Altes Heilkraut als betörende Staffage Echter Gamander Teucrium chamaedrys T KURZPORTRAIT Volkstümlich: Edelgamander, Schafkraut, Bathengel, Frauenbiss, Gamanderlein. INHALTSSTOFFE Gerbstoffe, Bitterstoffe, Cholin, ätherisches Öl, Monoterpen, Triterpensäure, Teucrein, Diterpene, Teumarin, Marrubiin, Flavonoide. HEILWIRKUNG Antiseptisch, fiebersenkend, cholagog (fördert Gallensekretion), magenwirksam, tonisch, wundheilend. 1 66 1 Schon die heilkundigen Griechen der Antike führten den Echten Gamander in ihrem Arzneischrank. Auf die Epoche und Region verweist allein der Name des Krautes, schließlich sind die Gebiete rund um das Mittelmeer bis hin nach Westasien seine natürliche Heimat. Er leitet sich ab von chamaedrys, dem wissenschaftlichen Namenszusatz. Denn die eiförmigen, stumpf gekerbten Blätter des aparten Halbstrauches erinnern an die der Eiche, griechisch drys (chamei bedeutet „zwergartig“), und machen ihn unter den Gamanderarten unverwechselbar. Legendär ist der wissenschaftliche Gattungsname. Plinius d. Ältere führt ihn in seiner Naturgeschichte auf den trojanischen König Teukros zurück. Dieser soll zuerst bemerkt haben, dass Teucrium auf die Milz wirkt. Nach einem Opferfest hatte man das Kraut auf die Eingeweide der getöteten Tiere geworfen, und dem König fiel auf, dass deren Milz allmählich zusammenschrumpfte. Verschiedene TeucriumArten wurden zur Reinigung und Abschwellung des entzündeten Organs eingesetzt, so bereits vom bedeutendsten Arzt der Antike, Pedanios Dioscurides (um 40 bis 90 v. Chr). Dieser empfahl die Droge außerdem bei Krämpfen, Husten, Leberverhärtung, Harnverhaltung, alten Wunden und beginnender Wassersucht und „mit Wein getrunken und als Umschlag ... gegen den Biss giftiger Tiere.“ Der aromatisch duftende Lippenblütler mit den purpurfarbenen Blüten konnte auch die Koryphäen der Klostermedizin überzeugen. Der Mönch Odo Magdunensis widmet ihm in seinem „Macer floridus“ (11. Jh.), dem meistverbreiteten Kräuterbuch des Mittelalters, eine Gedichtstrophe. Odo nennt bei den Heilanzeigen der Pflanze an erster Stelle ihre Wirkung als Frauenkraut: „Mit Wasser getrunken, treibt sie die Leibesfrucht ab; ... mit Essig getrunken ..., sorgt sie für geordneten Monatsfluss.“ Er erweitert das breite Anwendungsspektrum um Milzleiden, Husten, Prellungen eiternde Wunden, mangelnde Sehschärfe und Schüttelfrost. Einzig Hildegard von Bingen, die in der Klostermedizin mit ihren eigenständigen Ansätzen als Solitär dasteht, rät von der Verwendung des Gamanders ab: „Er gellt ins Blut und verschlechtert und vermindert dasselbe; wenn er im Abführtrank genommen ist, so erfolgt gewöhnlich eine große Erschlaffung.“ In späteren Zeiten nahm man die Heilkräfte seiner Inhaltsstoffe auch bei Gicht, Arthritis, Rheuma, als Magenmittel sowie bei Darmund Gallenstörungen zu Hilfe. Mit der Zeit geriet der Gamander in Vergessenheit. 1986 war er dann wieder ganz präsent. Als Nahrungsergänzungsmittel zur Gewichtsreduktion kam er in Frankreich auf den Markt und machte schnell Negativschlagzeilen. Nach längerer Einnahme bewirkten die Pflanzenextrakte eine mäßige bis mittelschwere Hepatitis. In der modernen Phytotherapie wird deswegen auf die innerliche Anwendung des Gamanders verzichtet. Ein eindrückliches Beispiel dafür, dass keineswegs alle heilkräftigen Kräuter harmlos sind. Zu einem romantischen Einsatz kommt der Gamander in einem Liebesgedicht des Züricher Minnesängers Johannes Hadloub um 1300. In Lied XXVII beschreibt er seine Wunschträume und wie er seine Angebetete betören möchte: mit einem Blumenbett, das er als Liebesstatt in der Natur herrichtet. Unter den Pflanzen seiner Bühnendekoration für das erotische Spiel befindet sich auch der aromatische Lippenblütler, wahrscheinlich weil er in der Heilkunde als Frauenkraut rangierte. Der Dichter versprach sich von seinem blühenden Arrangement, es möge der Dame seines Herzens ein Lächeln der Wonne entlocken. Tinktur Äußerlich kann man eine aus dem Echten Gamander zubereitete Tinktur direkt auf entzündete oder kranke Hautstellen sowie Wunden auftragen, um den Heilungsprozess zu beschleunigen. Von einer inneren Anwendung ist wegen der Lebertoxizität der Pflanze abzusehen. 1 67 1
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