China und seine Kohle: eine Zwischenbilanz, Juli 2015

 MEMO
Netzwerk Bergbauwirtschaft
Peter von Hartlieb
Datum: 03. Juli 2015
China und seine Kohle: eine Zwischenbilanz, Juli 2015 Das Wachstum in China wird sich voraussichtlich auf 7,1 Prozent in 2015 und 6,9 Prozent im Jahr 2017 verlangsamen und somit, wie es sich bereits länger abzeichnete, einen langsameren, aber ausgewogen und nachhaltigen Wachstumskurs einschlägt. Dies markiere gemäß Aussagen der Weltbank die "neue Normalität" der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt. Die Regierung setzt Strukturanpassungen um und ist bemüht finanzielle Schwachstellen zu beseitigen. Mittelfristig werden diese Bemühungen helfen China nach und nach ihr Wachstumsmodell als verlängerte Werkbank und Hersteller stark hin zu Dienstleistungen sowie vom Investment zum Verbrauch und vom überwiegenden Export zur heimischen Nachfrage umzugestalten. hina baut im Kohlebergbau erstmals Arbeitsplätze ab! Das weltgrößte Förderland hat aber die Absicht, seine Vorkommen effizienter auszubeuten. Auf der Grundlage einer in den großen Untertagebergwerken inzwischen vollzogenen Mechanisierung beginnt man, in Prozessen und Allianzen zu denken und die Betriebe systematisch zu automatisieren. Fernziel ist auch hier die Umsetzung von Industrie 4.0. China hat angekündigt, seine CO2‐Emissionen im Jahr 2030 gipfeln zu lassen. Das Land versucht, den Abgasausstoß mit diversen Methoden einzudämmen, es investiert mehr in alternative Energieformen als alle anderen Staaten. Gleichwohl wurde 2014 etwa doppelt so viel Kohlekraftwerkskapazität neu installiert wie aus Wind, Sonne, Wasser und Kernkraft zusammengenommen ‐ die Energiewende wird schwierig. Noch braucht China im t/MS ‐Verhältnis im Vergleich zu Deutschland oder den USA ein Vielfaches an Arbeitskräften. Zum Beispiel bauen in den USA im Jahr 2015 etwa 100.000 Bergleute etwa 900 Mio. t Kohle mit optimierten Arbeitsabläufen ab. Die Produktion findet dort bekanntlich überwiegend im Tagebau statt. 1 In China sind aktuell etwa 5,7 Millionen Bergleute angelegt, die rd. 3,7 Mrd. t gewinnen, im Gegenzug hier überwiegend unter Tage. Weil in China1 die Produktivität, ausgehend von dem bekannt niedrigen Niveau, zügig steigt, werden dort immer weniger Mannschaften benötigt. Weiter wurden in China inzwischen auch einige Tausend kleine, ineffiziente und unsichere Schachtanlagen geschlossen. Außerdem hat China für den Eigenbedarf in australische Kohleunternehmen investiert. (Dies und die umfangreichen chinesischen und indischen Kohleimporte haben dazu geführt, dass Australien zu den wenigen Ländern gehört, in denen die Beschäftigung in der Bergbaubranche noch wächst.i China Mainland verbrennt immer noch mehr Kohle als jedes andere Land der Welt. In den vergangenen 15 Jahren, also seitdem China die Werkbank der Welt und ein boomender Inlandsmarkt ist, hat sich der chinesische Kohleverbrauch verdoppelt. Allein zwischen 2010 und 2014 wurden in China neue Kohlekraftwerke mit einer Leistung von 228 Gigawatt gebaut. Diese Einheiten produzieren pro Jahr dreimal mehr Strom, als Deutschland insgesamt verbraucht. Aufgrund des hohen Kohleverbrauchs stößt China inzwischen deutlich mehr Kohlendioxid aus als die USA. Jedoch auch bei den kumulierten, seit 1990 ausgestoßenen Emissionen, ist China kurz davor die USA zu überholen. Doch 2014 markierte einen Einschnitt. Zum ersten Mal seit über 30 Jahren setzte China weniger Kohle als im Jahr davor zur Energieerzeugung ein. Der Verbrauch ging 2014 im Vergleich zu 2013 um 2,9 % zurück; die Importe brachen gleichzeitig um 11 % ein. Noch vor kurzem hatte u.a. die Internationale Energieagentur prognostiziert, dass Förderung und Verbrauch bis mindestens 2020 wie gewohnt weiter ansteigen würden. Trotz des Rückgangs des Kohleeinsatzes ist der Stromverbrauch, ohne Blackouts, um 3,9 % gestiegen und das Bruttoinlandsprodukt sogar um über 7 % gewachsen. Ob diese Entkopplung eine Ausnahme bleibt oder eine generelle Trendwende bedeutet, ist offen. 1
Dasselbe gilt für den Hoffnungsmarkt Indien. Auch Indien braucht zukünftig immer weniger Arbeiter, um dieselbe Menge an Kohle zu produzieren. Coal India Limited baute seine eigene Belegschaft zwischen 2005 und 2014 von 600.000 auf ca. 400.000 ab. Allerdings werden Fehlmengen durch Leiharbeiter aufgefüllt. Zugleich nahm die Förderung dieses staatlich kontrollierten Betriebes um mehr als ein Drittel zu. Auch hier überwiegend aus Tagebauen. 2 Der Rückgang des Verbrauchs kommt nicht von ungefähr. Die Regierung verlangt aus vielerlei Motiven, die Nutzung der Kohle zu reduzieren. Allen voran stellt die Luftverschmutzung ein zunehmendes Problem dar. Auch weil die Bevölkerung dies zunehmend fordert, müssen die Betreiber alte Kohlekraftwerke abschalten. Peking schloss im Jahr 2014 allein 7 Kraftwerke innerhalb seiner Stadtgrenzen. Inzwischen haben sich einige Provinzen, darunter Shanxi uns Shandong ebenfalls vorgenommen, den Kohleverbrauch zurückzufahren. Ein landesweit geplanter Handel mit CO2‐Verschmutzungsrechten soll dies unterstützen. Damit könnte das Ziel des „Energy Development Strategy Action Plan“2 erreicht werden, den Anteil der Kohle am Gesamtenergieverbrauch von heute 64,2 % bis 2020 auf unter 62 % zu drücken. 2
Xinhua, 2014‐11‐19 / BEIJING – China issued an energy strategy for the upcoming years on Wednesday, and a long list of targets in the hope of building a modern energy structure. The Energy Development Strategy Action Plan (2014‐2020) released by the State Council, promises more efficient, self‐sufficient, green and innovative energy production and consumption, with a cap on annual primary energy consumption set at 4.8 billion tons of standard coal equivalent until 2020. Annual coal consumption will be held below 4.2 billion tons until 2020, 16.3 percent more than the 3.6 billion tons burned last year, according to the National Coal Association. The share of non‐fossil fuels in the total primary energy mix will rise to 15 percent by the same year from 9.8 percent in 2013, according to the plan. The share of natural gas will be raised to above 10 percent and that of coal will be reduced to less than 62 percent. Production of both shale gas and coalbed methane could reach 30 billion cubic meters by 2020. Construction of new nuclear power plants in eastern coastal areas will begin at a proper time after feasibility studies of building such plants in inland regions. Installed nuclear power capacity will reach 58 gigawatts and that under construction will top 30 gigawatts by 2020. Installed capacity of hydro‐, wind and solar power is expected to stand at 350 gigawatts, 200 gigawatts and 100 gigawatts, respectively. Energy self‐sufficiency will be boosted to around 85 percent. 3 Die Zentralregierung sorgt auch dafür, dass die erneuerbaren Energien zügig ausgebaut werden. Bis 2020 sollen nicht fossile Energien – allerdings inklusive der Atomkraft – mindestens 15 % des Primärenergieverbrauchs ausmachen, bis 2030 mindestens 20 %. Heute investiert kaum ein Land der Welt so viel in Wasser, Wind und Sonne wie China (2014 ca. 90 Mrd. US$). Allerdings ist der Ausbau von Wasserkraft durch Großprojekte wegen gravierender Auswirkungen auf die Umwelt umstritten. Im Vergleich zu 2013 hat China 2014 die installierte Leistung vor allem von Windkraftanlagen (plus 26 %) und der Photovoltaik (plus 67 %) deutlich erhöht. Im Ergebnis produzieren Chinas Kohlekraftwerke weniger (2014 ein Minus von 1,4 % zu 2013) und sind im Schnitt nur noch zu 54 % ausgelastet. Chinas Kohleindustrie leidet weiterhin unter steigenden Personalkosten, dem niedrigen Weltmarktpreis bei einem gleichzeitig vorhandenen gewaltigen Kapazitätsüberschuss. Deshalb wurden eine Reihe ambitionierter Kohleprojekteii in den letzten 2 Jahren verschoben oder ganz gestoppt. Weiter fallende bzw. sich nicht kurzfristig erholende Preise, das Nutzungsverbot besonders schwefelhaltiger Kohle und schärfere Umweltauflagen drücken die Gewinne der Bergbaukonzerne auch 2015 noch deutlich nach unten. Drei von vier chinesischen Kohlefirmen schrieben 2014 rote Zahlen. Bis Ende 2015 sollen nunmehr mindestens weitere 2.000 der vorhandenen rd. 14.000 fördernder Anlagen stillgelegt werden. Während die einen Bergbauunternehmen aufgrund finanziellen Drucks und politischer Vorgaben aufgeben, planen aber andere chinesische Unternehmen durchaus das Abteufen neuer Bergwerke und auch die Errichtung neuer Kohlekraftwerke. Markt, Mehrwert, to Do‐s China ist und bleibt noch auf Jahrzehnte eine global zentrale Kraft im untertägigen Steinkohleabbau. Vielleicht die zentrale Kraft, die es schafft, die gemeinsam angestrebte internationale Kooperationen von großer Breite zu stemmen und zu steuern. Dies hat Auswirkungen auf Arbeitsplätze in China und in NRW. Die Zukunft des Kohlebergbaus hängt dabei auch in China nicht mehr (nur) vom Fortschritt der Technik ab, sondern vom Vertrauen der Menschen in die sichere und umweltverträgliche Zukunft. Da haben gerade wir aus NRW 4 einiges anzubieten und sind daher bestrebt, gemeinsam einen gangbaren fossilen Weg in die nähere Zukunft zu beschreiten. Im auch in China begonnenen Strukturwandel ist technisches Mittelmaß der Tod aller innovativen Techniken. Aus chinesischer Sicht steht „Gemeinsam“ konkret für Anstrengungen im chinesischen Reformprozess: Das Regierung, regional aktive Fördergesellschaften und Bergbauzulieferer an einem Strang ziehen und die Rohstoffindustrie zeitgemäß, transparent und smart auf die nächste Entwicklungsstufe heben. „Gemeinsam“ bezieht sich aus unserer Sicht aber direkt auf unsere NRW‐Zulieferbranche, die (zunächst) über das Netzwerk Bergbauwirtschaft künftig als systemischer Anbieter sehr viel intensiver in die strategischen Diskussionen und Projektvorhaben eingebunden sein wird. Ziel ist es, in China einen klaren und möglichst langfristig berechenbaren, für beide Seiten tragbaren Aufbau der zukünftigen Geschäftsbasis auf Augenhöhe zu schaffen. Wetterfest selbst gegen das Fehlverhalten Einzelner. Interessenskonflikte müssen benannt und ausgeschlossen werden. Das Thema Zertifizierung für Erzeugnisse beider Seiten bedarf frühzeitig einer intensiven Betrachtung. Es ist eine Eintrittskarte sowohl für den chinesischen Markt wie auch auf internationale Absatzgebiete unter dem Brand „Made in Germany“. Quelle: inverstorshub.advfn.com 12.06.2015 5 Mit Sicherheit mehr Wirtschaftlichkeit, mehr Förderung, weniger Emissionen! China ist nicht nur der größte Kohleförderer und das am meisten Kohle verbrauchende Land im einundzwanzigsten Jahrhundert; es ist auch der zweitgrößte Kohleexporteur der Welt. So wie die industrielle Revolution ein spektakulär positives Wirtschaftswachstum hervorgebracht hat, entwickelten sich die Grubensicherheit und der Gesundheitsschutz lange Jahre in die entgegengesetzte Richtung. Es wird geschätzt, dass der Kohlebergbau etwa 4% der chinesischen Arbeitskräfte beschäftigt, aber die Todesfälle aus dem Kohlenbergbau sollen bei etwa 45% der beruflich bedingten Opfer stehen. Neben entsprechenden strategischen Investitionen im Ausland wurden die Investitionen in den chinesischen Bergbau, in Sicherheit, Automation usw. in den letzten fünf Jahren stark aufgestockt. Laut National Bureau of Statistics (NBS) stiegen sie von 817,1 Mrd. Renminbi Yuan RMB in 2009 auf 1.475,0 Mrd. RMB 2013 ( ca. 165 Mrd. Euro). Groß im Kommen sind dabei auch Projekte wie „Kohle zu Öl“ und die Gasförderung. Allein in die Erdöl‐ und Erdgasförderung wurden 2013 mit 380,5 Mrd. RMB um 23,7% mehr investiert als im Vorjahr. Insgesamt stiegen die Investitionen im chinesischen Bergbau 2013 um 10,9%. All diese Ansprüche und Ziele erfordern eine wohl durchdachte Strategie und weitere entsprechende Investitionen in „Systems, Men and Material“. Know How und Kenntnisse bis „hinunter“ zur Arbeitsebene sind unabdingbare Voraussetzungen. Die Managementebene muss vermehrt in Prozessen denken und alle Beteiligten sollten sich in Allianzen eine breite Kompetenzbasis schaffen welche harmonisiert eingebracht werden kann. Eine Wissensbasis und ein geregelter Wissenstransfer sind erforderlich, genauso wie lokaler Service, die Fähigkeit zur Fehlersuche durch lokale Experten und eine Ersatzteilbevorratung. Ein Ziel des Netzwerks Bergbauwirtschaft ist es auch, in der NRW Branche dafür zu werben, dass mit Startmodulen für ein Technologiezentrum Bergbau (oder größeren Einheiten) nach dem Vorbild des NRW MÜZ (Maschinenübungszentrum der RAG DSK), im In‐ und Ausland institutionalisierte Brückenköpfe für die Zulieferbranche angelegt werden. Dies kann als JV 6 mit ausländischen Partnern oder über Know How Transfer (train the trainer …). „top down“ oder auf Bedienerebene erfolgen. China und die Umwelt Die chinesische Industrie und die Energiekunden bestimmen mit das zukünftige Ausmaß der weltweiten Erwärmung. Knapp ein Viertel der weltweiten Treibhausgas‐Emissionen stammt aus China, Tendenz steigend: Die Hälfte der globalen Zunahme am CO2‐Ausstoß im vergangenen Jahrzehnt kam aus chinesischen Kaminen. Jeder Bürger Chinas erzeugt allerdings nur etwa ein Viertel so viel CO2 wie ein US‐
Amerikaner, der Stromverbrauch jedes Haushalts in China liegt gar nur bei einem Achtel ‐ obwohl China bald doppelt so viel CO2 emmitiert wie die USA. China muss noch Hunderte weiterer Millionen Menschen aus der Armut führen ‐ dafür werden Hunderte Kraftwerke gebaut. Neue Klimaziele Jetzt hat China seine Klimaziele für die Uno‐Tagung im Dezember in Paris bekannt gegeben, wo erneut Maßnahmen gegen den befürchteten Klimawandel beschlossen werden sollen. Die wichtigsten Vorhaben Chinas sind demnach: Die CO2‐Emissionen des Landes sollen längstens bis 2030 steigen und danach sinken. Bis 2030 soll die Industrie deutlich effektiver arbeiten: Für das gleiche Produktionsergebnis soll dann bis zu 65 Prozent weniger CO2 freigesetzt werden. Dazu soll bis 2030 der Anteil nicht fossiler Energien um etwa 20 Prozent steigen. Nachhaltige Energiewende in China eingeleitet? Vor allem die Luftverschmutzung in den Großstädten zwang die chinesische Regierung zum Handeln; Millionen Menschen erkranken jedes Jahr am Feinstaub. 2013 startete China ein Programm, um abgasintensive Kraftwerke und Industrien zu erneuern. Das Land investiert mehr in alternative Energieformen als alle anderen Staaten; sein Budget dafür beträgt mehr 7 als ein Viertel des globalen Etats. Zudem will China Dutzende neue Kernkraftwerke bauen, so dass bereits 2020 fünfmal mehr Strom aus Kernkraft erzeugt werden kann. China hat im März 2015 beschlossen, die Kohleemissionen bis 2020 deutlich zu senken, die Energieproduktion durch Sonnenenergie gleichzeitig um ein Fünftel zu erhöhen. Zwei der größten Kohlekraftwerke des Landes wurden geschlossen, weitere sollen folgen. Die verarbeitende Industrie wurde angewiesen, binnen zehn Jahren ihren CO2‐Ausstoß um 40 Prozent zu reduzieren. Um Unternehmen ökonomische Reize für eine Energiewende zu bieten, hat China einen CO2‐Emissionshandel aufgesetzt, der 2016 landesweit starten soll, nachdem er bereits regional getestet wurde. Wer in China CO2 ausstößt, muss künftig dafür zahlen. Für die Bergbauzulieferer ist allerdings vor entscheidender Bedeutung, dass China zwar seine Investitionen in erneuerbare Energien erheblich steigert, jedoch die Investitionen in Kohle mit Abstand am höchsten bleiben. 2014 wurde etwa doppelt so viel Kraftwerksleistung auf Kohlebasis installiert wie aus Wind, Sonne, Wasser und Kernkraft zusammengenommen. Neben China plant Indien einen markanten Wirtschaftsaufschwung ‐ mit Kohleenergie. Sein CO2‐Ausstoß ist bislang nur ein Viertel so groß wie Chinas, die Bevölkerung bei Weitem ärmer. Indiens Regierung hat die Bekämpfung der Armut zum wichtigsten Ziel erklärt, und billige Energie habe dabei Priorität. Kontakt EnergieAgentur.NRW Netzwerk Bergbauwirtschaft c/o RWI4 Völklinger Straße 4 40219 Düsseldorf Tel. 0211 210 944‐10 [email protected] i
Heinrich Böll Stiftung, Kohleatlas 2015 Peter v. Hartlieb, Der Chinesische Steinkohlenbergbau – Eine Standortbestimmung unter besonderer Berücksichtigung der Interessen deutscher Bergbauzulieferer, Mining Report Glückauf, 150. Jg., Heft. 5 / 2014 ii
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