Ist das Deutsche Gesundheits- wesen

NUB
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Ist das Deutsche Gesundheitswesen innovationsfeindlich?
Ergebnisse der aktuellen Umfrage „NUB in der Praxis“
NUB-Entgelte sind ein relevantes Thema. Die
Krankenhäuser haben trotz geringer Budgetanteile großes Interesse am Einsatz von innovativen Verfahren, die Kostenträger „halten dagegen“, das BSG scheut sich nicht vor
– im Kern – unsinnigen Urteilen („Neue Methoden werden nur bezahlt, wenn sie schon
allgemein anerkannter Standard sind“) und
der Gesetzgeber bessert – wie so oft – nach.
In einer aktuellen Untersuchung wurden
Krankenhäuser zu ihrem Umgang mit NIUB
Entgelten bei Planung, Verhandlung und
Umsetzung befragt. Zusätzlich wurde die
Einschätzung der Häuser zu den neuen Regelungen (§137h SGB V) abgefragt.
Ines-Maria Diller
Fachärztin f. HNO-Heilkunde,
Gesundheitsökonomin
Geschäftsbereich Unternehmenscontrolling
Charité - Universitätsmedizin, Berlin
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n Deutschland gibt es seit
2005 mit dem §6 Abs. 2
KHEntgG – dem so genannten
„NUB-Verfahren“ (von: Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden) – ein praktikables Instrument, um neue Methoden,
bis sie im DRG-System angekommen sind, zu vergüten.
Dabei stellen Krankenhäuser einen „individuellen“ Antrag an
das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK). Einsendeschluss ist jeweils der 31.
Oktober und am 31. Januar des
Folgejahres veröffentlicht das
InEK die Ergebnisse. Dies bedeutete, dass jedem Antrag durch
das InEK ein Status erteilt wird.
Claudia Reiß
Junior Consultant
Dr. Wilke GmbH – inspiring-health
München
*
Status 1: „die Methode erfüllt
die Voraussetzungen gem. §6,
Abs. 2“ und ein Entgelt kann
verhandelt werden.
* Status 2: die Kriterien sind
nicht erfüllt und es kann kein
Entgelt verhandelt werden.
* Status 3: die Anfrage konnte im
InEK nicht zeitgerecht bearbeitet werden – bisher nur im Jahr
2005 vorgekommen.
* Status 4: die Angaben im Antrag sind nicht vollständig
nachvollziehbar. Die Vertragsparteien vor Ort können aber
hier ein Entgelt verhandeln.
Nach Aussagen vieler Verantwortlicher im Krankenhaus zeigt
sich, dass die Prozesse der Bean-
Dr. med. Michael Wilke
Geschäftsführender Gesellschafter
Dr. Wilke GmbH – inspiring-health
München
tragung, Verhandlung und Abrechnung von NUB-Entgelten jede Menge Tücken und Fallstricke
aufweisen.
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Nicht leicht zu verhandeln
Auch ohne Jurist zu sein, wird jedem Leser klar, dass es sich hier
um eine widersprüchliche Situation handelt: Was „neu“ ist, kann
kaum „allgemein anerkannt“
sein.
Mit der neuen Gesetzgebung im
VSG reagiert der Gesetzgeber in
Teilen auf die aktuelle Rechtsprechung. Es sollen die Voraussetzungen geschaffen werden,
Evidenz zu generieren und so sicherzustellen, dass nur Methoden finanziert werden, zu denen
ausreichende klinische Nutzenbelege vorliegen.
Der G-BA entscheidet ab 2016
Ab 2016 muss jedes Medizinprodukt der Klassen IIb und III (invasive oder chirurgisch-invasive
Produkte zum Verbleib im Körper, Produkte, die aktiv Energie
oder Strahlung abgeben, inaktive, aktive sowie medikamentenfreisetzende Implantate) neben
der ökonomischen Bewertung
beim InEK auch eine klinische
„Frühe Nutzenbewertung“ beim
G-BA durchlaufen.
Der G-BA entscheidet dann, ob
eine Studie zur Ermittlung des
klinischen Nutzens durchgeführt
werden muss oder, ob die vorliegende Evidenz bereits als ausreichend erachtet wird.
Die aktuelle Praxis, viele gefühlte Hürden, sowie die neuen Herausforderungen in der Innovationsfinanzierung hat das gesundheitsökonomische Institut inspiring-health zum Anlass genommen, eine Umfrage durchzuführen.
0
unwichtig
sehr wichtig
Abb. 1: Stellenwert des Supports durch eine Fachgesellschaft, mehrheitlich
wichtig – sehr wichtig.
Versorgungsstufe
∑ NUB-Anträge
für 2015
Universitätsklinik
1.297
Maximalversorger
Schwerpunktversorger
Status 1
erfolgreich verhandelt
∑
%
∑
%
591
46%
416
70%
745
277
37%
234
84%
340
204
60%
179
88%
Fachklinik
147
62
42%
49
79%
Grund- & Regelversorger
75
51
68%
40
78%
Gesamtergebnis
2.604
1.185
46%
918
77%
NUB
Auch NUBs im Status 1 sind nicht
leicht zu verhandeln. Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) im Mai und Dezember 2013 interpretieren die Kassen dahingehend, dass auch
neue Methoden nur dann vergütet werden, wenn sie „allgemein
anerkannter Standards des medizinischen Wissens“ sind.
Tab. 1: Anzahl Anträge, Status 1 und erfolgreiche Verhandlungen (in % der
Status 1-Anträge).
Im Zeitraum April-Juni 2015 wurde eine Umfrage durchgeführt,
die an insgesamt 204 Krankenhäuser verschickt wurde. Von 72
Rückläufern konnten 50 ausgewertet werden.
Wichtigkeit von NUBs
NUB ist – nach wie vor – für die
Krankenhäuser bedeutsam. Dies
zeigen zum einen der hohe Rücklauf der durchgeführten Umfrage
und zum anderen, die überwiegend gute Beantwortung der Fragen.
reren Fragen wurde allerdings
deutlich, dass der Support der
Fachgesellschaften für die Befragten von erheblicher Bedeutung ist (siehe Abbildung 1).
Daher ist es nicht verwunderlich,
dass die Mehrheit der Befragten
die Vorlagen für NUB-Anträge am
liebsten von der Fachgesellschaft
(81,3 %), gefolgt von Klinikern
(56,3 %), Vertriebsmitarbeitern
des Herstellers (50,0 %) und weniger von Beratern (16,7 %) erhalten würden.
Obwohl NUB mit mehrheitlich
0,2-1% nur einen kleinen Anteil
des Budgets ausmacht, ist das
Thema für die Krankenhäuser
wichtig.
Es zeigt sich, dass sich die Krankenhäuser sorgfältig vorbereiten, seriöse Anträge stellen und
das Thema ernst nehmen.
Die Verteilung der Antworten
nach Versorgungsstufen legt nahe, dass NUB in Krankenhäusern
der Maximalversorgung und in
Universitätskliniken eine größere Rolle spielt.
Verhandlungserfolg
Antragsverfahren
Anders als bei OPS- oder DRG(Änderungs-)Anträgen, müssen
NUB-Anträge nicht durch die
Fachgesellschaft
eingereicht
oder unterstützt werden. In meh-
Von den beantragten NUBs erhielten 46 % einen Status 1. Allerdings sind erhebliche Unterschiede zwischen den Versorgungsstufen zu erkennen. So
werden von Universitätskliniken
deutlich mehr NUB-Anträge gestellt als von Grund- und Regelversorgern.
Kleinere Häuser scheinen selektiver in ihren Anträgen zu sein,
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Unterstützung, Engagement/
Priorität der Klinik
Für die Methode war im Vorjahr bereits ein
Entgelt verhandelt.
Die Leistung wurde dieses
Jahr bereits erbracht.
Strategische Bedeutung der Methode, z. B.
neues wichtiges Feld, bereits hohe Erlöse
7,00
7,50
8,00
8,50
9,00
9,50
NUB
Abbildung 2: Prioritäten bei der NUB-Verhandlung (X-Achse: mittlere Wichtigkeit auf einer Skala von 0-10).
Der Preis ist höher als in einem
anderen Bundesland, Krankenhaus
Diese Therapie ist noch kein allgemein
anerkannter Standard!
Diese Therapie ist „experimentell“ und darf
nur im Rahmen von Studien erbracht werden!
„Diese Therapie soll nur in speziellen
Zentren erbracht werden!“
0,00
1,00
2,00
3,00
4,00
5,00
6,00
7,00
8,00
9,00
Abbildung 3: Argumente der Kostenträger (X-Achse: mittlere Wichtigkeit auf einer Skala von 0-10).
Umfrage
(Jahr)
Anteil NUB
Status 1
Davon:
Anteil
erfolgreich
verhandelter Entgelte
DKI (2007)
43,6%
53%
NUB in
der Praxis
(2015)
46%
77%
Tabelle 2: Ergebnisvergleich aktuelle Umfrage mit DKI 2007
bei ihnen erreichen 68 % der Anträge den Status 1 (Siehe Tabelle
1).
In den Verhandlungen mit den
Kostenträgern sind die Schwerpunktversorger, mit 88 % erfolgreich verhandelten NUB-Entgelten, die Spitzenreiter. Im Gesamtergebnis konnte für 77 % der
NUBs mit Status 1 ein Preis verhandelt werden (siehe Tabelle 1).
Seit 2009 gibt es die Möglichkeit
(§6, Abs. 2 KHEntgG), NUB Entgelte getrennt vom übrigen KHBudget zu verhandeln, um die –
ohnehin komplexen – Verhandlungen mit den Kostenträgern zu
entzerren.
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Da NUB-Entgelte als einjährige
Entgelte jedes Jahr neu krankenhausindividuell verhandelt werden müssen, stellt eine frühe
Verhandlung auch eine frühe Abrechnung sicher. 57,1 % der Teilnehmer verhandeln NUB-Entgelte gesondert. Bereits 47,8 % der
Befragten hatten bis Anfang Juni
2015 mit den Kostenträgern verhandelt.
Verhandlungen von
NUB-Entgelten steigen
Laut InEK können Entgelte für
NUBs mit Status 4 „im Einzelfall“
verhandelt werden. Für etwas
mehr als die Hälfte der Befragten
war dies in der letzten Verhandlung relevant. 11 % davon waren
erfolgreich. Dies zeigt, dass die
Verhandlung von Entgelten zu
NUBs im Status 4 – entgegen
mancher Vermutungen – möglich ist, dies aber nur sehr selten
gelingt.
Im Vergleich zu den Ergebnissen
des Krankenhaus Barometers
2007 des DKI lässt sich klar zeigen, dass der Anteil der Verhandlungen von NUB-Entgelten auf
der Basis von NUB-Anfragen im
Status 1 gestiegen ist, wie der Tabelle 2 zu entnehmen ist.
Prioritäten bei der
Verhandlung (seitens der
Krankenhäuser)
Eine Methode um bei Verhandlungen erfolgreicher zu sein, ist
die Priorisierung der NUBs. Gerade in Häusern mit vielen NUBAnträgen im Status 1 kommt der
Priorisierung eine hohe Bedeutung zu.
67,4 % aller Befragten priorisieren bei den NUB Verhandlungen,
das heißt sie verzichten zu Gunsten von wichtigen auf weniger
wichtige NUBs (siehe Abbildung
2).
Argumente der Kostenträger
in den Verhandlungen
Die Kostenträger lassen – glaubt
man der Umfrage – nichts unversucht,
Entgeltvereinbarungen
für NUB-Leistungen zu vermeiden.
In Abbildung 3 sind die häufigsten Argumente der Kostenträger
Neue Regelung §137h SGB V
Mit dem neuen §137h SGB V im
VSG ergeben sich erhebliche Veränderungen bei der Beantragung
und Umsetzung des NUB-Verfahrens.
Für alle Medizinprodukte der Risikoklassen IIb und III müssen
neben dem NUB-Antrag beim
InEK bei erstmaliger Beantragung, auch noch Unterlagen zur
klinischen Wirksamkeit beziehungsweise Studienlage beim GBA eingereicht werden. Der G-BA
entscheidet dann zwischen drei
Varianten:
1. „Methode mit Potential“
ABER zu wenig Evidenz Erprobungsregelung gem. §137e
SGB V
* Zentren, die an der Studie teilnehmen, ist die Vergütung garantiert.
* Andere Zentren erhalten eine
Vergütung, wenn ein Entgelt
vereinbart ist und die Qualitätskriterien erfüllt sind.
2. Bereits AUSREICHENDE Evidenz.
* ALLE Häuser können die Methode NACH den Entgeltverhandlungen einsetzen.
3. KEINE ausreichende Evidenz
und KEIN Potential.
* Keine Vergütung in Deutschland.
* Ob eine Wiederholung möglich
ist, ist noch fraglich.
Obwohl das neue Verfahren in
seinem ganzen Umfang noch wenig bekannt ist, rechnen die Teilnehmer mehrheitlich mit einem
Rückgang
der
NUB-Anträge
durch diese weitere Hürde der Innovationsfinanzierung.
Große Unsicherheit
Insgesamt ist eine große Unsicherheit bezüglich §137h zu erkennen, da noch sehr wenig über
den Prozess, insbesondere die
Vergütung während der Erprobungsregelung, bekannt ist. Auf
die Frage „wie gut kennen Sie die
neuen Regelungen des §137h?“
geben die Teilnehmer auf einer
Skala von 0-10 (gar nicht – sehr
gut) im Mittel 5,4 (Median 4) an.
Ein Befragter schlägt expressis
verbis vor, dass sich InEK, G-BA
und Unternehmen mit den NUBs
auseinandersetzen sollen und
man nicht den Krankenhäuser
zumuten solle, neben dem NUBAntrag jetzt auch noch ein medizinisches Dossier anzufertigen
und einen separaten Antrag
beim G-BA zu stellen.
Fazit
Die aktuelle Umfrage „NUB in
der Praxis“ gibt also keine eindeutige Antwort auf die Frage, ob
Deutschland – insbesondere das
Gesundheitssystem – innovationsfeindlich ist. Häuser selektieren ihre Anträge sorgfältig (Unterstützung der Fachgesellschaften für eine neue Methode ist ihnen sehr wichtig), priorisieren
bei den Verhandlungen und die
Kostenträger bringen immer
neue Argumente, um Preise zu
drücken oder Entgelte zu „vermeiden“.
NUB
in Verhandlungen (50 Antworten) zu finden.
Trotzdem erzielen die Häuser
heute mehr Entgeltabschlüsse
als noch im Jahr 2007. $
Dr. med. Michael Wilke
Claudia Reiß
Dr. Wilke GmbH – inspiring-health
Waldmeisterstr. 72
80935 München
[email protected]
Ines-Maria Diller
Charité - Universitätsmedizin Berlin
Charitéplatz 1
10117 Berlin
[email protected]
Fachbeirat.
Dipl. Kfm. Peter Asché
Vizepräsident des Verbandes der Krankenhausdirektoren Deutschlands e. V. (VKD),
Kaufmännischer Direktor
der Uniklinik RWTH Aachen
Ralf Heyder
Generalsekretär Verband der Universitätsklinika Deutschlands e.V. (VUD)
Dr. med. Erwin Horndasch
Prof. Dr. med. Andreas Becker
Institut Prof. Dr. Becker, Rösrath
Dipl. Kfm. Wilhelm Brokfeld
Stellvertretender Vorsitzender
der Fachgruppe Rehabilitationseinrichtungen im VKD,
Verwaltungsdirektor der Klinik Münsterland
Xaver Frauenknecht MBA
Generalsekretär der Deutschen
Gesellschaft für Medizincontrolling (DGfM)
Leiter Medizincontrolling,
Stadtkrankenhaus Schwabach gGmbH
Prof. Dr. Björn Maier
Horst A. Jeschke
Prof. Dr. Volker Penter
Geschäftsführer Rotkreuzklinik
München und Wertheim der
Schwesternschaft München vom BRK e. V.
Partner und Leiter des Bereichs Health
Care, KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
Heinz Kölking
Vorsitzender des Deutschen Vereins für
Krankenhaus-Controlling e. V.
Dipl.-Volkswirtin Brigitte Scharmach
Vorsitzender des Vorstandes
Sozialstiftung Bamberg
Residenz-Gruppe Bremen,
Präsident der ­Euro­päischen Vereinigung
der Krankenhaus­direktoren (EVKD)
Dipl.-Ing. Ök. Wolfgang Gagzow
Dr. Nicolas Krämer
Dr. Christian Stoffers
Geschäftsführer der Krankenhaushausgesellschaft Mecklenburg-Vorpommern e. V.,
Schwerin
Kfm. Geschäftsführer
Städtische Kliniken Neuss
Lukaskrankenhaus GmbH
Leitung Referat Kommunikation und
Marketing, St. Marien-Krankenhaus
Siegen gem. GmbH
Geschäftsführerin JohanniterKrankenhaus im Fläming gGmbH
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