Werkstoffe und Fertigung I, HS 2015 Seminarübung 7 Musterlösung Prof. Dr. K. Wegener 3 Elastizität, Plastizität Wahr oder Falsch? a) Eine Vergrösserung der Unordnung ist gleichbedeutend mit einer Minimierung der freien Enthalpie. Richtig: G = H − T · S, wenn S grösser wird, wird G kleiner. b) Die Konzentration ist eine Gehaltsangabe bezogen auf ein Referenzvolumen, also besitzt sie immer die Einheit kg/m3 . Falsch: Konzentration kann auch andere Einheiten besitzen: kg/l, mol/m3 , mol/l, 1/m3 , 1/l, l/m3 , l/l, beispielsweise wird die Fremdatomkonzentration (z. B. Kohlenstoff im Eisen) oft mit 1/m3 angegeben, es wäre aber auch möglich sie mit g/kg zu beschreiben. c) Die Diffusion gleicht Konzentrationen unabhängig von anderen Einflüssen aus. Falsch: Wenn dieser Satz stimmen würde, gäbe es zum Beispiel keine sekundären Ausscheidungen. Die Diffusion wirkt immer (je nach Temperatur einfach unterschiedlich stark). Sie ist aber nicht immer der dominante Effekt. d) Die Fick’schen Gesetze sind stationäre Beschreibungen der Diffusion. Falsch: Das zweite Fick’sche Gesetz ist zeitabhängig und beschreibt damit eine instationäre Lösung der Diffusionsgleichung. e) Die Aktivierungsenergie ist für Stoffe mit einer hohen Schmelztemperatur hoch. Richtig: Die Aktivierungsenergie steigt mit der Stärke der atomaren Bindungen an. Starke atomare Bindungen gehen mit hohen Schmelzpunkten einher. f) Der Embryo ist ein instabiles Stadium im Keimwachstumsvorgang. Richtig: Der Keim möchte sich in diesem Stadium wieder auflösen und freie Enthalpie abgeben. g) Praktisch findet die Keimbildung sehr häufig an Verunreinigungen oder Behälterwänden statt. Dieser Vorgang wird mit homogene Keimbildung bezeichnet. Falsch: Die beschriebene Keimbildung heisst heterogene Keimbildung. h) Mit Seigerung wird ein mikroskopischer Erstarrungsfehler bezeichnet. Falsch: Seigerung kann mikroskopisch vorkommen (Kristallseigerung), aber auch makroskopisch (Blockseigerung). i) Wird zu schnell abgekühlt, haben die Atome zu wenig Zeit zu diffundieren. Somit gleichen sich die Kristallgehalte der bereits entstandenen Kristalle nicht ständig den neu entstehenden Kristallen an. Deshalb muss auf eine tiefere Temperatur abgekühlt werden (als im Gleichgewichtsfall), um die Erstarrung zu vollenden. 1 Werkstoffe und Fertigung I, HS 2015 Seminarübung 7 Musterlösung Prof. Dr. K. Wegener Elastizität, Plastizität Richtig: Es muss bis zu derjenigen Temperatur abgekühlt werden, die von der scheinbaren Soliduslinie vorgegeben wird. j) Die Schmelze wird “gekocht”, um eine möglichst homogene Durchmischung der Legierungselemente zu erreichen. Falsch: Eisen kann im flüssigen Zustand grosse Mengen Sauerstoff aufnehmen. Dieser verbrennt an der Erstarrungsfront zu CO. Blasen steigen auf und verursachen das “Kochen” der Schmelze. Ein inhomogenes Gefüge resultiert, da Konvektionsströmungen entstehen, welche Verunreinigungen transportieren, wodurch sich diese in den letzten Resten der Schmelze konzentrieren. 2 Werkstoffe und Fertigung I, HS 2015 Seminarübung 7 Musterlösung Prof. Dr. K. Wegener 4 Elastizität, Plastizität Aufgaben für die Übungstunde 4.1 Zugstab, Querkontraktion Ausgehend vom Hook’schen Gesetz σ = E · ε xx und dem Zusammenhang der Dehnungen ε yy = ε zz = −ν · ε xx lässt sich der folgendermassen berechnen: ∆D = D0 · ε yy = D − D0 D = D0 · (1 + ε yy ) = D0 · (1 − ν · 4.2 σp E) = 10 mm · 1 − 0.3 · 900 N/mm2 217 kN/mm2 = 9.9875 mm Spannungstensor a) Der Spannungstensor T für P ist in der Aufgabe bereits gegeben und muss nur noch hingeschrieben werden. Es gilt der Satz über die zugeordneten Schubspannungskomponenten τxy = τyx σxx τxy τxy 100 N/mm2 −100 N/mm2 0 N/mm2 T= τyx σyy τyz = −100 N/mm2 0 N/mm2 0 N/mm2 τzx τzy σzz 0 N/mm2 0 N/mm2 −100 N/mm2 b) Die Spannung S berechnet sich als Skalarprodukt vom Spannungstensor und dem Normaleneinheitsvektor. S = T•n Der Normalenvektor sich folgendermassen: √n berechnet √ n= N |N| = (1,0,1 √ ) 2 = 2 2 2 , 0, 2 Daraus folgt: Sx = σxx · n x + τxy · ny + τxz · nz = 100 · 0.707 + (−100) · 0 + 0 · 0.707 = 70.7 N/mm2 Sy = τyx · n x + σyy · ny + τyz · nz = (−100) · 0.707 + 0 · 0 + 0 · 0.707 = −70.7 N/mm2 Sz = τzx · n x + τzy · ny + σxz · nz = 0 · 0.707 + 0 · 0 + (−100) · 0.707 = −70.7 N/mm2 Daraus folgt: S = (70.7, −70.7, −70.7)N/mm2 3 Werkstoffe und Fertigung I, HS 2015 Seminarübung 7 Musterlösung Prof. Dr. K. Wegener 4.3 Elastizität, Plastizität Bildungsenergie Siehe Abb. 4.1. U(R) ist das Potential der anziehenden und abstossenden Kräfte zwischen zwei Atomen, auf Null normiert bei grossen Abstand. U0 ist das Potential beim Kräftegleichgewicht, der Abstand r0 entspricht der Gitterkonstanten. • Je grösser die Bindungsenergie UB0 , desto grösser die Schmelztemperatur • Das Potentialminimum liegt beim Gleichgewichtsabstand r0 zweier Atome. Abbildung 4.1 4.4 Mehrachsiger Spannungszustand Um diese Frage zu beantworten, müssen alle Gleitsysteme der Ebenenfamilie {110}<111> betrachtet werden. Man sieht, dass sich nur bei den Ebenen (101) bzw. (101) die Schubspannungen gegenseitig unterstützen. Bei den anderen Ebenen (110),(110),(011),(011) wirkt entweder σ1 der σ2 nicht. 4 Werkstoffe und Fertigung I, HS 2015 Seminarübung 7 Musterlösung Prof. Dr. K. Wegener Elastizität, Plastizität Nachfolgend wird nur das System (101)[111] (4) betrachtet. Zu Beurteilung, ob es bei einem einachsigen Spannungszustand die kritische Schubspannung in einem bestimmten Gleitsystem erreicht ist und das Material zu fliessen beginnt ist nur der Betrag aber nicht die Richtung der Schubspannung entscheidend. Werden aber zwei Spannungszustände überlagert und mittels dem Schmid’schen Schubspannungsgesetz die resultierende Schubspannung τ berechnet, müssen die Orientierungen der Komponenten beachtet werden. Die beiden einachsigen Spannungszustände sind in Abb. 4.2 einzeln gezeichnet. Die Spannung Si an der schiefen Fläche hält der Spannung σi am Flächenelement in der Koordinatenebene das Gleichgewicht. Die Winkel λi und θi zwischen Si und g bzw Si und n können im Elementarzellen√ √ würfel gefunden werden. λ1 und λ20 in einem Dreieck mit den Seitenlängen a(1, 2, 3), θ1 und θ2 √ in einem Dreieck mit den Seitenlängen a(1, 1, 2). Siehe Abb. 4.2. Es gelten folgende Relationen: cos(θ1 ) = √1 2 cos(θ2 ) = √1 2 cos(λ1 ) = √1 3 cos(λ2 ) = −1 √ 3 Eingesetzt in das Schmid’sche Schubspannungsgesetz ergibt sich: τ = σ · cos(λ) · cos(θ ) = σ1 · cos(λ1 ) · cos(θ1 ) + σ2 · cos(λ2 ) · cos(θ2 ) 1 1 1 −1 173 = 125 MPa · √ · √ + −48 MPa · √ · √ = √ MPa = 70.6 MPa 3 3 6 2 2 Mit τ > τkrit ist hier plastische Verformung zu erwarten. 5 Werkstoffe und Fertigung I, HS 2015 Seminarübung 7 Musterlösung Prof. Dr. K. Wegener Elastizität, Plastizität Abbildung 4.2 Untenstehend finden Sie eine Tabelle mit sämtlichen Werten für alle Ebenen und alle Gleitrichtungen. n 1 1 1 1 0 0 0 0 1 1 1 1 -1 -1 1 1 1 1 1 1 0 0 0 0 F1 | F1 | g 0 0 0 0 -1 -1 1 1 -1 -1 1 1 1 1 1 1 1 -1 1 -1 1 1 1 1 1 1 -1 -1 1 1 1 1 1 -1 1 -1 1 -1 1 -1 1 1 -1 -1 1 1 -1 -1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 cos(λ1 ) cos(θ1 ) τ1 σ1 τ1 [ MPa] 0.577 0.577 0.577 0.577 0.577 -0.577 0.577 -0.577 0.577 0.577 0.577 0.577 0.707 0.707 0.707 0.707 0.000 0.000 0.000 0.000 0.707 0.707 0.707 0.707 0.408 0.408 0.408 0.408 0.000 0.000 0.000 0.000 0.408 0.408 0.408 0.408 51 51 51 51 0 0 0 0 51 51 51 51 F2 | F2 | 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 cos(λ2 ) cos(θ2 ) τ2 σ2 τ2 [ MPa] τ [ MPa] 0.557 -0.577 .557 -.577 0.577 0.577 -0.577 -0.577 0.577 0.577 -0.577 -0.577 0.000 0.000 0.000 0.000 -0.707 -0.707 0.707 0.707 -0.707 -0.707 0.707 0.707 0.000 0.000 0.000 0.000 -0.408 -0.408 -0.408 -0.408 -0.408 -0.408 -0.408 -0.408 0 0 0 0 20 20 20 20 20 20 20 20 51 51 51 51 20 20 20 20 71 71 71 71 Alternativ kann die Folge auch folgendermassen gelöst werden: 125 MPa 0 0 T= 0 0 0 ; n={110} ,normiert √1 · [110] T ; g=<111>, normiert 2 0 √1 3 · [111]T 0 −48 MPa τ = ( T • n) • g Diesen Term soll maximiert werden. max = 1 1 125 1 1 1 1 1 0 0 • √ 0 • √ 1 = √ 0 • √ 1 = 70.6 MPa 3 3 2 2 0 −48 MPa 1 1 −48 1 125 MPa 0 0 0 0 6 Werkstoffe und Fertigung I, HS 2015 Seminarübung 7 Musterlösung Prof. Dr. K. Wegener 5 Elastizität, Plastizität Hausaufgaben 5.1 Schubspannung In Abb. 5.1 sind die Winkel θ und λ eingetragen. Der Winkel θ liegt in einem Dreieck mit den Seiten√ √ √ längen a(1, 2, 3) und λ in einem Dreieck mit Seitenlängen a(1, 1, 2). Abbildung 5.1 Es gelten also folgende Relationen: cos(θ ) = √1 3 cos(λ) = √1 2 Eingesetzt in das Schmid’sche Schubspannungsgesetz ergibt sich τ = σ · cos(λ) · cos(θ ) = 200 MPa · 5.2 √1 2 · √1 3 = 81.6 MPa Schubspannung a) Schmid’sches Schubspannungsgesetz nach σ umgeformt : σ = Winkel θ als Skalarprodukt aus n und S: cos(θ ) = n•S |n|·|S| = τ cos(λ)·cos(θ ) √1 . 3 Analog den Winkel λ als Skalarprodukt aus g und S: cos(λ) = g•S | g|·|S| = √1 . 2 Bei der Schubspannung wird immer der Betrag angegeben. Deshalb macht es Sinn, beide Winkel positiv anzugeben. Eingesetzt in das Schmid’sche Schubspannungsgesetz ergibt sich σ= τ cos(λ)·cos(θ ) = 76 Pa √1 · √1 3 2 = 186 MPa 7 Werkstoffe und Fertigung I, HS 2015 Seminarübung 7 Musterlösung Prof. Dr. K. Wegener Elastizität, Plastizität b) Die Normalspannung in [100]-Richtung hat keinen Einfluss auf das Gleitsystem. Es gilt: cos(λ) = g•S | g|·|S| Mit g = [011] und S = [100] sieht man sofort cos(λ) = 0 5.3 Elastizität a) ezz = exx = eyy = −ν · ezz −100 N/mm2 σzz = = −0.0004762 E 210 kN/mm2 0.3 · −100 N/mm2 =− = 0.0001429 210 kN/mm2 b) eyy = 0 = σyy σzz −ν· ←→ σy = ν · σz = 0.3 · −100 N/mm2 = −30 N/mm2 E E 0 0 c) Spannungstensor T = 0 −30 N/mm2 0 0 0 0 d) Spannung S = T · n = 0 −30 N/mm2 0 0 0 0 −100 N/mm2 0 0 √1 0 · 3 · (1, 1, 1) = −17.3 MPa −100 N/mm2 −57.7 MPa e) Spannungskomponente in Richtung (1,-1,0) 0 1 1 τ = −17.3 MPa · √ · −1 = 12.23 MPa 2 −57.7 MPa 0 5.4 Dehnung und Scherung a) und b) Siehe Abb. 5.2. 8 Werkstoffe und Fertigung I, HS 2015 Seminarübung 7 Musterlösung Prof. Dr. K. Wegener Elastizität, Plastizität y b0 l0 Abbildung 5.2 c) d(0.5 · x ) du x = = 0.5 dx dx duy d(−0.15 · y) eyy = = = −0.15 dy dy duz d(−0.15 · z ezz = = = −0.15 dz dz duy du x γxy = γyx = + =0 dy dx du x duz γxz = γzx = + =0 dz dx duy duz γyz = γzy = + =0 dz dy exx = d) ε yy = −ν · ε xx ←→ ν = 5.5 Dehnung und Scherung a) Siehe Abb. 5.3 . 9 ε yy = 0.3 ε xx x Werkstoffe und Fertigung I, HS 2015 Seminarübung 7 Musterlösung Prof. Dr. K. Wegener Elastizität, Plastizität y 4 P0 3 2 P 1 0 0 1 2 3 4 5 6 Abbildung 5.3 b) Ansatz: u x ( x, y) = a + b · x + c · y und uy = d + e · x + f · y Eckpunkte einsetzen und man erhält: u x = 3 + 0.5 · x uy = 2 c) du x d(0.5 · x ) = = 0.5 dx dx duy d(−0.15 · y) eyy = = =0 dy dy duy du x γxy = γyx = + =0 dy dx exx = Die Dehnungen und Scherungen sind überall im Körper gleich gross. 10 x
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