Interview mit Simon Röthlisberger

Interview
20-Jahr-Jubiläum
«Der FAU ist vorbildlich unterwegs»
Simon Röthlisberger, der stellvertretende Ressortleiter Markt und Integration beim
SECO, spricht über die Qualitäten des FAU, seine Nähe zur Wirtschaft und seine
Vorbildfunktion für andere arbeitsmarktliche Massnahmen.
Interview: René Baumann und Daniela Palumbo
Herr Röthlisberger, der FAU feiert 2015 sein 20-Jahr-Jubiläum. Worauf darf er
besonders stolz sein?
Der FAU kann stolz sein auf die Anerkennung seiner erfolgreichen Integrationsarbeit in
den Kantonen und bei den ehemaligen Teilnehmenden. Der FAU hat eine starke
Innovationskraft und ist flexibel, das heisst, er passt sich den arbeitsmarktlichen
Anforderungen an. Es spricht für seine Qualität, dass beinahe alle Kantone in der
Deutschschweiz mit dem FAU zusammenarbeiten. Er kann zudem stolz sein auf die
Übernahme des Programms «der arbeitsmarkt». Auch die Entwicklung des
Employability-Fragebogens war sehr innovativ und hat Vorbildcharakter.
Was für Rückmeldungen kommen von den Kantonen?
Grundsätzlich: Es ist ein sehr gutes, aber auch ein vergleichsweise teures Programm, das
viel bringt, wenn es gelingt, die richtige Person zum richtigen Zeitpunkt beim FAU
anzumelden. Dann zeigt es eine gute Wirkung. Das sieht man auch an den hohen
Wiedereingliederungsquoten: Rund drei Viertel der Teilnehmenden finden gemäss
Angaben des FAU nach dem Programm eine neue Stelle, und fast 90 Prozent der
Teilnehmenden geben an, dass der FAU dabei behilflich war. Der FAU ist also ein sehr
erfolgreiches Programm und sehr nahe am Markt.
Sie sagten vorhin: beinahe alle Kantone. Sind da noch Schwachstellen?
Ehrlich gesagt, kommen mir kaum Schwachstellen in den Sinn. Der FAU ist vorbildlich
unterwegs. Er ist gut organisiert, arbeitet zielorientiert. Chapeau, weiter so!
Ich sehe wirklich wenig Potenzial, wo sich der FAU noch verbessern könnte. Dass ein
paar Kantone nicht dabei sind, hat meiner Meinung nach vor allem geografische Gründe.
Es allen recht zu machen, ist wahrscheinlich nicht möglich. Aber der FAU hat eine hohe
Teilnahmequote von Kantonen, die mitmachen.
Wenn wir zurückschauen auf die Situation vor 20 Jahren: Welchen Stellenwert als
arbeitsmarktliche Massnahme hatte der FAU damals?
Der FAU war früher eine kantonale Massnahme, vor allem für Fachleute aus
Naturwissenschaft, Biologie und Umwelt, und entsprechend auf dieses Zielpublikum
zugeschnitten. Aber schon damals war die Massnahme erfolgreich und qualitativ
hochwertig.
Welches sind denn die markantesten Veränderungen bis heute aus Sicht des
SECO?
Bestimmt einmal die zunehmende Professionalisierung und die Verbreiterung des
Angebots, die der FAU vorgenommen hat. Die Fachbereiche sind stetig erweitert
worden, damit ging ein breiteres Zielpublikum einher. Es ist nun eine nationale
Massnahme für Hochqualifizierte. Das Einzugsgebiet wurde grösser, mehr Kantone
machten mit.
Was hat der FAU in diesen 20 Jahren bewirkt?
Sicher einen wichtigen Beitrag zur erfolgreichen arbeitsmarktlichen Integration von
vielen Hochqualifizierten. Die Massnahme hat sich von einem einfachen
Beschäftigungsprogramm hin zu einer Integrationsmassnahme entwickelt, die stark auf
die Wiedereingliederung fokussiert.
Wie steht der FAU im Vergleich mit anderen Programmen da?
Der FAU ist nach meiner Einschätzung eine der professionellsten und qualitativ
hochwertigsten Massnahmen, die ich kenne, und besitzt ein sehr gutes Image. Das hören
wir immer wieder von RAV-Mitarbeitenden, welche Stellensuchende ins Programm
zugewiesen haben, oder von ehemaligen Stellensuchenden, welche das Programm
besucht haben. Die ausgewiesenen Zahlen im Jahresbericht dokumentieren eine hohe
Zufriedenheit der Teilnehmenden. Der FAU hatte bereits vor 20 Jahren, aber auch heute
noch eine Vorbildfunktion für andere Massnahmen.
Gelingt es dem FAU, den Bedürfnissen seiner Zielgruppe – der Hochqualifizierten
– zu entsprechen?
Ja, es gelingt dem FAU wirklich gut, die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft und den
Unternehmen zu pflegen sowie deren Bedürfnisse aufzunehmen und im Programm
entsprechend umzusetzen. Die hohe Spezialisierung war von Beginn an ein
Markenzeichen. Der FAU ist sehr nah am wirtschaftlichen Geschehen. Das ist sehr
wichtig, weil sich die Wirtschaft bewegt und deren Bedürfnisse sich verändern. Da muss
man mitgehen können, und so integrierte der FAU auch neue Gebiete, die vielleicht zu
Beginn noch kein Thema waren.
Woran denken Sie da konkret?
Beispielsweise an das Programm «der arbeitsmarkt», aber auch an das Coaching durch
Personen, die selber in der Wirtschaft heimisch sind und so einen engen Bezug zur
Arbeitswelt haben. Der FAU ist nicht abgeschottet, sondern sehr praxisorientiert. Es
fliesst sehr viel Erfahrung ein, sowohl von der Führung als auch auf Ebene der Coachs.
Nun befindet sich der FAU bekanntlich im Aufbruch. Er hat vom SECO den Auftrag
erhalten, unternehmerisch tätig zu werden. Auf der einen Seite bringt das
Freiheiten, auf der anderen Seite aber keine Garantien mehr. Wie sehen Sie die
Zukunft des FAU? Ist das der richtige Weg?
Ja, das ist unumgänglich. Da die Kosten bei den nationalen Massnahmen stetig
zunehmen, musste das SECO reagieren und Vorkehrungen ergreifen, damit die Kosten
nicht aus dem Ruder laufen. Aber weil der FAU so professionell und so breit aufgestellt
ist, denke ich, dass er die Diversifizierung hin zu anderen Trägern und Institutionen gut
meistern wird. Für die Arbeitslosenversicherung wird der FAU weiterhin ein sehr
wichtiger Partner sein. Aber es gibt auch andere Sozialversicherungen, Behörden und
Institutionen, die von diesem Angebot profitieren können. Der FAU wird finanziell
unabhängiger, das Klumpenrisiko somit kleiner. Der FAU kann sich auf mehr Beine
abstützen.
Wie sehen Sie die Zukunft der arbeitsmarktlichen Massnahmen generell?
Wir verfügen mittlerweile über viele Studien, die die Wirksamkeit der Massnahmen
untersuchten. Die Ergebnisse sind über alles gesehen durchzogen: Neben positiven und
neutralen Resultaten gibt es auch Studien, welche den Massnahmen eine negative
Wirkung bescheinigen. Beispielsweise wegen des sogenannten Lock-in-Effekts, der
besagt, dass eine Person aufgrund des Massnahmenbesuchs länger arbeitslos bleibt,
weil sie sich möglicherweise in dieser Zeit weniger intensiv um eine neue Stelle bemüht.
Unumstritten ist, dass die richtige, qualitativ gute Massnahme zum richtigen Zeitpunkt
bei der richtigen Person hochwirksam ist. Die Massnahmen werden jedoch nicht immer
zielorientiert eingesetzt. Es kommt vor, dass Stellensuchenden Massnahmen zugewiesen
werden, die gar nicht zu ihnen passen. Vielfach werden die Ziele, die mit der Massnahme
erreicht werden sollen, nicht klar festgelegt und während sowie am Ende der
Massnahme nicht exakt überprüft. Entsprechend bleibt auch unklar, ob die Massnahme
etwas bewirkt hat beziehungsweise was sie bewirkt hat. In die Zielorientierung der
Massnahmenzuweisungen möchten wir deshalb in der nächsten Zeit investieren.
Wie wollen Sie die Wirksamkeit überprüfen?
Da gibt es inzwischen moderne Forschungsmethoden. Diesbezüglich könnte Dänemark
für uns ein Vorbild sein. Dort wird jede neue Massnahme mit Blindstudien hinsichtlich
ihrer Wirksamkeit überprüft. Das heisst, es werden nur diejenigen Massnahmen
definitiv eingeführt, die tatsächlich wirksam sind. Bei den bestehenden Massnahmen
könnte man auch eine gewisse Typologisierung der Massnahmen nach Zielen
vornehmen und anschliessend die Zielerreichung überprüfen. Im Einzelfall müssten
diese Ziele vom zuweisenden Personalberater genau definiert werden und dann vom
Anbieter, vom Teilnehmer oder vom Personalberater validiert und überprüft werden.
Das wäre meiner Meinung nach ein wichtiger Schritt für die Erhöhung der Wirksamkeit
der Massnahmen.
Arbeiten die meisten AMM unprofessionell?
Das würde ich so nicht sagen. Bei den Massnahmen wurde in den letzten Jahren vieles
professionalisiert. Vielfach stand jedoch nicht das Ziel der raschen Wiedereingliederung
der Stellensuchenden im Fokus. Hier sehe ich ein gewisses Verbesserungspotenzial. Es
kann durchaus sein, dass eine Massnahme nicht das unmittelbare Ziel der
arbeitsmarktlichen Integration verfolgt, sondern dass mit der Massnahme
Integrationsfortschritte erzielt werden sollen. Aber dann sollte man dies auch klar so
festhalten. Bei der Formulierung der individuellen Ziele der Massnahmenteilnehmer
sehe ich ein gewisses Verbesserungspotenzial.
Jetzt gibt es im Ressort Markt und Integration mit Damien Yerly einen neuen
Leiter. Muss man da mit Veränderungen rechnen?
Der Bereich Arbeitslosenversicherung und Arbeitsmarkt im SECO wurde neu
organisiert. Die Reorganisation hatte zum Ziel, sich stärker auf die Kernaufgaben der
Arbeitslosenversicherung und der öffentlichen Arbeitsvermittlung auszurichten. Für
unser Ressort bedeutet dies, dass wir die Steuerung und die Vollzugsunterstützung für
die Regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV), die Logistikstellen für
arbeitsmarktliche Massnahmen (LAM) und die Arbeitslosenkassen nun aus einer Hand
anbieten können. Dadurch erhoffen wir uns gewisse Synergien und vor allem ein
gemeinsames Zielverständnis der Arbeitslosenversicherung und der öffentlichen
Arbeitsvermittlung als Ganzes.