„ BEGEGNUNG Wenn nur der Erfolg zählt, ist das zu kurz gedacht. Der Erfolg sollte einen Sinn haben und mit bestimmten Werten einhergehen. Oliver Kahn Den kompletten Beitrag lesen Sie in der am 22. Januar 2016 erschienenen Print-Ausgabe 1/2016 des BME-Magazins "BIP - Best in Procurement". Oliver Kahn, 1969 in Karlsruhe geboren, begann mit sechs Jahren als Feldspieler beim Karlsruher SC, bevor er ins Tor wechselte. Bereits mit 18 schaffte er den Sprung in den Profikader. 1994 wechselte er zum deutschen Rekordmeister FC Bayern München, mit dem er acht Mal Deutscher Meister, sechs Mal DFB-Pokal-Sieger und 2001 Champions-League-Sieger wurde. Kahn bestritt 864 Pflichtspiele, darunter 554 Bundesligaspiele, 424 mit dem FC Bayern München, 86 Spiele als Torhüter der Deutschen Nationalmannschaft und 141 Spiele im Europapokal und in der Champions League. Er war drei Mal Welttorhüter des Jahres. Seit dem Karriereende im Jahre 2008 ist Oliver Kahn als Fußballexperte für das ZDF im Einsatz. Motivation und Leadership sind zentrale Themen, mit denen sich Kahn als Autor und Redner auseinandersetzt. Er ist Mitgründer der Titaneon Media AG, die unter anderem ein Fußballportal für Fans unterstützt, und hat eine eigene Stiftung – die Oliver Kahn Stiftung – eingerichtet, die junge Menschen stark machen möchte. Ende 2011 hat Oliver Kahn sein Studium der Betriebswirtschaftslehre erfolgreich mit dem MBA abgeschlossen. 32 BIP 1 · 2016, 7. Jahrgang „Man muss sich immer wieder neu hinterfragen“ Vom Egomanen zum Inspirator und Entwickler: Oliver Kahn, der erfolgreichste deutsche Fußballtorhüter, hat als Unternehmer eine zweite Laufbahn gestartet. Im BIP-Interview spricht er über Erfolgstechniken und ihre Grenzen sowie darüber, wie man sich neue Ziele setzt, wenn man den Gipfel bereits erreicht hat. BIP: Sie gelten als Beispiel für enorme Willensstärke. Wie holt man sich immer wieder diese Kraft? Kahn: Man kann seinen Willen ein Stück weit trainieren. Als ich in den Jugendmannschaften gespielt habe, gab es talentiertere Torhüter als mich. Somit musste ich immer mehr trainieren und dafür morgens auch schon mal um fünf oder sechs Uhr aufstehen. Ich weiß nicht, wie viele Trainingseinheiten ich damals gemacht habe und zusätzlich noch Fitnesstraining. Ich habe meinen Willen dadurch schulen müssen, dass andere einfach besser waren als ich, was ich aber nicht akzeptieren wollte. Fotos: Ingo Schwarz Gibt es Techniken, die helfen, konstant Höchstleistung zu bringen? Welche haben Sie in Ihrer Karriere genutzt? Ich habe ja auch die Schattenseiten des Leistungsstrebens erlebt. Es gab Situationen und Phasen, in denen ich eigentlich körperlich und geistig ausgelaugt war und ich Monate gebraucht habe, um mich da wieder herauszuarbeiten. Dazu habe ich bestimmte Techniken angewendet. Ich musste lernen, mich zu erholen. Ich musste lernen, zu sagen, wann es genug ist, dass es Grenzen gibt, die keiner überschreiten darf. Ich hatte teilweise ein enormes Trainingspensum. Das fing schon in der Jugend an. In mei2015, 7. 6. Jahrgang BIP 13 · 2016, nen ersten Jahren beim Karlsruher SC habe ich abends mit den Amateuren trainiert, morgens bei den Profis und zwischendurch war ich noch im Kraftraum. Auch beim FC Bayern war ich anfangs überzeugt davon, dass ich nur gut sein kann, wenn ich sehr viel dafür tue. Irgendwann, wenn man älter wird, kann man dieses Quantum nicht mehr erfüllen und wird ausgelaugt. Da musste ich vieles umstellen. Ich habe gerne mentales Training gemacht, Entspannungstechniken erlernt und Coaches in Anspruch genommen, mit denen ich ganz gezielt an gewissen Szenen gearbeitet habe. Übrigens eine Methodik, die in anderen Ländern völlig normal ist. In den USA nimmt man sich, wenn man ein Problem hat, einen Coach und versucht sich weiterzuentwickeln. So habe ich nach und nach gelernt, dass Erfolg Spaß macht, dass es aber Grenzen gibt und ich diese Grenzen auch wahren muss. Was nutzen diese Techniktrainings, wenn man im Wettkampf steht? Hört man da noch auf eine innere Stimme oder ist man nur in Adrenalin gebadet? Es muss ein intuitiver Prozess sein. Im Moment des Wettkampfs darf ich nicht mehr nachdenken müssen. Das erfordert, Dinge so lange zu trainieren, bis sie mir in Fleisch und Blut übergegangen sind. Nur dann kann man als Torwart instinktiv Bälle halten, die vielleicht als völlig unhaltbar gelten. Wenn ich heute einen Vortrag halte, überlege ich mir auch nicht erst gestern, was ich sage. Auch das ist konsequente Arbeit an mir. Im Vortrag selbst verspüre ich keinen Druck, sondern es macht Spaß, den Menschen authentisch etwas zu vermitteln. Die meisten, die im Wettkampf Probleme haben, sind die, die nicht optimal vorbereitet sind. Champions-League-Finale 2001 gegen Valencia, Elfmeterschießen: In welchem Modus waren Sie da? Beim letzten Elfmeter von Pellegrino wusste ich gar nicht, ob der Ball drin ist oder nicht. Ich war in einen Konzentrationsbereich getaucht mit einem einzigen Fokus: Jeden Ball halten, der kommt. Sonst war nichts mehr in diesem Tunnel. Dann schießt Pellegrino, ich kann den Ball halten und schaue kurz in die Mitte, wo die Spieler stehen. Als ich sehe, wie alle losrennen, dämmert es mir erst, dass wir gewonnen haben. (Lacht.) Es gab in Ihrer Generation viele Toptorhüter. Was hat Sie als Welttorhüter denn unterschieden? Es gibt ein paar Grundgesetze, aber im Rahmen dieser Grundgesetze ist jeder 33 33
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