Pluralisierte Sicherheitsproduktion Staatliche Sicherheitsgewährleistung und Gewaltmonopol in veränderten Kontexten BMBF Innovationsforum 2014 Session: Wandel von Sicherheitskulturen in modernen Gesellschaften Prof. Dr. Bernhard Frevel, FHöV NRW Staat und Gewaltmonopol • Völkerrechtliche Staatsdefinition: Drei-ElementeLehre – Staatsgebiet, Staatsvolk, Staatsgewalt (Jellinek 1960: 394ff.) • Staatsdefinition nach Weber (1972: 822): „[…] Gemeinschaft, welche innerhalb eines bestimmten Gebietes […] das Monopol legitimer physischer Gewaltsamkeit für sich (mit Erfolg) beansprucht.“ • Gewaltmonopol als definitorisches Kernelement des modernen Staates (und Grundlage für Gewährleistung Innerer Sicherheit) Staatlichkeit im Wandel • Kontext: steigende Komplexität (staatlicher) Herausforderungen, Finanzierungsproblematik • Wandel vom Leistungsstaat zum Gewährleistungsstaat • Wandel von maßgeblich staatlicher zu kooperativer Aufgabenerfüllung • Wandel politischer Steuerungsprozesse: von hierarchischer zu kooperativer Steuerung – von Government zu Governance Gewährleistungsstaat • Aufgabengewährleistung anstelle Aufgabenerfüllung • Aufgaben- und Verantwortungsteilung / -übertragung – Aktivierung – Kooperation – Pluralisierung • kooperative Formen politischer Steuerung Neue Sicherheitsarchitektur • Pluralisierung der Sicherheitsproduktion – Private Sicherheitsdienste – Stärkung kommunaler Ordnungsdienste – Einbeziehung von „sicherheitsfremden“ Akteuren • Kooperative Steuerung: Safety and Security Governance Veränderte Sicherheitskultur Daase/Offermann/Rauer (2012: 7): • „Das 19. und 20. Jahrhundert war durch durch gesellschaftspolitische Leitbilder geprägt, die auf Wachstum und Fortschritt zielten. Mit Beginn des 21. Jahrhunderts erodieren diese Leitbilder zunehmend. Statt sozialen Wandel und Fortschritt zu propagieren, orientieren sich die gesellschaftspolitischen Programmatiken zunehmend daran, das bisher Erreichte zu bewahren. Statt Freiheit, Aufklärung und Emanzipation wird Sicherheit zur neuen gesellschaftlichen Leitvokabel.“ Erweiterter Sicherheitsbegriff • Neue Gefahren und Risiken • Gesteigerte Vulnerabilität • Lösung von den „klaren“ Sicherheitsbegriffen, die sich an Fachlichkeiten der verschiedenen Akteure orientierte • Veränderte Sicherheitskultur mit umfassenden Erwartungen • Verschränkung von Handlungsansätzen Gefahrendimension Raumdimension global Risiko international regional national militärisch ökonomisch ökolögisch Verwundbarkeit Bedrohung Staat Gesellschaft Individuum humanitär Sachdimension Daase: Sicherheitskultur als interdisziplinäres Forschungsprogramm. (2012: 25) Referenzdimension Gewaltmonopol heute? • Nicht-staatliche Akteure beteiligt an der Sicherheitsproduktion • Lösung vom Nationalstaat mit Gewaltmonopol mit supra- und internationaler Verantwortung der Sicherheitsproduktion • Sicherheitsbegriff geht über (gewaltmonopolistisch) relevante Aspekte der Inneren und Äußeren Sicherheit hinaus zur „menschlichen Sicherheit“ Gewaltmonopol heute! • Existenz unterschiedlicher Interpretationen • Gewaltmonopol als staatliche Kompetenz, Staat als alleiniger Akteur legitimer Gewaltsamkeit • Gewaltmonopol als Kompetenz-Kompetenz, Staat als Inhaber der Kontrollkompetenz über die Anwendung von legitimer Gewaltsamkeit Gewaltmonopol und Sicherheit • Pluralisierung maßgeblich im Vorfeld gewaltaffiner Sicherheitsproduktion verortet • Pluralisierte Sicherheitsarchitektur nur bedingt mit direktem Einfluss auf die Kompetenz „staatliches Gewaltmonopol“ • Indirekte Einflüsse (Partikularinteressen) durch Governanceprozesse • Potenzielle Delegitimation des staatlichen Gewaltmonopols Polizei und Gewaltmonopol • Entstehende Doppelrolle: Gewaltmonopolist und kooperativer Akteur der Gefahrenabwehr • Neue Verantwortung: Initiator und Koordinator von Safety and Security Governance • Job enlargement und job enrichment für Polizist/innen • Pointiertes Leitbild der Bürgerpolizei Polizei und Politik • Politische (Neu-?) Beschreibung des Polizeiauftrags für – operative – kooperative – kontrollierende und – steuernde Aktivitäten • Anpassung der polizeigesetzlichen Rahmenbedingungen • Anpassung von Qualifizierung
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