Rundschau 3 - Benigna Mallebrein

Rundschau
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8-9/2015
DIE FACHZEITSCHRIFT
FÜR INTERNATIONALE
HERRENMODE UND
SCHNITT-TECHNIK
AUSSTELLUNG
Expo Milano
SCHNITT-TECHNIK
Slimline-Anzug
IM BLICKPUNKT
Philosophie
der Patriarchen
PITTI IMMAGINE UOMO
FLORENZ
FRÜHJAHR/SOMMER 2016
FARBENFROHE
LEICHTIGKEIT
AUSSTELLUNG
Appell
zum
aktiven
Mit-und Nachdenken
N
avyblauer Anzug
zu einem hellblauen Hemd mit
verdeckter Passe
oder Anzugjacke mit beiger
Hose als Casualversion – das
ist die Managementkleidung
für die etwa 20 Manager des
deutschen Pavillons auf der
EXPO 2015 in Mailand. Die
160 Hostessen und Hosts tragen helle Bekleidung in den
Farben Weiß und Beige. „Die
Tuche sind aus Recyclingstoffen, sehr angenehm zu tragen
und ein Biosiegel zeichnet
die Färbung aus“, erklärt Till
Deininger, der beim deutschen Auftritt auf der EXPO
2015 als Presseassistent mitwirkt.
CORPORATE FASHION: Die Schweizer Firma IMAGE WEAR legt bei der Team-Bekleidung großen Wert auf aktuelle Schnitte und modernes Design. Trendy blaue Strickblazer für die Männer, blaue Frescoblazer und Kleider für die Damen im Management, an den Ärmeln und Gürteln mit flamingofarbenem Edelweiß-Enblem versehen.
Die Hosts und Hostessen trugen auf der Expo Outfits in Beige, Weiß, Blau. Für alle
ein Strohhut als lässiges Accessoire und Sonnenschutz, passend zu den Farbtönen
des im Holzbau konzipierten Pavillons.
Herren-Rundschau 8-9/2015
Auch Dietmar Schmitz, Generalkommissar des deutschen
Pavillons, weist auf die Wichtigkeit der Team-Bekleidung
hin: „Das Auswahlgremium
der EXPO hat einen Wettbewerb initiiert, bei dem ESMOD, die internationale Berliner Kunsthochschule für
Mode, mit ihrer kreativen
und innovativen Bekleidungskollektion erfolgreich
war. Ausschlaggebend waren
unter anderem die Nachhaltigkeit der Materialien und
der Produktion. Farben und
Formen greifen das Motto der
EXPO „Nutrire il pianeta, en39
FOTOS: EXPO MILANO GMBH, SCHMIDHUBER/MILLA & PARTNER
Team-Outfits von
ESMOD
AUSSTELLUNG
ergia per la vita“ (Den Planeten ernähren – Energie fürs
Leben) mit Themen wie
Blättern oder Felder auf. Dieser Wiedererkennungswert
schafft die Verbindung mit
dem Pavillon und stärkt visuell das Gemeinschaftsgefühl
des Teams.“
Ausgewählt wurden die Gewinner des Wettbewerbs im
Berliner Greenshowroom, der
sich auf nachhaltige High
Fashion konzentriert, zusammen mit der Ethical Fashion
Show Berlin, Europas größter
Plattform für ökologische
und fair produzierte Mode
während der Berlin Fashion
Week.
Die erste EXPO mit
zentralem Motto
Zum ersten Mal, seitdem es
die EXPO-Ausstellungen gibt,
sollen die Länder ihre Pavillons nach einem vorgegebenen Thema ausrichten. Mit
dem Motto „Den Planeten
ernähren – Energie fürs Leben“ werden drängende Fragen angesprochen, die die
ganze Menschheit betreffen.
Die teilnehmenden Länder –
145 Nationen, Organisationen, wie auch multinationale
Firmen (davon 53 mit eigenem Pavillon) – sollen aktuelle Technologien und Innovationen sowie Kulturen und
Traditionen mit dem Thema
Ernährung verbinden und
neue Lösungsansätze für die
brennenden Fragen der Nahrungssicherung präsentieren.
Die EXPO soll ein Forum sein
für einen Diskurs über Theorien, Konzepte und neue
Technologien, die sich zum
Ziel gesetzt haben, alle Menschen auf dieser Welt – die
UNO rechnet mit 8 Milliarden
im Jahr 2015 – gerecht, ausreichend und möglichst gesund zu ernähren.
Während sich die wohlsituierten Länder und multinationalen Firmen ihre eigenen
Pavillons leisten, gruppieren
sich die ärmeren Länder auf
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neun Clustern, organisiert
nach
Produktionsschwerpunkt und Region. Dort werden die Produktionsketten
von Kaffee bis Reis, von Obst
bis Getreide, sowie die Bedeutung der Ökosysteme für
die Landwirtschaft thematisiert.
Wasser, Klima, Artenvielfalt
lfalt
und Konsumverhalten will
der deutsche Pavillon die
Besucher informieren und
zugleich motivieren, durch
umsichtiges Handeln einen
Beitrag zu einer besseren
en
und nachhaltigen Zukunft
zu leisten.“
Be Activ
Das Pavillondach wird
d
zu Vintage-Taschen
Kunst und Kultur der einzelnen Länder haben seit der
ersten EXPO in London im
Jahr 1851 immer eine große
Rolle gespielt. Sie waren
Träger von Botschaften, im
Falle des Pariser Eiffelturms
(1889) oder des Brüsseler
Atomiums (1958) Ausdruck
des technischen Fortschritts.
In Mailand will man mit dem
ausgewählten Schwerpunkt
auf Nachhaltigkeit ein Zeichen setzen. Daran hat sich
der deutsche Pavillon gehalten. Generalkommissar Dietmar Schmitz erklärt, dass mit
den Thema „Fields of Ideas –
Be Activ“ gezeigt werden soll,
wie wichtig es ist, „mit den
natürlichen Ressourcen unserer Erde und mit unserer Umwelt behutsam umzugehen.
Durch eine gezielte Auswahl
mit guten Erklärungen zu
den Themen Bodenkultur,
Innovativ ist das „SeedBoard“
eine Informationsplattform,
plattform,
auf der Besucher wichtige
ge
Informationen
über
die
deutsche Wissenschaftslandndschaft, die sich mit Themen
rund um die Natur als Grundlage der Ernährung beschäfftigt, abrufen kann. Auch die
innovative, sehr ästhetisch
gestaltete Photovoltaik-Anlage in Form stilisierter
Pflanzen, die als „Ideenkeimlinge“ aus dem Boden wachsen und den Strom in den
Wurzeln
speichern,
um
nachts die Fassaden zu beleuchten, hat es bisher noch
nicht in dieser Form gegeben.
Darüber wölbt sich ein Membrandach, das nach der EXPO
wahrscheinlich zu VintageTaschen verarbeitet wird.
In allen Facetten des Auftritts
spiegelt der Pavillon ein offe-
nes, sympathisches und humorvolles
Deutschlandbild
wider. „Ein junges, innovatives, aufgeschlossenes Potential an kreativen Menschen
ist die beste Visitenkarte für
Deutschland“, meint Presseassistent Till Deininger.
Die Besucher bekommen am
Anfang ihrer Reise das „Seedboard“ in der gewünschten
Sprache. An den verschiedenen eigens dafür eingerichteten Stationen können sie
spielerisch innerhalb einer
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Das Wiener Modelabel SUPERATED entwickelte eine frisch elegante Kollektion in den Farbtönen des Waldes. Satte Grün-Grau-Töne mit
luftigem Blattblau, dabei kombiniert das Unternehmen gekonnt klassische Berufsbekleidung wie zum Beispiel den Arbeitsoverall mit
Zitaten des heimischen Steiererjankers. Auch hier spiegelt die Teambekleidung die Idee des Expo-Pavillons wieder. Der Wiener Starfotograf
Udo Titz hat die Hosts und Hostessen dem österreichischen Motto gemäß wirkungsvoll in Szene: luftig-leicht.
großen Themenvielfalt navigieren. Am Ende der Reise
erreicht man einen kleinen
Show-Raum, wo zwei stilisierte Video-Bienenaugen
über die Landschaft fliegen,
so dass man die Bundesrepublik mit deren Augen sieht.
Dabei sorgen zwei Musiker
mit ihrer Live-Musik für derart gute Stimmung, dass die
Besucher den Pavillon in bester Laune verlassen.
Ungezügelter Appetit
Die Gefahr liegt nahe, dass
aus dem anspruchsvollen
Thema „Den Planeten ernähren“ der Slogan wird „Die Besucher ernähren“. Wer kostenlos einen Happen möchte,
der sollte den Schweizer Pavillon besuchen. Doch aufgepasst! Die Schweiz möchte
die Besucher während des
Rundganges durch die vier
mit typisch schweizerischen
Lebensmitteln gefüllten Türme dazu anregen, über ihr eigenes Konsumverhalten nachzudenken. Das Verantwortungsbewusstsein jedes Einzelnen entscheidet darüber,
wie lange und wie viel für die
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anderen übrig bleibt. Die
Besucher gelangen mit Aufzügen auf die vier Türme,
wo sie sich mit Kaffee, Wasser, Apfelringen und Salz bedienen dürfen. Die Kalkulation war, dass diese Produkte
bis zum Ende der EXPO für
alle Besucher ausreichen,
aber schon drei Wochen nach
der Eröffnung sieht es mit
diesem Ziel schlecht aus: Jeder denkt nur an sich und
seinen Appetit – der Egoismus dominiert! Nach der
EXPO 2015 werden die
Türme als urbane Gewächshäuser genutzt.
Tief durchatmen
Viel Holz finden die Besucher
im österreichischen Pavillon.
Die gesamte Ausstellungsfläche im Innern ist offen und
mit bis zu zwölf Meter hohen
Bäumen bepflanzt. Manche
der 60 großen Bäume sind
bereits 30 Jahre und älter.
„Breathe.austria“, diese Oase
mit einzigartigem Frischekick füllt die Lungen mit
herrlicher Frischluft. Luft
wird so als das Lebensmittel
Nummer 1 erlebbar, ohne das
es kein Leben auf der Erde
gibt. Gemeinsam produzieren
alle Pflanzen in einer Stunde
frischen Sauerstoff für 1.800
Besucher. Zugleich binden
sie jeden Tag insgesamt
92 kg Kohlendioxid. An der
Luft-Bar im Pavillon laden
Gaumenfreuden aus dem
Wald zur Verkostung ein.
Unter den Pavillons sind einige sehr interessante Konstruktionen zu entdecken,
denn renommierte Architekten sind im Spiel wie Daniel
Libeskind (China Pavillon)
oder Norman Foster (Dünenpark, Vereinigte Arabische
Emirate).
Avantgardearchitektur
auf 33 Fußballfeldern
Da die Pavillons nach 184 Tagen wieder abgebaut werden
müssen, verwenden viele
Holz, um die Forderung auf
Nachhaltigkeit zu respektieren. Bahrein bietet einen arabischen Garten mit kostbaren
archäologischen Ausgrabungen, der nach der EXPO in
Bahrein wieder aufgebaut
wird. Daneben gibt es eher
kitschig verspielte Architek-
tur wie bei Turkmenistan,
Ungarn, Oman und Rumänien. Deutschland, Russland
und Japan bieten die schönsten Terrassen. Der 35 Meter
hohe „Baum des Lebens“ vor
dem italienischen Pavillon
(Marco Balich), der in der
Krone Michelangelos Bodenmuster des römischen Kapitols zitiert, erinnert eher an
einen umgekippten Regenschirm. Insgesamt umfassen
die Pavillons eine Fläche von
33 Fußballfeldern, viel Raum,
um eine intellektuelle und
zugleich kulinarische Reise
zu präsentieren, die die unterschiedlichsten Düfte und
Genüsse, aber auch das aktuelle und innovative Wissen
und die Errungenschaften
von 145 Nationen erlebbar
macht. Dazu braucht es nicht
mehr als eine Eintrittskarte
und, wer auch dem kulinarischen Genuss zollen möchte,
ein gut gefülltes Portemonnaie.
Benigna Mallebrein
Die Weltausstellung bleibt bis
zum 31. Oktober geöffnet.
www.expo2015.com,
www.expo2015-germany.de
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