20160218 Artikel Basler Zeitung

Basel.Stadt.Land.Region.
Frage des Tages
Hat sich die Basler Regierung bei den
Schulreformen verrannt?
Vor einem halben Jahr stellte Basel das
Das Ergebnis der Frage von gestern:
Bewahren Sie zu Hause Ihre
Wertsachen sicher auf?
30% Nein
(85)
70% Ja
(199)
| Donnerstag, 18. Februar 2016 | Seite 31
Reformflut bringt Lehrer ans Limit
Gaby Hintermann, Präsidentin der Schulkonferenz, kritisiert die Basler Bildungsbaustellen
Prozess gegen
Dieter Behring
beginnt im Mai
Von Nina Jecker
Grösster Wirtschaftskriminalfall
mit Basler Beteiligung
Basel. Der umstrittene Lehrplan 21
Von Franziska Laur
und die Umstellung auf die Sek­Stufe:
Vor einem halben Jahr wurde in Basel
das Schulsystem erneut auf den Kopf
gestellt – obwohl die Umsetzung frühe­
rer Neuerungen, wie etwa die Integra­
tive Schule oder die Frühfremd­
sprachen, noch nicht abgeschlossen ist.
Glatt gelaufen sind auch die jüngsten
Reformen erwartungsgemäss nicht: Zu
den grössten Baustellen gehören aktuell
fehlende Lehrmittel und IT­Technik, ein
Mangel an Fachpersonal und zu grosse
Klassen.
Gaby Hintermann ist Präsidentin
der Kantonalen Schulkonferenz Basel­
Stadt. Sie wirkt selber ein wenig
erschöpft, wenn man sie zu all den
Reformen befragt. Wie viele ihrer Kolle­
gen musste sie sich in den letzten Jah­
ren an immer neue Veränderungen
gewöhnen. Zuerst die Orientierungs­
schule, dann die Übergangszeit,
während der man das alte Schulsystem
auslaufen liess, und letztes Jahr nun der
Start des komplett neuen Systems. Wie
viele Lehrer kam auch Hintermann
dafür in ein neues Schulhaus mit einem
ihr bis dahin unbekannten Team. «Das
erschwert am Anfang alles, man kennt
weder die Infrastruktur noch die Kolle­
gen. Da ‹mönschelet› es dann natürlich
auch bei uns.» Aber nicht nur zwischen­
menschlich, sondern auch was die
Infrastruktur, die Räumlichkeiten und
die Schülermenge angeht, läuft noch
nicht alles rund.
Raummangel ist vorhersehbar
Schief gelaufen ist letztes Jahr bei­
spielsweise das Anmeldeprozedere für
die neue Sek­Schule. Zahlreiche Eltern
wehrten sich gegen die Zuteilung ihrer
Kinder, teilweise heftig. Dazu über­
schritten bei Schulbeginn fast die Hälfte
aller 21 Sek­Klassen des P­Zugs, in dem
die besseren Schüler unterrichtet wer­
den, die vorgegebene maximale Klas­
sengrösse von 25 Kindern um bis zu
drei Kinder. «Das mag einem gering vor­
kommen, hat aber je nachdem grosse
Auswirkungen auf den Schulbetrieb»,
sagt Hintermann. Ein Schüler brauche
nicht nur Tisch und Stuhl, sondern auch
Betreuung, Lernberichte und Eltern­
gespräche.
Das Problem bei den Zuteilungen:
Die Kinder werden zwar nach ihrem
vorletzten Primarschulzeugnis in die
einzelnen Leistungszüge eingeteilt,
können aber mit einem guten letzten
Zeugnis kurzfristig auf Bewährung eine
Stufe höher kommen. «So ist wenig Pla­
nungssicherheit gegeben», sagt Hinter­
mann. Sie schlägt vor, dass das erste
Technische Pannen. Anfällige Infrastruktur und neue Lehrpläne stellen den Basler Schulalltag vor Probleme.
Zeugnis verbindlich zählen sollte und
das zweite nur noch über Provisorium
oder eine definitive Aufnahme entschei­
det. Die Möglichkeit einer Aufnahme­
prüfung bliebe bestehen, würde aber zu
einem früheren Zeitpunkt angesetzt.
Hintermann fürchtet allerdings,
dass bald sowieso wieder über höhere
Klassengrössen diskutiert wird. Denn
der Schulraum, der neu gebaut wurde,
reiche bereits heute kaum noch aus.
«Mit den steigenden Schülerzahlen ist
eine Raumknappheit bereits wieder
programmiert», prognostiziert sie. Die­
ses Problem mit grösseren Klassen zu
lösen, ist für Hinterman bei der hetero­
genen Schülerschaft ein No­Go.
Die Hilfsmittel versagen
Auch in Sachen Technik reicht die
Infrastruktur oft hinten und vorne nicht
aus. Dies unter anderem, weil viele der
neuen Lehrmittel bis zur Hälfte am
Computer oder mit einem Tablet ausge­
führt werden müssen. «Diese Geräte
sind aber, wenn man sie braucht, meist
nicht in genügender Menge vorhanden,
oder die Hälfte davon läuft nicht, wie es
sein sollte.» Für andere Fächer, dazu
gehören die neuen Sammelfächer des
Lehrplans 21, gibt es überhaupt noch
keine Lehrmittel. Die Verlage warten
zu, bis auch Bern und Zürich den neuen
Lehrplan umsetzen; Basel alleine ist als
Abnehmer zu klein. «Dabei wären
gerade hier die Lehrkräfte auf gute
Unterrichtsmaterialien angewiesen»,
sagt Hintermann. Denn wer früher an
der Oberstufe Geschichte unterrichtet
hat, soll nun auf einmal «Räume, Zei­
ten, Gesellschaft» anbieten, ein Sam­
melfach, welches auch Geografie bein­
haltet. «Natürlich gäbe es auch hier wie
für so vieles Weiterbildungen. Wenn ich
wollte, könnte ich an 40 Wochenenden
im Jahr eine Weiterbildung besuchen.
Aber dafür fehlt den meisten bei all den
Neuerungen einfach die Zeit», sagt Hin­
termann.
Dennoch ist sie froh, dass Basel­
Stadt den neuen Lehrplan als erster
Kanton eingeführt hat. «Sonst hätten
wir für die Umstellung auf die Sek­Stufe
einen Übergangslehrplan gebraucht,
wie es das Baselbiet kennt. Das wäre
wirklich zu kompliziert geworden.» Für
die Zukunft jedoch wünscht sich
Hintermann, dass die Basler nicht
immer überall die Ersten sein wollen.
«Ich würde gerne mal bei einer Reform
Foto Keystone
in Ruhe abwarten, wie es in einem
anderen Kanton läuft.»
Nicht nur bei den neuen Sammel­
fächern fehlt es an fachlich ausgebilde­
tem Personal. Auch die Stellen der Heil­
pädagogen, welche sich in den Regel­
klassen um die Integrationskinder –
also
jene
mit
Behinderungen,
Lernstörungen, Verhaltensauffälligkei­
ten und anderen Problemen – kümmern
sollen, sind nicht alle mit ausgebilde­
tem Personal besetzt. Stattdessen wer­
den auch Lehrer eingesetzt, welche auf
dem Gebiet Erfahrung vorweisen kön­
nen. Auch das sei keine wünschens­
werte Situation, findet Hintermann.
Trotz allem bleibt die Sek­Lehrerin
optimistisch. «Wir werden es schon
schaffen, wir Lehrkräfte geben unser
Bestes.» Wichtig sei einfach, dem Gan­
zen jetzt Zeit zum Wachsen zu lassen.
«In fünf, sechs Jahren hat sich wohl
alles eingependelt.» Vor allem sollen die
Bildungsverantwortlichen in der nächs­
ten Zeit auf weitere Neuerungen ver­
zichten und die Schule in Ruhe lassen.
«Es verträgt momentan nichts mehr, wir
müssen erst wieder zum Atmen und zu
einem Alltag kommen. Sonst fliegt uns
die ganze Sache noch um die Ohren.»
Heisser Tanz um die Baselbieter ÖV-Sparvorlage
Der Vorschlag des Regierungsrats zur Einsparung von 900 000 Franken ist so gut wie vom Tisch
Von Thomas Gubler
Liestal. Am kommenden Donnerstag
soll der Landrat den geltenden 7. Gene­
rellen Leistungsauftrag im Bereich des
öffentlichen Verkehrs für die Jahre
2014 bis 2017 anpassen. Die Regierung
wollte damit gemäss ihrer Finanzstrate­
gie 2016–2019 ursprünglich 900 000
Franken pro Jahr einsparen. Obs jedoch
zu einer Anpassung des Leistungsauf­
trags irgendwelcher Art kommt, ist
derzeit offen. Das Projekt ist absturz­
gefährdet.
Eine Minderheit der Bau­ und Pla­
nungskommission des Landrats (BPK)
wollte denn auch gar nicht erst auf das
Geschäft eintreten. Eine Anpassung des
Leistungsauftrags ein Jahr vor Ablauf
erschien ihr angesichts des geringen
Sparpotenzials nicht opportun. «Die
Vorlage wurde wegen fehlender Abspra­
chen mit den Transportunternehmen
und den Gemeinden als etwas unglück­
lich empfunden», sagte BPK­Präsident
Hannes Schweizer (SP). Immerhin trat
die Kommission dann aber trotzdem ein
und nahm einige Modifikationen vor.
Aber auch die Version der BPK ist alles
andere als unumstritten.
Klar erscheint im Moment dagegen
eines: Die Vorlage, wie sie die Regie­
rung vorgeschlagen hat, ist so gut wie
vom Tisch. Das wird auch von Kommis­
sionspräsident Hannes Schweizer
bestätigt. Der Regierungsrat hatte eine
Reduktion des Angebots um 33 Prozent
auf Linien, die einen Kostendeckungs­
grad von unter 30 Prozent aufweisen,
beantragt. Betroffen davon gewesen
wären: das Läufelingerli (S9), fünf Bus­
linien im oberen Baselbiet wie etwa
Lampenberg–Lausen (Linie 93), Höll­
stein–Bennwil (92) oder Waldenburg–
Bretzwil (91), sodann eine im Laufental
(Laufen–Zwingen–Nenzlingen)
und
Muttenz–Dornach im Unterbaselbiet.
Kein Spareffekt
Die Kommission vertrat indes die
Auffassung, dass eine Ausdünnung des
Fahrplans nur einen geringen Spar­
effekt bewirken würde, weil sich die
Fixkosten kaum reduzieren lassen. Also
arbeitete man eine Kompromisslösung
aus, welche nur noch die am schwächs­
ten frequentierten Linien betrifft. Dort
sollen dafür ganze Blöcke wegfallen –
die Wochenendkurse bei den Linien 91,
92, 93 und beim Läufelfingerli sollen
nach 20 Uhr durch Busse ersetzt wer­
den. Die angestrebte Kostenreduktion
von 900 000 Franken solle man im Rah­
men des generellen Leistungsauftrags
2018–2021 – auch unter Einbezug der
Ertragsseite – erreichen.
In der Kommission lautete das
Abstimmungsergebnis für diese Version
sieben zu fünf Stimmen, bei einer Ent­
haltung. Die Ausgangslage im Plenum
ist somit «ziemlich offen», wie Hannes
Schweizer erklärt. Und für einmal
dürften die Fronten auch nicht entlang
der Parteigrenzen verlaufen. So hatte
sich beispielsweise der Buckter Gemein­
depräsident und SVP­Landrat Peter
Riebli klar gegen die Sparvorlage ausge­
sprochen.
Würde man übrigens die 900 000
Franken auf der Ertragsseite hereinho­
len, dann hätte dies bei 75 000 U­Abos
eine minimale Verteuerung von knapp
15 Franken zur Folge. Ein Punkt, der im
Landrat noch zu reden geben könnte.
Rega will in
Basel bleiben
Basiswechsel nach Schupfart
ist vorerst vom Tisch
Basel. Die Rega­Einsatzbasis Basel
Leere Plätze. Eine Ausdünnung des
Fahrplans etwa beim Läufelfingerli ist
dennoch kein Rezept. Foto Dominik Plüss
befindet sich seit über 40 Jahren am
EuroAirport. Gemäss einer Machbar­
keitsstudie der Rega wäre eine Verle­
gung nach Schupfart denkbar. Doch die
Rega möchte am Standort EuroAirport
festhalten, heisst es in einer Mitteilung.
Da das Baurecht am EuroAirport im
Jahr 2020 abläuft, hat die Rega ver­
schiedene Szenarien geprüft – von einer
Verlängerung des Baurechts über einen
Neubau am gleichen Standort bis zur
Verlegung. Im Rahmen dieser Abklä­
rungen kam der Flugplatz in Fricktal­
Schupfart als Ersatzstandort ins Spiel.
Die Machbarkeitsstudie kommt zum
Schluss, dass dort der Bau einer Rega­
Basis realisierbar wäre. Dennoch fühle
sich die Rega in Basel grundsätzlich
wohl, hiess es. Gespräche mit der Direk­
tion des EuroAirport haben ergeben,
dass Aussicht auf eine Verlängerung des
Baurechts in den kommenden Monaten
besteht. Die Rega nimmt daher zurzeit
keine weiteren Standortabklärungen in
der Region vor. sr