ZUCKER I PFLANZENSCHUTZ Blattfleckenkrankheit in Zuckerrüben Resistente Cercospora erfordert klug gemanagten Fungizideinsatz Die Cercospora-Blattfleckenkrankheit ist aufgrund der hierzulande vorherrschenden Klimabedingungen die bedeutendste Blattkrankheit der Zuckerrüben. Im Kampf gegen diese Plage kann die Ertragsfähigkeit der Pflanzen nur durch optimale Fungizidanwendung erhalten werden. In den letzten Jahren haben sich die Empfehlungen für die einzusetzenden Wirkstoffe stark verändert, da sich strobilurinresistente Cercosporatypen massiv ausgebreitet haben. Mittlerweile sind diese gegen Strobilurine unempfindlichen Typen flächendeckend verbreitet. Für die Anwendung in der Rübenbausaison 2015 wurden für zwei Fungizide wieder „Gefahr im Verzug“-Zulassungen erteilt, sodass nun nach zuerst langjähriger Pause der Wirkstoff Thiophanate-Methyl bereits im zweiten Jahr im Einsatz ist. Die Erfahrungen der letzten Jahre ermöglichen gemeinsam mit der Ergebnissen des AGRANA-Versuchswesens eine weitere Anpassung der Strategie zur Bekämpfung von Cercospora-Blattflecken. W ird Cercospora beticola nicht bekämpft, können sich Zuckere-rtragsverluste von 30 Prozent und mehr ergeben. Dieses hohe Verlustpotenzial erfordert die Anwendung wirksamer Fungizide. Das Infektionspotenzial und die Dynamik der Ausbreitung hän- Grafik 1 Häufigkeit von Strobilurin resistenter Cercospora Häufigkeit der G143A target site Mutation in % in Österreich von 2012 bis 2014 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 2012 20 Orte 33 Proben 6 2013 40 Orte 94 Proben 2014 7 Orte 7 Proben AgroZucker – AgroStärke gen von den Standortbedingungen, vom Wetter, von der Rübensorte und der Durchführung der Fungizidapplikationen ab. Doch die in den letzten Jahren aufgetretenen Resistenzen erschweren die Fungizidauswahl zusätzlich. Unterschiedliche Wirkstoffgruppen Viele Jahre wurden im Zuckerrübenanbau Fungizide mit Wirkstoffen aus der Klasse der Triazole angewendet, sie galten in der Folge als tragende Säule der Cercosporabekämpfung. Diese Wirkstoffklasse wird als moderat resistenzgefährdet eingestuft, doch durch den langjährigen Einsatz ging ein Teil der Wirkung verloren. Wirkstoffe dieser Gruppe bleiben allerdings ein wichtiger Bestandteil der Maßnahmen zur Gesundhaltung der Rübenblätter. Die zusätzlich ab Anfang der Zweitausenderjahre erstmals im Zuckerrübenanbau eingeführte Wirkstoffklasse der Strobilurine wurde ab 2008 intensiv eingesetzt, wodurch zu Beginn eine deutliche Leistungsverbesserung erzielt werden konnte. Dieser Wirkstoffgruppe ist jedoch ein hohes Risiko der Resistenzbildung eigen, es kann zu so gut wie vollständiger Unempfindlichkeit der Cercosporastämme kommen. Ab 2012 wurde in Österreich ein zunehmender Anteil strobilurinresistenter Cercospora nachgewiesen. Benzimidazole und Thiophanate waren die erste systemische Wirkstoffgruppe, die zur Cerocosporabekämpfung eingesetzt wurde. Nach totalem Wirkungsverlust vor etwa 30 Jahren wurde diese Gruppe in Österreich für lange Zeit nicht in Zuckerrüben verwendet, doch durch die langjährige Pause hat 2 I 2015 ZUCKER I PFLANZENSCHUTZ Tabelle 1 Fungizide gegen Cercospora nach Wirkstoffgruppen und FRAC Gruppen (FRAC: Fungicide Resistance Action Committee) Reg.Nr max. Aufwandmenge kg, l*ha Fungizid Regel- u. Mindestabstand zu Oberflächengewässern in m max. Zahl Anwendungen Wartezeit (Tage) 2,6 4 14 -*-*-*20 2 4 7 10*5*5*1 6 - 7 - 1) Wirkungsweise: Multi Site (Kontaktfungizide) FRAC Gruppe M 3034 2746 238 Cuprofor flow Dithane Neo Tec 2) Cosan-Super Kolloid-Netzschwefel Wirkungsweise: DMI (Triazole) FRAC Gruppe G1 2481 Caddy 200 EC 0,4 2 35 1 3361 Domark 10 EC 1 2 28 1 3255 Score 0,4 2 28 10*5*5*1 2685 Spyrale 1 2 28 10*5*5*1 Wirkungsweise: DMI (Triazole) + QoI (Strobilurine) FRAC Gruppe G1 + C3 3367 Opera 1 2 28 5*5*5*1 2978 Sphere SC 0,35 2 21 5*3*1*1 Wirkungsweise: DMI (Triazole) + MBC (Benzimidazole und Thiophanate) FRAC Gruppe G1 + B1 3576 0,6 Duett ultra2) 2 28 5*5*1*1 1) : 1. Ziffer = Regelabstand in m; 2. bis 4. Ziffer = einzuhaltender Mindestabstand in m bei *50%, *75% oder *90% Abstandsminderungsklasse; -* in der Umgebung von Gewässern ist eine Ausbringung nur mit verlustmindernden Geräten erlaubt 2) Befristete Zulassung „Gefahr in Verzug“ sich Leistungsfähigkeit wieder eingestellt. Kontaktfungizide wie Kupfer oder Mancozeb kamen bereits vor langer Zeit gegen Cercospora zum Einsatz und erlangten als Teil des Resistenzmanagements wieder größere Bedeutung. Diese „Multi-site“Wirkstoffe sind durch nur sehr geringes Resistenzrisiko gekennzeichnet und können zur Absicherung gegen resistente Pilzstämme eingesetzt werden (Tabelle 1). Erfahrungen aus der Praxis Aufgrund der starken Ausbreitung von strobilurinresistenter Cercospora wurde 2014 einerseits empfohlen, den Triazolanteil in 2 I 2015 Mischungen (Fertigformulierungen oder auch Tankmischungen) auf die volle Menge, die bei alleiniger Anwendung empfohlen wird, zu erhöhen. Ebenso wurde der Einsatz des Thiophanate-Methyl enthaltenden Fungizids „Duett ultra“ empfohlen, um einen zusätzlichen Wirkstoff zur Anwendung zu bringen. Als zusätzliche Absicherung gegen Resistenzen galt die Zumischung von Kontaktfungiziden wie Balear (2015 nicht mehr zugelassen) oder Cuprofor (Nachfolgeprodukt: Cuprofor flow) zu den ersten beiden Spritzungen. Die Erfahrungen aus der Praxis und aus Versuchen zeigen, dass all diese Maßnahmen sinnvoll waren. Zusätzlich haben sich AgroZucker – AgroStärke folgende Erkenntnisse ergeben: • Sortenwahl: Hoch anfällige Sorten wie zum Beispiel „Gladiator“ sind in infektionsgefährdeten Lagen schwer zu führen und so weit wie möglich zu meiden. • Wenn bereits Anfang August die letzte Fungizidanwendung erfolgt, muss mit Spätbefall im September und Oktober gerechnet werden. Ebenso werden aber Anwendungsfehler zu Beginn der Cercosporasaison auch als vermeintlicher Spätbefall sichtbar, da es mehrere Wochen dauert, bis der Befallsgrad so hoch ist, dass das Feld von Weitem als „krank“ sichtbar wird. 7 ZUCKER I PFLANZENSCHUTZ Tabelle 2 Geprüfte Fungizidvarianten Varianten Angewendetes Fungizid 1 Unbehandelte Kontrolle 2 Triazol + Strobilurin 3 Triazol + Thiophanate 4 Triazol 5 Kupfer 6 Triazol + Strobilurin + Kupfer 7 Triazol + Thiophanate + Kupfer 8 Triazol + Kupfer 12 Triazol + Kupfer + Netzschwefel 13 Kontaktfung. in red. Aufwandmenge Sphere 0,35l + Netzmittel 0,1% in Wiederholung Duett ultra 0,6l + Netzmittel 0,1% in Wiederholung Domark 1l + Netzmittel 0,1% in Wiederholung Cuprofor 2l + Netzmittel 0,1% in Wiederholung Sphere 0,35l + Cuprofor 2l + Netzmittel 0,1% in Wiederholung Duett ultra 0,6l + Cuprofor 2l + Netzmittel 0,1% in Wiederholung Sphere 0,35l + Netzmittel 0,1% in Wiederholung Domark 1l + Cuprofor 2l + Netzschwefel 4 kg in Wiederholung Balear 720 SC 0,66l + Netzmittel 0,1% bzw. Cuprofor 1,32l + Netzmittel 0,1% abwechselnd in 2-3 wöchigem Abstand 1: Sphere 0,35l + Caddy 200 0,12l + Balear 720 SC 1 l + Netzmittel 0,1% 15 Praxisspritzfolge I 16 Praxisspritzfolge II 2: 3: 4: 1: 2: 3: Duett ultra 0,6l + Cuprofor 2l + Netzmittel 0,1% Domark 1l + Netzmittel 0,1% Score 0,4 l + Netzmittel 0,1% (nur Trübensee und Witzelsdorf) Score 0,4l + Cuprofor 1l + Netzschwefel 3 kg Duett ultra 0,6l + Cuprofor 1l + Netzschwefel 3 kg Caddy 200 0,4l + Cuprofor 1l + Netzschwefel 3 kg 4: Domark 1l + Cuprofor 1l + Netzs. 3 kg (nur Trübensee und Witzelsdorf) • Für die optimale Wahl der Spritzzeit- punkte ist die intensive Beobachtung des einzelnen Feldes nötig. Wer hingegen nur nach den Warnmeldungen vorgeht, ist zwar vor bösen Überraschungen sicher, kann aber oft nicht die preiswerteste Strategie wählen. Versuchsergebnisse Auch 2014 wurden an drei Standorten (Trübensee im Tullnerfeld, Witzelsdorf im Marchfeld und Mailberg im Weinviertel) Exaktversuche auf Kleinparzellen zur Cercosporabekämpfung mit Fungiziden angelegt. 8 Um deutliche Unterschiede zu sehen, wurde – wie in den Jahren zuvor – die für Cercospora hoch anfällige Sorte Gladiator gewählt. Die Parzellen der Varianten 2 bis 8 wurden wiederholt mit denselben Fungiziden bzw. Mischungen gespritzt, um eine Aussage über die Wirkung dieser Mittel treffen zu können. Die Variante 12 (Kontaktfungizide, reduzierte Aufwandmenge) wurde fünf- (Mailberg) bzw. sechsmal behandelt. In allen anderen behandelten Varianten wurde drei- (Mailberg) bzw. viermal mit Fungiziden gespritzt. Bei allen Varianten – außer 12 und 16 – wurde Netzmittel zugesetzt, bei 12 und 16 kam Netzschwefel als Additiv zum Einsatz (Tabelle 2). AgroZucker – AgroStärke Die Ertrags- und Qualitätsergebnisse sind in Tabelle 3 ersichtlich. Am Standort in Mailberg blieb der Befall vergleichsweise gering. In Trübensee und Witzelsdorf kam es auf fast allen Parzellen zu sehr starkem Befall, dies jedoch je nach Fungizidvariante unterschiedlich und weitgehend mit Blattneuaustrieb verbunden. Die Ertrags- und Qualitätsergebnisse der Zuckerrüben zeigten in der Folge signifikante Unterschiede zwischen den Fungizidvarianten. Rübenertrag und Zuckergehalt reagierten übereinstimmend auf die Fungizidanwendungen, sodass die Differenzierung beim Zuckerertrag noch stärker zum Tragen kam. 2 I 2015 ZUCKER I PFLANZENSCHUTZ Tabelle 3 Zusammenfassung Ernteergebnisse Trübensee, Witzelsdorf, Mailberg Fungizidvarianten Rübenertrag Zuckergehalt Zuckerertrag Tonnen pro Hektar [Prozent Tonnen pro Hektar 1 Unbehandelte Kontrolle 95,02 F 2 Triazol + Strobilurin 100,33 3 Triazol + Thiophanate 118,65 4 Triazol 101,26 5 Kupfer 106,11 6 Triazol + Strobilurin + Kupfer 109,65 7 Triazol + Thiophanate + Kupfer 117,30 8 Triazol + Kupfer 107,94 C 14,62 CD 15,79 C 12 Triazol + Kupfer + Netzschwefel 107,28 CD 14,51 D 15,58 C 13 Kontaktfung. in red. Aufwandmenge 103,43 15 Praxisspritzfolge I 108,45 BC 14,89 16 Praxisspritzfolge II 109,89 BC 14,72 E A 13,17 13,66 15,21 E CD BC G F AB EF 14,12 14,05 E 14,89 15,29 DE 18,02 CD A E BC CD F A EF D 16,14 17,92 14,00 G 13,70 13,95 14,75 A 12,49 BC A 14,48 DE 16,22 BC 16,22 BC Die Ergebnisse zeigen einen Auszug aus einem Versuch mit 16 Varianten. Varianten, die mit demselben Buchstaben markiert sind, unterscheiden sich nicht signifikant. Weitere Ergebnisse • Strobilurinresistenz: 2014 war nun auch am Standort im Weinviertel keine ausreichende Wirkung durch den alleinigen Einsatz der StrobiTriazol-Fertigmischung Sphere SC zu erzielen. Ein Jahr zuvor hatte sich dort noch gute Wirkung gezeigt, auf den anderen beiden Standorten hatte diese Anwendung bereits 2013 keine ausreichende Wirkung ergeben. Die deutliche Resistenz von Cercospora gegenüber Strobilurinen an allen drei Standorten konnte durch Resistenztests bestätigt werden. • Durch Zumischung von Kontaktfungi- ziden wird die Wirkung beträchtlich verbessert. 2 I 2015 • Die Anwendung von Triazol + Thiophanat (Duett ultra) erzielt ausgezeichnete Wirkungen. • Die geprüften Praxisvarianten (= Empfehlung) zeigten gute Wirkungen. • Der Einsatz von Netzschwefel statt Netzmittel bringt vielversprechende Ergebnisse. Verbreitung strobilurinresistenter Cercospora In den Jahren 2012 bis 2014 wurden Blattproben gezogen, um das Auftreten von strobilurinresistenter Cercospora zu prüfen. Die Zunahme des Anteils von Cercospora mit dem Resistenzgen „G143A“ in den Proben stieg massiv an, wie Grafik 1 (Seite 6) zeigt. G143A verursacht die Resistenz AgroZucker – AgroStärke gegenüber Strobilurinen. Im Jahr 2014 war eine praktisch flächendeckende Verbreitung von strobilurinresistenter Cercospora gegeben. Eine praxistaugliche Wirkung von Strobi-Fungiziden ist bei einer Häufigkeit von G143A von über 50 Prozent nicht zu erwarten. In den an Österreich grenzenden Ländern Italien, Ungarn, Slowakei und Tschechien ist diese Strobilurinresistenz ebenfalls stark verbreitet. Empfehlung für die Praxis • Um Resistenzen zu begegnen, ist Wirkstoffwechsel ein Muss! Unterbleibt er, vermehren sich die resistenten Pilze. • Alle Fungizidanwendungen sollten durch den Zusatz von Kontaktfungiziden (2 kg Dithane neo tec oder 1,25 Cuprofor flow) abgesichert werden. 9 ZUCKER I PFLANZENSCHUTZ Cercosporabefall am Versuchsstandort Trübensee am 7. Oktober 2014 • Beim Einsatz von Strobilurin-Tria- • Empfohlen wird, die zweite Spritzung Thiophanate-Methyl (in Duett ultra) zol-Kombiprodukten (Sphere, Opera) muss beachtet werden, dass vom Strobi-Anteil keine Wirkung gegen Cercospora zu erwarten ist. Der Triazolanteil muss durch Zusatz von reinen Triazolprodukten (Caddy, Domark, Score od. Spyrale) so ergänzt werden, dass die volle Triazolmenge wie in einem reinem Triazolprodukt erreicht wird. 10 mit Duett ultra (Triazol + Thiophanate) + Kontaktfungizid durchzuführen. • Die Zugabe von 3 kg Cosan-Super Kolloid-Netzschwefel als Additiv wird ebenfalls empfohlen. AgroZucker – AgroStärke soll zur Vorbeugung gegen erneute Resistenzbildung nur einmal in der Spritzfolge vorkommen! Detaillierte Empfehlungen gibt es bei den zuständigen Rohstoff-Außendienstmitarbeitern der AGRANA bzw. unter ris.agrana.com. 2 I 2015 ZUCKER I PFLANZENSCHUTZ Varianten 1 bis 8, jeweils sechs Reihen Die in Tabelle 1 angegebenen Beschränkungen für Aufwandmenge und Anwendungszahl sowie Wartezeiten vor der Ernte und Abstände zu Oberflächengewässern sind unbedingt einzuhalten. Die aktuellen Anwendungsvorschriften sind auch im Pflanzenschutzmittelregister unter pmg.ages.at abrufbar. 2 I 2015 Friedrich Kempl [email protected] AgroZucker – AgroStärke 11
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