Ein Stuhl bleibt leer

Und ich hör die Glocken wieder läuten
Text und Musik: Rainer Rodin 1981
Und ich hör die Glocken wieder läuten.
Doch diesmal läuten sie nicht lang.
Und das Beten hat dann keinen Sinn mehr.
Die Schlacht um Frieden ist vorbei.
Und der Himmel trägt jetzt keine Wolken.
Die Erde sie erzittert nur einmal.
Dann ist alles still auf Erden,
denn es lebt und schreit hier keiner mehr.
Und ich hör die Glocken wieder läuten.
Ganz verstreut schweben sie durchs All!
Künden von dem Unglücksfall auf Erden,
an den hier und heute keiner glaubt!
Lasst uns die Glocken wieder läuten,
auf die Straßen gehen ohne Zahl!
Besser heute nach dem Frieden schreien,
als die Ewige Ruhe nach dem Sturm!
Hört ihr die Glocken wieder läuten.
Diesmal läuten sie nicht lang.
Euer Beten hat dann keinen Sinn mehr,
dann ist die Schlacht um Frieden längst vorbei!
Energie heißt die Parole
Text und Musik: Rainer Rodin 1980
Energie heißt die Parole und sie vergessen dabei schnell,
dass der Mensch nicht nur von Öl lebt und von Elektrizität.
In der Gosse schwimmt die Scheiße und die Kinder schwimmen mit,
deren Eltern nur noch leisten, weil man sich sonst nicht leisten kann.
Und dann lest ihr in der Zeitung von einem stillen Tod.
Die Nadel in den Venen im Herzen große Not.
Ihr seit bestürzt und dabei sicher,
dass euch das nie passiert.
Meine Kinder, die sind anders, hier im Haus da wird pariert.
Eines Morgens steht sie vor dir, deine Tochter, dreizehn Jahr,
abgemagert bis auf die Knochen, nichts mehr von dem,
was sie einmal war.
Und sie schaut dir in die Augen mit einem Blick, den du nie sahst.
Du kannst es einfach nicht verstehen, doch hast du je danach gefragt?
Und dann denkst du an die Zeitung,
an die Bilder vom Bahnhof Zoo,
an die vielen jungen Menschen, blicken die nicht grade so?
Du bist entsetzt und suchst nach Worten, schaust dich hilfesuchend um,
denn du kannst sie nicht vertragen, diese Blicke sagen stumm:
„Wo bist du gewesen, als noch Zeit war, für den Weg zurück?
Wo bist du gewesen, als ich dich brauchte für ein bisschen Glück?“
Energie heißt die Parole, vergessen ist viel zu schnell,
wie viele für diesen Fortschritt sterben, für die wird‘s eh ja nie mehr hell!
Denn die brauchen keinen Strom mehr und die brauchen auch kein Öl,
die hätten euch gebraucht mit Herzen, die zeigen,
dass man sie noch will!
Jedem Morgen folgt ein anderer Abend
Text und Musik: Rainer Rodin 1981
Am Morgen steh ich auf und schlepp mich ins Bad.
Schau mich gar nicht erst im Spiegel an.
Ich weiß genau, dass ich mich morgens
nicht einmal selber leiden kann.
Und beim Rasieren hör ich jemand
zu laut die Treppe runter gehn.
Fühl mich unwohl und gestört
und denk mir, wird wohl noch vergehn.
Doch diese Stimmung folgt mir weiter,
wenn ich vom Bad zur Küche geh,
und beim Kaffeekochen spür ich‘s
wieder tuts am ganzen Körper weh.
Mir fällt ein, ja gestern Abend war es
wirklich wunderschön.
War da nicht noch ‘ne Frau dabei
oder wollte die gleich wieder gehn?
Ich renn zurück ins Schlafzimmer,
zwei Betten, beide leer.
‘s war wohl doch vom Schnaps und von dem Bier
Mein Gott ist mein Kopf so schwer!
Ich könnte schwören, da war ‘ne Frau im Zimmer.
Die Betten sind doch so durchwühlt
und irgendwie hab‘ ich heut‘ Nacht
allein mich nicht gefühlt.
Doch mein Schädel brummt, alles schreit in mir:
Nie wieder Alkohol!
Ich krieg ja nicht mal mehr die Frauen mit,
die ich zu mir in die Wohnung hol!
Und nach ‘ner Tasse Kaffee an die Haltestelle,
wo ich auch nur miesgelaunte Leute seh‘.
Und auch das versöhnt mich nicht mit dem neuen Morgen,
an dem ich es genau wie gestern nicht versteh‘.
Dass ich nicht aufhör‘n kann mit der Sauferei.
Ich weiß genau, dass hat so keinen Zweck.
Ja, am Tag ist diese Angst in mir,
doch das erste Glas am Abend spült sie wieder weg.
Wiegenlied vom Polentransport
Text: Ilse Weber
Musik: Rainer Rodin 1980
Schlaf kleiner Freund, du bist ja so müd‘,
es singt der Zug sein eintöniges Lied.
Die Nacht kommt auf leisen Sohlen.
Du bist ja noch klein und findest noch Ruh,
mach deine Augen zu,
es geht so weit, es geht so weit,
nach Polen.
Schlaf kleiner Freund, wir sind schon so weit,
ach längst verschwand in der Dunkelheit
die Heimat, die man uns gestohlen.
wir hatten sie lieb, man nahm sie uns fort,
wir fahren weit, fahren weit,
nach Polen.
Schlafe mein Kind, ich seh dir zu,
ich, ich will aus deiner süßen Ruh,
mir Kraft und Stärkung holen.
Die Sterne leuchten hell und rein.
Ich will nicht länger traurig sein.
Gott gibt es auch, Gott gibt es auch in Polen.
Erinnerung
Text und Musik: Rainer Rodin, 1980
Große Augen starren in die Ferne
warten schweigend auf den Tod.
Ihr letztes Sehnen gilt dem Leben
ohne Hunger, Qualen, Not.
Und trotzdem finden manche
in jedem Fünkchen Leben Trost.
Doch leuchten sieht man aus der Ferne
abends schon das Morgenrot.
Vater, Mutter und auch Kinder
liegen auf dem Flammenrost.
Kein Körper krümmt sich hier vor Schmerzen,
kein Gott schenkt hier mehr Trost
Ungenannt sind ihre Namen.
Erinnerung wird totgeschlagen.
Doch die lacht und sagt Ich werde immer wieder auferstehn.
Der kleine Soldat
Text und Musik: Rainer Rodin, 1981
Es war einmal ein kleiner Soldat.
Der zog in den großen Krieg.
Er träumte vom Kämpfen fürs Vaterland
und dachte wie alle an Sieg.
Doch da zog ein furchtbares Gewitter auf.
Und vom Himmel viel Regen und Tod.
Und er schrie wie schon viele Helden zuvor
nach seiner Mutter in dieser Not!
Für diesmal verschont von den feindlichen Kugeln,
kam es wieder ganz heimlich in ihm hoch.
Dieser Glauben ans Kämpfen und ans Siegen.
So schlimm wars nicht, ich lebe ja noch.
Und er sah in den zerfetzten Leibern
seiner Kameraden nicht den Tod.
Sie schnürten den Hass um weiterzukämpfen,
weiter muss es gehn, denn Rache tut Not.
Rache war da, die konnten sie bieten,
die nur dachten an Reichtum und Geld,
das nur sie gewinnen mit euren Siegen davon hat euch niemand erzählt.
Es war ja da der Grund zum Töten,
die andern sie tun es ja auch.
Und er packte sein Bajonett mit zitternden Händen
und stieß es seinem Feind in den Bauch.
Und hervorquoll zuerst ganz unsichtbar,
dann furchtbar pochend mit Gewalt,
das Leben des Menschen, der sich vor ihm krümmte,
ihm wurde schlecht und er suchte einen Halt.
Doch den konnten ihm jetzt auch die nicht bieten,
die nur dachten an Reichtum und Geld,
das nur sie gewinnen mit euren Siegen,
davon hat euch niemand erzählt!
Und weiter tobte die sinnlose Schlacht.
Worum es ging, wusste ein keiner mehr
ja nur überleben in dieser Tagnacht.
Denn sterben, daran denken war schwer.
Und zuhause decken sie jetzt den Kaffeetisch,
und sie decken ihn für dich mit.
damit alle wissen du, du kommst zurück,
ja, und sie essen auch für dich mit!
Der kleine Soldat schloss die Augen und lauschte,
auf die Stimme ganz tief in sich drin.
Die schrie ihn an, mach da nicht mit,
das hat doch überhaupt keinen Sinn!
Du könntest jetzt tanzen mit einem Mädchen im Arm,
das dich anlacht und dir gehören will!
Doch du schüttelst den Kopf, es ist aus und vorbei,
meine Lebensuhr steht sicher bald still
Und sie, sie werden weiterleben,
die nur dachten an Reichtum und Geld,
Das nur sie gewinnen mit euren Siegen.
Das hat euch niemand erzählt!
Es war einmal ein kleiner Soldat,
der zog in den großen Krieg,
er träumte vom Kämpfen fürs Vaterland
und hoffte wie alle auf Sieg.
Und sie ziehen noch immer mit Jubelgeschrei
an den Gräbern ihrer Väter vorbei,
und sie hören nicht das Stöhnen aus tiefer Gruft,
das sie warnt, nicht nach neuen Opfern ruft!
Und sie sagen es heute wieder
es geht um den Frieden der Welt.
Der kleine Sodat, er kommt nie wieder
ihm hatte man das Gleiche erzählt!
Ein Stuhl bleibt leer
Text und Musik: Rainer Rodin 1974
Der Stuhl dieses Mädchens er bleibt leer.
Sie hat keinen Kummer, keine Sorgen mehr.
Man sellt ihr Blumen auf ihr Grab,
und vergisst ganz langsam, wie und was, und wer sie war.
Sie braucht sich ja um uns nicht mehr zu kümmern.
Wir, die wir bleiben, sind doch immer nur die Dümmern.
Vielleicht sitzt sie jetzt gerade auf einer Wolkenbank
und schaut mit einem Lächeln, auf das Leben, das sie einst band.
Ich glaube sie wird sich an manches noch erinnern,
an unser schönes Leben in verrauchten kleinen Zimmern.
Vielleicht singt sie noch manchmal unsere Lieder
und träumt von all dem Schönen, hoffend es kommt wieder.
Ich will nicht weinen, nicht trauern und nicht schrein‘,
und doch, warum nur lässt du mich so allein.
Wie oft hab ich versucht es dir zu geben,
Das von dem du gar nichts hielst - deinem Leben.
Du weißt mit allem habe ich es doch versucht,
warum nur, warum hast du alles nur versucht.
Du warst einsam, glücklich, traurig, froh,
du hast getanzt, geweint, gesungen, mit Träumen dich verlobt.
Und eines Morgens, ich vergess es sicher nie,
hab ich dich dann gefunden, es zwang mich in die Knie.
Ich sah dir an, du warst glücklich wie noch nie,
oh ja, du warst glücklich ,glücklich wie noch nie.
Dein Stuhl, dein Bett, sie bleiben leer.
Du hast keine Sorgen, keinen Kummer mehr.
Man stellt dir Blumen auf dein Grab
und vergisst ganz langsam, wie und was, und wer du warst.
Schnee
Text und Musik: Rainer Rodin 1981
Deine Tränen rühren keinen,
obwohl du schön bist wie eine Fee!
Deine Schmerzen kann niemand ermessen,
in deinen Adern fließt Schnee.
Und die dir das Zeug gegeben,
sie klagt niemand an.
Denn wer will schon wissen, wie Herr Bidermann,
zu seiner Kohle kam!
Dein Körper ist vergiftet
und deine Seele die Ruhe sucht.
Die, die Spritze dir gegeben,
deinen Körper wie du ihn verfluchst,
und niemand hat je begriffen,
wonach du eigentlich suchst!
Dabei wäre alles so einfach gewesen,
Hätte nur einer deine Liebe gesucht!
Alle wollten nur deinen Körper
und vielen gabst du dich hin!
Dann kam der Schnee und gab dir Träume,
deinem Leben damit einen Sinn!
Mit dem Schnee trieben die Grenzen,
zwischen Wirklichkeit und Traum,
Nie geahnte Gefühle zerissen dich,
ließen dir für dich selbst keinen Raum!
Man fand dich auf irgend einer Straße,
doch du warst du nicht mehr!
Sic brachten dich in eine enge Zelle,
an Rettung glaubt keiner mehr.
Und wieder bist du verlassen,
verlassener als du je warst,
Abfalprodukt dieser Wegwerfgesellschaft.
Dein Tod nur Schlagzeile war.
Helden
Text: Paul Brachmann
Musik: Rainer Rodin 1975
Rote Pfade, grüner Rasen,
ab und zu ein Blumenstrauß.
Du hast‘s gut, denn an dich denkt wohl
manchmal noch ein Freund zu Haus.
Sag mir wie bist du gewesen,
traurig, lustig, ernst, charmant.
Hier steht immer nur zu lesen,
starb mutig für sein Vaterland.
Viele Gräber, viele Kreuze,
Eisen, Holz und Marmorstein.
Viele liegen hier beisammen,
doch ein jeder starb allein.
Viele hast du sterben sehn,
wie oft weintest du wohl schon.
Bis du an dir selbst gesehn
Gräber sind der Helden lohn.
Hörte jemand deine Klagen,
starb ein Freund mit dir vereint
(oder) schriest durch der Lanzen Garben
oder hast du still ins Grab geweint.
Viele Gräber, viele Kreuze,
Eisen, Holz und Marmorstein.
Viele liegen hier beisammen
doch ein jeder starb allein.
Konntest du noch an sie denken,
die hungernd, hoffend saß zu Haus.
Ihr den letzten Atem schenken,
oder war es einfach aus.
Konntest du für sie noch beten
oder hast du laut geflucht.
Hast du durch den Kugelregen,
verzweifelt deinen Gott gesucht.
Viele Gräber, viele Kreuze ...
Rote Pfade, grüner Rasen,
ab und zu ein Blumenstrauß. Du hast gut,
denn an dich denkt wohl
manchmal noch ein Freund zu Haus.
Ich steh hier und möcht gern wissen,
wer warst du, wie sahst du aus,
hab halst‘nen Moment vergessen,
Es ist ja für immer aus.
Kleiner Mann
Text und Musik: Rainer Rodin 1977
Kleiner Mann, du bist allein, ganz allein auf der Welt.
Kleiner Mann du sitzt da, träumst von dem, was dir gefällt.
Zu Haus, da ist niemand, der dich versteht,
zu Haus, das ist niergendwo und hier,
zu Haus ist es warm, doch die Wärme, die fehlt!
Kleiner Mann, komm geh doch mit mir,
irgendwohin, wo die Freude noch zählt,
wo die Menschen noch Menschen sind.
Kleiner Mann komm geh doch mit mir,
irgendwohin, wo die Liebe noch zählt,
wo Menschen nicht Maschinen sind.
Kleiner Mann, du hast niemand,
dem du deine Sorgen erzählst.
Kleiner Mann, dir erscheint so vieles,
so unwirklich so sonderbar.
Nie hat auch nur einer mal Zeit für dich
und machst du mal den Mund auf
dann tadelt man dich.
Ein Zuhause, was ist das, denn du kennst es nicht.
Kleiner Mann, wie soll ich es dir sagen,
dass, dies keine Kinderwelt ist,
Kleiner Mann in unseren Tagen zählt Geld mehr
als ein bisschen Gefühl.
Herumtollen und spielen, das bringt ja nichts ein,
und um Fragen zu stellen, bist du noch so klein.
Die Großen wissen alles, doch sie lassen dich allein
Kleiner Mann ...
Der alte Mann im Hochhaus hinter unserm Garten
Text und Musik: Rainer Rodin 1981
Der alte Mann im Hochhaus hinter unserm Garten
fängt mit seinem Leben
Nur noch eines an - warten!
Die Enkel, die Kinder sind geblieben,
nur die Frau, die dreißig Jahre lang
für ihn da war, einfach da war,
ist weg, man sagt in Gott verschieden!
Der alte Mann im Hochhaus hinter unserm Garten
schaut nie mehr zum Fenster raus.
Scheint nur noch eines zu tun - warten!
Verschlossen sind die Läden Tag für Tag.
Nur wenn es dunkel wird,
sieht man ihn wie früher
mit weißem Haar und Brille
hinterm Fenster liegen!
Und eines Tages wird man ihn,
auch abends nicht mehr sehn.
Dann kann er sicher die , die dreißig Jahre
immer für ihn da war,
wiedersehn!
Der alte Mann im Hochhaus hinter unserm Garten
was mag er dort wohl tun,
Was mag er dort wohl tun - warten?