Der größte Schatz (Predigt im Rahmen der Gemeindefreizeit

Der größte Schatz (Predigt im Rahmen der Gemeindefreizeit Wildberg)
Das Himmelreich gleicht einem im Acker verborgenen Schatz. Ein Mann fand ihn,
verbarg ihn und aus seiner Freude heraus geht er und verkauft alles, was er hat, und
kauft jenen Acker. Matthäus 13,44
Wir haben vorhin die Schatzkiste ausgepackt. Und wir haben viele schöne Gedanken
und Ideen zum Thema Glück herausgeholt. Und trotzdem vermute ich, es ist immer
noch ein Geheimnis, was denn das Glück eigentlich ist, und wie man zu seinem
Glück kommt.
Jeder ist seines Glückes Schmied, sagt der Volksmund. Aber kann man sein Glück
wirklich machen? Der Bauer in dem Gleichnis hat ja gerade nicht nach dem Schatz
gesucht, sondern ihn ganz zufällig einfach gefunden. Und dann war für ihn klar, er
muss alles dransetzen, um diesen Schatz für sich zu gewinnen. So scheint Glück
doch eher ein Widerfahrnis, ein Geschenk zu sein. Wenn man es herbeizwingen will,
entzieht es sich. Gerade wenn man dem Glück nachjagt, ist es flüchtig wie ein
scheues Reh. Man sollte ihm vielmehr wie einem Schmetterling die Hand hinhalten,
und vielleicht setzt es sich darauf. Achtsam sein für die Momente des Glücks, mit
offenen Augen und offenem Herzen, das ja. Aber wenn man nach ihm schnappt und
es unbedingt fangen will, fliegt es leichtflügelig davon.
Aber was ist eigentlich Glück? Ist es für jeden das Gleiche? Mir hat eingeleuchtet,
was der Philosoph Immanuel Kant geschrieben hat. „Worin nämlich jeder seine
Glückseligkeit zu setzen habe, kommt auf jedes sein besonderes Gefühl der Lust
und Unlust an, und selbst in einem selben Subjekt auf die Verschiedenheit des
Bedürfnisses nach den Abänderungen des Gefühls.“ Bahnhof? Mit meinen Worten:
Was wir als Glück empfinden, ist von Person zu Person und auch von Zeit zu Zeit oft
sehr verschieden. Oft ist es das, was man gerade nicht hat. Der Kranke hält
Gesundheit für das höchste Glück, der Arme hält Besitz für Glück. Die Katze, die ich
beim Schreiben der Predigt im Garten beobachte, wie sie auf die Vögel lauert, ist
vermutlich glücklich wenn sie einen Vogel fängt. Und ich bin eher glücklich, wenn sie
keinen fängt. Und so könnte man noch vieles aufzählen, wo Menschen offensichtlich
sehr unterschiedliche Vorstellungen von Glück haben.
Glück kann man offensichtlich nicht einfach inhaltlich festlegen. Glück ist eher ein
Begleitgefühl, das sich einstellt, wenn man etwas erlebt, was für einem ganz wichtig
ist. Es ist eine Erfahrung mit der Erfahrung.
Und damit komme ich wieder zu unserem Gleichnis. Der Bauer hat etwas gefunden,
was für ihn so wichtig ist, dass er alles andere verkauft, dass also alles andere
zweitrangig ist, wenn er nur diesen Schatz bekommt. Diesen Schatz zu bekommen,
das macht ihn glücklich. Was aber ist der Inhalt des Schatzes?
Das Himmelreich gleicht einem verborgenen Schatz. Wenn wir fragen wollen, was
den Bauer glücklich macht, dann müssen wir fragen, was das Himmelreich ist.
Ich will es mal ganz schlicht beantworten und dann beschreiben, was es für mich
bedeutet. Matthäus benutzt hier das Wort basileia, was wörtlich übersetzt
Königsherrschaft oder auch Königsreich bedeutet. Also der Raum und die Zeit, wo
der König, und in diesem Fall ist natürlich Gott gemeint, also wo Gott herrscht, wo
unser Leben von ihm geprägt und auf ihn bezogen ist. Wo die Beziehungen
zwischen den Menschen und die Beziehung zu Gott gut sind und fließen und durch
nichts gestört sind, da hat schon das Reich Gottes begonnen.
A Beziehungen zwischen Menschen: Die Qualität unseres Lebens und wie wir
vorhin gelernt haben, das dazu gehörende Begleitgefühl Glück ist wesentlich davon
abhängig, wie gut die Qualität unserer Beziehungen sind. Und damit meine ich nicht
nur die Verbindung mit einem Lebenspartner oder einer Lebenspartnerin, sondern
ich meine auch das Netz von Freundschaften und Beziehungen, die wir im Alltag
haben. Mit der Ansicht stehe ich nicht allein. Viele Studien über das Glück und seine
Vorraussetzungen haben ergeben, dass glückliche Menschen sehr viel Wert auf tiefe
und befriedigende Beziehungen leben. Und hier ist es kein Widerspruch zu dem, was
ich vorhin gesagt habe, da können wir tatsächlich eine Menge tun, und sind dann
auch ein wenn man so will ein gutes Stück selber unseres Glückes Schmied.
Gute Beziehungen sind doch dann, wenn man einander so akzeptiert, wie man ist,
wenn man echtes Interesse an dem anderen hat, wenn man zuhört, wenn man sich
in den anderen einfühlt, wenn man offen miteinander reden kann. Und wenn man
bereit ist, sich auch mal zurückzunehmen, wenn man nicht immer recht haben muss,
und wenn man sich auf die Zuverlässigkeit und Treue des anderen verlassen kann.
Gute Beziehungen sind wie ein schöner Garten, sie müssen gestaltet und gepflegt
werden. Und dann stellt sich als Begleitgefühl auch immer wieder das Glück ein. Zu
einer guten Beziehung gehört das Teilen, aber auch das Abgrenzen. Nach meiner
Erfahrung fällt das Abgrenzen vielen Menschen schwer. Was ich meine, hat der
Dichter Ghalil Gibran so ausgedrückt: „Seid wie die Säulen des Tempels. Steht nah
beieinander, aber lasst noch Luft zwischen euch.“ Oft wagen es Menschen
gegenüber ihren Kindern, ihren Partnern oder ihren Eltern nicht, diese Distanz
einzufordern, weil sie Angst haben, das könnte ihnen als Lieblosigkeit ausgelegt
wird. Aber gerade diese Enge und der fehlende Entfaltungsraum können extrem
unglücklich machen.
B Mit seiner Rede vom Himmelreich meint Jesus aber noch mehr und ganz
besonders die Beziehung zu Gott. Gott nahe zu sein ist mein Glück, hieß es in der
letzten Jahreslosung. Sich in unserem konkreten Leben mit all seinen Facetten auf
Gott ein zu lassen, sich von ihm prägen lassen und sich immer mehr auf ihn zu
verlassen, das ist der tiefste Grund für ein glückliches Leben.
Ich will das in vier Punkten beschreiben, was das für mich bedeutet. Und vielleicht ist
es besser und ehrlicher, wenn ich das als Ziel beschreibe und nicht schon als einen
vollständig erreichten Zustand.
1. Ich will immer mir immer mehr der Gegenwart Gottes in meinem Leben bewusst
sein. Ich will ihn in allem finden, was mir begegnet, in jedem Menschen, aber auch in
jedem Problem, das sich mir stellt. Ich will ihn spüren im Wind, der mein Gesicht
streichelt, und im Regen, der mir beim Fahrradfahren ins Gesicht sprüht oder mich
auch mal klatschnass macht. Dieses Wissen, dass er da ist und dass er mein
Gegenüber ist in allem, das erfüllt mein Leben. Und es gibt viele Augenblicke wo ich
das ganz deutlich spüren kann und dann bin ich glücklich.
2. Es gibt mir einen starken Halt, dass ich nicht an den Zufall glauben muss. Mein
Leben ist in Gottes Hand, und ich gehe an seiner Hand. Ich habe mich manchmal
auch schon losgerissen, um eigenmächtig und engstirnig eigene Wege zu gehen.
Aber das macht mich unglücklich, und so bin ich froh, dass er immer wieder meine
Hand ergreift. Das ist eine große Entlastung, die Kraft und Weisheit mein Leben zu
gestalten von Gott zu bekommen. Und die Verantwortung für meine Leben und mein
Glück nicht alleine tragen zu müssen.
3. Viele Menschen haben es schwer, sich selbst zu vertrauen, sich anzunehmen, mit
sich selbst einverstanden zu sein. Sie haben vielleicht nie umfassende Liebe und
bedingungslose Anerkennung erfahren und gehen mehr oder weniger angeknackst
durchs Leben. Das kenne ich auch aus Phasen meines Lebens. Umso dankbarer
und glücklicher bin ich, dass ich Gottes Liebe spüren darf und erfahren darf, dass
Jesus auch alte und tiefe Wunden unserer Seele heilen kann und mich zur
Selbstliebe befähigt. So wie er eine Frau, die 18 Jahre lang verkrümmt war, wieder
aufrichtete, so kann auch aus unseren Verkrümmungen noch etwas machen, was
uns aufrecht leben lässt. Dass ich das erfahren und daran glauben darf, macht mich
glücklich.
4. Manchmal gibt es Lebenssituationen, wo es schwierig ist, etwas Positives darin zu
erkennen. Manchmal gibt es Probleme, die so knifflig sind, dass man sich unmöglich
vorstellen kann, wie sich das auflöst. Da bin ich froh, dass ich mich in solchen
Situationen an ein Wort der Bibel halten kann: Denen, die Gott lieben, müssen alle
Geschehnisse zum Guten dienen. (Röm 8,12) Darauf will ich vertrauen, auch wenn
das Gute nicht so schnell zu erkennen ist. „Man muss das Leben vorwärts leben –
doch verstehen kann man es nur rückwärts“ hat ein kluger Kopf gesagt.
Was es letztlich mit der Schatzkiste und dem Glück auf sich hat, sagt am besten ein
Wort aus der Bergpredigt: Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und seiner
Gerechtigkeit, dann wird euch alles andere – und damit sind auch die Momente und
Zeiten des Glücks und der Freude gemeint, zufallen. (Mt 6,33) Glück und Freude
sind nur Begleitgefühle. Das Streben nach Gottes Reich, seiner Nähe und nach der
Gerechtigkeit, also nach gerechten und stimmigen Beziehungen, oder um es mit
einem noch treffenderen Begriff zu sagen: Das Streben nach Liebe und das
Geschenk der Liebe, das ist das höchste Ziel und der größte Schatz unseres
Lebens.
Und so kann ich diese Predigt nicht beenden, ohne das wir zwei Strophen von Paul
Gerhard singen: Lied 76,1.2
Du meine Seele singe, wohlauf und singe schön, dem welchen alle Dinge zu Dienst
und Willen stehn. Ich will den Herren droben hier preisen auf der Erd. Ich will ihn
herzlich loben, so lang ich leben wird.
Wohl dem der einzig schauet nach Jakobs Gott und Heil. Wer dem sich anvertrauet,
der hat das beste Teil. Das höchste Gut erlesen, den schönsten Schatz geliebt. Sein
Herz und ganzes Wesen bleibt ewig unbetrübt.
Amen
Hans-Ulrich Hofmann