Rückblick und Visionen Pflege von Menschen mit Wunden

Rückblick und Visionen
Pflege von Menschen mit Wunden
Doris von Siebenthal, APN / MSc
Leiterin Wundberatung Kantonsspital Baden AG
Co-Präsidentin SAfW D-CH
10. Luzerner Wundtag 29.10. 2015
Was geschah vor 100 Jahren ???
Wundverbände
1901 entdeckt Oskar Troplowitz das
Zinkoxyd die hautreizende Wirkung der
Klebeharze neutralisiert.
Die neue Erfindung:
1911
Frage
Kriegsausbruch August 1914
Hauptsorgen in Schweizer Spitälern
• Die Sorge galt der Frage, ob genügend
Lebensmittel und Verbandstoffe zur
Verfügung stehen werden.
• Zusätzlich mussten auch Betten für die
Behandlung und Pflege von Militärpersonen
zur Verfügung gestellt werden.
Rationierung
http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/5/5e/Wipkingen_Rationierung_1914-18.JPG
Verbrauchsübersicht eines Wiener Spitals
Johnson & Johnson employees in our Cotton Mill pose in front of bandages produced
to treat wounded soldiers, 1915.
1915 Tulle Gras
August Lumiere
Vaseline, Perubalsam, Olivenöl, Gaze
Was geschah vor 10 Jahren ???
Tsunami Thailand 21. Dezember 2004
2005
Rekord-Katastrophenjahr in die Geschichte
• Bei Erbeben, Überschwemmungen und
Wirbelstürmen kommen 112'000 Menschen um,
allein 87'000 anfangs Oktober in Kaschmir.
Der gesamte Sachschaden wird auf fast 300
Mrd. Fr. geschätzt, davon entfällt mehr als die
Hälfte auf den Wirbelsturm Katrina.
2005
• Lokale drahtlose Computernetzwerke (Wireless LAN) sind als
Feinverteiler vom schnellen ADSL- oder KabelfernsehInternetanschluss sind auf dem Vormarsch.
Neue Notebooks haben die entsprechende Antenne bereits
integriert.
• Memorysticks verdrängen nicht nur die Floppy-Diskette als
Speichermedium, sondern auch den Walkman und Discman als
tragbare Jukebox.
Radio DRS bietet seine wichtigsten Nachrichtensendungen als
podcasts auf dem Internet zum Herunterladen und später Hören an.
• Die Suchmaschine Google startet unter dem Namen Google Earth
einen neuen Dienst
Megatrends
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Demographischer Wandel (Silver Society)
Individualisierung (Wertewandel)
Digitalisierung
Konnektivität (Big Data)
Globalisierung
Mobilität
Gesundheit
Knappe Ressourcen
Wie verändert sich der «Patient»?
Vom Pflegling zum „smart consumer“
1960: Der bevormundete Patient
1970: Der informierte Patient (informed consent)
1980: Der mündige Patient
1990: Der autonome Patient (shared decision making).
2000: Der kompetente Patient (smart consumer)
(Nagel G, 2004)
Megatrend
wachsende Mündigkeit der Patienten und Bürger
• Ergebnis des leichteren Zugangs zum Wissen
• Erfahrungen beim Umgang und Selbstmanagement
von Erkrankungen
• zunehmende Skepsis und Misstrauen gegenüber
Leistungserbringern, Institutionen und dem
Versorgungssystem
• Mündige Patienten wollen ihre Gesundheit selber
mitdefinieren und Dialogpartner sein.
Sottas B., et al., 2013, Die Gesundheitswelt neu denken., Careum working paper 7
Social media
Kommunikation
• zB Diabetes Blogg
Der Patient / die Patientin: Ein Teil von EBM
"Evidence-based medicine is the integration of
best research evidence with clinical expertise
and patient values."
Klinischer Zustand und Rahmenbedingungen
Klinische Expertise
Patienten-Präferenz
und Handlungen
Forschungsergebnisse
Sackett DL, Straus SE, Richardson WS, et al. Evidence-based medicine: how to practice and teach EBM. 2d ed. Edinburgh:
Churchill Livingstone, 2000. http://bmj-ebm.highwire.org/content/7/2/36.full
Aktuelle Leitlinie EPUAP
Insgesamt 578 Empfehlungen
 249 (auf jeden Fall tun)

294 (wahrscheinlich tun)

35 (keine spezifische Empfehlung)

keine
Strength of Evidence = A; 6 (2=)
Strength of Evidence = B; 75
Strength of Evidence = C; 489
2014
Expertenstandard Pflege von Menschen mit
chronischen Wunden 1. Aktualisierung 2015
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Stand: September 2015
Zielsetzung:
Jeder Patient/Bewohner mit einer chronischen Wunde vom Typ Dekubitus, Ulcus
cruris venosum/arteriosum/mixtum oder Diabetischem Fußulcus erhält eine
pflegerische Versorgung, die das individuelle Krankheitsverständnis berücksichtigt,
die Lebensqualität fördert, die Wundheilung unterstützt und die Rezidivbildung von
Wunden vermeidet.
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Begründung: Chronische Wunden sind häufig Symptome einer chronischen
Krankheit, die maßgeblich den Alltag der betroffenen Person beeinflusst.
Sie führen, insbesondere durch Schmerzen, Einschränkungen der Mobilität, Wundexsudat
und -geruch, zu erheblichen Beeinträchtigungen der Lebensqualität.
Durch Anleitung und Beratung der Patienten/Bewohner und ihrer Angehörigen zu
alltagsorientierten Maßnahmen im Umgang mit der Wunde und den wund- und
therapiebedingten Auswirkungen können die Fähigkeiten zum gesundheitsbezogenen
Selbstmanagement so verbessert werden, dass sich positive Effekte für Wundheilung und
Lebensqualität ergeben. Des Weiteren verbessern sachgerechte Beurteilung und
phasengerechtVersorgung der Wunde sowie regelmäßige Dokumentation des Verlaufs
unter Berücksichtigung der Sichtweise der Patienten/Bewohner auf ihr Kranksein die
Heilungschancen.
Ergebniskriterien
Expertenstandard
DNQP 2015
Zeitgemässe Versorgungsangebote
fördern
Ziel 1.2:
Gesundheitsschutz komplettieren
Ziel 1.3: Gesundheitsförderung und
Krankeitsvorbeugung intensivieren
Ziel 2.3: Versicherte und Patienten/innen stärken
Ziel 3.3: Mehr und gut
qualifiziertes Gesundheitspersonal
Versorgungsqualität Ulcus cruris venosum
Das grösste Problem für Patienten mit Ulcus cruris
venosum / mixtum:
• Schmerzen
• Ausserhäusliche Mobilität
• Schuhe
• Bemängeln die Fokussierung auf Wundversorgung
und Kompressionstherapie
Heinen M., Persoon A. et al. 2007, Ulcer related problems and health care
needs in patients with venous leg ulceratipm. Int. Journal of nursing studies
Versorgungsqualität DFS
• Patienten wissen nicht genau was ein Fussulcus ist
(Gale et al. 2008)
• Nur wenige Patienten kennen den Zusammenhang
zwischen Rauchen und Risikofaktor für eine
Amputation (Feinglass et al. 2012)
• Patienten verstehen den Zusammenhang zwischen
Verletzung und schwierigen Wundheilungen nicht
und praktizieren riskante präventive Massnahmen
(Feinglass et al. 2012, / Gale et al. 2008)
Patientenorientierte Haltung
Kommunikation
Edukation
Gemeinsames Entscheiden
Eine Möglichkeit…
Versorgungsbedarf
zu erfassen…
Mikroebene
Möglichkeiten auf der Meta-Ebene:
3. Nationale Konferenz Gesundheit 2020
1.2. 2016, Bern
Thema:
• Fehlversorgung" im Sinne von nicht
angemessenen medizinischen und
pflegerischen Leistungen
Eine Möglichkeit…
Versorgungsbedarf
zu erfassen…
Fazit
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Technischer Fortschritt wird weitergehen
Kostenwachstum geht weiter
Alterspyramide «verschlechtert» sich weiter
Versorgungsprobleme kommen auf uns zu
Finanzierungsprobleme sind kaum zu vermeiden
Versorgungsansätze grundsätzlich überdenken
• Die Zukunft beginnt jetzt und sie ist schwierig
vorauszusagen...
Vision und Innovation im Gesundheitswesen
• Am Anfang einer Innovation steht immer eine
Vision
Wer ist da eigentlich zuständig?
Vision und Innovation im Gesundheitswesen
Wer ist da eigentlich zuständig?
1.
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Bund und Kantone (Politik)
Die Leistungserbringer / Dienstleister
Die Krankenversicherer
Ausbildungsinstitutionen / Forschung
Die Bevölkerung / Patienten
Verantwortung der Akteure: Strategie des
Bundesrates 2020
Marty F. Economiesuisse, 2013
Vision Pflege von Menschen mit Wunden
• Elektronische Informationsplattformen –systeme
werden innovativ genutzt
• Integrierte Versorgung / Managed Care Ansätze
holen alle Beteiligten ins Boot
• Transprofessionelle Zusammenarbeit ist möglich
und wird fair vergütet
• Der Behandlungs- und Pflegeprozess orientiert sich
an den Bedürfnissen des Patienten und ist auf den
grössten Nutzen des Menschen ausgerichtet
Stärke und Schnelligkeit sind nützlich
Koordination ist entscheidend
11.12. 2005:
Mit dem Fahrplanwechsel wird das im
Regionalverkehr schon seit einigen Jahren
bestehende Rauchverbot auf den Fernverkehr
und die geschlossenen Räume in den Bahnhöfen
ausgeweitet.
Sorgenbarometer 2005
• Eine Umfrage unter 23`592 Europäern, davon
2`506 Schweizern ergibt folgende Hauptsorgen
in der Schweiz
• Kostenexplosion im Gesundheitswesen
(82% gegenüber 66% im europäischen Durchschnitt)
• Umwelt, Arbeitslosigkeit, Rentensicherheit
(je 74%, in Europa grösste Sorgen)
• Persönliche Gesundheit (51%)
• Nationale Sicherheit (39%)
• Häufigkeit von Diabetes bei Personen zwischen
20 und 84 Jahren von bis zu 4,9 % bei Männern
und 3,7 % bei Frauen. Das entspricht auf die
ganze Schweiz bezogen einer Zahl von rund
300 000 Personen mit Diabetes.
Bopp M, Zellweger U, Faeh D. Routine Data Sources Challenge International Diabetes
Federation Extrapolations of National Diabetes Prevalence in Switzerland. Diabetes Care.
2011.
• In der Zeit zwischen 1990 und 2010 hat in den USA die
Zahl der Menschen mit Diabetes von 6,5 auf
20,7 Millionen zugenommen, d. h. 8 – 9 % der
amerikanischen Bevölkerung hat Diabetes.
• In diesen zwei Jahrzehnten hat die Zahl
diabetesbedingter Folgeschäden aber deutlich
abgenommen. Das Risiko, einen Herzinfarkt zu erleiden,
reduzierte sich um satte 68 % ! Die Zahl der Todesfälle
durch eine ernsthafte Entgleisung des Diabetes
(«Koma») ging um 64 % zurück. Hirnschläge wurden um
52 % seltener, Amputationen um 51 %. Auch das Risiko
für ein Nierenversagen ist um fast ein Drittel
zurückgegangen.
Strength of Evidence = A; (=2)
• Reposition all individuals at risk of, or with existing pressure ulcers, unless contraindicated.
Repositioning of an individual is undertaken to reduce the duration and magnitude
of pressure over vulnerable areas of the body and to contribute to comfort, hygiene,
dignity, and functional ability.
• Regularly reposition the older adult who is unable to reposition independently.
Strength of Evidence = A; (=4)
• Offer high calorie, high protein nutritional supplements in addition to the usual diet to
adults with nutritional risk and pressure ulcer risk, if nutritional requirements cannot
be achieved by dietary intake.
• Consider the pressure redistribution support surface in use when determining the
frequency of repositioning.
• Use a high specification reactive foam mattress rather than a non high specification
reactive foam mattress for all individuals assessed as being at risk for pressure ulcer
development.
• Consider the use of direct contact (capacitive) electrical stimulation to facilitate
wound healing in recalcitrant Category/Stage II pressure ulcers as well as any
Category/Stage III and IV pressure ulcers.
Hinweis zur Evidenz-Lage
• Die meisten pflegerischen Interventionen beruhen
auf Empfehlungen aufgrund klinischer Erfahrung von
Experten und Expertinnen. Es liegen ihnen keine RCTs
zugrunde.
(Margulies, 2011, Haut und -Nagelveränderungen in Margulies et al. Onkologische Krankenpflege)
• Die Patientenpräferenz und die Lebensqualität der
Betroffenen ist ein wesentlicher Teil der
Entscheidungsgrundlage zur Intervention.