Rede von Melanie Dyck

Rede von Melanie Dyck auf der Hauptversammlung der Deutsche Wohnen AG am 12.
Juni 2015 in Frankfurt am Main
- Es gilt das gesprochene Wort Sehr geehrte Aktionäre und Aktionärinnen, sehr geehrter Vorstand und sehr geehrter
Aufsichtsrat der Deutsche Wohnen AG,
ich spreche heute zu Ihnen als Mieterin und Mitglied verschiedener Mieterinitiativen, die den
GSW-Bestand und ihre Problematik auf dem Berliner Mietenmarkt seit mehr als 15 Jahren
gut kennen. Der GSW-Bestand ist nun seit 2013 Teil der Deutsche Wohnen AG. Als
Aktionärin der Deutsche Wohnen AG stelle ich hier und heute einen Gegenantrag zu
Tagesordnungspunkt 3, Beschlussfassung über die Entlastung der Mitglieder des Vorstands
für das Geschäftsjahr.
Bereits vor 2 Wochen, am 29. Mai 2015, habe ich schriftlich beantragt, die Mitglieder des
Vorstands der Deutsche Wohnen AG für das Geschäftsjahr 2014 nicht zu entlasten. Der
Grund dafür ist die Überwertung des Anlagevermögens des Immobilienkonzerns, die sich
sowohl auf die Bestandsbewirtschaftung – also auf bestehende Mietverhältnisse - als auch
mittelfristig auf den Aktienkurs problematisch auswirken kann.
Laut Geschäftsbericht der Deutsche Wohnen für das Jahr 2014 liegt der Schwerpunkt
der Bewirtschaftung in Core+-Regionen wie Berlin auf Neuvermietung statt
Bestandsschutz. Selbst Instandhaltungsmaßnahmen werden als „Aufwendungen für den
Mieterwechsel“ (S.57) definiert. Dabei gelten sie als Pflicht des Eigentümers und dürfen nicht
auf die Miete umgelegt werden. Unter Instandhaltung wird jedoch laut Geschäftsbericht 2014
lediglich die Optimierung der einzelnen Wohnung im Zuge des Mieterwechsels verstanden.
Die Instandhaltung der Gebäudesubstanz wird unterlassen. Die Deutsche Wohnen AG
behebt den Instandhaltungsrückstau möglichst erst bei Mieterwechsel, weil dann die Mieten
erhöht werden können. So erwirtschaftete sie durch den Mietanstieg nach
Mieterwechsel im Jahr 2014 eine Rendite von ca. 17 %. Für die Zukunft sieht die
Deutsche Wohnen AG für den Berliner Gesamtbestand sogar ein
Mietsteigerungspotential gegenüber den aktuellen Vertragsmieten von 21, 2 %. Bei
gleichzeitiger Wohnungsnot in Berlin geht diese Bewirtschaftungsstrategie vor allem zu
Lasten von langjährigen Mieterinnen und Mietern mit geringen Einkommen.
Interessant wird der Geschäftsbericht 2014 für Aktionärinnen und Aktionäre vor allem,
wenn es um die Immobilienbewertung und den Wertzuwachs der Deutsche Wohnen
AG geht.
Hier fällt auf, dass der Instandhaltungsrückstau nicht in die Immobilienbewertung einbezogen
wird. Für eine realistische Bewertung ist der Einbezug des Instandhaltungsrückstaus aus
wirtschaftlicher Sicht jedoch notwendig – genauso wie die Grundlegung realer operativer
Einnahmen aus der Bewirtschaftung, also tatsächlicher Mieteinnahmen. Jedenfalls wenn
zukünftig eine Erhöhung der Verschuldungsquote und damit die Abwertung von
Anlagevermögen und Aktienkurs verhindert werden sollen.
Von zentraler Bedeutung ist, dass im Geschäftsbericht 2014 Mieteinahmen in Höhe von 508
Millionen Euro festgestellt werden. Doch der Wertzuwachs im Rahmen der jährlichen
Portfoliobewertung beläuft sich insgesamt auf sage und schreibe rund 953 Millionen Euro,
wie wir vorhin gehört haben. Worauf beruht der Wertzuwachs also, wenn nicht auf
operativen Einnahmen?
Der Jahresbericht offenbart hierzu lediglich Bewertungsergebnisse:
1) Die verbesserte Darstellung des cash-flows des Portfolios in Höhe von ca. 279
Millionen Euro.
2) Die angepasste Marktbewertung in Berlin in Höhe von ca. 117 Millionen Euro.
3) Die Aufwertung in Höhe von ca. 557 Millionen Euro aus Anpassungen der
Diskontierungs- und Kapitalisierungszinssätze. (insg. ca. 953 €)
Ich frage den Vorstand der Deutsche Wohnen AG: wie kommen diese
Bewertungsergebnisse zustande? Was soll mit diesem sogenannten Wertzuwachs
geschehen?
Geht die Deutsche Wohnen bei der Bewertung des Anlagevermögens nach IAS 40 an die
Grenzen des Möglichen? Der gleiche Immobilienbestand wurde gegenüber 2013 im
Geschäftsjahr 2014 um 1 Mrd. € auf nunmehr ca. 10 Mrd. € aufgewertet, ohne dass dies mit
entsprechenden Ertragssteigerungen aus der Bewirtschaftung korrespondiert.
Übrigens wurde erstmals die Immobilienbewertung des GSW-Bestandes nicht von
CBRE vorgenommen, sondern von der Deutsche Wohnen AG selbst. CBRE hat lediglich die
Schlüssigkeit der Bewertungs-Annahmen "geprüft".
Sehr geehrte Aktionäre und Aktionärinnen der Deutschen Wohnen AG, bitte
hinterfragen Sie die auf Annahmen und unerklärten Bewertungsergebnissen beruhende
Immobilienbewertung kritisch. Denn deren realistische Bewertung führt in der Konsequenz
mittelfristig zu Bilanzverlusten. Es sind hohe Rückzahlungs-verpflichtungen aus den
Prolongationen und Wandelanleihen zu erwarten. Das wird sich negativ sowohl auf die
Ausschüttungsfähigkeit bezüglich der Dividenden, als auch den Aktienkurs auswirken.
Vor diesem Hintergrund möchte ich Sie auch auf die Tagesordnungspunkte 8 und 9
hinweisen, über die wir als Aktionäre und Aktionärinnen heute entscheiden werden. Die
Hauptversammlung soll auf der Grundlage des oben skizzierten, fiktiven Anlagevermögens
die Schaffung eines neuen genehmigten Kapitals 2015 beschließen und eine neue
Ermächtigung zur Ausgabe von Schuldverschreibungen im Volumen von bis zu 1,5
Milliarden Euro mit der Möglichkeit zum Ausschluss des Bezugsrechts erteilen. Im Klartext
bedeutet das doch, dass sich der Verschuldungsgrad des Unternehmens zukünftig
gezwungenermaßen erhöhen wird.
Das läuft langfristig Ihren eigenen Interessen zuwider, sehr geehrte Aktionäre und
Aktionärinnen. Auch zwischenzeitlich attraktive Dividenden können doch nicht über
Rückzahlungsverpflichtungen und die drohende Abwertung des Anlagevermögens
hinwegtäuschen.
Handelt es sich hier nicht um eine abenteuerliche Geschäftsstrategie, die mittelfristig
den Bestand der Aktiengesellschaft selbst aufs Spiel setzt? Denn die Rückzahlbarkeit
der wachsenden Schulden aus Mieterträgen ist ungesichert. Außerdem wird die
Umschuldung künftig vermutlich unter weniger idealen Kapitalmarktbedingungen als heute
die Gewinne massiv drücken. Aus diesen Gründen beantrage ich, den Vorstand nicht zu
entlasten, bis die Immobilienbewertung gutachterlich dargelegt wird.
Wir, die Mietergemeinschaft Kotti&Co aus Berlin und der Dachverband der Kritischen
Aktionärinnen und Aktionäre, erinnern Sie heute mit Nachdruck an die Pflicht der Deutsche
Wohnen AG als Eigentümerin, Wohnungen auch ohne mietsteigernde Neuvermietung
instand halten zu müssen. Die Deutsche Wohnen AG verfügt in Berlin über einen großen
Bestand an öffentlich geförderten Sozialwohnungen, die sich zu Problemimmobilien
mit extrem hohen Betriebskosten entwickelt haben. Aktionärinnen und Aktionäre sind
nicht nur mitverantwortlich für die Geschäftsstrategien der Immobilienaktiengesellschaft. Sie
können – und müssen - auch über ihre Ausrichtung entscheiden.
Vielen Dank für Ihr Aufmerksamkeit.