Der Fall Walter Reder - Scuola di pace di Monte Sole

Der Fall Walter Reder
Die Geschichte eines Kriegsverbrechers
Text verfasst von:
Florian Baumgartinger,
Gedenkdiener der Friedensschule
Montesole 2015/16
Jänner 2016
Inhalt
1
Vorwort...................................................................................................................... 3
2
Walter Reder im Nationalsozialismus ....................................................................... 4
3
Der Prozess in Bologna .............................................................................................. 5
4
Äußerungen zur Festungshaft Reders ....................................................................... 6
5
Der Frischenschlager (FPÖ) – Empfang ................................................................... 10
6
Walter Reders Beerdigung ...................................................................................... 12
2
1 Vorwort
Mein Name ist Florian Baumgartinger und ich leiste derzeit Gedenkdienst an der
Scuola di Pace di Monte Sole. Die Naziverbrechen in den unterschiedlichsten Ländern
aufzuarbeiten ist die Hauptintention des Gedenkdienstes. Daher habe ich im Zuge
meiner Aktivitäten an der Scuola di Pace die Entscheidung gefasst, eine Arbeit über
Walter Reder - den Hauptverantwortlichen des Massakers am Monte Sole - zu
schreiben. Nicht zuletzt deswegen, weil er Österreicher war und somit vor allem in
meinem Heimatsland für einen großen Diskurs sorgte. Ich knüpfte dabei an die Arbeit
eines meiner Vorgänger an, welcher es sich zur Aufgabe gemacht hatte Dokumente,
Zeitungsartikel und Texte über Walter Reder zu sammeln und zu archivieren. Diese
Unterlagen und weitere Quellen ermöglichten es mir dessen Kurzbiografie mit
Schwerpunkt Kriegszeit, Prozess in Bologna und Gefangenschaft, sowie einen Bericht
über die Reaktionen der österreichischen Politik - und Medienlandschaft zu verfassen.
Auch hat mir mein Vorgänger eine Dokumentation über Walter Reder hinterlassen, in
welcher ich viele Zeitungsberichte über Walter Reder fand. Hierbei muss jedoch
erwähnt werden, dass die Dokumentation: „In Memoriam Walter Reder“ aus der Feder
eines rechtsextremistischen Autors entsprang. Demzufolge bildeten die
Zeitungsberichte, in welchen in einem positiven Ton über Walter Reder geschrieben
wird, den Großteil der Zeitungsberichte, welche in der Dokumentation zu finden sind.
Es muss des Weiteren erwähnt werden, dass jene Dokumentation die ergiebigste
Quelle, hinsichtlich der Anzahl an unterschiedlichen Zeitungen war. Somit bilden in
dieser Arbeit jene Zeitungsberichte, in welchen in einem positiven Ton über Reder
geschrieben wird, den größeren Teil. Dazu ist aber zu sagen, dass sich darunter
beispielsweise auch rechtsextreme Blätter befinden.
Anmerkung: In den verschiedenen Quellen wird sehr oft vom: „Massaker in
Marzabotto“ gesprochen. Marzabotto ist jedoch nur eine von drei betroffenen
Kommunen. Auch Menschen aus den Kommunen Monzuno und Grizzana - Morandi
fielen den Nationalsozialisten zum Opfer. Tatsächlich fand das Massaker nämlich in der
Gegend des Monte Sole statt, welche diese drei Kommunen einschließt.
3
2 Walter Reder im Nationalsozialismus
Im Jahre 1915 wurde Walter Reder in Freiwaldau (damals Österreich – Ungarisches
Gebiet; heute in der Tschechischen Republik) geboren. Schon im Alter von 17 Jahren
schloss er sich 1933 als Hitlerjugendmitglied der SS an. Um seiner politischen
Ausrichtung nun nicht mehr illegal nachkommen zu müssen, emigrierte Reder ein Jahr
darauf nach Deutschland. Dort wurde er deutscher Reichsangehöriger und verlor somit
die österreichische Staatsbürgerschaft. 1936 schloss er erfolgreich die SS Führerschule
in Braunschweig ab. Danach war er bei den unterschiedlichsten SS
Totenkopfstandarten tätig. Dabei machte er auch Erfahrungen in der
Standartengruppe: „Oberbayern“, welche die Wachmannschaft des
Konzentrationslagers Dachau bildete.
Als der Krieg ausbrach, wurde Walter Reder an die Westfront versetzt, wo er in dem SS
Totenkopf- Infanterieregiment Nr. 2 seine ersten Kriegserfahrungen sammelte. Genau
jenes Regiment wurde nach dem Krieg für das Massaker im französischen Ort „Le
Paradis“ (Erschießung von 99 britischen Kriegsgefangenen) verantwortlich gemacht.
Mit der Kapitulation Frankreichs verlegte sich das Einsatzgebiet Walter Reders in
weiterer Folge an die Ostfront.1 Am 9.März 1943 wurde er während eines Kampfes
südlich von Kiew verwundet und verlor seinen linken Unterarm. Dafür schlug ihn sein
Brigadeführer noch im April desselben Jahres, aufgrund seiner „kühnen Taten“ für die
Verleihung des eisernen Ritterkreuzes vor. Einen Tag später erhielt er dieses dann
auch.
Nach seiner Regeneration war er fortan in Jugoslawien, Ungarn und schlussendlich
gegen Ende des Jahres 1943‘ in Italien aktiv.2 Dort wurde er zum Kommandeur einer
Aufklärungsabteilung der 16. Panzergrenadierdivision eingeteilt und am 30. Jänner
1944 zum SS - Sturmbannführer befördert.3 Diese Division stand unter dem
1
Vgl. Christian Ortner „Am Beispiel Walter Reder“, DÖW, Wien 1985
2
https://en.wikipedia.org/wiki/Walter_Reder (vom 11.12.15)
3
Vgl. hist. Dokument „Personalverfügung“, 18.12.43 Berlin – Wilmersdorf; „Beförderungsschreiben“,
30.1.44 Berlin
4
Kommando von General Max Simon. Sie setzte sich hauptsächlich aus Mitgliedern von
SS Totenkopfverbänden und SS Einsatzgruppen zusammen, welche sich schon an
Massakern in den rückwertigen Frontgebieten der Ostfront profiliert hatten. Des
Weiteren war der Großteil der Divisionsmitglieder bei der Hitlerjugend tätig gewesen.
Aus diesen Gründen zählte die 16. Panzergrenadierdivision zu den elitärsten Einheiten.
Hier wurden die Mitglieder viel strenger selektiert als es bei anderen Waffengattungen
der Fall war, und somit stach die Division als Speerspitze heraus.
Während die alliierten Truppen immer weiter nach Norden vordrangen, hatten die
Nazis gleichzeitig auch Verluste durch Partisanenschläge im rückwertigen Frontgebiet
zu verzeichnen. Aus diesem Grunde erlies Albert Kesselring, der Oberbefehlshaber der
gesamten deutschen Wehrmacht, den sogenannten Kesselringbefehl. Dieser schrieb
drakonische Maßnahmen im Kampf gegen Partisanen vor. Des Weiteren beinhaltete er
die „Straffreiheitsklausel“, welche die Soldaten bei Aktionen gegen Partisanen straffrei
hielt. Reder wurde daher beauftragt das rückwertige Frontgebiet „bandenfrei“ zu
machen. Die darauf folgende, unter Reders Kommando stehende Aktion richtete sich
jedoch viel mehr gegen die Zivilbevölkerung als gegen tatsächliche Partisanen.
Beginnend mit dem 29. September kreisten die Truppen, aufgeteilt in mehrerer
Platons das Gebiet ein und sicherten somit gleichzeitig alle Fluchtmöglichkeit ab. Dabei
versuchten sie alles Leben am Monte Sole zu vernichtend. Letztendlich hatte Walter
Reder etwa 770 Tode zu verantworten. Hauptsächlich Frauen, Kinder und ältere
Menschen befanden sich unter den Toten. Die „Operation“, welche am 5. Oktober als
abgeschlossen galt, wurde von den Nationalsozialisten als „handbuchgemäß“
bezeichnet. 4
3 Der Prozess in Bologna
Im März 1945 zog sich die Division nach Ungarn und später nach Österreich zurück. In
der Nähe der österreichischen Stadt Klagenfurt wurde die Division dann durch die
britischen Truppen zur Kapitulation gezwungen. Walter Reder kam daraufhin in US
4
Vgl. http://www.gedenkdienst.at/index.php?id=531 (23.11.15)
5
Gefangenschaft, wurde aber kurz darauf aufgrund seiner Kriegsverwundung wieder
freigelassen. Wenig später wurde er aber erneut von den USA interniert und in das
Gefangenenlager Glasenbach (Salzburg) gebracht. Danach übergaben ihn die US –
Amerikanischer den Briten.5 Erst im Jahre 1948 lieferten die Briten Reder den
Italienern aus, woraufhin er vor ein italienisches Militärgericht in Bologna gestellt
wurde. 1951 kam es schließlich zur Verhängung des Urteiles, welches lebenslange Haft
in der italienischen Festung Gaeta (im Norden Neapels) besagte. Als Grund dafür
nannte das Gericht die Erteilung des Befehls zur Zerstörung von Marzabotto und den
umliegenden Ortschaften, und das Erteilen von Tötungsbefehlen gegenüber insgesamt
2700 Personen (die tatsächliche Zahl betrug ca. 770). Nach der Urteilsfällung bot sich
der Staat Österreich als Schutzmacht Reders an, obgleich dieser schon vor langer Zeit
seine österreichische Staatsbürgerschaft aufgegeben hatte. So stellte sich das Land
Oberösterreich (auf Intervention des dortigen ehemaligen „Gauinspektors“ Stefan
Schachermayr) beispielsweise auf den Rechtsstandpunkt, dass Reder Österreicher
wäre, weshalb Walter Reder im Jahre 1955 wieder eingebürgert wurde. Als weiteren
Schritt stellte das österreichische Außenministerium Anfang der 60er Jahre schließlich
fest, dass Walter Reder als Kriegsgefangener gem. der Genfer Konvention galt. Somit
ergab sich plötzlich die Gelegenheit den Spieß umzudrehen und Reder nun nicht mehr
als Kriegsverbrecher, sondern vielmehr als Opfer der italienischen Justiz bezeichnen zu
können. 6
4 Äußerungen zur Festungshaft Reders
Im Verlauf der Haftzeit Walter Reders kam es daher vor, dass sich immer wieder
diverse österreichische Politiker und Medien (darunter auch rechtsextreme), ja sogar
der Vatikan und der österreichische Kardinal König für die vorzeitige Beendigung der
Haftzeit aussprachen. 1957 gründete der ehemalige SS-Offizier Ernst-Günther
Krätschmer die sogenannte „Gaeta Hilfe“, um so Stimmen für Reder zu sammeln. Auch
5
Vgl. https://en.wikipedia.org/wiki/Walter_Reder (11.12.15)
6
Vgl. http://www.u-berg.at/texte/reder.htm (11.12.15)
6
gab es Befragungen der Bevölkerung Marzabottos, in welchen über Reders Freiheit
entschieden werden sollte. Um Weihnachten 1967 verfasste Reder einen Brief an die
Bevölkerung Marzabottos, in welchem er seine tiefste Reue zum Ausdruck brachte.
Dies wurde zum Grund genommen, eine Abstimmung über die Gewährung seines
Ansinnens abzuhalten. Von den insgesamt 284 Befragten waren jedoch lediglich 4
dafür. Daraufhin folgte harte Kritik des Vatikans, welcher die Entscheidung als
„Niederlage für jene die an das Evangelium glauben“ bezeichnete.7 Das rechtsextreme
„Deutsche Wochenblatt“ begründete die Entscheidung mit der „konzentrierten
kommunistischen Propaganda“, die das Ergebnis beeinflusste.8 Auch im selben Jahre
1967‘ begann der Staat Österreich Walter Reder eine Kriegsopferrente zur überweisen.
Nach einer Intervention einer Delegation Marzabottos, gegen die Freilassung im Jahre
1979 wurde jene Personen von der rechtsextremen Blatt „Die Leuchtkugel“ als „Hasser
von Marzabotto“ bezeichnet.
Am 10. Mai 1980 brachte Österreichs auflagenstärkste Tageszeitung: „Die
Kronenzeitung“ einen Beitrag von Viktor Reimann heraus, der sich stark für Walter
Reder einsetzte. Daraufhin berichtete Reimann in der Kronenzeitungsausgabe vom 2.
Juni, dass ungewöhnlich viele Leserbriefe eingetroffen seien sollen. Darunter auch ein
Schreiben Kreiskys (österreichischer sozialdemokratischer Bundeskanzler, regierte in
den Jahren 1970-1983), in welchem er Reders Position einnahm. Dieses Schreiben
wurde abgedruckt: „zu allererst ist festzuhalten, dass sich sowohl der Herr
Bundespräsident, als auch die übrigen Mitglieder der Bundesregierung […] bei jeder
sich bietenden Gelegenheit den zuständigen italienischen Stellen für eine Freilassung
des Herrn Reder verwendet haben. […] Dazu wäre zu sagen, dass die jahrzehntelangen
Bemühungen für die Freilassung Reders bisher ohne Erfolg geblieben sind. […] Da
scheint es mir schon besser zu sein die Bevölkerung auf das Unrecht immer wieder
aufmerksam zu machen. Wenn die italienischen Gerichte nicht die Menschlichkeit
aufbringen, dann sollen sie wenigstens vor aller Welt bloßgestellt werden.“9 Unter
7
http://www.gedenkdienst.at/index.php?id=530, vom 27.11.15
8
„Deutsche Wochen-Zeitung“, vom 28.7.69 [Übernommen aus „In Memoriam Walter Reder“
(Dokumentation von Robert H. Drechsler)]
9
„In Memoriam Walter Reder“ (Dokumentation von Robert H. Drechsler) Seite 56
7
einem großen Bild von Reder, der trauernd auf ein Gitter blickt, wurde einen Text
eingefügt, welcher besagte: „Keine Gerechtigkeit für Major Walter Reder: Seit nunmehr
35 Jahren wird er in einem Militärgefängnis in Gaeta gefangen gehalten. Eine Schande
für Italien, weil eine derartige Rachejustiz sonst in keiner Demokratie möglich ist. Dabei
ist Reder Opfer eines teilweisen Justizirrtums.“ Anbei wurde zusätzlich noch ein Brief
von Reder selbst abgedruckt, in dem er seine Unschuld beteuerte.10
Nicht nur, dass durch Parolen wie „Keine Gerechtigkeit für Major Walter Reder“, stets
Reders Unschuld suggeriert wurde, so wurde auch sein militärischer Rang verändert.
Wie aus der Akte Reder des österreichischen Innenministeriums hervorgeht, war
dieser nie ein Major sondern vielmehr SS-Sturmbannführer.
10
Vgl. „In Memoriam Walter Reder“ (Dokumentation von Robert H. Drechsler) Seite 56
8
Abb. 1 Dokument der “Biblioteca Scuola di Pace di Monte Sole”:
Personalakt des SS-Sturmbannführers Walter Reder
Es ist anzunehmen, dass der Austausch des Nazititels „Sturmbannführer“ mit dem
militärischem Äquivalent „Major“ als weitaus gesellschaftsverträglicher angesehen,
und daher vermehrt von Reder-Sympathisanten aufgegriffen wurde. Die Verwendung
dieses Ranges sollte schlicht zur Verharmlosung der militärischen Vergangenheit
dienen.
9
5 Der Frischenschlager – Empfang
Das 1951 für Walter Reder verhängte Hafturteil auf Lebenszeit wurde im Jahre 1980
jedoch auf den Juli 1985 begrenzt. Schlussendlich trat diese vorzeitige Beendigung
schon im Jänner in Kraft. Sehr begrüßt wurde die Entscheidung des damaligen
italienischen Ministerpräsidenten Craxi vom damaligen Chef der Freiheitlichen Partei
Österreichs Norbert Steger. Am 22. Jänner 1985 wurde Walter Reder schließlich
persönlich vom damaligen Verteidigungsminister Friedhelm Frischenschlager (FPÖ) am
Grazer Flughafen per Handschlag in Empfang genommen. Dieser Handschlag löste
daraufhin in Regierungskreisen aber auch in den Medien heftige Reaktionen aus. Der
Handschlag wurde als politischer Skandal gesehen. So sprach der damalige
Bundeskanzler Sinowatz (SPÖ) von einem: „schweren politischen Fehler“. Auch andere
Politiker und Parteien übten heftige Kritik an dem Vorgehensweise Frischenschlagers:
So etwa der damalige Bürgermeister Wiens Helmut Zilk (SPÖ) oder etwa Wiens
ehemaliger ÖVP- Parteiobmann Busek. Sogar in der FPÖ selbst gab es eine
Distanzierung durch die damalige Sozialsprecherin Partik – Pablé. Jedoch ist hierbei
nicht zu vernachlässigen, dass zum einen der damalige FPÖ Chef Steger, aber auch der
damalige Kärntner FP Chef Haider das Handeln Frischenschlagers begrüßten. Für eine wegen Frischenschlagers Handeln - einberufene Ministerratssitzung wurde dieser am
29.Jänner aus seiner Ägyptenreise herbeigerufen und zur Rede gestellt. Gleichzeitig
kündigte die ÖVP auch an, einen Misstrauensvotum gegen Frischenschlager bei der
nächsten Sondersitzung des Nationalrats zu fordern. Friedhelm Frischenschlagers war
zu jenem Zeitpunkt kurz davor sein Amt als Verteidigungsminister abgeben zu müssen.
Bei der Ministerratssitzung kam es jedoch dazu, dass Frischenschlager seinen Fehler
einbekannte und seine gutgemeinten Absichten hinter dem Empfang beteuerte. 11
11
Vgl. http://www.arbeiter-zeitung.at/cgi-bin/archiv/flash.pl?seite=19850125_A01;html=1 (vom
11.12.15)
10
Wie aus einem Interview des Vereins GEDENKDIENST mit Friedhelm Frischenschlager
vom 14. Dezember 2007 hervorgeht, soll der Beweggrund des Empfanges folgender
gewesen sein:
„Wie ging das Ganze [der Empfang] denn im Detail vor sich?“
„Am 22. Jänner 1985 ruft in der Früh Außenminister Gratz an: „Der Reder kommt aus der
Haft in Italien; das Furchtbarste für die italienisch-österreichischen Beziehungen wäre,
wenn etwa der Kameradschaftsbund jetzt eine Massenveranstaltung inszeniert.“ Wir
sollten Reder daher möglichst inkognito ins Land bringen, und dafür wäre das
Verteidigungsministerium kompetent. Ich war einverstanden, aber skeptisch, wie das mit
der Geheimhaltung funktionieren könnte. Ein zufälliger Zeuge des Telefonats, ein hoher
Fliegeroffizier des Bundesheeres, beriet mich und meinte: „Na ja, mit dem Auto geht das
schlecht. Wenn der von der Grenze abgeholt wird, das bekommen zu viele Leute mit.
Aber es gibt ja die Möglichkeit eines Ministerfluges, bei dem die Insassen nicht bekannt
gegeben werden müssen.“ Ich weiß, das klingt aus heutiger Sicht unverständlich, aber so
haben wir gedacht: Wir übernehmen ihn und bringen ihn unbemerkt ins Heeresspital
Baden. Und ich hab geglaubt: Wenn das nur mit Ministerflug geht, dann mach ich das
halt.“12
Zwar mag die Entschuldigung Frischenschlagers glaubhaft sein, so ist es aber äußerst
zweifelhaft, dass bei diesem Ministerauftrag auch ein Händeschütteln mit dem
heimgekehrten Kriegsverbrecher vorgesehen war. Bundeskanzler Sinowatz setzte sich
auf die Entschuldigung Frischenschlagers hin für diesen ein und kündigte seinen
Rücktritt an, sollte das Misstrauensvotum durchgehen. Als die ÖVP jedoch am 2.2.1985
bei einer Sondersitzung des Nationalrats das Misstrauensvotum einberief, fiel dieses zu
Frischenschlager Gunsten aus. Somit blieb er im Amt.
Darüber hinaus gewährte der ehemalige ÖVP Abgeordnete Wilhelm Gorton Walter
Reder Unterkunft und nahm ihn als Arbeiter ins seinem Sägewerk in Kärnten auf. Eben
jener Nationalratsabgeordnete war auch schon für seine mehrmaligen Besuche in
Gaeta und seine Aktivitäten in der „Hilfsgemeinschaft für Reder“ bekannt. Auch der
Klagenfurter Bürgermeister war in jener „Hilfsgemeinschaft“, die größtenteils
Geldspenden für Reder sammelte, aktiv. Das Sägewerk in Straßburg im Gurktal,
welches für Reders Arbeits- und Schlafplatz vorgesehen war, soll ausgesprochen
dubios gewesen sein. So waren in diesem Betrieb viele Pensionisten untergebracht, die
12
http://www.gedenkdienst.at/index.php?id=530 (vom 11.12.15)
11
vermutlich aus demselben Grund wie Reder dort aufgenommen wurden. Des Weiteren
war die gesamte Ortschaft, in welcher sich das Sägewerk befand, als Wallfahrtsstätte
für Rechtsextreme bekannt. 13
In all dieser Aufregung um den Reder-Skandal ging eine Geste Walter Reders unter: Im
Jänner 1986 nahm er im Wochenblatt: „Die ganze Woche“ seine Reuebekundungen an
die Bevölkerung Marzabottos zurück. Als Begründung nannte Reder, dass das Motiv für
das Verfassen des „Reuebriefes“ lediglich eine Strategie des Anwalts gewesen sei, um
so möglichst rasch aus der Gefangenschaft entlassen zu werden.
Der Skandal um Walter Reder wird von vielen als erster Schritt zur tieferen
Auseinandersetzung Österreichs mit seiner nationalsozialistischen Vergangenheit
gesehen.
Nachdem Walter Reder eine lange Zeit in Kärnten lebte, starb er schließlich am
26.April 1991 in Wien. 14
6 Walter Reders Beerdigung
Begraben wurde Walter Reder im Oberösterreichischen Gmunden. Die
Trauerzeremonie war ausgesprochen stark besucht. So kamen auch viele ehemalige
Kriegskameraden um sich vom ihrem Kameraden, dem SS-Sturmbannführer Walter
Reder zu verabschieden. Wie die „Salzkammergut – Zeitung“ berichtete, nahmen an
der Trauerzeremonie in etwa 1500 Personen teil. Rund 20 Reisebusse karrten die
Friedhofsbesucher zu dem am 8.Mai 1991 abgehaltenem Begräbnis. Das
Monatsmagazin „Basta“ berichtete, dass sich unter den Trauergästen durchaus auch
bekannte Personen befanden. So war beispielsweise Norbert Burger – Chef der
verbotenen NPD - oder etwa der ehemalige Mandatar Wilhelm Gorton anwesend. Des
Weiteren wird berichtet, dass auch viele Mitglieder diverser Burschenschaften
teilgenommen haben sollen. Gegen Ende der Zeremonie sei die Trauerfeier dann von
13
Vgl. http://www.arbeiter-zeitung.at/cgi-bin/archiv/flash.pl?seite=19850125_A01;html=1 ff. (vom
11.12.15)
14
https://it.wikipedia.org/wiki/Walter_Reder (vom 12.12.15)
12
vielen als Bekenntnis zum Nationalsozialismus genutzt worden. Viele „Kameraden“
haben die rechte Hand zum „Deutschen Gruße“ erhoben, um Walter Reder zu
verabschieden. Die zehn Polizisten, welche für das Ereignis angerückt waren, schauten
hierbei aber diskret weg. Abschließend seien noch alle drei Strophen des
„Deutschlandliedes“ gespielt worden.
Die österreichischen Medien lieferten in Bezug auf Reders Ableben sehr
unterschiedliche Berichterstattungen. Die „Kronenzeitung“ fuhr im selben Ton fort,
wie sie bereits über Reder berichtete, während er in Festungshaft saß. So
veröffentlichte sie diverse Kolumnen, in denen Reders Vergangenheit äußerst
beschönigt, oder seine Verbrechen im Nationalsozialismus komplett unter den Teppich
gekehrt wurden. Beispielsweise schreibt Igmor Pust: „Der Fall Reder war ein klassischer
Fall von Voreingenommenheit, die sich beharrlich weigerte die Wahrheit zur Kenntnis
zu nehmen.“ Genauer ging er auf diese „Wahrheit“ aber nicht ein. In der
Berichterstattung über den Tod Reders hieß es: „Als Kriegsverbrecher war er nie
verurteilt worden.“ Auch die „Kleinen Zeitung“ – aktuell die größte österreichische
Regionalzeitung15, gewährte Igmor Pust Paroli: „Nur Reder traf blinder
antifaschistischer Hass.“ Auf der anderen Seite muss auch erwähnt werden, dass sich
viele österreichische Medien, wie „Der Standard“, „Die Wiener Zeitung“, oder „Die
Presse“ zu dieser Zeit sehr differenziert und sachgetreu über Walter Reder
berichteten.
15
https://de.wikipedia.org/wiki/Kleine_Zeitung (15.12.15)
13