Markt_ Shops W enn es Jever nicht gäbe, gäbe es heute in Darmstadt, Ortsteil Eberstadt, nicht 1.300 Biere aus 63 Ländern. Bruno Maruhn, der Gründer des Getränkehandels, hätte seine wahre Freude, die Kunden dabei zu beobachten, wie sie die gut 1.300 Quadratmeter am heutigen Standort erkunden und in ihren Einkaufswagen einen „Kessel Buntes“ packen: ein Asahi Super Dry aus Japan, ein Lucky Buddha Beer aus China, ein Serengeti Bier aus Tanzania, dazu IPAs aus den USA, Pale Ales aus Großbritannien, Rauchbier aus Deutschland… Was mit einem kleinen Lebensmittelmarkt in den 1960er-Jahren begann, hat sich zu einem der größten Biermärkte der Welt entwickelt. Und schuld an allem ist Wangerooge. Besser gesagt, ein Urlaub der Familie auf der Nordseeinsel, in dem Bruno Maruhn seine Liebe zum friesisch-herben Jever entdeckte, das er auch zurück in seiner Heimat Hessen nicht missen wollte und es fortan nach Darmstadt liefern ließ. Einmal angesteckt, folgten der Bierbegeisterung weitere norddeutsche und sehr bald auch bayrische Bierspezialitäten. Der Lebensmittelmarkt wurde 1970 aufgegeben, das Projekt „Biere aus ganz Deutschland“ dafür aufgenommen, zunächst an einer Tankstelle, später dann in der Pfungstädter Straße, wo „Maruhn“ noch heute zu finden ist. Das Besondere im Blick Mario und Elke Maruhn Auftanken bei Maruhn Mit 1.300 verschiedenen Bieren bietet „Maruhn – Welt der Getränke“ in Darmstadt ein rekordverdächtiges Bierangebot. Das wissen auch Busladungen aus Frankreich zu schätzen. Text & Fotos: Benjamin Brouër 62 Mario Maruhn sitzt im ersten Stock des Zweckbaus an seinem Computer und checkt die Absatzzahlen einzelner Biere: „Was schwächelt, fliegt raus.“ Zum Glück schwächelt momentan nicht viel. Bierspezialitäten boomen, und das Geschäft, das er seit dem Tod des Vaters im Jahr 1992 gemeinsam mit seiner Frau Elke und dem Zwillingsbruder Michael führt, läuft erfolgreicher denn je. „Die Leute sind definitiv wieder bereit, mehr Geld für besondere Biere auszugeben“, freut sich Mario Maruhn. „Die Craftbier-Bewegung wirkt sich positiv auf den gesamten Markt aus und sorgt dafür, dass die Preise endlich wieder steigen.“ So wächst der Anteil der Craftbiere im Maruhn-Sortiment kontinuierlich. Gut 700 der insgesamt 1.300 Biere importiert die Familie aus dem Ausland. Einen großen Part nehmen außerdem bayrische Bierspezialitäten, darunter viele Biere aus kleinen fränkischen Brauereien, ein. No. 02-2015 USA, England, Japan, China, Tanzania... Bei Maruhn kann man sich einmal um die ganze Welt trinken. Die großen nationalen Marken haben da fast schon einen schweren Stand. „Wer zu Maruhn kommt, will etwas Besonderes“, erzählt der Geschäftsführer in zweiter Generation. Und die Leute kommen. Zuhauf. Vor allem natürlich aus dem erweiterten Umkreis von 50 Kilometern. Aber auch aus Nordund Süddeutschland steuern Bierfans das Hopfen & Malz-Eldorado gezielt an. Sogar Busse aus Frankreich setzen sich mit dem Ziel Darmstadt-Eberstadt in Bewegung. Delta Airlines empfiehlt seinen FirstClass-Kunden den Getränkemarkt in einer Reihe an Sightseeing-Tipps für den Großraum Frankfurt. Der britische Bierpapst Michael Jackson würdigte Maruhn in seinen Bier-Bestsellern. Viel Werbung müssen die Maruhns eigentlich nicht mehr betreiben. Machen sie auch nicht, abgesehen von einem monatlichen Haushaltsflyer in der Umgebung. Nicht einmal einen Online-Shop gibt es bislang. Der Drittelliter passt Der gute Ruf eilt Maruhn voraus. Und der ist ebenso hart wie professionell erarbeitet. Insgesamt 20 Leute kümmern sich um die Kunden, die neben der Biervielfalt zudem ein immenses Spirituosenangebot vorfinden. „Wir sind dabei, unsere No. 02-2015 Mitarbeiter weiter in Richtung Biersommelier zu schulen“, erzählt Mario Maruhn, der um die gestiegenen Ansprüche der Branche insgesamt weiß. So stehen alle hopfenbetonten Biere selbstverständlich in einem riesigen Kühlschrank. Im Schnitt vier Wochen, dann kommt neue Ware. Um es bei Maruhn ins Regal zu schaffen, müssen Biere zunächst einmal eine ansprechende Ausstattung mitbringen, „das ist schließlich das Erste, was der Kunde sieht“. Und einigermaßen bezahlbar müssen sie sein, was natürlich von der Herkunft und Sorte abhängt. Mario Maruhn hat da so seine Erfahrungen: Deutsche Craftbiere laufen am besten, wenn sie unter 2 Euro pro 0,33-l-Flasche kosten, die Grenze nach oben liegt bei gut 3 Euro. Internationale Craftbiere sollten die 4-Euro-Schwelle nicht überschreiten. Als optimales Gebinde sieht er die Drittelliterflasche: „Die Leute wollen sich ja schließlich durchprobieren. 0,75 Liter ist da zu groß und auch von der Preisoptik zu hoch.“ Apropos Preis, das Thema liegt Mario Maruhn sehr am Herzen. Bei aller Begeisterung über die neue Bierbewegung hat er auch seine Bedenken: „Die Craftbrauer sollen jetzt bloß nicht mit einem Preiskampf anfangen. Jetzt haben wir endlich etwas, womit wir alle Geld verdienen. Das soll auch so bleiben.“ – „Maruhn – Welt der Getränke“ Adresse: Pfungstädter Str. 174, 64297 Darmstadt-Eberstadt Konzept: 1.300 Biere aus mehr als 60 Ländern Größe: 1.300 m² Verkaufsfläche Specials: regelmäßig kostenlose Verkostungen mit dem „Bierpadre“ Christian Köhler Mitarbeiter: 20 Weiterer Schwerpunkt: 450 Whiskys, 200 Mineralund Heilwässer Im Web: www.maruhn.de 63
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