwesenheiten noch deutlich erschwert, ist, dass sie nicht gleichförmig anfallen. Es ist also keine gute Lösung, die Schichtbesetzungen einfach um 20% zu erhöhen (abgesehen davon, dass häufig übersehen wird, dass für eine Abwesenheitsquote von 20% ein personeller Aufschlag von 20% auf den Netto-Personalbedarf nicht ausreicht: Es müssen tatsächlich 25% mehr sein). Denn in den für Urlaub unattraktiven Monaten liegen die tatsächlichen Abwesenheitsquoten meist deutlich unter dem Durchschnitt, während in den klassischen Urlaubsmonaten die tatsächlichen Abwesenheiten den Durchschnitt oft erheblich überschreiten. Die Folge wären also regelmäßige, unwirtschaftliche Überbesetzungen einerseits und Unterbesetzungen in den Ferienmonaten andererseits. Die Überbesetzungen, die erforderlich wären, um selbst in den Urlaubsmonaten oder bei gleichzeitiger Abwesenheit von Urlaubern und Kranken die Soll-Besetzungsstärke aufrecht erhalten zu können, will und kann sich heute aber kein Unternehmen mehr leisten. Die Herausforderung im Umgang mit Abwesenheiten bei der Schichtplanung besteht dann darin, fehlende Mitarbeiter durch Mitarbeiter aus anderen Schichtgruppen zu ersetzen, die laut Schichtplan eigentlich schichtfrei hätten. Dies führt aber zu unerwünschten Nebenwirkungen, wie wir am Beispiel des Schichtplans aus Abbildung 1 zeigen wollen. Der Plan aus Abbildung 1 ist für sich genommen ergonomisch sehr empfehlenswert. Er besteht aus der sich stets wiederholenden Abfolge von zwei Früh-, zwei Spät- und zwei Nachtschichten, gefolgt von vier freien Tagen. Um hiermit einen vollkontinuierlichen Schichtbetrieb abzudecken, werden fünf Schichtgruppen benötigt, die jeweils um zwei Tage versetzt die gleiche Abfolge von Schichten durchlaufen. Aus ergonomischer Sicht zu loben ist die konsequente, kurze Vorwärtsrotation, die Begrenzung auf zwei Nachtschichten in Folge und die vier Erholungstage zwischen zwei Schichtblöcken. Auch die Begrenzung auf sechs Arbeitstage am Stück ist positiv zu erwähnen. Allerdings erreicht man mit diesem Schichtplan keine in Deutschland übliche Anzahl von Wochenstunden für einen Vollzeit-Mitarbeiter: Wenn eine Schicht acht bezahlte Arbeitsstunden umfasst, führt dieser Schichtplan zu 33,6 Arbeitsstunden pro Woche im Durchschnitt. Das wäre zunächst kein großer Nachteil, denn Einbringschichten zur Vertretung von Urlaubern oder Kranken werden ja ohnehin benötigt. Die Frage ist nun, wie solche Einbringschichten bedarfsgerecht in den Plan eingebracht werden können, ohne die Ergonomie des Plans zu zerstören. Dies ist schwierig bis unmöglich. Abbildung 1: Ergonomisch guter Plan für einen vollkontinuierlichen Schichtbetrieb mit fünf Schichtgruppen Schauen wir uns dazu an, was erforderlich und möglich ist, um die Schichten einer Urlaubswoche vertreten zu lassen. Abbildung 2 zeigt, dass die beiden zu ersetzenden Frühschichten von einem Mitarbeiter zusätzlich übernommen werden, der am Tag darauf mit einer Frühschicht in seinen Arbeitsblock starten würde. In ähnlicher Weise übernimmt ein anderer Mitarbeiter die beiden Nachtschichten, indem er sie an seinen normalen Schichtblock anhängt. Und die beiden Spätschichten werden von zwei Mitarbeitern übernommen, die dadurch ihren Block von vier freien Tagen unterbrechen. Abbildung 2: Folgen einer Urlaubsvertretung im Plan aus Abbildung 1 Was ist nun das Ergebnis? Von den ergonomisch guten Eigenschaften des Grundplans ist nicht mehr viel übrig geblieben. Zwei Mitarbeiter leisten nun acht Schichten in Folge und haben nur noch 48 Stunden frei zum angrenzenden Schichtblock davor oder dahinter. In einem Fall führt dies gleichzeitig zu vier (statt zwei) Nachtschichten in Folge. Und bei den beiden anderen Mitarbeitern wird der angenehme und erholsame Block von vier freien Tagen zerrissen. Dies wäre nicht von besonderer Bedeutung, wenn dies eine seltene Ausnahme wäre. Bei einem Urlaubsanspruch von 30 Tagen im Jahr ist diese Situation allerdings die Regel und nicht die Ausnahme: In deutlich mehr als der Hälfte des Jahres wird die Situation so sein wie in Abbildung 2 und nicht mehr so, wie es der an sich schöne Grundplan in Abbildung 1 uns suggeriert. Leider gibt es in diesem Plan auch keine wirklich attraktiven Alternativen zu dieser Form der Vertretungsplanung. Wenn also selbst auf den ersten Blick sehr gute Schichtpläne keine wirklich tragfähigen Lösungen für die ganz normalen Abwesenheitsquoten bieten, wie soll das dann erst gelingen, wenn in einem Unternehmen durch das Angebot einer Arbeitszeitverkürzung für ältere Mitarbeiter die Abwesenheitsquoten in die Höhe schnellen? Die Arbeitszeitverkürzung für einen Mitarbeiter auf 80% bedeutet immerhin ca. 46 zusätzliche Abwesenheitstage für diesen Mitarbeiter pro Jahr. Flexible Reserveschichten: Wesentlicher Bestandteil eines Lösungskonzepts für lebensphasenorientierte Schichtmodelle Ein wesentlicher Bestandteil eines Lösungskonzepts, das für die nötige Flexibilität zum Umgang mit erhöhten Abwesenheitsquoten in Schichtplänen sorgt, sind flexible Reserveschichten. Diese stellen sozusagen eine zusätzliche Schichtart (neben den „normalen“ Schichten wie Früh-, Spät- oder Nachtschicht) dar und werden im Grundschichtplan durch ein spezielles Kürzel (z.B. „R“) dargestellt (siehe Abbildung 3). Abbildung 3: Beispiel für einen Schichtplan mit flexiblen Reserveschichten (Ausschnitt) Ein „R“ im Grundschichtplan bedeutet für den Mitarbeiter: Es handelt sich um einen Arbeitstag, für den aber erst später (nämlich im Rahmen der Abwesenheitsplanung) festgelegt wird, welche Schicht (Früh, Spät oder Nacht) an diesem Tag tatsächlich zu leisten sein wird. Dies ist nicht etwa vergleichbar mit einer Rufbereitschaft. Mit einer zu vereinbarenden Ankündigungsfrist (z.B. 10 oder 14 Tage) wird der finale Schichtplan festgelegt, in dem es kein „R“ mehr gibt, sondern nur noch fest definierte Schichten. Und ein wesentlicher Teil der Reserveschichten wird schon im Zuge der Jahres-Urlaubsplanung in feste Schichten umgewandelt. Im Einzelfalle – in solchen Phasen des Jahres, in denen wenig Nachfrage nach Urlaub besteht – kann aus einem „R“ auch ein schichtfreier Tag werden. Vor allem aber: An den Tagen, an denen im Schichtplan keine Schicht (auch kein „R“) vorgesehen ist, hat der Mitarbeiter definitiv und verlässlich frei. Allein das ist ein dramatischer Vorteil gegenüber fast allen heute üblichen Schichtsystemen. Es gibt verlässlich freie Tage für die Mitarbeiter, an denen sie private Aktivitäten planen und sich darauf verlassen können, dass sie nicht kurzfristig gebeten werden, für einen fehlenden Kollegen einzuspringen. Die Reserveschichten sind nach unserer Überzeugung somit der bestmögliche Kompromiss zwischen dem Interesse des Betriebs an gesicherten Schichtbesetzungen und dem Interesse der Mitarbeiter an planbarer Freizeit. Mit dem System der flexiblen Reserveschichten können alle planbaren Abwesenheiten (also alle Abwesenheiten mit Ausnahme kurzfristiger Erkrankungen) kompensiert werden. Es gibt zwei wesentliche Bedingungen, die beim Einbau der Reserveschichten in den Schichtplan beachtet werden müssen: • Die R-Schichten müssen so in den Plan integriert werden, dass sie ohne Störung der Ergonomie (also insbesondere ohne Verletzung der vorgeschriebenen Ruhezeiten zwischen zwei Schichten) flexibel zur Vertretung beliebiger Schichten verwendbar sind • Die Zahl der R-Schichten für jeden Tag der Planung muss ausreichen, um die zu erwartende Anzahl abwesender Mitarbeiter zu vertreten; und dies auch dann, wenn die Anzahl abwesender Mitarbeiter einmal oberhalb des rechnerischen Durchschnitts liegt. Konstruktionsprinzip Gruppenkombination: Bessere Steuerung der Wochenarbeitszeit und bessere Voraussetzungen für den Einbau von Reserveschichten Ein zweites, wichtiges Konstruktionsprinzip, das zu flexibleren Schichtplänen führt, mit denen auch ein erhöhtes Maß an Abwesenheitstagen abgedeckt werden kann, ist das Prinzip der Gruppenkombinationen. In den meisten heute vorzufindenden Schichtplänen wird das Prinzip der festen Schichtgruppen angewendet, d.h.: Es gibt drei, vier oder fünf feste Schichtgruppen, die jeweils eine vollständige Schichtbesetzung bilden und in dieser immer gleichen Gruppierung meist wochenweise versetzt durch die verschiedenen Schichtarten (Früh, Spät, Nacht) rotieren (siehe Abbildung 4). Abbildung 4: Beispiel für einen vollkontinuierlichen Schichtplan mit vier festen Gruppen Wird ein Schichtplan hingegen nach dem Prinzip der Gruppenkombinationen konstruiert, werden kleinere Teilgruppen gebildet, von denen jeweils mehrere gemeinsam eine Schichtbesetzung bilden. So könnte man z.B. nach einem ähnlichen Grundmuster wie in Abbildung 4 einen Plan mit neun Schichtgruppen bilden, von denen immer zwei gemeinsam eine Schichtbesetzung bilden (siehe Abbildung 5). Dabei kann sich die Zusammensetzung der beiden Teilgruppen, die gemeinsam eine Schicht bilden, von Tag zu Tag verändern. So bildet z.B. im Plan laut Abbildung 5 die Gruppe 1 am Montag und Dienstag mit Gruppe 4 gemeinsam eine Frühschicht, am Mittwoch arbeitet Gruppe 1 aber gemeinsam mit Gruppe 8. Abbildung 5: Beispiel für einen vollkontinuierlichen Schichtplan mit Gruppenkombinationen aus neun Halbgruppen Schichtpläne nach dem Prinzip der Gruppenkombination haben den Vorteil, dass die Wochenarbeitszeit feiner auf die vertragliche Arbeitszeit der Mitarbeiter abgestimmt werden kann. Bei Schichtlängen von acht Stunden kann man in vollkontinuierlichen Schichtbetrieben mit dem Prinzip der festen Gruppen entweder eine Wochenarbeitszeit von 42 Stunden erreichen (bei vier Schichtgruppen wie in Abbildung 4) oder 33,6 Stunden (bei fünf Schichtgruppen). Mehr relevante Alternativen gibt es nicht und keine davon passt wirklich gut zu den heute üblichen tariflichen Wochenarbeitszeiten. Im Plan mit Gruppenkombinationen aus Abbildung 5 wird z.B. eine Wochenarbeitszeit von 36 Stunden erreicht. Aber auch viele andere Wochenarbeitszeiten können mit anderen Formen von Gruppenkombinationen (z.B. elf halbe Gruppen oder 13 Gruppen mit jeweils einem Drittel der Schichtbesetzung) realisiert werden. Die Lösung für lebensphasenorientiert Arbeitszeit: Schichtmodelle mit Gruppenkombinationen und Reserveschichten Zusätzlich eignen sich Schichtpläne mit Gruppenkombinationen auch besser für die Konstruktion von Plänen mit Reserveschichten. Denn sie zwingen uns nicht dazu, immer vollständige Schichtgruppen für eine flexible Reserveschicht zu verplanen, sondern ermöglichen bei Bedarf auch eine feinere Bestimmung der Anzahl verfügbarer Reserveschichten. Und sie vereinfachen die geeignete Anordnung der Reserveschichten im Schichtplan. Ein Beispiel hierfür stellt der Plan in Abbildung 6 dar. Hier gibt es zwölf Schichtgruppen mit halber Größe einer Schichtbesetzung, von denen jeweils zwei gemeinsam eine Schichtbesetzung bilden. Auch jeweils zwei Schichtgruppen haben in unterschiedlichen Kombinationen an jedem Tag eine flexible Reserveschicht und können so im Rahmen der Abwesenheitsplanung bis zu einem Drittel der planmäßig anwesenden Mitarbeiter vertreten. Egal, aus welchen Schichtgruppen Mitarbeiter fehlen, so lange es nicht mehr als ein Drittel der an einem Tag netto anwesend benötigten Mitarbeiter sind, können sie in diesem Plan vertreten werden, ohne dass der Plan grundsätzlich modifiziert werden muss und ohne die Gefahr, dass die ergonomischen Grundregeln (insbesondere die Ruhezeiten und das Prinzip der Vorwärtsrotation) verletzt werden. Abbildung 6: Schichtplan für vollkontinuierlichen Betrieb mit Kombinationen aus zwölf Schichtgruppen und Verwendung flexibler Reserveschichten Wenn es in einem Schichtbetrieb z.B. eine durchschnittliche Abwesenheitsquote (aufgrund von Urlaub, Krankheit, Weiterbildung etc.) von 20% vorliegt und zusätzlich noch einmal 20 oder 25% der Mitarbeiter ihre Arbeitszeit auf (im Durchschnitt) 80% reduzieren (also im Durchschnitt pro Woche eine Freischicht erhalten), können diese Abwesenheiten mit einem solchen Plan ohne große Verrenkungen aufgefangen werden. Die Vorteile eines solchen Plans sind, kurz zusammengefasst, also die folgenden: • Der Einsatz von Mitarbeitern mit unterschiedlichen Wochenarbeitszeiten, insbesondere also systematische Arbeitszeitverkürzung für ältere Mitarbeiter, in einem einheitlichen Plan wird möglich. • Im Schichtplan als frei gekennzeichnete Tage bleiben arbeitsfrei, auch bei dem zu erwartenden Vertretungsbedarf aufgrund „normaler“ Abwesenheiten und zusätzlicher Freischichten zur Realisierung einer Arbeitszeitverkürzung. Es besteht also maximale Verlässlichkeit für die Mitarbeiter im Hinblick auf ihre arbeitsfreien Tage. • Die Besetzungssicherheit für den Betrieb bleibt erhalten – an normalen Urlaubstagen und auch unter den Rahmenbedingungen zusätzlicher Freischichten. • Die notwendige Entlastung älterer Mitarbeiter kann realisiert werden, damit diese trotz der belastenden Bedingungen eines kontinuierlichen Wechselschichtbetriebs das Renteneintrittsalter in aktiver Beschäftigung erreichen können. • Der Plan ist von der Grundkonstruktion her nach den wichtigsten ergonomischen Prinzipien aufgebaut und diese Eigenschaft bleibt auch nach der Ersatzplanung für Abwesende erhalten. Hinweise für eine erfolgreiche Umsetzung Wer in seinem Betrieb eine Schichtplanveränderung durchsetzen möchte, muss sich auf größere Widerstände gefasst machen. Die gute Nachricht dabei ist: Es ist egal, was Sie ändern möchten, die Änderung an sich ist das Problem. Jeder Praktiker weiß es und es ist auch schon wiederholt empirisch untersucht worden: Mitarbeiter hängen an ihrem gewohnten Schichtplan, unabhängig davon, ob dieser gesundheitsverträglich ist oder ob er zu einer ungesunden Arbeitsverdichtung führt. Selbst der Schichtplan, der vor einiger Zeit mühsam und gegen erhebliche Widerstände neu eingeführt wurde, hat sich nach spätestens einem Jahr so fest etabliert, dass jede Befragung das Ergebnis bringen würde, dass er auf keinen Fall verändert werden darf. Es gibt auch nachvollziehbare Gründe für diese Problematik. Alle Mitarbeiter haben sich nach einer gewissen Zeit auf individuell verschiedenste Weise an das bestehende System angepasst und befürchten durch eine Veränderung negative Auswirkungen auf ihre Freizeitgestaltung. Denn man weiß, wie man mit dem aktuellen Plan zurecht kommt. Für jeden neuen Plan kann man dies noch nicht wissen und das muss beinahe zwangsläufig eine skeptische Haltung gegenüber einem neuen Plan erzeugen. Auf der anderen Seite wissen wir: Wenn etwas besser werden soll, muss sich etwas ändern. Wenn wir also tatsächlich für ältere Mitarbeiter die Möglichkeit schaffen wollen, durch systematische Verkürzung ihrer Arbeitszeiten ohne allzu große gesundheitliche Belastungen und ohne erhebliche Einbußen an ihrem Rentenniveau das gesetzliche Renteneintrittsalter zu erreichen, werden wir veränderte Schichtpläne brauchen. Wenn wir die Veränderung schon nicht vermeiden können, müssen wir sie aber kommunikativ sehr intensiv begleiten. Typische Maßnahmen, die hier begleitend helfen können, sind: • Frühzeitige und umfassende Einbeziehung des Betriebsrats in das Vorgehen – eigentlich selbstverständlich und nur der Vollständigkeit halber hier erwähnt • Information der betroffenen Mitarbeitergruppen zu Beginn des Veränderungsprojekts und begleitend dazu • Durchführung von Mitarbeiterbefragungen, damit ein vollständiges Bild der Erwartungen der Mitarbeiter an ihren Schichtplan entsteht • Verdeutlichung der Veränderungsnotwendigkeit in diesem Kommunikationsprozess: Wenn wir nichts ändern, werden viele der älteren Kollegen Schwierigkeiten bekommen • Vereinbarung von Spielregeln, über die möglichst viele individuelle Präferenzen von Mitarbeitern in Schichtplänen berücksichtigt werden können Der letzte Punkt ist sinnvoll und schwierig zugleich. Ein reines „Wünsch Dir was“ führt selten zu bedarfsgerechten und ergonomisch sinnvollen Schichtplänen. Das eine oder andere Problem kann häufig über die Realisierung eines Schichttauschs gelöst werden: Wenn ein Mitarbeiter an einem Tag eine für ihn ungünstige Schicht im Plan hat, muss er „nur“ einen Kollegen finden, der bereit ist mit ihm zu tauschen (…und möglichst gleichartig eingesetzt werden kann…). In ergonomisch guten Schichtplänen mit kurzer Vorwärtsrotation ist ein Schichttausch übrigens häufig leichter zu realisieren, weil zwei Mitarbeiter dafür nicht eine ganze Schichtwoche tauschen müssen, sondern meist tatsächlich nur eine oder zwei Schichten. Es spricht auch nichts dagegen wenn „Eulen“ (vom biologischen Schafrhythmus her zum Spätaufsteher neigende Mitarbeiter) regelmäßig Frühschichten mit „Lerchen“ (typische Frühaufsteher) tauschen. Hilfreich ist es dann, wenn unternehmensseitig eine Unterstützung für einen solchen Schichttausch angeboten wird, zum Beispiel in Form von institutionalisierten Tauschbörsen (heute ggf. noch am „schwarzen Brett“, zukünftig wohl häufiger online per Smartphone). Denkbar ist aber auch, dass man systematisch die Präferenzen aller Mitarbeiter abfragt und diese in den Schichtplanungsprozess einfließen lässt. Damit nähern wir uns dem von uns propagierten Konzept der „Arbeitszeit 4.0“ (siehe auch www.arbeitszeit40.de). Der rotierende Grundschichtplan hat dann nur noch die Funktion, zunächst eine Gleichverteilung aller Schichtarten bei Einhaltung der ergonomischen Anforderungen über alle Mitarbeiter zu erreichen. In der Konkretisierung der Planung für eine einzelne Schichtwoche können dann die Präferenzen und Wünsche der Mitarbeiter mit einfließen mit dem Ziel, so viele davon zu berücksichtigen wie möglich, solange die notwendigen Randbedingungen (definierte Besetzungsstärke, Ergonomie, keine ausufernden Zeitkonten) eingehalten werden. Dies macht den Planungsprozess relativ komplex, ist aber mit guter Software-Unterstützung immer noch handhabbar. Und der Aufwand würde sich in jedem Fall lohnen, wenn dieses Vorgehen zu mehr Akzeptanz der Veränderung führt. Vorsicht vor Patentlösungen! Ein abschließender Hinweis noch zum Thema erfolgreiche Umsetzung: Eine unreflektierte Übernahme von Beispiel-Lösungen führt selten bis nie zu den gewünschten Ergebnissen. Auch der oben dargestellte Beispiel-Plan ist keine Patentlösung. Jeder Schichtplan muss auf die individuelle Ausgangssituation des jeweiligen Betriebs maßgeschneidert werden. Dabei sind stets die genauen Zahlenverhältnisse zu berücksichtigen, die großen Einfluss auf den resultierenden Plan haben: • Erforderliche Besetzungsstärken • Verhältnis zwischen Wochenarbeitszeit eines Vollzeit-Beschäftigten und der bezahlten Arbeitszeit einer Schicht • Anzahl verfügbarer Mitarbeiter und deren vereinbarte Wochenarbeitszeiten • Zu berücksichtigende Abwesenheitsquote • Anteil Mitarbeiter mit verkürzter Wochenarbeitszeit • Verteilung des Bedarfs und der Verfügbarkeit verschiedener Qualifikationen • …und viele Details mehr Hüten Sie sich also davor, ein noch so gutes Beispiel aus einem anderen Betrieb zur Lösung für Ihr Unternehmen zu erklären! Es führt kein Weg daran vorbei: Der passende Schichtplan muss für jede Organisation neu erarbeitet werden – jedenfalls dann, wenn er die hier immer wieder genannten Kriterien (Bedarfsgenauigkeit, Flexibilität, hinreichende Möglichkeiten zur Abwesenheitsvertretung, Ergonomie) erfüllen soll. Und jeder Plan, der diese Kriterien nicht erfüllt, wäre es wohl nicht wert, dass man sich seinetwegen der Mühen einer Schichtplanveränderung unterzieht!
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