Ben Jones/Jeremias Prassl Andreas Freundorfer/Elvira Hauska Nils

18. Jahrgang · Heft 2/2015 · März/April · Seiten 33–64 · PVSt 47561
Zeitschrift für
KonfliktManagement
Konfliktmanagement
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Mediation
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Verhandeln
Ben Jones/Jeremias Prassl
Verpflichtende Außergerichtliche Vermittlungsverfahren im Englischen Arbeitsrecht: ein erster
Erfahrungsbericht
36
Andreas Freundorfer/Elvira Hauska
Gerichtsnahe Mediation im Arbeitsrecht
Die Praxis am Arbeits- und Sozialgericht Wien
39
Nils Pelzer
Verbraucherschutz durch Schlichtung?
43
www.centrale-fuer-mediation.de
Anne-Christine Hlawaty
Diagnostik als Element der Qualitätssicherung bei
Mediationen im Arbeitsleben – Teil 2
56
H. Krabbe/M. Steinwender/G. Fürst
Kurz-Zeit-Mediation in einem Anlegerverfahren
60
Ne
Richtige
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Kohlhammer
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INHALT
EDITORIAL
Roland Proksch
35
GRUNDLAGEN UND ENTWICKLUNGEN
Ben Jones/Jeremias Prassl
Verpflichtende Außergerichtliche Vermittlungsverfahren im Englischen
Arbeitsrecht: ein erster Erfahrungsbericht
36
Andreas Freundorfer/Elvira Hauska
Gerichtsnahe Mediation im Arbeitsrecht
Die Praxis am Arbeits- und Sozialgericht Wien
39
Nils Pelzer
Verbraucherschutz durch Schlichtung?
„Berücksichtigung des geltenden Rechts“ nach dem geplanten
Verbraucherstreitbeilegungsgesetz
43
Gunter Dehr
Qualitäts- und Konfliktmanagement in Organisationen
Ziele und Konzepte für ein betriebliches Konfliktmanagementsystem
47
Katja Windisch
Fair und/oder gerecht? Fairnesskriterien in der Mediation
52
ARBEIT UND ORGANISATION
Ann Christine Hlawaty
Weniger ist mehr – Teil 2
Diagnostik als Element der Qualitätssicherung bei Mediationen im Arbeitsleben
56
PRAXISFALL
Heiner Krabbe/Michaela Steinwender/Gert Fürst
Kurz-Zeit-Mediation in einem Anlegerverfahren – ein Praxisfall
60
REZENSIONEN
Hans Helmut Bischof
Klowait/Gläßer (Hrsg.): Mediationsgesetz Handkommentar
63
Georg Berkel
William Ury: Getting to Yes With Yourself (and Other Worthy Opponents)
63
Impressum
64
ZKM – ZEITSCHRIFT FÜR KONFLIKTMANAGEMENT 2/2015
33
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Prof. Dr. Horst Eidenmüller LL.M., Ludwig-Maximilians-Universität München
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Prof. Dr. Reinhard Greger, RiBGH a. D., Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Dr. Jürgen Klowait, Rechtsanwalt, Ratingen
Prof. Dr. Angela Mickley, Fachhochschule Potsdam
Prof. Dr. Roland Proksch, ehem. Präsident der Ev. Fachhochschule Nürnberg
Peter Roethemeyer, Niedersächsisches Justizministerium, Hannover
Lis Ripke, Rechtsanwältin, Heidelberger Institut für Mediation
Dr. Hansjörg Schwartz, Dipl.-Psych., TGKS Oldenburg
Prof. Dr. Horst Zilleßen, MEDIATOR GmbH, Berlin
34
ZKM – ZEITSCHRIFT FÜR KONFLIKTMANAGEMENT 2/2015
EDITORIAL
EDITORIAL
Sehr geehrte Leserinnen und Leser,
mit ADR-RL EU vom 21.5.2013 über Alternative Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten führt die EU konsequent ihre
früheren Maßnahmen zur Förderung außergerichtlicher Streitbeilegungsverfahren fort.
ADR-RL verpflichtet die Mitgliedstaaten, Verbrauchern bei Streitigkeiten mit Unternehmen aus Kaufverträgen oder Dienstleistungsverträgen außergerichtliche Streitbeilegungsstellen (AS) zur
Verfügung stellen. Ihre Umsetzung erfordert und ermöglicht eine Förderung der Mediation im VerbraucherbereichSeit dem 10.11.2014 gibt es zur Umsetzung der ADR-RL einen
Entwurf des BMJV für ein Verbraucherstreitbeilegungsgesetz. Das VSBG soll die außergerichtliche Streitbeilegung in Deutschland fördern (Begründung S. 42, A III, 2 a). Auch Mediatoren könnten sich mit der Beilegung von Verbraucherstreitigkeiten befassen. Die Fallzahlen dürften gering ausfallen, meint der BMJV (Begründung, S. 40, A II, 2).
Diese Skepsis des BMJV gegenüber Mediation deutet daraufhin, dass der BMJV für AS
juristische Verfahren privilegiert und sie als „vereinfachte Rechtsschutzverfahren“ konzipiert. Dies widerspricht dem Grundgedanken der AS-RL. Sie versteht Mediation als zentralen Bestandteil einer nationalen ADR- Struktur.
Von weiteren Kritikpunkten am RefE-VSBG seien nur zwei angesprochen:
§ 2 Abs. 1 RefE-VSBG definiert Einrichtungen für Verfahren zur außergerichtlichen Beilegung zivilrechtlicher Streitigkeiten als „Verbraucherschlichtungsstelle“. Schlichtung ist jedoch nur eine Möglichkeit einer außergerichtlichen Streitbeilegung, neben Schiedsverfahren und neben Mediation. Die ADR-RL fordert diese Einengung auf „Schlichtung“ nicht.
In Anlehnung an § 5 RefE-VSBG, der die Streit vermittelnden Personen als „Streitmittler“
bezeichnet, wäre es konsequent, im VSBG durchgehend den Begriff „Streitmittlungsstellen“ statt Schlichtungsstellen zu verwenden.
Nach § 5 Abs. 2 RefE-VSBG müssen Streitmittler u.a. über „allgemeine Rechtskenntnisse“
verfügen, die für die Beilegung von Verbraucherstreitigkeiten erforderlich sind. Juristen
fordern, in § 5 Abs. 2 RefE-VSBG sicherzustellen, dass nur Volljuristen als Einzelschlichter
agieren. Der BMJV scheint dem nicht abgeneigt zu sein, wenn auf Beispiele verwiesen
wird, wo Schlichter (sic!) die Befähigung zum Richteramt besitzen müssen (Begr. § 5 II,
S. 55). Das fordert aber weder Art. 6 Abs. 1 a AS-RL („allgemeines Rechtsverständnis“),
noch Art. 11 AS-RL (Verbraucher dürfen durch die Streitregelung nicht rechtschutzlos
bleiben), noch ist dies nach § 2 Abs. 6 MedG für Mediation geboten. Für befriedende außergerichtliche Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten braucht es zuvörderst fundierte mediative Kompetenzen, wie dies der Gesetzgeber des § 6 MedG richtig sieht. Mediatoren nach MedG wie Streitmittler nach VSBG müssen aber über dieselben „Mittlungskompetenzen“ verfügen. Insoweit gebietet §5 Abs. 2 RefE-VSBG, die Verordnung über die
Ausbildung zum zertifizierten Mediator auf den Weg zu bringen, statt sie weiter wegen
der Umsetzung der AS-RL „auf die lange Bank zu schieben".
Ein Appell geht somit an den BMJV: Alternative Verfahren zur Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten nicht als „Rechtsschutz-“, sondern als „Vermittlungsverfahren“
konzipieren. Kompetenzen Mediator/Streitmittler und Verfahren grundsätzlich gleich regeln. Insoweit RefE-VSBG entsprechend überarbeiten.
Ihr
Prof. Dr. Roland Proksch
ZKM – ZEITSCHRIFT FÜR KONFLIKTMANAGEMENT 2/2015
35
GRUNDLAGEN UND ENTWICKLUNGEN
Ben Jones/Jeremias Prassl
Verpflichtende Außergerichtliche Vermittlungsverfahren im Englischen Arbeitsrecht: ein erster
Erfahrungsbericht
In England, Schottland und Wales wurde
2014 ein obligatorisches außergerichtliches Vermittlungsverfahren (Early Conciliation) eingeführt, das vor jeder Klage
beim Arbeitsgericht einzuleiten ist. Zuständig ist der Advisory, Conciliation and
Arbitration Service (ACAS), eine öffentlich geförderte, unabhängige Einrichtung.
Im folgenden Beitrag erläutern die Verfasser die neue Rolle von ACAS als verpflichtende Schlichtungsstelle für fast alle
individualarbeitsrechtlichen Streitigkeiten. Sie beleuchten die Hintergründe,
rechtliche Grundlage und tatsächliche
Handhabung des neuen Vor-Verfahrens.
Auf der Basis der ersten verfügbaren Informationen über die fast durchweg negativen Auswirkungen, die außergerichtliche Vermittlungsverfahren auf die Lösung
von Problemen am Arbeitsplatz haben,
ziehen die Verfasser vorläufige Schlussfolgerungen über den (Miss-)erfolg dieser
Innovation, die gerade den sozialschwächsten Arbeitnehmerinnen den Zugang zum Rechtsschutz erheblich erschwert.
1. Einleitung
Im Zuge des strengen Sparprogramms,
welches die Koalitionsregierung Großbritanniens im Jahr 2010 eingeführt hatte,
musste auch das Justizministerium ab
2014 seine Netto-Ausgaben um 23 % reduzieren.1 Eine der zentralen Optionen
der darauffolgenden Einsparungsstrategie
war die deutliche Senkung von Rechtsstreitigkeiten, welche vor öffentlichen Gerichten und Tribunalen geführt werden.
Dies sollte durch eine Kombination von
zwei Strategien erfolgen: erstens, die Einführung (oder Erhöhung) von Gerichtsgebühren, zweitens, indem potenzielle Prozessparteien dazu verpflichtet werden, vor
dem Gang zu Gericht alternative Streitbeilegungsverfahren (Alternative Dispute Resolution – ADR) anzustreben.
Für den Großteil aller Zivilprozesse ist
diese Art der Streitbeilegung privat zu arrangieren2 und zu einem gewissen Grad
optional3 (wenn auch mit potenziell erheblichen Kostenstrafen oder Sanktionen,
wenn Möglichkeiten zur außergerichtli36
chen
Lösung
nicht in vollem
Umfang ergriffen
wurden).4
Gleichzeitig gibt
es jedoch auch
eine zunehmende Tendenz zur
Bereitstellung
von alternativen
Ben Jones
Streitbeilegungsmechanismen, die nicht nur als optionale
Alternative zum Gerichtsverfahren, sondern als verpflichtende Vorstufe zur Einleitung herkömmlicher Verfahren zu sehen sind. In diesem Artikel diskutieren
wir die Einführung einer solchen gesetzlichen Regelung in Bezug auf individuelle
Arbeitsstreitigkeiten. Dieses System der
„obligatorischen frühen Schlichtung“ bietet kostenlose Schlichtungen beim britischen Beratungs-, Vergleichs- und
Schieds-Service (Advisory, Conciliation
and Arbitration Service – ACAS)5 als Voraussetzung für die Einleitung von Verfahren bei den Employment Tribunals
(Arbeitsgerichten der ersten Instanz). Es
wurde von der Regierung mit dem erklärten Ziel, die schnellere und billigere Beilegung von Arbeitsstreitigkeiten zu erreichen, eingeführt; vor allem in der Hoffnung, die „falschen Erwartungen“ von
Antragstellern in Bezug auf die potenzielle
Stärke ihrer Forderungen zu mindern.6
In diesem Artikel versuchen wir festzustellen, ob diese Regelungen ihre erhofften Ziele erreichen können. Dabei ist es
vor allem wichtig, ihre möglichen Auswirkungen auf den Zugang zum Rechtsschutz zu beachten. Wir schließen aus
den bisherigen Erfahrungen, dass Schlichtungsversuche durchaus von Vorteil sein
können, insofern einige Rechtsstreitigkeiten, die effektiv zu geringeren Kosten gelöst werden können, nicht mehr die tägliche Arbeit der Employment Tribunals belasten. Ihre verpflichtende Einführung jedoch, vor allem im Zusammenhang mit
der Einführung von erheblichen Gerichtsgebühren, hat eine relativ stark abschreckende Wirkung und damit einen negativen Einfluss auf den effektiven Rechtsschutz, insbesondere bei sozial schwa-
ZKM – ZEITSCHRIFT FÜR KONFLIKTMANAGEMENT 2/2015
chen, frisch gekündigten Arbeitern.7 Die verpflichtende Einführung einer facilitative method,
d.h. einer rein
vermittelnden
statt einer evaluierenden MeJeremias Prassl
thode, wie zum
Beispiel früher neutraler Bewertung (early
neutral evaluation), ist daher nicht der
beste Weg, um die Reduzierung an Fallzahlen unter gleichzeitiger Wahrung der
Balance zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinteressen zu erreichen.
2. Die Rolle von ACAS
ACAS, wie es heute existiert, ist die neueste Form einer Organisation, die in unterschiedlichen Erscheinungen seit dem späten 19. Jahrhundert existiert hat. Die Organisation erwarb ihren heutigen Ruf und
Status vor allem durch ihre beschwichtigende Vermittlerrolle in den massiven
englischen Arbeitskämpfen der 1970er
Jahre; ihre Funktionen wurden jedoch seit
1 HM Treasury, Spending Review 2010 (HMSO
Oct. 2010) p. 55, https://www.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/
file/203826/Spending_review_2010.pdf (letzter
Zugriff 14. Febr. 2015) Die tatsächliche Senkung
für das Budget-Jahr 2014-15 beträgt £ 286m.
2 Mit einigen Ausnahmen, welche im letzten Abschnitt dieses Artikels analysiert werden.
3 Per Dyson LJ in Halsey v Milton Keynes [2004]
EWCA Civ 576, vgl. aber den Zwang zum Ruhen
des Verfahrens in Wright v Michael Wright (Supplies) Ltd [2013] EWCA Civ 234.
4 Per Civil Procedure Rules Practice Direction
Pre-Action Conduct paras.4.1-4.6 und den Sanktionen in Thornhill v Nationwide Metal Recycling
Ltd [2011] EWCA Civ 919 und Nelson's Yard Management [2014] EWCA] Civ 235.
5 www.acas.org.uk (letzter Zugriff 14. Febr.
2015).
6 Department for Business, Innovation and Skills,
Earl Conciliation, Final Impact Assessment (Febr.
2014) paras. 16-17, https://www.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/
file/284042/bis-14-585-early-conciliation-impact-final.pdf (letzter Zugriff 14. Febr. 2015).
7 Im Interesse des Leseflusses wird auf eine gendergerechte Schreibweise verzichtet; soweit bei personenbezogenen Bezeichnungen nur der generische
Maskulin angeführt wird, sind Männer und Frauen
in gleicher Weise gemeint.
GRUNDLAGEN UND ENTWICKLUNGEN
damals regelmäßig von weiteren gesetzlichen Bestimmungen entwickelt und ergänzt. Trotz (oder vielleicht gerade wegen) ihrer fehlenden Jurisdiktionsgewalt
(abgesehen von eingeschränkten Möglichkeiten, einvernehmliche Schiedsverfahren durchzuführen) hat ACAS eine
zentrale Rolle sowohl in kollektiven als
auch in individuellen Auseinandersetzungen in den letzten fünfzig Jahren gespielt.
Offiziell gilt das ACAS als ein Organ
des Employment Tribunal Systems, obwohl seine Aktivitäten wesentlich vielfältiger sind. Im Gegensatz zum Tribunal Service ist ACAS nämlich eine quasi-autonome Körperschaft des öffentlichen Rechts,
die unabhängig von der Regierung operiert. Während das ACAS seinen heutigen
Namen und seine gesetzliche Grundlage
seit 1974 besitzt, geht sein eigentlicher Ursprung bis wesentlich vor der Gründung
der Industrial Tribunals im Jahre 1971 zurück: Unter verschiedenen Namen haben
diverse Vorläufer seit 1896 freiwillige
Schlichtung angeboten.
Zusätzlich zu seiner historischen
Hauptfunktion als Vermittlerin in kollektiven Arbeitsstreitigkeiten trägt ACAS eine Reihe von weiteren gesetzlichen Pflichten, welche allesamt auf seiner „allgemeinen Verpflichtung“, die Verbesserung der
Arbeitsbeziehungen zu fördern, auf8 Trade Union and Labour Relations (Consolidation) Act 1992, s.209.
9 Ebd. s.199. Diese Codes sind verfügbar unter
http://www.acas.org.uk/index.aspx?articleid=1878
und eigen von ihnen erlaubt den Gerichten, die
Preise bis zu 25 % anzupassen (ebd. s.207A).
10 Die im Gesetz erwähnt werden, siehe ebd.,
s.211.
11 Nach Schätzungen des Department for Business, Innovation and Skills, Workforce Management
Information (Sept. 2014) http://data.gov.uk/dataset/workforce-management-information-bis/resource/abcda2d2-5e94-475d-8adc-a3befe9153a0
(letzter Zugriff 15. Febr. 2015) und der ACAS, Anzahl der Nachwuchsmitarbeiter und Tarife 30/09/
2012
http://www.acas.org.uk/media/csv/k/6/
ACAS_-_07Nov2012-Junior-data.csv (letzter Zugriff 15. Febr. 2015).
12 Diese Ausnahmen sind angelegt in Regulation
3(1) of SI 254/2014.
13 Über die zentrale Website: ec.acas.org.uk (letzter Zugriff 15. Febr. 2015).
14 C.f. Charles Price, „Acas early conciliation
form changes and slanted market research“ (The
Employment Law Blog, 15. Jan. 2015) http://employmentlawuk.blogspot.co.uk/2015/01/acas-early-conciliation-form-changes.html (letzter Zugriff
15. Febr. 2015).
15 Eine spezielle Form der gesetzlich anerkannten
Abmachung durchsetzbar sowohl als Vertrag als
auch, weniger beschwerlich, durch ein beschleunigtes Verfahren, als wäre der Inhalt ein Beschluss des
Gerichts. Tribunals, Court and Enforcement Act
2007 s.142.
16 Eine Hardcopy der Abmachung wird den Parteien durch ACAS zur wechselseitigen Unterschrift
zugesandt, der Vertrag kommt allerdings bereits
mit der Annahme der vom Schlichter vorgeschlagenen Bestimmungen zustande.
bauen.8 Dazu gehören die Beratung von
Arbeitgebern, Gewerkschaften, und Arbeitnehmern; die Leitung von Untersuchungen zu allgemeinen oder speziellen
Themen im Bereich der Arbeitsbeziehungen; das Angebot eines kostenlosen
Schiedsverfahrens für potenziell ungerechtfertigte Entlassungen, und die Schaffung von sogenannten Best-Practice-Codes
für den Umgang mit individuellen sowie
kollektiven Arbeitsproblemen (wie zum
Beispiel mit Disziplinarfragen und anderen Beschwerden).9
Trotz dieses breiten Portfolios an
Funktionen besteht die primäre Funktion
von ACAS jedoch weiterhin in der
Schlichtung von Arbeitskonflikten. Der
Service beschäftigt ein Team von rund
300 bis 400 in Vollzeit tätigen Vermittlern10 sowie zusätzlich 200 bis 300 telefonischen Beratern, welche bei Anruf einer
'hotline' informelle Informationen und
Beratung über Schlichtungsmöglichkeiten
sowie gerichtliche Verfahren anbieten.11
3. Die Einführung der Vermittlungspflicht
Weil ACAS diese breite Expertise und Kapazitäten für die Handhabung sowohl kollektiver als auch individueller Streitigkeiten besitzt, wurde die Organisation zur
Administration eines neuen Systems der
obligatorischen frühen Vergleichsverfahren nach § 7 des Enterprise and Regulatory
Reform Act 2013 verpflichtet. Dieses System baut auf den bisherigen Bestimmungen des Employment Act 2002 auf, welche
die Verschiebung von bereits anhängigen
Verfahren erlauben, um das Ergebnis des
Vermittlungsverfahrens abzuwarten.
Dieses neue, obligatorische System
trat am 6. April 2014 in Kraft und ist nunmehr der erste Verfahrensschritt für jeden
Anspruch vor einem Employment Tribunal (dem primären Ort für die Lösung individueller Arbeitsrechtsprobleme). Nur
noch wenige Forderungen können ohne
solche Verhandlungen vorgebracht werden. Dabei handelt es sich um folgende
Fälle:
k die Forderung ist eine gemeinsame
Forderung mehrerer Arbeitnehmer,
und eine der anderen beteiligten Parteien hat bereits eine fehlgeschlagene
frühe Schlichtung erlebt;
k die Arbeitgeberin hatte ACAS bereits
eingeschaltet, ohne dass jedoch eine Einigung erreicht wurde;
k die Mitarbeiterin versucht, eine einstweilige Anordnung nach einer angeblich ungerechtfertigten Entlassung zu
erwirken;
k Gegenstand
des Verfahrens ist eine
Klage, die in keinem Zusammenhang
mit dem Zuständigkeitsbereich von
ACAS steht;
k es handelt sich um eine Klage gegen einen Arm des britischen Geheimdienstes, wie zum Beispiel den Secret Intelligence Service oder die Government
Communications
Headquarters
(GCHQ).12
4. Das Verfahren
Potenzielle Kläger müssen zunächst (mit
Unterstützung durch die ACAS-Hotline)
ein „Early Conciliation Notification Form“
ausfüllen.13 Nach Erhalt dieses Formulars
ernennt ACAS einen Schlichter, welcher
den Arbeitgeber (oder ehemaligen Arbeitgeber) per Telefon kontaktiert, um den
Inhalt der Beschwerde zu erklären. Darauf
folgt eine Periode (in der Regel von bis zu
einem Monat, potenziell länger und häufig kürzer) in welcher der Schlichter als
neutraler, unparteiischer, „Shuttle-Diplomat“ zwischen den Parteien verhandelt.
Der Schlichter sollte einzelne Parteien eigentlich nicht über ihre Rechtsstellung beraten; in der Praxis gibt es jedoch einige
Anhaltspunkte dafür, dass sie gelegentlich
außerhalb ihres Aufgabenbereichs agieren
und die Parteien über die Stärken und
Schwächen des Anspruchs der Arbeitnehmer beraten.14
Wenn die Conciliation zu einer
Schlichtungsvereinbarung führt, hat
ACAS die Möglichkeit, eine besondere
Form von Vergleich, genannt „COT3“,15
zu genehmigen. Im Rahmen dieser Vereinbarung, welche in Kraft tritt, sobald
sich die Parteien durch den Schlichter auf
alle Bedingungen geeinigt haben (egal ob
mündlich oder schriftlich), verzichtet der
potenzielle Antragsteller offiziell auf ihre
gesetzlichen Rechte, Klage zu erheben.16
Eine dennoch versuchte Antragstellung
würde von den Gerichten für unzulässig
befunden werden. Als Gegenleistung für
den Verzicht auf dieses Recht bietet das
COT3 dem Antragsteller den Vorteil einer
gesicherten Lösung, die nicht nur wie ein
Vertrag wirkt, sondern wie das Urteil eines Employment Tribunals vollstreckbar
ist.
Dies hat den wesentlichen Vorteil,
dass (ehemalige) Mitarbeiter kein Verfahren wegen Vertragsverletzung anstreben
müssen, wenn der Arbeitgeber das Abkommen nicht einhält (was bei den meisten anderen Formen der außergerichtlichen Einigung erforderlich wäre). Sie
können stattdessen die direkte Vollstreckung der außergerichtlichen Vereinbarung durchsetzen. Dies ist von besonderer
ZKM – ZEITSCHRIFT FÜR KONFLIKTMANAGEMENT 2/2015
37
GRUNDLAGEN UND ENTWICKLUNGEN
Bedeutung, da die meisten Mitarbeiter
nicht auf die Unterstützung eines rechtlichen Vertreters zählen können und Einigungen oft schlecht ausgearbeitet oder
gar zu Gunsten des Arbeitgebers verzerrt
sind.
Falls die Schlichtung scheitert, stellt
ACAS eine Bescheinigung über den Versuch, eine frühe Schlichtung zu erzielen,
an den Arbeitnehmer aus. Diese Bescheinigung enthält eine Kennzahl, welche
dann auf dem Antragsformular (ET1) für
Verfahren vor dem Employment Tribunal
angegeben werden muss. Jeglicher Versuch, ein ET1-Verfahren ohne die Einbeziehung einer solchen Bescheinigungsnummer zu beginnen, wird vom Gericht
nicht bearbeitet.
Darüber hinaus beginnen die relevanten Fristen wieder zu laufen, sobald ein
solches Zertifikat ausgestellt worden ist.
Es kann daher passieren, dass Antragsteller, die kurz vor dem Ende der 3-monatigen Verjährungsfrist waren, als die
Schlichtung begann, keine Zeit mehr haben, um ein Verfahren einzuleiten. Auch
für Antragsteller, welche ihre Schlichtung
prompt beginnen, besteht die reale Gefahr, die Frist zu versäumen. Die Berechnung des Schlusstermins für die Verjährung ist eine relativ komplizierte Aufgabe,
mit der unvermeidlichen Folge, dass es
oft mehrere Vorverhandlungen benötigt,
um festzustellen, ob das Verfahren rechtzeitig eingebracht worden war.17
Bevor wir nunmehr mit der Bewertung der Auswirkungen des neuen Systems beginnen können, ist es erwähnenswert, dass es eine bedeutende Ausnahme
im soeben beschriebenen Regime gibt.
Während Schlichtung heute ein wichtiger
Teil am Anfang eines Tribunal-Verfahrens ist, gibt es kein obligatorisches oder
offiziell angebotenes pre-action Verfahren
für Prozesse vor den herkömmlichen Zivilgerichten. Die Zuständigkeit der Zivilgerichte in Arbeitsrechtsfragen ist heute
stark eingeschränkt (da die Gerichte bemüht sind, es Antragstellern nicht zu ermöglichen, gesetzliche Regelungen durch
das common law zu umgehen, insbesondere im Fall von ungerechtfertigter Entlassung). Einige Forderungen (vor allem
Vertragsverletzungen außerhalb des Kontexts der einseitigen Kündigung)18 können jedoch immer noch beim County
Court oder High Court eingebracht werden (je nach Wert und Komplexität einzelner Forderungen), ohne vorher
Schlichtung zu versuchen.19
38
Supreme Court
Court of Appeal
Employment Appeal
Tribunal
The High Court
over
£100k
Employment
Tribunal
County Court
under
£100k
ACAS
Claimant
Route of Appeal
Initiate Claim
Abb.: Gerichts- und Schlichtungssystem
im Vereinigten Königreich
Vorläufige Schlussfolgerungen
Seitdem sie zur ersten offiziellen Phase in
arbeitsrechtlichen Verfahren wurde, ist
die ACAS early conciliation rasch zum
wichtigsten Mechanismus in individuellen Arbeitsklagen geworden. Trotz 6.000
bis 7.000 neuer Fälle pro Monat (ACAS'
eigenen Zahlen zufolge weigerten sich weniger als 10 % der Kläger, den Dienst in
Anspruch zu nehmen), gibt es jedoch bislang nur begrenzte Daten über die Durchführung und die Ergebnisse der neuen Regelung.20
Von den 37.407 Rückmeldungen im
Laufe der ersten sechs Monate kam die
große Mehrheit von Arbeitnehmern (mit
36.162 Meldungen), während nur 1.242
Meldungen von Arbeitgebern erstattet
wurden. Von all diesen Fällen wurde nur
in rund 18 % eine formelle Lösung durch
die Ausstellung eines COT3-Zertifikats erreicht. Weitere 58 % der Streitfälle endeten ohne Schlichtung, führten aber dennoch nicht zu einem Prozess vor dem Employment Tribunal. Nur 24 % der Forderungen, die ursprünglich bei ACAS begonnen hatten, endeten tatsächlich in
Prozessen.
Von ACAS in der Vergangenheit in
Auftrag gegebene Studien haben eine Reihe von praktischen Faktoren identifiziert,
welche das Erzielen von Kompromisslösungen behindern.21 Dazu gehörten
Schwierigkeiten, mit dem zugeordneten
Schlichter in Kontakt zu treten, unzureichende emotionale Unterstützung der
Klienten, der Bedarf an zusätzlicher Unterstützung bei sozial schwächeren Arbeitnehmer, wie beispielsweise solche mit
unzureichenden Sprachkenntnissen, und
nicht zuletzt die teils unzureichenden
ZKM – ZEITSCHRIFT FÜR KONFLIKTMANAGEMENT 2/2015
oder gar widersprüchlichen Ratschläge
über den Verlauf von Prozessen vor den
tribunals.22 Es ist bemerkenswert, dass
trotz der erheblichen Mehrbelastung von
ACAS durch die neu vorgeschriebene Bereitstellung von Schlichtungsberatung für
alle Prozessparteien keinerlei Erhöhung
an Finanzierungsmitteln vorgesehen ist,
um es dem Service zu ermöglichen, diese
neuen Anforderungen zu erfüllen.
Selbst wenn es mit den aktuell vorhandenen Daten nicht möglich ist, die
Auswirkungen einer Reihe von arbeitsrechtlichen Reformen der derzeitigen
Koalitionsregierung genau zu identifizieren, zeichnet sich ein negatives Bild sehr
deutlich ab. Die Tatsache, dass nur 24 %
der ursprünglichen Klagen vor Gericht
verhandelt werden (und nur 18 % der frühen Vermittlungsverfahren zu einer einvernehmlichen Lösung kommen), ist
nicht das Ergebnis einer besseren Einschätzung der Positionen potenzieller
Kläger. Stattdessen handelt es sich hauptsächlich um die Auswirkung neuer Gebühren von £ 250, die zusätzlich zu einer
weiteren Verfahrensgebühr von £ 950 vor
einer Entscheidung des Rechtsstreits zu
entrichten sind.23 Der Beweis, dass die
letztere, finanzielle Hürde für den Rückgang der Verfahrenszahlen ursächlich ist,
findet sich darin, dass es zwischen dem
dritten Quartal 2013 und dem dritten
Quartal 2014 keine wesentlichen Änderungen in der durchschnittlichen Erfolgsquote von neuen Klagen gab,24 während
17 Gisda Cyf v Barratt [2010] UKSC 41; J. Prassl,
„Interpreting Employment Protective Legislation:
Gisda Cyf v Barratt“ (2011) 40 Industrial Law Journal 103.
18 C.f. Johnson v Unisys Ltd [2003] 1 AC 518
(HL); Edwards v Chesterfield Royal Hospital NHS
Foundation Trust [2011] UKSC 58.
19 Aber wenn ein Anspruchsteller nicht in der
Lage ist, zu erklären, werhalb er dem ADR-Verfahren nicht zustimmt, kann dies zu Kostensantionen
nach den oben beschriebenen allgemeinen zivilprozessrechtlichen ADR-Regeln führen, s. Fn. 3.
20 ACAS, „Early Conciliation Update: April bis
Sept. 2014“ (19 Nov. 2014) http://www.acas.org.
uk/index.aspx?articleid=5069 (letzter Zugriff 12.
Febr. 2015).
21 ACAS, Forschungsbericht: Why Pre-Claim
Conciliation referrals become Employment Tribunal Claims (August 2012) http://www.acas.org.uk/
media/pdf/e/7/Why-Pre-Claim-Conciliation-referrals-become-Employment-Tribunal-claims-accessible-version.pdf.
22 Ebda.
23 Einschließlich Kündigungs- und Diskriminierungsverfahren (einfachere Fälle, wie bspw. nicht
bezahlte Löhne kosten lediglich £ 160, zzgl. einer
Prozessgebühr i.H.v. £ 230).
24 Daniel Boffrey, „Concern over „tax on justice“
for employees sparks coalition clash“ (The Guardian, 15. Febr. 2015), http://www.theguardian.com/
money/2015/feb/14/employment-tribunalsslump-fees-vince-cable (letzter Zugriff 15. Febr.
2015).
GRUNDLAGEN UND ENTWICKLUNGEN
die Zahl an Verfahren im gleichen Zeitraum um mehr als 60 % sank.25
Eine zweite und wesentlich plausiblere
Erklärung ist daher, dass die Erhebung
von hohen Gebühren viele Arbeitnehmer,
die die Summe von mehr als tausend
Pfund nicht zahlen können oder wollen,
davon abschreckt, Klagen zu erheben. Der
kleine Prozentsatz an Fällen, welche von
ACAS gelöst werden können, stellt eine
Mischung aus den stärksten und
schwächsten Ansprüchen dar, insofern als
Arbeitgeber in diesen Situationen am
ehesten versuchen, die Kosten für die
Vorbereitung eines vollen Prozesses zu
vermeiden. Dass der Rest der Fälle nicht
mehr oder weniger Aussicht auf Erfolg
aufweist als zuvor, ist insofern nicht überraschend, als die Reformen nicht dazu
dienen, Kläger mit neuem Wissen oder ei25 Ministry of Justice, „Tribunal and Gender Recognition Certificate Statistics Quarterly July to
Sept. 2014“ (MoJ 11. Dec. 2014) p. 7 https://
www.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/385759/tribunal-grcstatistics-quarterly-jul-sep-2014.pdf (letzter Zugriff
15. Febr. 2015).
26 Ebda.
27 Zu Alternativen in anderen Bereichen siehe z.B.
Child And Families, Act 2014 s.10.
nem Verständnis für die Erfolgsaussichten ihrer Ansprüche auszustatten.
Die unvermeidliche Asymmetrie zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern
wurde durch die Einführung neuer Gebühren erheblich verstärkt. Die neuen
Mechanismen zur Zwangsschlichtung
verschärfen diese Waffenungleichheit
weiter. Für einen skrupellose Arbeitgeber
existiert nunmehr eine klare Strategie,
Verhandlungen bei ACAS so lange wie
möglich hinaus zu zögern, um die begrenzten finanziellen Ressourcen der Arbeitnehmer zu erschöpfen. Erste Anzeichen deuten in der Tat darauf hin, dass es
vor allem die sozial schwächsten Kläger
sind, welche überproportional von fairen
Gerichtsprozessen abgehalten werden.26
Conclusio
Es ist höchst fragwürdig, ob die Einführung von verpflichtenden außergerichtlichen Vermittlungsverfahren im englischen Arbeitsrecht als eine positive Reform gesehen werden kann. Während die
Kosten der Employment Tribunals für die
öffentlichen Finanzen sich etwas verringert haben, scheint es sehr wahrschein-
lich, dass dies vor allem durch die Einführung von Gebühren beeinflusst wurde.
Angesichts der potenziellen Erfolge
von ADR ist dies bedauerlich. Die in diesem Artikel umrissene Entwicklung der
Arbeitsgerichtsbarkeit im Laufe der letzten Jahre ist daher mehr als alles andere
ein Mahnmal für das klare Versagen von
schlecht entworfenen Mediationsmechanismen für alle Seiten. Wie die Erfahrungen in anderen Bereichen gezeigt haben,
ist dies jedoch keine unvermeidliche Konsequenz;27 mit den bevorstehenden Wahlen im Mai 2015 besteht durchaus die
Hoffnung auf baldige Verbesserungen.
Dr. Ben Jones
Retained Lecturer in Law, Pembroke College, University of Oxford. M.A., M.Phil
(Cantab), D.Phil (Oxon)
[email protected]
Professor Jeremias Prassl
Associate Professor of Law, Magdalen
College and Faculty Law, and Research
Fellow, Institute for European and Comparative Law, University of Oxford. M.A.,
M.St. D.Phil, (Oxon), L.L.M. (Harvard)
[email protected]
Andreas Freundorfer/Elvira Hauska
Gerichtsnahe Mediation im Arbeitsrecht
Die Praxis am Arbeits- und Sozialgericht Wien
Die Vernetzung
von Mediation
und Gericht ist
ein wesentlicher
Baustein der institutionalisierten Konfliktbearbeitung. Dieser
Beitrag fasst die
Erkenntnisse eines bislang drei- Andreas Freundorfer
jährigen Projekts
gerichtsnaher Mediation am Arbeits- und
Sozialgericht Wien zusammen.
A. Vernetzung von Gericht und
Mediation
Seit der Zeit, in der sich Mediation als Beruf etablierte, gibt es Bestrebungen, Gerichte und Mediation miteinander zu ver1 Pramhofer, ZKM 2014, 79.
netzen. Parteien
bringen
nur
dann einen Konflikt vor Gericht,
wenn sie selbst
nicht mehr in
der Lage sind,
diesen allein zu
lösen. Durch die
Einbindung von
Elvira Hauska
Mediation in Gerichtsverfahren
eröffnet sich den Beteiligten eine zusätzliche Wahlmöglichkeit. In geeigneten Fällen können sie dadurch ihren Konflikt
mit Unterstützung von externen Mediatoren wieder selbst bearbeiten. Dieser Artikel beschreibt die Eckpunkte des Projekts
gerichtsnahe Mediation am Arbeits- und
Sozialgericht (ASG) Wien, in dem Richter
gemeinsam mit Mediatoren seit 2011 an
einer gezielten Vernetzung arbeiten. Die
Projektinitiatoren konnten bereits bei der
Anbahnung auf das Erfahrungswissen aus
einem vergleichbaren Projekt des Vereins
für gerichtsnahe Mediation VMG im Rahmen des Handelsgerichts Wien zurückgreifen.1
1. Das ASG Wien hat in Österreich eine
Sonderstellung. Als einziges Gericht
entscheidet es ausschließlich über
strittige Verfahren in arbeits- und sozialrechtlichen Fällen im Bundesland
Wien. Dies umfasst speziell folgende
Rechtsstreitigkeiten:
2. Individualarbeitsrechtssachen, wie z.
B. strittige Fragen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber in Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis
oder dessen Anbahnung
3. Betriebsverfassungsrechtliche Agenden, wie z.B. Streitigkeiten über den
Inhalt und den Umfang der Mitwirkungsrechte der Belegschaft und deren Vertretung durch den Betriebsrat
ZKM – ZEITSCHRIFT FÜR KONFLIKTMANAGEMENT 2/2015
39
GRUNDLAGEN UND ENTWICKLUNGEN
4. Sozialrechtsfälle, wie z.B. Klagen wegen
Sozialversicherungs- und Pflegegeldleistungen.
Im Jahr 2012 erledigten 42 Richterinnen und Richter des ASG 6.171 Arbeitsrechts- und 10.552 Sozialrechtsfälle. In
vielen der anhängigen Fälle werden die
Arbeitnehmer (meist als Kläger) durch
die Arbeiterkammer bzw. Gewerkschaft
vertreten oder erhalten Rechtsschutz
durch diese Institutionen mit Beistellung
eines Rechtsanwaltes. Die Projektgruppe
der Mediatoren bestand 2014 aus folgenden Personen: Herbert Drexler, Elvira
Hauska, Michael Kowarik, Stephan
Proksch und Barbara Wurz.
B. Auswahl und Typologie der
Mediationsfälle
In ersten Vorgesprächen zu dem Projekt
stimmten die Mediatoren des Projektteams und die Richter des ASG Wien
mögliche Falltypen ab, die sich für Mediation eignen können. Fälle aus dem Sozialrecht wurden dabei grundsätzlich ausgenommen, da hier beide Seiten kaum Anwendungsmöglichkeiten für die Mediation sahen. Im Bereich des Arbeitsrechts
gab es einige Anwendungsfelder, die das
Team der Mediatoren am Beginn des Projekts der Richterschaft im Zuge eines
Kick-off Termins im November 2011 zur
Diskussion stellte. Die wichtigsten Punkte
dabei waren:
k Gemeinsame Interessen über das Gerichtsverfahren hinaus, wie z.B. Erhaltung des Dienstverhältnisses
Vielschichtiger
Konflikt mit einer lank
gen erwarteten Verfahrensdauer vor
Gericht
k Vermeidung eines Imageschadens für
das Unternehmen
In der Praxis der mittlerweile dreijährigen Projektzeit bis Ende 2014 schlugen
12 Richterinnen und Richter des ASG
Wien in 24 Fällen Mediation vor. Dabei
ist zu erwähnen, dass ein Richter drei Mal
mehrere Gerichtsverfahren in einen Mediationsfall zusammenfasste. Einer dieser
Fälle betraf die Auflösung eines Transportunternehmens. Hier einigten sich die
Beteiligten in einem Mediationsverfahren,
das 18 Gerichtsverfahren beendete.2 Aus
den 24 Vorschlägen entstanden 16 Mediationen. In vier Fällen fanden die Parteien
bereits in der Gerichtsverhandlung, in der
über die Mediation beraten wurde, eine
Lösung. Vier Mal lehnten die Parteien eine Mediation im Gerichtsverfahren ab,
wobei in einem Fall nach dem abgeschlossenen Gerichtsverfahren eine Mediation
stattfand, siehe Abbildung.
40
Fallstatistik ASG 2011-2014
16 Mediationsfälle
24 Vorschläge
von Richtern
4EinigungderParteienbeider
Vorstellung der Mediation
oder unmittelbar danach
4 Verbleib am Gericht ohne
Mediation
In den meisten Fällen waren die
Hauptargumente der Medianten für die
Mediation eine rasche und kostengünstige
Lösung bestehender Konflikte, sowie die
Möglichkeit, alternative Themen in die
Konfliktbearbeitung mit aufzunehmen.
Wären die Verfahren weiterhin ausschließlich bei Gericht verhandelt worden,
wäre ein rechtskräftiges und damit endgültiges Urteil in vielen Fällen erst in
mehreren Jahren absehbar gewesen. Ein
nicht zu unterschätzendes Argument im
Arbeitsbereich ist die Zeugeneinvernahme. In mehreren Fällen wären in einem
Gerichtsverfahren prominente Kunden
als Zeugen vorgeladen worden. Dies hätte
in diesen Situationen zu einem deutlichen
Imageverlust des Unternehmens führen
können.
Die Mediationsfälle aus der Praxis lassen sich in vier unterschiedliche Falltypologien klassifizieren.
I. Fälle mit Beteiligung von
Betriebsräten
Konflikte zwischen Arbeitgeber bzw. Führungskräften und Arbeitnehmervertretern in einem Unternehmen haben einen
speziellen Stellenwert. Sie betreffen sowohl individuelle als auch kollektive Interessen. In vielen Fällen hängt auch die
wirtschaftliche Situation eines Arbeitgebers von der Zusammenarbeitsfähigkeit
mit seinen Betriebsräten ab. Dies ist vor
allem in finanziell schwierigen Zeiten von
großer Bedeutung, wenn es um die Planung und Umsetzung von gravierenden
Veränderungen geht. Natürlich gibt es
vielfältige rechtliche Bestimmungen. Dennoch kann eine gute Gesprächsbasis zwischen Betriebsrat und Geschäftsführung
nicht eingeklagt werden. In einem Mediationsverfahren können die Beteiligten dies
durchaus als Ziel formulieren. Daher ist
Mediation auch bei bereits gerichtsanhängigen Verfahren dieser Art immer eine
sinnvolle Alternative. In vielen Fällen war
hier auch die zuständige Gewerkschaft bereit, einen Kostenbeitrag für die Mediation zu übernehmen.
Die konkreten gerichtsanhängigen
Sachverhalte der Fälle dieses Typs waren
sehr unterschiedlich. In zwei Fällen klag-
ZKM – ZEITSCHRIFT FÜR KONFLIKTMANAGEMENT 2/2015
ten Betriebsräte den Zugang zu relevanten
Informationen im Personalbereich ein. In
einem Fall war dies kombiniert mit einer
zweiten Klage in Bezug auf die Umsetzung einer neuen kollektivvertraglichen
Regelung einer Nachtdienstzulage.3 Ein
Fall bestand aus mehreren Kündigungsanfechtungsklagen von unterschiedlichen
Dienstnehmern4 und einmal bekämpfte
der Betriebsrat eine Veränderung der Arbeitszeitregelung vor Gericht. Ein Mediationsverfahren in dem Bereich befasste
sich mit den Konflikten von acht unterschiedlichen Gerichtsverfahren, die ihren
Ausgang mit der Wahlanfechtung des neu
konstituierten Betriebsrats durch die Geschäftsführung nahm. Eine Mediation
beinhaltete Streitigkeiten zwischen unterschiedlichen Betriebsratsfraktionen.
II. Fälle im Zuge von Beendigungen
von Dienstverhältnissen
Werden Dienstverhältnisse ohne Einvernehmen beendet, so treten hier Konflikte
ans Tageslicht, die oft bereits lange vor einer Trennung aufgetreten sind. Im Zuge
eines Gerichtsverfahrens werden diese
zum Gegenstand des Prozesses. Die Klagen kamen in diesen Fällen immer vom
Dienstnehmer. Sie bezogen sich beispielsweise auf die Anfechtung der Kündigung
bzw. der Entlassung an sich, der Auszahlung von offenen Überstunden oder die
Formulierung von Dienstzeugnissen.
Auch Klagen hinsichtlich Mobbing bzw.
sexueller Belästigung waren Sachverhalte
in der Mediation. Die typische und oft
auftretende Fallkonstellation der Entscheidung über den Anspruch auf eine
Kündigungsentschädigung wurde nie in
ein Mediationsverfahren übergeleitet.
III. Fälle durch unerwünschte Versetzungen von Dienstnehmern
Die Klagen aufgrund von Veränderungen
von Aufgaben- und Verantwortungsgebieten von Dienstnehmern eignen sich insofern gut für die Mediation, weil in diesen Fällen das Dienstverhältnis aufrecht
bleibt. Sie kann Rahmenbedingungen klären, um für die Zukunft eine gute Basis
der weiteren Zusammenarbeit zwischen
Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu schaffen. Auch in diesem Sachverhalt wird
deutlich, dass die ungeliebte Versetzung
2 Proksch/Drexler, ZKM 2013, 159.
3 Hauska/Kaiser/Buchebner, Personal Manager
1/2015, http://www.elvira-hauska.at/downloads/
PersonalManager1_2015MediationversusRechtsprechung.pdf.
4 Hauska/Freundorfer, Österreichische Richterzeitung, 2014, 112.
GRUNDLAGEN UND ENTWICKLUNGEN
meist durch unterschiedliche Gründe verursacht wird, die in einer reinen Rechtsklärung nicht behandelt werden können.
In der Mediation ist es auch möglich,
neue akzeptierte Betätigungsfelder für
den betroffenen Mitarbeiter zu suchen. In
dem Fall kann eine gute Neueingliederung
in den Betrieb erfolgen.
IV. Streitigkeiten zwischen Unternehmen bzw. Gesellschaftsstreitigkeiten
In ausgewählten Fällen ist das ASG Wien
auch zuständig für gesellschaftsrechtliche
Streitigkeiten, wenn diese in Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis stehen.
Dies kommt zum Beispiel vor, wenn ein
angestellter Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung entlassen
wird, der gleichzeitig Minderheitsgesellschafter ist. Die gesellschaftsrechtlichen
Streitigkeiten können aber auch am Handelsgericht geführt werden, manchmal
parallel zum Arbeitsrechtsprozess am
ASG. Die komplexe Themenlage arbeitsrechtlicher und gesellschaftsrechtlicher
Ansprüche und der damit korrespondierenden wirtschaftlichen Interessen macht
in solchen Fällen eine Mediation besonders sinnvoll.
C. Fallüberleitungen von Gericht in
die Mediation und zurück
In der Regel strebt zumindest eine Konfliktpartei das Gerichtsverfahren – und
keine Mediation – an. Daher hängt der
Erfolg, ob sich ein als geeignet erachteter
Gerichtsfall in eine Mediation überführen
lässt, auch von der Art der Anbahnung
ab.
I. Das Mediations-Informationsgespräch vor Gericht
Ein erster Anhaltspunkt dafür, ob das gelingen kann, ist die Bereitschaft der Parteien zu einem Mediations-Informationsgespräch im Rahmen eines Gerichtstermins. In diesem Fall besteht eine grundsätzliche Offenheit der Parteien, die Methode der Mediation auch für ihren Konflikt zu nutzen. Mediatoren aus dem Projektteam stellen im Rahmen des Gerichtstermins je nach Bedarf das Mediationsverfahren an sich vor und stehen für konkrete Fragen zur Verfügung. Der Ablauf
des Informationsgesprächs hat einen richtungsweisenden Charakter, ob sich die
Konfliktparteien auf ein Mediationsver5 Hauska/Freundorfer, Österreichische Richterzeitung, 2014, 112.
fahren einigen können. Im Jahr 2012
wollten in drei Fällen die Parteien auch
nach dem Mediations-Informationsgespräch statt der Mediation das Gerichtsverfahren unmittelbar fortführen. 2014
hingegen entstand aus allen MediationsInformationsgesprächen bei Gericht auch
ein Mediationsverfahren, außer die Parteien einigten sich bereits im Zuge dieser
Vorgespräche und beendeten somit auch
das Gerichtsverfahren. Die wichtigsten
Lernerfahrungen aus diesen drei Jahren
Projektarbeit am ASG Wien waren folgende:
k Die zum Mediations-Informationsgespräch eingeladenen Mediatoren sind
natürlich vor Gericht gefordert, auch
ihre mediativen Kenntnisse direkt unter Beweis zu stellen. In diesem Zusammenhang ist es ein Zeichen ihrer
Professionalität, dass sie beim Auftreten inhaltlicher Streitgespräche eingreifen. Das Ziel des Erstgesprächs vor
Gericht ist die Klärung, ob eine Mediation sinnvoll ist und nicht die Lösung
des Ursprungskonflikts. Diesen Unterschied gilt es zu verdeutlichen.
k Menschen, die im Zuge eines Gerichtstermins Informationen zur Mediation
einholen, wollen im Zuge dessen klären, ob diese Methode auch für sie anwendbar ist. Üblicherweise will der
Kläger, manchmal auch der Beklagte
nach dem Termin noch Bedenkzeit dazu. Daher bewährte sich die Vorgehensweise von Vorgesprächen im Einzelsetting. Hier müssen sich die Parteien noch nicht vor Gericht darauf einigen, ob und unter welchen Rahmenbedingungen eine Mediation stattfindet. Diese Fragen werden im Zuge von
außergerichtlichen Einzelgesprächen
diskutiert und entschieden. Die beschriebene Vorgehensweise hat zwei
positive Effekte. Sie nimmt den unmittelbaren Entscheidungsdruck und verlegt ihn auf einen absehbaren Termin
in der Zukunft. Außerdem versetzt es
die Parteien in die Lage, dass sie sich
um die Mediation bewerben müssen.
Es ist ein wichtiger Punkt, in den Gesprächen darauf hinzuweisen, dass
auch die Mediatoren im Zuge der Vorgespräche zur Meinung kommen können, dass sich eine Mediation im konkreten Fall nicht eignet.
k Entgegen der weitläufigen Auffassung,
dass ein Mediationsverfahren jedenfalls alle betroffenen Gerichtsverfahren
unterbrechen muss, können im Einzelfall davon auch Ausnahmen gemacht
werden. So können bestimmte Sachverhalte eines Falles weiterhin vor Gericht verhandelt werden, wohingegen
andere in eine Mediation überführt
werden. Auch wenn es kurzfristig angesetzte Gerichtstermine zu einem in
der Mediation besprochen Sachverhalt
gibt, kann eine Mediation sinnvoll
sein. Es entsteht dadurch ein Einigungsdruck für die Medianten, um bis
zu dem angesetzten Gerichtstermin
einvernehmlich eine Lösung für ein
Teilproblem zu finden. In diesem Fall
kann um eine Verschiebung oder Stornierung des Gerichtstermins angesucht
werden. Dies hat sich besonders in den
Fällen von unmittelbarem Handlungsbedarf bewährt, wie beispielsweise der
Einsichtnahme der Betriebsräte in personalrelevante Dokumente.
II. ,Innehalten' des Gerichtsverfahrens
Einigen sich die Parteien auf eine Mediation oder auf Vorgespräche zur Mediation, so hat dies üblicherweise auch Konsequenzen auf das Verfahren vor Gericht.
Entsprechend der Zivilprozessordnung in
Österreich gibt es dazu zwei verschiedene
Möglichkeiten, das Ruhen des Verfahrens
oder die Erstreckung auf unbestimmte
Zeit.5 Während das Ruhen des Verfahrens
eine Wiederaufnahme innerhalb der folgenden drei Monate ausschließt, kann bei
der Erstreckung auf unbestimmte Zeit das
Gerichtsverfahren jederzeit wieder aufgenommen werden. Die Art der Unterbrechung ist auch für die weitere Einbindung
des Gerichts relevant. Beim Ruhen des
Verfahrens liegt es allein in der Verantwortung der Parteien und deren Vertreter, wann und ob das Gerichtsverfahren
weitergeführt wird. Bei der Erstreckung
auf unbestimmte Zeit hat auch der Richter den Akt noch auf seiner Evidenzliste
und ist daher daran interessiert, das Verfahren in einer gehörigen Zeit abzuschließen. Üblicherweise dauern gerichtsnahe
Mediationsverfahren des ASG Wien zwischen zwei und vier Monaten. Dies liegt
in der normalen Ausschreibungsfrist von
Gerichtsterminen. Daher kommt es normalerweise auch zu keinen Verzögerungen, wenn die Mediation nicht bei allen
Streitpunkten zu einer Einigung führt.
Als sehr zweckmäßig hat sich die Gewohnheit erwiesen, bereits im Gerichtsprotokoll schriftlich festzuhalten, dass die
Mediatoren das Datum des Beginns und
der Beendigung der Mediation dem zuständigen Richter mitteilen dürfen. Dies
ermöglicht es dem Richter, den Fortgang
der Mediation unmittelbar zu verfolgen,
um damit auch in seinem Bereich ehest
möglich notwendige Schritte zu setzen.
ZKM – ZEITSCHRIFT FÜR KONFLIKTMANAGEMENT 2/2015
41
GRUNDLAGEN UND ENTWICKLUNGEN
Wie bereits oben beschrieben, kann es
auch sinnvoll sein, Gerichtstermine trotz
Mediation anzusetzen. Hybridverfahren
ermöglichen die parallele Bearbeitung gerichtsanhängiger Konflikte. Rechtsorientierte Themen können weiterhin gerichtlich verhandelt werden, darüber hinaus
gehende Konflikte während der Mediation. Verschiebungen bzw. Verzichte auf
bestehende Gerichtstermine sind jedenfalls durch die bevollmächtigte Partei
bzw. deren Rechtsvertretung vorzunehmen und den anderen Beteiligten – auch
dem Mediationsteam – mitzuteilen. Die
grundsätzliche Entscheidung zu einem
Hybridverfahren, sowie die Art und Weise, wie weit gerichtliche Termine bzw.
Verhandlungen mit der Mediation vereinbar sind, ist im Einvernehmen zu treffen.
Auch eventuelle Änderungen dieser Vereinbarungen sind im Rahmen der Mediation zu klären.
III. Nach dem Ende der Mediation
Auch wenn die Mediation zu einer Einigung in allen Konfliktthemen führt, kann
das gesamte Verfahren in einer gerichtlichen Tagsatzung finalisiert werden. Es
wird dann ein gerichtlicher Vergleich
über die erzielten Vereinbarungen abgeschlossen, die dadurch vollstreckbar werden. Vor allem bei komplexeren Vereinbarungen empfiehlt sich ein schriftlicher
Vertrag, den die anwaltlichen Parteienvertreter aufbauend auf der Punktation
der Mediation verfassen. Der Richter erhält in dem Fall eine Ruhensanzeige.
Bleibt diese aus, kann der Richter einen
Termin ausschreiben. Wenn dieser von
den Parteien nicht besucht wird, dann
tritt ebenfalls Ruhen ein und der Fall wird
von der Evidenzliste des Richters entfernt.
Gibt es nach dem Ende der Mediation
noch offene Rechtsfragen, so können die
Parteien das Gerichtsverfahren ohne weitere Formalitäten wieder aufnehmen.
D. Zusammenfassung und Ausblick
Das Projekt gerichtsnahe Mediation am
ASG Wien ist ein Modell zur Vernetzung
42
von Gericht und Mediation. Rund ein
Viertel der Richterschaft startete zumindest einen Versuch, einen gerichtsanhängigen Fall auch zur Mediation vorzuschlagen. Das Projekt umfasst allerdings nicht
nur das Angebot einer Gruppe von Mediatoren, gratis für ein Erstgespräch im
Rahmen von Gerichtsverhandlungen zur
Verfügung zu stehen. Im Laufe der drei
Jahre fanden unterschiedliche Aktivitäten
zum wechselseitigen Kennenlernen statt.
Dabei stand der Informationsfluss im
Vordergrund. Einerseits war es den Mediatoren wichtig, Vorbehalte und Bedenken der Richterschaft kennen zu lernen.
Dadurch konnten die Aktivitäten konkreten Erfordernissen angepasst werden.
Durch die persönlichen Kontakte ergab
sich nicht nur ein zusätzliches Wissen der
Richter über Mediation und deren Einsetzbarkeit. Es entstand auch in mehreren
Fällen ein persönliches Vertrauensverhältnis zwischen Richtern und Mediatoren. Diese Basis ist eine wesentliche Komponente für die Zusammenarbeit.
Anhand der 16 Mediationsfälle lassen
sich einige Erfolgsfaktoren für die gerichtsnahe Mediation im Arbeitskontext
ableiten:
k Die Art der Übergabe durch das Ge-
richt hat einen deutlichen Einfluss auf
das Geschehen in der Mediation. Kann
der Richter oder die Richterin eine
diesbezügliche Empfehlung gut begründen, ist auch das Mediationsverfahren erfolgsversprechender. Die Parteien wählen in diesem Fall die Option
Mediation bewusst, weil sie sich einen
realen Vorteil davon versprechen.
k Weichen die konkreten bearbeitbaren
Themen und Ziele der Parteien in der
Mediation wenig bis gar nicht von den
zu klärenden Rechtsfragen ab, so ist es
meist besser, diese Frage weiterhin vor
Gericht zu klären. Vor allem dann,
wenn die gemeinsame Formulierung
allgemeiner Ziele, wie beispielsweise
die Verbesserung des Gesprächsklimas, möglich ist, dann gibt es weitaus
größere Chancen einer Einigung im
Zuge einer Mediation. Daher empfiehlt
ZKM – ZEITSCHRIFT FÜR KONFLIKTMANAGEMENT 2/2015
sich für Mediatoren, die in diesem Arbeitsfeld tätig sind, die Parteien dabei
zu unterstützen.
k Je nach Fallkonstellation kann es auch
sinnvoll sein, Mediation- und Gerichtsverfahren parallel in einem Hybridverfahren aufzusetzen. So kann
sukzessive an die Mediation herangeführt werden, ohne dass die Parteien
auf die Vorteile des Gerichtsverfahrens
verzichten müssen. Dies erleichtert
den Parteien den Einstieg in die Mediation und sichert eine zügige Abwicklung.
Die Erfahrungen aus dem ASG Wien
Projekt zeigen, dass es durchaus abgrenzbare Einsatzbereiche für die Mediation im
Arbeitsrecht gibt. Es erfordert jedoch
noch deutlich mehr Bewusstseinsarbeit,
um als echte Alternative zum Gerichtsverfahren Anerkennung zu finden. Daher
plant das Projektteam in Zukunft eine
weitere Vernetzung mit Interessensvertretern. Dennoch erreichte das Projekt anhand der drei Jahre Fallarbeit im Arbeitsrecht bereits eine namhafte Zahl an Experten. So sind nicht nur die Medianden
und Richter sensibilisiert, sondern auch
die facheinschlägigen Rechtsanwälte und
die Laienrichter, die bei jedem Gerichtsverfahren am ASG Wien beigezogen werden. Welche Effekte das für eine weitere
Verbreitung der Mediation hat, kann jetzt
noch nicht eingeschätzt werden. Dennoch
kristallisiert sich ein Themenspektrum
heraus. Vor allem dann, wenn die Klärung einer Rechtsfrage nicht zur Beilegung des ursprünglichen Konflikts führt,
ist Mediation eine sinnvolle Ergänzung.
Mag. Andreas Freundorfer
Richter am ASG Wien
[email protected]
Dr. Elvira Hauska
KonfliktManagement, Schwerpunkte:
Evaluierung, Mediation und Coaching,
Baden bei Wien
[email protected]
GRUNDLAGEN UND ENTWICKLUNGEN
Nils Pelzer
Verbraucherschutz durch Schlichtung?
„Berücksichtigung des geltenden Rechts“ nach dem geplanten Verbraucherstreitbeilegungsgesetz
Seit Anfang November 2014 liegt der Referentenentwurf für ein geplantes Verbraucherstreitbeilegungsgesetz (VSBG-E)
vor. Mit diesem will der deutsche Gesetzgeber die Richtlinie über Alternative
Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten (AS-RL) umsetzen – die Frist dafür läuft bis zum 9. Juli 2015. Wie von
Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie gefordert,
sieht der Entwurf die flächendeckende
Gewährleistung von Verbraucherschlichtungsstellen vor, welche bestimmten Qualitätsanforderungen genügen müssen. Inwiefern diese verpflichtet sind, sich an
materielles Verbraucherschutzrecht zu
halten, untersucht der vorliegende Beitrag.
A. Einführung in die Problematik
Ein Hauptthema der – langsam aufkeimenden1 – Diskussion um die Richtlinie2
war bisher, inwieweit diese allgemeine
Einführung von Schlichtungsstellen zwingendem Verbraucherrecht zur tatsächlichen Durchsetzung verhelfen kann. Bisher hat man die drohende Einbuße an
Verbraucherschutzstandards vielerorts
beklagt,3 allerdings nur selten konstruktive Umsetzungsvorschläge erörtert.4 Es
stellt sich nun aber vorrangig die Frage,
wie man vorhandene Spielräume der
Richtlinie so gut wie möglich nutzt. Art. 2
Abs. 3 S. 2 AS-RL lässt die Einführung höherer Standards und damit eine sog. überschießende Umsetzung ausdrücklich zu.
1 Die juristische Öffentlichkeit hat die Problematik
erst spät wahrgenommen, s. Hess in Dethloff et al.
(Hrsg.), Freiwilligkeit, Zwang und Gerechtigkeit im
Kontext der Mediation, Frankfurt/M. 2013, 25
(43 f.); vgl. a. Hayungs, ZKM 2013, 86 (90); Deutlmoser/Engel, MMR 2012, 433 f.; sowie neuerdings
M. Stürner/Gascón Inchausti/Caponi (Hrsg.), The
Role of Consumer ADR in the Administration of
Justice, München 2015.
2 RL 2013/11/EU.
3 Roth, JZ 2013, 637 (643); Eidenmüller/Engel,
ZIP 2013, 1704; Meller-Hannich/Höland/Krausbeck,
ZEuP 2014, 8 (35); Rühl, RIW 2013, 737; Wagner, CMLR 2014, 165 (179, 188, 194).
4 Soweit ersichtlich nur bei Berlin, Alternative
Streitbeilegung in Verbraucherkonflikten, BadenBaden 2014, S. 333; s.a. Hayungs, ZKM 2013, 86
(90).
5 Online verfügbar unter http://www.bmjv.de/
SharedDocs/Downloads/DE/pdfs/Gesetze/E%
20zum%20Verbraucherstreitbeilegungsgesetz.pdf,
Der Referentenentwurf5 trifft
dabei
eine
grundlegende
Weichenstellung:
Er lässt nämlich
keine Verfahren
zu, die mit einer
Entscheidung
enden, die für
Nils Pelzer
den Verbraucher
bindend ist (§ 4
Abs. 2 VSBG-E).6 Dies ist zu begrüßen, da
man andernfalls in der Tat eine befürchtete Justiz zweiter Klasse schaffen würde.7
Das Leitbild des VSBG-E ist vielmehr das
eines schriftlichen8 Schlichtungsverfahrens, das mit einem Lösungsvorschlag endet.9 Ombudsmannverfahren, in denen
sich der Unternehmer (bis zu einem bestimmten, vorher festgelegten Streitwert)
im Vorhinein dem Schlichterspruch unterwirft, sind ebenfalls umfasst.10
Dies hat auf der anderen Seite zur
Konsequenz, dass das in Art. 11 Abs. 1
AS-RL statuierte Prinzip der „Rechtmäßigkeit“ nicht anwendbar ist: Es gilt nur
für Verfahren, in denen dem Verbraucher
eine Lösung „auferlegt“ wird. In diesem
Fall sind die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass der
Verbraucher nicht den Schutz verliert,
den ihm zwingendes Verbraucherschutzrecht gewährt.
Stand: 11.11.2014. Dazu bereits Lemmel, ZKM
2015, 22 ff. sowie Berlin, ZKM 2015, 26 ff.
6 Vgl. ErwG 21 sowie Art. 2 Abs. 1 AS-RL.
7 Ähnlich auch Hirsch, NJW 2013, 2088 (2092);
Berlin, ZKM 2013, 108 (111).
8 Dazu kritisch R. Stürner, ZZP 127 (2014), 271,
320 f.
9 Dies ist allerdings nicht zwingend, vgl. VSBG-E
S. 63.
10 Vgl. § 17 Abs. 4 VSBG-E sowie Art. 9 Abs. 3,
10 Abs. 2 S. 2 und ErwG 49 AS-RL. Ob man in
diesem Fall noch von Schlichtungsverfahren sprechen kann, ist allerdings zweifelhaft. Die Rechtsnatur einseitig bindender Ombudsmannverfahren diskutiert Süß, Streitbeilegungsmechanismen im Verbraucherrecht, Frankfurt/M. et al. 2011, S. 196 ff.;
vgl. auch Greger/Stubbe, Schiedsgutachten, München 2007, Rn. 286 ff.; kritisch R. Stürner, ZZP
127 (2014), 271 (320): „Gefahr eines institutionalisierten rechtlichen Lockvogelangebots“. Vor dem
Hintergrund dieser Unsicherheiten erscheint eine
gesetzliche Normierung wünschenswert.
Klar ist aber, dass auch von rechtlich
unverbindlichen Lösungsvorschlägen11 eine faktische Bindungswirkung ausgehen
kann,12 auch wenn die Annahme sowohl
für den Verbraucher als auch den Unternehmer freiwillig ist. Dem mag man entgegensetzen, dass das Verbraucherschutzniveau bereits dann erhöht werden würde, wenn Streitigkeiten, bei denen der
Verbraucher bislang aus verschiedenen
Gründen untätig geblieben war, nun
durch einen Kompromiss vor der Schlichtungsstelle gelöst würden.13 Andererseits
könnten – einfach ausgedrückt – Verbraucher verstärkt Schlichtungsstellen anstatt der Gerichte anrufen. Kompromissvorschläge, die in einem auf Prinzipien
statt Rechtsvorschriften basierenden Verfahren zustande gekommen und auf Billigkeitserwägungen gestützt sind, drohen
dann durch falsche Anreizsetzung den
Verbraucherschutzstandard zu verwässern.
B. Die Lösung des VSBG-E
Rechtspolitisch erscheint es deshalb wünschenswert, dass auch bloße Schlichtungsempfehlungen, die den Verbraucher
nicht binden, sich maßgeblich an rechtlichen Kriterien zu orientieren haben. Diesen Gedanken aufgreifend und im Einklang mit Schlichtungsordnungen bereits
bestehender Verbraucherschlichtungs-
11 Nach der Richtlinie ist auch eine „echte“ Mediation in Verbrauchersachen möglich, vgl. Art. 2
Abs. 1. Allerdings sind Verbrauchermediationsverfahren typischerweise Massenverfahren, bei denen
sich eine interessenbasierte Mediation i.d.R. nicht
anbietet, s. Hess, ZZP 118 (2005), 427, 442. Dagegen führen Beschwerdestellen regelmäßig reine
Vermittlungstätigkeiten durch. Hierbei wird man
keine Verpflichtung der Schlichtungsstelle annehmen können, einen ohne ihr weiteres Zutun allein
zwischen den Parteien geschlossenen Vergleich auf
Rechtmäßigkeit zu prüfen. Die Verantwortung liegt
in diesem Fall allein bei den Parteien, so auch Berlin, s. Fn. 4, S. 333.
12 So zu Recht bereits Nicklisch in FS Bülow,
1981, 159, 176. Dies ist auch ein Hauptgrund dafür, weshalb prozessuale Mindestgarantien für Verbrauchermediationsverfahren existieren, dazu Hess,
ZZP 118 (2005), 427 (443).
13 Vgl. Hayungs, ZKM 2013, 86 (90); ähnlich
Deutlmoser/Engel, MMR 2012, 433 (438).
ZKM – ZEITSCHRIFT FÜR KONFLIKTMANAGEMENT 2/2015
43
GRUNDLAGEN UND ENTWICKLUNGEN
stellen14 sieht der VSBG-E in § 17 Abs. 1
nun folgende Vorschrift vor:
Hat der Streitmittler nach der Verfahrensordnung den Parteien einen Vorschlag zur Beilegung der Streitigkeit
(Schlichtungsvorschlag) zu unterbreiten,
so beruht dieser auf der sich aus dem
Streitbeilegungsverfahren
ergebenden
Sachlage und berücksichtigt das geltende
Recht. Der Schlichtungsvorschlag ist mit
einer Begründung zu versehen.
Allerdings muss die Schlichtungsstelle
die Parteien sogar zweimal darüber informieren, dass ein Schlichtungsvergleich
„von dem Ergebnis eines gerichtlichen
Verfahrens abweichen kann“: zum einen
„vor der Durchführung des Streitbeilegungsverfahrens“ (§ 15 Abs. 1 Nr. 3
VSBG-E), zum anderen „mit Übermittlung des Schlichtungsvorschlags“ (§ 17
Abs. 3 S. 1 a.E. VSBG-E).
Dies scheint auf den ersten Blick widersprüchlich: Zum einen ist der Schlichter nicht im gleichen Maße rechtlich gebunden wie ein Gericht, zum anderen ist
er jedoch „verpflichtet, seinen Vorschlag
am geltenden Recht auszurichten und dabei insbesondere zwingende Vorschriften
des vertraglichen Verbraucherschutzes zu
berücksichtigen.“15 Fraglich ist hierbei vor
allem, was „berücksichtigen“ bzw. „ausrichten“ bedeutet und inwieweit der Vorschrift damit ein positiver (und letztlich
justiziabler) Regelungsgehalt zukäme, damit sie nicht zum bloßen Programmsatz
verkommt.
C. Wirksamkeit eines Vergleichs
Es ist davon auszugehen, dass eine
Schlichtungsstelle nur solche Einigungsvorschläge unterbreiten darf, die zu einem
rechtswirksamen Vergleich zwischen Unternehmer und Verbraucher führen können. Zunächst ist daher zu klären, ob ein
auf Grundlage der Schlichtungsempfehlung abgeschlossener Vergleich (§ 779
BGB),16 der von zwingendem Verbraucherschutzrecht abweicht, überhaupt
wirksam ist. Diese logische Vorfrage ist
unabhängig davon zu beantworten, ob eine Schlichtungsaktivität der Beschwerdestelle vorliegt. Im Anschluss daran ist zu
klären, welche Möglichkeiten bestehen,
eventuelle Pflichten der Schlichtungsstellen durchzusetzen.
Zur Erläuterung sollen folgende zwei
Beispielsfälle dienen:
1. Verbraucher V kauft bei Onlinehändler
U einen Eierkocher. Zwölf Tage nach Erhalt des Geräts erklärt V den Widerruf des
Kaufvertrages und sendet es zurück. U weigert sich, den Kaufpreis zurückzuzahlen
44
mit der Begründung, der Widerruf sei erst
nach 15 Tagen bei ihm eingegangen. V
schaltet die zuständige Schlichtungsstelle
ein. Diese schlägt vor, dass V statt des
Kaufpreises einen Warengutschein bei U in
gleicher Höhe erhalten solle. U und V sind
einverstanden. Am nächsten Tag bereut V
sein Einverständnis.
2. Wie oben. Allerdings behauptet U statt
einer angeblichen Verfristung nun, V habe
den Eierkocher schon in Gebrauch genommen und schulde deshalb Wertersatz. V erklärt gegenüber der Schlichtungsstelle, er
habe ihn lediglich auf seine Funktionsfähigkeit überprüft. Die Schlichtungsstelle
kann den Sachverhalt nicht weiter aufklären. Sie schlägt deshalb wieder vor, dass U
dem V einen Warengutschein in Höhe des
Kaufpreises zukommen lasse. Beide sind
einverstanden; am nächsten Tag reut V
seine Zustimmung.
I. Verbrauchsgüterkaufverträge
Für Verbrauchsgüterkaufverträge regelt
§ 475 Abs. 1 S. 1 BGB, dass lediglich „vor
Mitteilung eines Mangels an den Unternehmer“ ein Abweichen von zwingenden
Vorschriften unzulässig ist. Nach der Mitteilung – also in den hier relevanten Fällen – kann der Verbraucher durch Vergleich auf seine Rechte verzichten,17 sich
bspw. auf eine Preisminderung beim Kauf
einer anderen Sache einlassen.18 Der Verbraucher ist nicht verpflichtet, seine bestehenden Rechte auch geltend zu machen.19 Dem liegt, so wird vertreten, sogar
die Grundauffassung des europäischen
Verbraucherschutzrechts zugrunde, nach
welcher die Parteien ihr Rechtsverhältnis
frei gestalten dürfen, wenn beide Seiten
die Konsequenzen ihrer Entscheidung absehen können.20
II. Verbraucherverträge i.S.v. § 310
Abs. 3 BGB
Für Verbraucherverträge sieht nunmehr
§ 312k Abs. 1 BGB21 vor, dass von gewissen zwingenden Vorschriften – wie z.B.
dem Widerrufsrecht bei Fernabsatzverträgen – nicht zum Nachteil des Verbraucher
abgewichen und dies auch nicht durch
anderweitige Gestaltungen umgangen
werden darf. Ähnliche Vorschriften existieren in §§ 487 und 511 BGB. Hier wird
die Frage nach der Rechtmäßigkeit eines
abweichenden Vergleichs unterschiedlich
beurteilt.
Mit dem Argument des Effektivitätsgrundsatzes des Unionsrechts lässt sich
vertreten, halbzwingendes Verbraucherrecht sei auch nach Entstehen einer Streitigkeit nie disponibel;22 es fehle schlicht
ZKM – ZEITSCHRIFT FÜR KONFLIKTMANAGEMENT 2/2015
an der Verfügungsbefugnis.23 Abweichungen von zwingendem Recht sind damit
nicht möglich.
In Fall 1 ist die Rechtslage klar. Da zur
Fristwahrung die rechtzeitige Absendung
des Widerrufs genügt (§ 355 Abs. 1 S. 5
i.V.m. § 356 Abs. 2 Nr. 1 lit. a BGB),
kommt es auf die Zeit des Zugangs nicht
an. Gemäß § 357 Abs. 1, 3 S. 1 BGB muss
U den Kaufpreis zurückgewähren. Ein
Warengutschein stellt V insoweit rechtlich schlechter als die gesetzliche Regelung, obwohl er für V wirtschaftlich genauso viel wert sein könnte.
Auch in Fall 2 ist der Vergleich nach
dieser Ansicht wohl unwirksam, da von
der gesetzlich vorgesehenen Rechtsfolge
abgewichen wird. Allerdings ist diese Lösung nicht unbedingt vorteilhaft für V:
Stellt sich in einem anschließenden Gerichtsverfahren heraus, dass dieser tatsächlich Wertersatz schuldete, so steht er
bei korrekter Rechtsanwendung schlechter als durch den Vergleich. Außerdem
14 Vgl. bspw. § 9 Verfahrensordnung (VerfO) des
Ombudsmanns für Versicherungen; § 6 Abs. 1 S. 2
VerfO der Schlichtungsstelle für öffentlichen Personenverkehr; § 4.1 S. 2 Schlichtungsordnung des
Online-Schlichters; siehe dazu Berlin, s. Fn. 4,
S. 239 (253, 265). Weiterhin etwa Nr. 4 Abs. 4
S. 3 f. VerfO des Ombudsmanns der privaten Banken, http://bankenverband.de/publikationen/ods/
ombudsmann-verfahrensordnung/ombudsmann-verfahrensordnung/download; Nr. III Abs. 4 S. 1
VerfO des Ombudsmanns des Verbands öffentlicher
Banken,
http://www.voeb.de/download/verfahrensordnung-2013 oder § 9 VerfO der Nahverkehr
Schlichtungsstelle Niedersachsen und Bremen
(Nahverkehr SNUB), http://www.nahverkehr-snub.
de/fileadmin/snub/downloads/pdf/Verfahrensordnung.pdf.
15 VSBG-E S. 63, vgl. auch § 14 Abs. 2 S. 3
UKlaG i.d.F. des VSBG-E: „[Die Schlichter] sollen
[!] ihre Schlichtungsvorschläge am geltenden Recht
ausrichten und sie sollen insbesondere die zwingenden Verbraucherschutzgesetze beachten“.
16 Im Einzelfall kann es sich auch um einen Erlassvertrag (§ 397 BGB), ein abstraktes Schuldanerkenntnis (§ 781 BGB) o.ä. handeln – die rechtliche
Problematik ist allerdings gleichartig.
17 S. nur BT-Drucks. 14/6040, S. 244; Magnus
in Grabitz/Hilf/EU-Recht, 2007, Art. 7
VerbrGKRL Rz. 5; Lorenz in MünchKomm/BGB,
2012, § 475 BGB Rn. 11; a.A. wohl Habersack in
MünchKomm/BGB, 2013, § 779 BGB Rn. 11.
18 Stijns/Van Gerven in Grundmann/Bianca/EUKaufrechts-Richtlinie, 2002, Art. 7 Rz. 16.
19 Ebd. Magnus in Grabitz/Hilf/EU-Recht, 2007,
Art. 7 VerbrGKRL Rz. 5.
20 Magnus ebd.
21 Seit 13.6.2014, vgl. BGBl. I S. 3642. Ursprünglich durch SMG in § 312 f BGB geregelt; ab
4.8.2009 in § 312g BGB; ab 4.8.2011 dann in
§ 312i BGB.
22 A. Staudinger, Der Prozessvergleich und andere
Formen konsensualer Streitbeilegung (unveröffentlichte Habilitationsschrift Münster 2004), S. 103,
zitiert nach Ewert, Grenzüberschreitende Mediation
in Zivil- und Handelssachen, Jena 2012, S. 99, welcher sich dieser Meinung anschließt.
23 Marburger in Staudinger/BGB, 2009, § 779
BGB Rz. 5.
GRUNDLAGEN UND ENTWICKLUNGEN
kann diese Lösung den Zweck des Vergleichs, Unsicherheiten zu beseitigen,
nicht gewährleisten.
Aus diesem Grund will ein bedeutender Teil des Schrifttums eine Ausnahme
für rechtlich oder tatsächlich unklare
Sachverhalte machen.24 In diesen Fällen
dürften Verbraucher und Unternehmer
von zwingenden Verbraucherschutzvorschriften abweichen. Danach wäre der
Vergleich in Fall 2 wirksam, in Fall 1
nicht. Ein anderes Ergebnis ergibt sich,
wenn man eine Rückausnahme für Fälle
macht, in denen der Unternehmer die objektive Beweislast trifft.25 Allerdings ist
dieses Kriterium ungeeignet, wenn die
Unklarheit gerade darin besteht, ob der
Unternehmer den Beweis führen kann.
Aber es überzeugt ebenso wenig, deshalb
ein Angemessenheitskriterium einzuführen:26 Zum einen findet dies keine Stütze
im Gesetz; zum anderen führte es zu beträchtlicher Rechtsunsicherheit, da man
ohne Not einen unbestimmten Rechtsbegriff einführen und die Beurteilung der
Wirksamkeit des Vergleichs in das richterliche Ermessen stellen würde. Bei den
beiden Beispielsfällen wäre das Ergebnis
unklar.
Das eigentliche Problem bei den genannte Lösungen ist jeweils, dass sie den
Verbraucher nicht selbst entscheiden lassen, ob er den Aufwand eines Mahn- und
Gerichtsverfahrens (zeitliche, emotionale
und zunächst auch monetäre Ärgerlich24 Roth, JZ 2013, 637 (643); Sprau in Palandt/
BGB, 2015, § 779 BGB Rz. 6.
25 So Wendehorst in MünchKomm/BGB, 2012,
§ 312i BGB Rz. 11; Habersack in MünchKomm/
BGB, 2013, § 779 BGB Rz. 11.
26 Stadler in Jauernig/BGB, 2014, § 312i Rz. 2;
ähnlich Grüneberg in Palandt/BGB, 2015, § 312k
BGB Rz. 2.
27 Vgl. Müller-Glöge in MünchKomm/BGB, 2012,
§ 12 EFZG Rz. 7.
28 So auch Thüsing in Staudinger/BGB, 2013,
§ 312i Rz. 12. Vgl. auch OLG Karlsruhe v.
25.4.2006 – 17 U 213/05, WM 2007, 590 und
OLG Brandenburg v. 30.9.2009 – 3 U 137/08,
WM 2010, 115.
29 Wendenburg, Der Schutz der schwächeren Partei in der Mediation, Tübingen 2013, S. 341 ff.,
schlägt vor, dem Verbraucher ein Widerrufsrecht
einzuräumen. Dies ist in einem typischerweise verschriftlichen Verbraucherschlichtungsverfahren allerdings wenig hilfreich – der Verbraucher kommt
hier ohnehin in den Genuss einer „cooling-off period“.
30 So auch Berlin, s. Fn. 4, S. 333.
31 VO (EU) 1215/2012.
32 Vgl. VSBG-E S. 63: Der Schlichter muss das
„geltende Recht“ in grenzüberschreitenden Fällen
„grundsätzlich“ nach deutschem IPR bestimmen.
33 So auch Berlin, s. Fn. 4, S. 334. Zur Verbraucherrechterichtlinie (Richtlinie 2011/83/EU) siehe
Wendehorst, NJW 2014, 577 ff.
34 Hierzu Hess, Europäisches Zivilprozessrecht,
Heidelberg 2010, § 10 Rn. 110 ff.
35 Berlin, s. Fn. 4, S. 333 f.
keiten) auf sich nehmen will oder diesen
Aufwand nicht „eintauscht“ gegen etwas,
das für ihn ggf. ohnehin den gleichen
wirtschaftlichen Wert hat. Außerdem
würde es zu einem Wertungswiderspruch
führen, weil der Verbraucher es ja auch
unterlassen könnte, seine Rechte geltend
zu machen.27
Es sprechen daher die besseren Gründe dafür, § 312k BGB auf den nachträglichen Rechtsverzicht durch Vergleich
nicht anzuwenden.28 Es würde dem Ideal
eines aufgeklärten Verbrauchers zuwiderlaufen, diesen nach Fälligkeit eines (ihm
bekannten) Anspruchs weiter zu bevormunden. Für krasse Fälle, etwa wenn der
Vergleich dem Verbraucher nur einen minimalen Betrag zubilligen würde, gilt
überdies ohnehin § 138 BGB.
Daher bleibt festzuhalten: Verbraucher und Unternehmer können bei einem
Vergleich nach Streitentstehung von verbraucherschützenden Vorschriften abweichen. Ein solcher Vergleich ist grundsätzlich wirksam.29
D. Pflichten der Schlichtungsstelle
Damit ist indes noch nichts darüber ausgesagt, welche unverbindlichen Vergleichsvorschläge die Schlichtungsstelle
machen darf. Es bedarf somit der Klärung, wie sich die Verpflichtung zur Berücksichtigung von Rechtsvorschriften
nach § 17 Abs. 1 S. 1 VSBG-E konkretisieren lässt.
I. Konkretisierung der Berücksichtigungspflicht
Im Grundsatz sollte gelten, dass Schlichtungsstellen verpflichtet (und nicht nur
unverbindlich dazu angehalten) sind,
zwingendes Recht bei ihren Lösungsvorschlägen anzuwenden, ergänzend aber
auch Billigkeitsgesichtspunkte heranziehen können.30 Dies ist zum einen notwendig, da Schlichtungsstellen oftmals keine
vollständige Sachverhaltsaufklärung betreiben können. Zum anderen darf die
Stoßrichtung der AS-RL, flexible Streitbeilegungsinstrumente zu schaffen, nicht
in ihr Gegenteil verkehrt werden. Gleichwohl ist eine überschießende Umsetzung
der Richtlinie insoweit möglich und wünschenswert. Konkret sollte die Berücksichtigungspflicht die Verpflichtung der
Schlichtungsstelle beinhalten, ihren Lösungsvorschlag einem Günstigkeitsvergleich zu unterziehen. Maßstab dieses
Günstigkeitsvergleichs sollte die gerichtliche Durchsetzung des geltend gemachten
Anspruchs sein. Dabei sollten Rechts-,
Tatsachen- und Beweislage berücksichtigt
werden.
Bei Ombudsmann-Verfahren, die einseitig den Unternehmer binden, sollte die
Schlichtungsstelle darüber hinaus die Tatsache berücksichtigen müssen, dass die
Zustimmung des Unternehmers nicht erforderlich ist. Aufwand und Risiken eines
möglichen Gerichtsverfahrens für den
Verbraucher sind also nicht einzukalkulieren. Bei klarer Sach- und Rechtslage
sollte der Ombudsmann deshalb nicht
von der gesetzlichen Lösung abweichen
dürfen. In Fall 1 wäre der Lösungsvorschlag mit dem Warengutschein deshalb
unzulässig, in Fall 2 dagegen zulässig.
II. Sonderproblem Auslandsbezug
Problematisch ist diese Lösung allein in
Fällen mit Auslandsbezug. Die Zuständigkeitsordnung der AS-RL ist im Grundsatz
darauf angelegt, dass Streitigkeiten in
dem Mitgliedstaat geschlichtet werden, in
dem der Unternehmer niedergelassen ist,
Art. 5 Abs. 1 AS-RL. Dies kehrt die Regelung des Art. 18 Abs. 1 EuGVO n.F.31 um,
nach dem der Verbraucher die Möglichkeit hat, am Gericht seines eigenen
Wohnsitzes Klage zu erheben.
Das System der AS-RL hat zur Folge,
dass die Schlichtungsstellen in vielen Fällen mit Auslandsberührung (vgl. Art. 6
Rom I-VO) ausländisches Recht für den
Günstigkeitsvergleich heranziehen müssten.32 Der Aufwand zur Feststellung ausländischen Rechts wird jedoch oftmals außer Verhältnis zum Streitwert stehen;
dem Ideal eines schnellen und kostengünstigen Verfahrens wird dies nicht gerecht.
Das Problem wird allerdings dadurch
abgemildert, dass in vielen Bereichen des
Verbraucherschutzrechts bereits Vollharmonisierung herrscht.33 Außerdem wurde
vorgeschlagen, Ressourcen des EVZ-Netzes34 zu nutzen oder den Verbraucher
ihm günstige Rechtsvorschriften selbst
beibringen zu lassen.35 Dies vermag nicht
vollständig zu befriedigen, aber eine ideale Lösung gibt es nicht. Da das deutsche
Rechtssystem im weltweiten Vergleich ein
hohes Verbraucherschutzniveau bietet,
mag man sich damit begnügen, im Zweifel deutsches Recht als Richtschnur heranzuziehen, wenn ausländisches Recht nicht
leicht zu ermitteln ist. Es sollte der
Schlichtungsstelle überlassen bleiben, diese Frage in ihre Billigkeitserwägungen mit
einzubeziehen. Allerdings sollte es den
Schlichtungsstellen verwehrt sein, Auslandsfälle einfach mit der Begründung abzulehnen, das ausländische Recht „nur
mit unangemessenem Aufwand klären“
ZKM – ZEITSCHRIFT FÜR KONFLIKTMANAGEMENT 2/2015
45
GRUNDLAGEN UND ENTWICKLUNGEN
zu können (so § 13 Abs. 2 Nr. 5 lit. b
VSBG-E). Denn es ist gerade ein Grundanliegen der AS-RL, grenzüberschreitende Verbrauchergeschäfte zu erleichtern
und so den Binnenmarkt zu stärken.36
III. Durchsetzbarkeit
Problematisch ist damit allein, wie die
Pflicht der Schlichtungsstelle, zwingendes
Recht zu berücksichtigen, durchgesetzt
werden kann, damit sie nicht nur auf dem
Papier besteht. Andernfalls handelte es
sich lediglich um soft law, das als solches
von seiner Wirkung her beschränkt wäre.
Als Folge einer Pflichtverletzung ist
ein Schadensersatzanspruch des Verbrauchers gegen die Schlichtungsstelle nach
§ 280 Abs. 1 BGB (i.V.m. § 278 und ggf.
§ 241 Abs. 2 BGB)37 aus einem dreiseitigen Schlichtungsvertrag denkbar. Rechtsfolge dieses Anspruchs wäre, dass die
Schlichtungsstelle den Verbraucher so
stellen müsste, als hätte er den für ihn
nachteiligen Vergleich nicht abgeschlossen.38 Diese Überlegung ist nicht neu: Bereits im Jahre 1935 warnte das „Handbuch des Schiedsmanns“ vor einer Regresspflicht und mahnte zu besonderer
Vorsicht bei Vergleichsvorschlägen in der
Sühneverhandlung.39
Allerdings darf ein Gericht nicht einfach seine Billigkeitsmaßstäbe an die Stelle des Günstigkeitsvergleichs der Schlichtungsstelle setzen. Insofern muss der
Schlichtungsstelle ein weiter Beurteilungsspielraum verbleiben, um ihrer
Funktion gerecht zu werden. Dazu bietet
sich die Heranziehung verwaltungsrechtlicher Grundsätze an. Nur bei einem „Beurteilungsfehler“, also beispielsweise bei
sachfremden Erwägungen, fehlerhafter
rechtlicher Erwägungen oder dem Zugrundelegen eines evident unrichtigen
Sachverhalts, lässt sich ein Anspruch bejahen. Daran könnte auch der oben bereits
erwähnte obligatorische Hinweis in
Schlichtungsvorschlägen nichts ändern,
dass der Vorschlag möglicherweise nicht
mit dem Ergebnis eines Gerichtsverfahrens übereinstimmt (Art. 9 Abs. 2 lit. b
sublit. iii AS-RL). Denn dieser Hinweis bedeutet nicht, dass die Schlichtungsstelle
keine weitergehenden Prüfungs- und Hinweispflichten hat. Ist eine Schlichtungsempfehlung juristisch begründet (vgl.
§ 17 Abs. 1 S. 2 VSGB-E) und bedient sich
diese Begründung womöglich sogar des
Urteilsstils,40 werden die Parteien häufig
auf die Richtigkeit der Begründung vertrauen. Eine weitere Haftungserleichterung – etwa eine analoge Anwendung des
Spruchrichterprivilegs (§ 839 Abs. 2 BGB)
oder der gerichtlichen Sachverständigen46
haftung (§ 839a BGB) – wäre vor dem
Hintergrund des weiten Beurteilungsspielraums des Schlichters nicht angemessen. Die persönliche Haftung des Streitmittlers (§ 5 VSBG-E) ist mangels eigener
vertraglicher Beziehung zu den Konfliktparteien ohnehin auf die Fälle des § 826
BGB beschränkt. Die Kausalität hingegen
ist im Vergleich zur Mediation41 weniger
problematisch: Die Begründung des
Schlichtungsvorschlags ist in der Regel
(auch) kausal für den Vergleichsabschluss. Obwohl der Vorschlag gerade
nicht bindend ist, werden ihn die Parteien
doch häufig gerade wegen seiner Begründung durch die Schlichtungsstelle annehmen.
Eine zweite Schiene der Durchsetzung
der Pflicht der Schlichtungsstelle zur
grundsätzlichen Rechtsbindung besteht in
der Überwachung durch die zuständigen
Behörden nach Art. 18–20 AS-RL (vgl.
§§ 22–25 VSBG-E). Diese könnten eine
Beschwerdestelle einrichten, die möglichen Verstößen nachginge, die Schlichtungsstelle abmahnen und letztlich aus
der Liste der akkreditierten Streitbeilegungsstellen streichen könnten, Art. 20
Abs. 2 UAbs. 3 S. 1, 2 AS-RL42 (vgl. § 24
VSBG-E). Art. 20 Abs. 1 der Richtlinie erlaubt dies gerade auch für Kriterien, die
im Einklang mit dem Unionsrecht über
die Anforderung der Richtlinie hinausgehen. Ob sich dieser Mechanismus in der
Praxis stets als effektiv herausstellen wird,
kann letztlich dahingestellt bleiben: Wichtiger erscheint vielmehr, ein Bewusstsein
für Kontrollmöglichkeiten zu schaffen,
welches in der Konsequenz auch das Vertrauen der Verbraucher in die Schlichtungsstellen stärkt.
ge Überwachungsbehörde die Akkreditierung der Schlichtungsstelle widerrufen.
§ 17 Abs. 1 VSBG-E ist hierbei ein begrüßenswerter Ansatz. Es bedarf jedoch der
Klarstellung, dass es sich um eine echte
Pflicht handelt; um Unklarheiten zu vermeiden, sollte der Gesetzgeber auch Konsequenzen bei Verletzungen dieser Pflicht
explizit statuieren.
Konsequenz dieser Feststellung ist
schließlich aber auch, dass die Ausbildungsanforderungen an die Streitmittler
überdacht werden sollten. Wünschenswert wäre eine Regelung, dass in einer
Schlichtungsstelle zumindest ein Volljurist die Letztverantwortung trägt.43 Bestehende Regelungen für einzelne Branchen
ließen sich hier allgemein ausweiten.44
Die Besorgnis vor einem Streitbeilegungssystem zweiter Klasse sollte man
nicht leichtfertig von der Hand weisen. Es
wäre fatal, Unternehmern und Verbrauchern gleichermaßen zu signalisieren,
dass der Staat keine volle Durchsetzung
zwingenden Verbraucherrechts erreichen
will. Die staatliche Einrichtung und Beaufsichtigung der Schlichtungsstellen impliziert ein höheres Maß an Gesetzesbindung des Lösungsvorschlags, als wenn
Verbraucher und Unternehmer ihren
Streit ohne Anrufung eines Dritten einvernehmlich beilegen würden.
Nils Pelzer
Wissenschaftlicher Mitarbeiter am
Max-Planck-Institut für Verfahrensrecht
in Luxemburg und Doktorand bei
Prof. Dr. Dr. h.c. Burkhard Hess.
[email protected]
E. Schluss
Zusammenfassend kann man also folgende Ergebnisse festhalten: Verbraucher
können nach Entstehung eines Konflikts
mittels Vergleichs (§ 779 BGB) von verbraucherschutzrechtlichen Vorschriften
abweichen. Dies bedeutet allerdings nicht,
dass es Schlichtungsstellen grundsätzlich
erlaubt sein sollte, von zwingenden Vorschriften abweichende Vergleichsvorschläge zu machen. Schlichtungsstellen
sollten zu einer Günstigkeitsprüfung am
Maßstab des materiellen Rechts verpflichtet werden, die Billigkeitserwägungen einschließt. Den Schlichtungsstellen sollte
dabei ein Beurteilungsspielraum zustehen. Verbrauchern steht bei Überschreiten des Beurteilungsspielraums ein vertraglicher Schadensersatzanspruch gegen
die Schlichtungsstelle zu. Außerdem kann
bei andauernden Verstößen die zuständi-
ZKM – ZEITSCHRIFT FÜR KONFLIKTMANAGEMENT 2/2015
36 Vgl. nur ErwG 7 AS-RL: „... ist es auch wichtig, dass AS-Stellen grenzüberschreitende Streitigkeiten effektiv bearbeiten.“
37 So bezogen auf die Qualitätskriterien der
Richtlinie Rühl, ZZP 127 (2014), 61, 90.
38 Vgl. Grüneberg in Palandt/BGB, 2015, § 280
BGB Rz. 32; BGH NJW 1982, 1145.
39 Musal, Handbuch des Schiedsmanns nach der
Schiedsmannsordnung v. 3.12.1924, Berlin 1935,
S. 20, 74.
40 Vgl. bspw. die veröffentlichten Schlichtungssprüche des Ombudsmanns der privaten Banken,
Tätigkeitsbericht 2013, S. 48 ff., http://bankenverband.de/publikationen/ods/ombudsmann-taetigkeitsbericht-2013/ombudsmann-taetigkeitsbericht2013-1/download.
41 Dazu Tochtermann in Hopt/Steffek, Mediation,
Tübingen 2013, S. 521, 561 f.
42 Dazu Rühl, ZZP 127 (2014), 61, 89.
43 So bereits Eidenmüller/Engel, ZIP 2014, 1704
(1709).
44 Vgl. etwa § 4 Abs. 3 S 1 LuftSchlichtVO,
§ 191 f Abs. 2 S. 2 BRAO sowie § 14 Abs. 2 S. 1
UKlaG i.d.F. des VSBG-E.
GRUNDLAGEN UND ENTWICKLUNGEN
Gunter Dehr
Qualitäts- und Konfliktmanagement in
Organisationen
Ziele und Konzepte für ein betriebliches Konfliktmanagementsystem
Total
Quality
Management
steht für einen
unternehmensweiten Ansatz
auf allen Hierarchieebenen Qualitätsstandards
einzuführen, um
fließende
und
Gunter Dehr
konfliktfreie Prozesse zu gewährleisten. Den Unterstützern der Qualitätskultur kommt eine zentrale Bedeutung
zu, d.h. sie tragen die Verantwortung,
dass die Machtapparate in Form unterschiedlicher hierarchischer Ebenen im
Problemfall zu einem Ausgleich der Interessen kommen können. Interne und externe Kundenzufriedenheit, eine aktive
Mitarbeiterbeteiligung und eine Akzeptanz und Umsetzung der einflußnehmenden Konzepte bilden die Basis für ein
Konfliktmanagementsystem.
A. Systemelemente eines vorläufigen Konfliktmanagementsystems
Ein Konfliktmanagementsystem (KMS)
zeichnet sich durch eine unternehmensindividuelle Gestaltung aus. Es sollen Hierarchieebenen, Organisationsprinzipien
und Prozesse Berücksichtigung finden.
Eine Gewinnorientierung in Unternehmen muss sich das Ziel setzen, jede denkbare Konfliktsituation erst gar nicht entstehen zu lassen, um Produktivitätssteigerungen und größtmögliche Kostenwirtschaftlichkeit nicht zu gefährden. Eine
systemtheoretische Sichtweise beschreibt
Elemente, die miteinander in Beziehung
stehen. Bis man von einer Theorie des
KMS wird sprechen können, wird noch
1 Vgl. Gläßer/Kirchhoff, Konfliktmanagement –
Von den Elementen zum System (empirisches Projekt), Hrsg. PWC/Viadrina Frankfurt/O. 2011,
S.16 ff.
2 Vgl. Dehr, Implementierung von Qualitätsmanagement und Qualitätscontrolling in der Wertschöpfungskette, St. Gallen, 2001, S.121 f.
3 Vgl. Dehr, TQM-Qualitätsmanagement am Arbeitsplatz, Management Checklisten 5/97, S. 3 ff.
4 Vgl. hierzu die Ausführungen bei Töpfer/Mehdorn, TQM, Anforderungen und Umsetzung im Unternehmen, Neuwied, Kriftel, Berlin 1994,
S.113 ff.
Prozessmanagement als zentraler
Leitgedanke eines KMS
Vereinbarter Standard zur Sicherung von Abläufen
Modell der Lieferanten-KundenBeziehungen
Prozess wird durch Vereinbarungen
gelenkt und hat damit eine präventiv wirkende Funktion
Konfliktsituationen sollen erst gar
nicht entstehen können
Leitlinien eines TQM-Systems – Bedeutung für
Unternehmen und deren Führung
Bedeutung von Standards für ein KMS
Leitlinien/Leitsätze aus der ISO- bzw. EFQMDiskussion
Wirkweise von Teamstrukturen
Prinzip der Vorbeugung, Konfliktentstehung und
Konfliktursachen in Unternehmen
Einsatz von Mediatoren, Coaches und Moderatoren im Konfliktfall, interne/externe Expertenschaft
Abb. 1: Systemelemente/Komponenten eines vorläufigen KMS
intensive theoretische, insbesondere auch
empirische Forschung1 betrieben werden
müssen. Im vorliegenden Beitrag werden
Anleihen aus dem Prozess- und Qualitätsmanagement auf eine Diskussion des
KMS übertragen. Das vorläufige KMS
kann wie folgt skizziert werden, vgl. Abbildung 1. Dem Prozessdenken kommt eine zentrale, steuernde Bedeutung zu.
B. Total Quality Management (TQM)
Qualität (lat.: qualitas) wird seit Anfang
der neunziger Jahren als notwendiger
Wettbewerbsfaktor anerkannt. Qualitätsmanagementkonzepte sind mit dem Ziel
entstanden, die Qualitätsfähigkeit von Organisationen zu entwickeln und permanent zu verbessern. Dies wurde in
Deutschland mit der Idee der kontinuierlichen Verbesserung und in Japan mit
dem Begriff „Kaizen“ (kai=die Wende,
zen=zum Besseren) in Verbindung gebracht. TQM wird in diesem Kontext als
Philosophie einer qualitätsorientierten
Unternehmensführung betrachtet. TQM
ist in die nationale und internationale Begriffsbildung aufgenommen worden. Es
wird eine Qualitätskultur angestrebt, in
der Zeit (Prozessbeschleunigung), Kosten
(Senkung der Kosten um x-%) und Qualität (Senkung der Fehlerrate durch größere
Prozessbeherrschung) in den Mittelpunkt
gerückt worden sind. Im magischen
Dreieck Qualität, Kosten und Zeit wird als
ein zentraler Ansatz gesehen, Mitarbeiter
vor diesem Hintergrund zu trainieren. Es
ist in diesem Zusammenhang die Rede
von der Gestaltung eines Qualitätscontrollingsystems, welches alle Maßnahmen
anhand des magischen Dreiecks bewertet.2 Die Schlagworte hierzu sind: InterneExterne Kundenbeziehungen (internes
Marketingmanagement), Kundenzufriedenheit und Kundenbindung sowie Mitarbeiterorientierung. In den Qualitätseckpfeilern werden die Konzepte für mehr
Qualität am Arbeitsplatz verdeutlicht.3
Das TQM-Konzept präsentiert sich
auf drei Ebenen, den verhaltensrelevanten
Größen, wie Engagement, Kompetenz
und Kommunikation, den rein betriebswirtschaftlichen Ebenen, wie Umsatz, Gewinn, etc., und den marktbezogenen Resultaten, den zufriedenen Kunden aber
auch der Mitarbeiterzufriedenheit.4
Qualitätseckpfeiler im Konzept des Total Quality Managements
Engagement
Absatz/Umsatz
Kompetenz
Kommunikation
Gewinn/DB
Produktivität
Zufriedene Kunden
= Persönliche Ebene
Kostenwirtschaftlichkeit
Marktebene
Kundenbindung / Mitarbeiterzufriedenheit
Abb. 2: Konzept des TQM
ZKM – ZEITSCHRIFT FÜR KONFLIKTMANAGEMENT 2/2015
47
GRUNDLAGEN UND ENTWICKLUNGEN
Vor diesem Hintergrund ist TQM ein
langfristig wirkendes und integriertes Unternehmenskonzept, das die nachhaltige
Unterstützung der Unternehmensleitung
erfordert. TQM ist auf interne als auch
auf externe Kunden-Lieferantenbeziehungen gerichtet.5 TQM beinhaltet Kennzahlen, um Resultate innerhalb der Prozessketten auszuweisen. TQM ist in diesem
Sinn ein strategisch integriertes Konzept,
um die Qualität von Produkten und
Dienstleistungen zu verbessern. Mitarbeiter verschiedener Hierarchiestufen und
unterschiedlicher Ausbildung sollen involviert sein. Insellösungen schließen sich
damit automatisch aus.6
Zusammenfassend darf man von vier
zentralen Erfolgsfaktoren des TQM sprechen:
(1) Qualitätsmanagement erfordert ein
dauerhaftes Bemühen.
(2) Im Führungssystem des Unternehmens ist der Qualitätsgedanke fest
verankert, der Begriff der Führung
wird weit gefasst, d.h. er bezieht sich
auf die Summe aller personellen Aspekte der Lenkung und Entwicklung
eines sozialen Systems. Lenkung bezieht sich auf die Mitarbeiterführung
und Entwicklung auf die Lernfähigkeit der Organisationsmitglieder.7
(3) Lieferanten- und Kundenzufriedenheit sind zentrale Größen im Qualitätsverständnis.
Qualitätsfähigkeit und Qualitätsinhalte bei verschiedenen Autoren
Autoren
5 Vgl. zum Konzept des internen Marketing Bruhn,
Wiesbaden, 1999, S.19 ff.
6 Vgl. Kamiske/Brauer, Qualitätsmanagement von
A-Z, München, Wien 1993, S.143 ff
7 Vgl. Hilb, Integriertes Personalmanagement,
München-Neuwied, 2003, S.12 ff.
Qualitätsfähigkeit und Qualitätsinhalte
8
Deming
Der Deming-Kreislauf wird als Handlungsanweisung für Verbesserungsprozesse verstanden. Dadurch, dass Arbeitsgruppen/Teams/Quality Circles sich der Problematik
annehmen, kann der Deming Cycle als steuerndes und harmonisierendes Instrument
zur Konfliktüberwindung interpretiert werden. Der Deming Cycle darf als Standard
interpretiert werden.
9
Deming-Cycle: Plan-Do-Check-Act, Kreislauf der Qualitätsverbesserung. Es wird davon ausgegangen, dass
jeder Vorgang als Prozess angesehen wird und als solcher schrittweise verbessert werden kann.
Plan: Entwicklung einer Vorgehensweise unter Berücksichtigung von Ergebnissen und Hindernissen. Do:
Sammlung der Daten aus dem Plan, Analyse der Daten. Vereinbarte Änderungen sind festzulegen. Check:
Auswirkungen der Änderungen beobachten und überprüfen. Act: Was ist an einem Prozess noch zu
verbessern? Verbesserungsideen gehen in den nächsten Durchlauf. Deming sieht die Bearbeitung des Ablaufs
grundsätzlich durch Arbeitsgruppen gewährleistet.
Murphy
Der Autor fokussiert u.a. auf die Mitarbeiterbeteiligung und zu organisierende
Teams, die für Problemlösungssitzungen eingesetzt werden sollen. Im Hintergrund
darf man den Deming-Ansatz sehen, allerdings in modifizierter Form. Murphy stellt
den Moderator (Betreuer) zur Disposition und weist ihm die Aufgabe zu, Teams (Arbeitsgruppen) anzuleiten und zu lenken.
Sechs Elemente sind als Eckpfeiler einer Qualitätspolitik zu verstehen: Kundenorientierung, Mitarbeiterbeteiligung, Verständnis der Abläufe im Unternehmen und Kontrollmechanismen, Datenerfassung, Qualitätssysteme, stetige Verbesserung. Im Kontext der Mitarbeiterbeteiligung werden Teams für (1) Definition des
Problems, (2) Analyse der Grundursache, (3) Allgemeine Lösungen, (4) Gewählte Lösung planen und
implementieren, (5) Leistung messen, (6) Standardisieren diskutiert.
Juran
Eine These Jurans bezieht sich auf Meinungsverschiedenheiten im Rahmen der Qualitätsplanung. Für den vorliegenden Ansatz ist der „konstruktive Konflikt“ von besonderer Bedeutung. Der Autor weist auf Meinungsverschiedenheiten hin und empfiehlt koordinierende Maßnahmen. Besonders interessant sind die Bemerkungen zu
einer bereichsübergreifenden Gruppe. Konfliktlösung und Konfliktmanagement soll
durch die Leistungserstellung in Gruppen/Teams sichergestellt werden.
Juran entwickelt schrittweise die drei Hauptpfeiler seines Qualitätsansatzes: Qualitätsplanung, Qualitätsregelung und Qualitätsverbesserung. Für den vorliegenden Aufsatz sind insbesondere die aufgeführten
Methoden zur Beseitigung von Meinungsverschiedenheiten interessant. Es ist dies (zitiert nach Parker Follett)
die Dominanz, Großkunden mit hohem Umsatzpotential dominieren den Lieferanten. Kompromiss bezieht
sichaufeinenAusgleichderInteressen,ohnedasbesteErgebniszuerzielen,undderkonstruktiveKonfliktalsder
Ansatz, im Team die beste Lösungsalternative zu realisieren. Diese Betrachtungsweise Jurans basiert auf dem
Entwicklungsprozess von den Produkteigenschaften hin zu den Qualitätszielen und den sich daraus
ergebenden Meinungsverschiedenheiten der beteiligten Manager. Als organisatorische Maßnahmen werden
von Juran empfohlen zum einen der Koordinator und zum anderen die bereichsübergreifende Arbeitsgruppe
bei gleichzeitiger Erfüllung der Kunden-Lieferantenbedürfnisse.
10
11
Suzaki
Suzaki beschreibt in einer Input-Output-Betrachtung wichtige Faktoren der Leistungserstellung. Teams und eine Arbeitsweise mit visueller Unterstützung wird großes Gewicht zugeschrieben. Visualisierung auf allen Ebenen der Unternehmenshierarchie schafft Transparenz und Übersicht.
Suzaki richtet sich ein System ein, in dem zur Befriedigung von Kundeninteressen die Faktoren „Qualität,
Kosten, Lieferung, Sichere Umgebung und Arbeitsmoral“ herangezogen werden. Diese Faktoren werden als
Output-Größen interpretiert. Sie stehen dem Input in Form von „Mensch, Maschine, Methode, Material und
Geld“ gegenüber. Der Beurteilung teamorientierter Organisation und der visuellen Darstellung von
Ergebnissen wird Rechnung getragen.
Seghezzi
Führungsstil und Mitarbeiterorientierung sind die Basis für einen Coaching-Ansatz.
Der Autor geht nicht explizit auf die Wirkung des Coaches als Konfliktlöser ein.
Im St. Galler Konzept finden sich unter den Inhalten des Qualitätsmanagements charakteristische Merkmale
wie Führungsstil und Mitarbeitereinbindung. Es wird der Arbeitsstil des „Coachen“ als Führungsstilvariante
angesprochen, allerdings im Kontext der Aufgaben des Qualitätsmanagements und nicht explizit im Kontext
eines Konfliktcoaches. Auch hier bietet sich eine vertiefende Betrachtung des Coaching bzw. des
Selbstcoaching-Prozesses an.
12
13
Töpfer/Mehdorn
Die Autoren betonen in besonderem Maße das Prozessmanagement in Form von internen Lieferanten-Kunden-Beziehungen. Sie sehen in diesem Ansatz ein Gerüst für
Kunden- und Mitarbeiterorientierung mit dem Ziel, Zufriedenheit zu fördern.
14
Pfeifer
Der Autor hebt besonders eine „Fehlerkultur“ hervor. Es stehe nicht die Schuldzuweisung im Vordergrund, sondern es gehe um die Fehlererkennung und die Fehlerbeseitigung. Man darf vielleicht an dieser Stelle von einer „konfliktfreien Umgebung“ sprechen. Alle sind auf die Fehlerbeseitigung fokussiert und nicht auf den interpersonellen Konflikt. Eine sehr bedeutsame Bemerkung.
Die AusführungenderAutoren greifenhauptsächlichdenGedankendes TQM auf. TQM wirdalsganzheitlicher
Ansatz gesehen. Über Einflussfaktoren (Technologieentwicklung, Konkurrenzdruck, u.a.) werden kundenund kostenorientierte Module und Systeme von den Autoren diskutiert. Insbesondere werden die Inhalte
hervorgehoben, die für den Kunden wahrnehmbar sind: Technische Qualität eines Produktes, Design- und
Anmutung, Qualität von Service und Kundenbetreuung und der Kommunikationsqualität. In den
Ausführungen zu Teamleistungen und Qualität wird dem Konfliktmanagement wenig Beachtung geschenkt.
Unter der Überschrift „Qualitätsmanagement und Prozessplanung“ wird die Fehler-Möglichkeits- und
Einfluss-Analyse (FMEA) im Kontext der Teamarbeit vorgestellt. Die Aufgaben des Moderators seien:
Projektplanung und -organisation, Dokumentation und Auswertung, Methodische Korrektheit sicherstellen,
Gesprächsführung. Hier wird wohl die Funktion des Projektmanagements (Projektleiter) versehentlich mit
dem eigentlichen Arbeitsgebiet des Moderators vermischt.
Tabelle 1: Hinweise und Inhalte zum Qualitätsmanagement
8 Vgl. hierzu die Grundlagen bei Deming, Out of crisis, Cambridge (USA), 1986.
9 Vgl. Murphy, Dienstleistungsqualität, München-Wien, 1994, S. 78 ff.
10 Vgl. Juran, Handbuch der Qualitätsplanung, Landsberg/Lech, 1991, S.198 ff.
11 Vgl. Suzaki, Die ungenutzten Potentiale, München-Wien, 1994, S. 21 ff.
12 Vgl. Seghezzi, Integriertes Qualitätsmanagement, München-Wien, S.187 ff.
13 Vgl. Töpfer/Mehdorn, Total Quality Management, Neuwied, Kriftel, S.151 ff.
14 Vgl. Pfeifer, Qualitätsmanagement, München-Wien, S.109 ff. und S. 507 ff.
48
(4) Schulung von Qualitätsmethoden
(z.B. Pareto-Analyse) für Mitarbeiter
aller Hierarchiestufen.
Ein Blick in die Ausführungen verschiedener „Qualitätsautoren“ soll Denkanleitungen wiedergeben und prüfen,
wieweit deren Ausführungen und Konzepte Anleitungen und erste Ideen im
Rahmen eines Konfliktlösungspotentials
bieten. Nachfolgend sind Autoren aufgeführt, die wesentliche Beiträge zum Qualitätsmanagement geleistet haben, vgl. Tabelle 1.
ZKM – ZEITSCHRIFT FÜR KONFLIKTMANAGEMENT 2/2015
GRUNDLAGEN UND ENTWICKLUNGEN
Bei allen Autoren sind der Geschäftserfolg, auf der Basis langanhaltender Geschäftsbeziehungen mit dem definierten
Kundenkreis, sowie der persönliche Nutzen der beteiligten Organisationsmitglieder (Mitarbeiterinteresse, Mitarbeiterzufriedenheit) von herausragender Bedeutung. Das geht vom Lieferanten des Lieferanten bis zum Kundendienst und einem möglichen Reklamationsprozess und
der damit verbundenen gesellschaftlichen
Relevanz. Juran und Crosby,15 Baumeister
einer prozessorientierten Darstellung, gehen auf die Lieferanten-Kunden Beziehungen ein und erwähnen dabei auch die
Schwierigkeiten und Konfliktpotentiale
innerhalb der Wertekette.
C. Lieferanten-Kunden-Modell – der
Kollege als Kunde
Um eine typische und leicht nachvollziehbare Situation vorzustellen, sei das Lieferanten-Kunden-Modell als Anschauungsobjekt gewählt. Dieses Modell macht
deutlich, dass in der Abstimmung zwischen den beteiligten Personen und deren
wirklichen Interessen die Schwierigkeit zu
sehen ist. Interessen bzw. unterschiedliche Sichtweisen sind die Keimzelle für
Auseinandersetzungen und Teams sind
nicht per se soziale Gruppen deren Ziel
die Harmonie ist. Es werden Rahmenrichtlinien nötig werden, die die Wechselwirkungen des Lieferanten-Kunden-Modells aufzeigen. Von zentraler Bedeutung
wird Wissen um die Probleme der Konfliktentstehung und der Konfliktbehebung.16 Insbesondere dem mediativen
Mandat der Konfliktlösung im Rahmen
stark divergierender Interessen muss Beachtung geschenkt werden.17 Lieferanten
und Kunden im diskutierten Modell definieren den Konflikt als gemeinsames
Problem und verzichten von Beginn an
auf einseitige Schuldzuweisungen.
Das Lieferanten-Kunden-Denken hat
sich bei der Prozessanalyse durchgesetzt,
da es die Abhängigkeiten der Einflussgrößen „Lieferant-Kunde“ visualisiert und
hilft, die jeweiligen Bedürfnisse der Kunden und der Lieferanten im Sinne der
Qualitätsdefinition herauszuarbeiten. So
15 Vgl. Crosby, Qualität 2000-kundennah, teamorientiert, umfassend, München-Wien, 1994,
S. 60 ff.
16 Vgl. Biermann/Dehr, Wenn Arbeitskollegen zu
Kunden werden, HBM, 3/98, S. 93 ff.
17 Vgl. Köstler, Mediation, München, 2010,
S. 80 ff.
18 Vgl. Dehr, Marketing-Logistik, Berlin (Buchprojekt).
19 Vgl. Champy, Reengineering im Management,
Frankfurt-New York, 1995, S.126 ff.
20 Vgl. Suzaki, Die ungenutzten Potentiale, München-Wien, 1994, S. 82 ff.
Der Kollege als Kunde – Interne bzw. externe Lieferanten-Kunden-Beziehungen
Lieferant
Kunde
Kunde
Kunde
Lieferant
Lieferant
Lieferant
Endkunde
Verbraucher
Markt
Abb. 3: Lieferanten-Kunden-Modell als Basis einer „konfliktfreien“ Kooperation
kann man sich vorstellen, dass ein Auftragsbearbeitungsprozess in Verbindung
mit einer Reklamation Größen heranziehen wird, die im Sinne des Kunden und
der Lieferanten Maßstäbe setzen können.
Die nachfolgenden Serviceleistungen sind
die Marketing-Logistik18 entlehnt und
können plausibel auf interne LieferantenKunden Strukturen im Konfliktfall übertragen werden. Folgende objektivierbare
Größen, die als Standards interpretiert
werden können, sind denkbar:
k Lieferzeit (Angabe in Stunden, Tagen),
k Lieferzuverlässigkeit/Termintreue
(vereinbarte, pünktliche Lieferung),
k Lieferbereitschaft (ist in der Lage zu
liefern),
k Lieferflexibilität (kann auch auf unerwartete Aufträge reagieren),
Lieferbeschaffenheit
(Lieferung hat
k
keine Fehler).
Das hervorstechende Merkmal ist die
Möglichkeit der Quantifizierung der Beurteilungskriterien und damit der Überprüfbarkeit. Die wichtigste Abhilfe ist im
Sinne einer Qualitätsplanung die gemeinsame Planung. Lieferanten (intern/extern) als auch den Kunden (intern/extern)
muss Rechnung getragen werden. Hierfür
sind organisatorische Maßnahmen zu
treffen. Diesem Gedanken wird unter
dem Absatz „Konfliktüberwindung“ noch
Aufmerksamkeit zu schenken sein, vgl.
Tabelle 2. Juran wählt in diesem Kontext
den Begriff des „Konstruktiven Konflikts“
und dessen Abhilfe, vgl. Tabelle 1.
Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass Qualität vor dem Hintergrund
der Erwartungshaltungen der Kunden zu
beurteilen ist. Wir liefern immer dann
Qualität, wenn wir den Erwartungen des
Kunden entsprechen. Nicht mehr und
nicht weniger. Das Denken in „Supply
Chains“ kann als Abfolge von Lieferanten-Kunden-Beziehungen
verstanden
werden, d.h. es wird über den gesamten
Wertschöpfungsprozess zu konfliktbeladenen Abstimmungsprozessen kommen.
Kunden fordern bestimmte Leistungen
oder wollen Anweisungen geben, wie sie
bedient werden wollen; der Lieferant fühlt
sich verletzt, er reagiert aggressiv. Es entstehen Konflikte aus der Kommunikationsbeziehung. Eine Überarbeitung bestehender Abläufe in Unternehmen, im
Extremfall eine radikale Neuausrichtung,
wird zwangsläufig zu Friktionen führen.
Eine Synchronisation des neuen Wertschöpfungsprozesses ist konfliktbehaftet
und bedarf deshalb der Begleitung. Es besteht die Aufgabe, Transparenz herzustellen im Sinne neuer interner LieferantenKunden-Strukturen. Dies beinhaltet
selbstverständlich eine Qualifizierung der
Mitarbeiter, insbesondere der Führungskräfte vor dem Hintergrund eines Konfliktmanagementsystems. Dem Controllinggedanken wird Rechnung getragen,
indem Informationen über Erwartungen
bereitgestellt werden vor dem Hintergrund der Teilplanungen von Lieferanten
und Kunden. Der Begriff des Business
Reengineering steht für eine „radikale
Denkweise“ in diesem Kontext.19
D. Bedeutung von Standards
Im Rahmen von Qualitätsmanagementphilosophien wird insbesondere von Suzaki20 die Bedeutung von Standards hervorgehoben. Es seien einige Festlegungen
zu treffen, an die Mitarbeiter gebunden
sein sollen. Die folgenden Forderungen
verdeutlichen den Ansatz:
k Disziplin entwickeln,
k Bewusstsein entwickeln,
k Verfahrensweisen klären,
k Basis für Verbesserungen schaffen
(vgl. Deming-Cycle).
Überträgt man diese Prinzipien auf
Trainingsangebote, so hat man wertvolle
Hinweise für gute Praktiken im Konfliktfall. Organisationsteilnehmer können auf
dieser Basis leichter und zielführender
mit Differenzen umgehen. An diesem
Punkt kann sich der Coach in besonderer
Art und Weise profilieren. Der DemingCycle bildet mit seinem spezifischen
ZKM – ZEITSCHRIFT FÜR KONFLIKTMANAGEMENT 2/2015
49
GRUNDLAGEN UND ENTWICKLUNGEN
Kreislauf den Rhythmus perfekt ab. Wenn
z.B. Problemlösungsteams aus verschiedenen Abteilungsbereichen sich mit dem
Deming-Cycle eine „Verfassung“ geben,
dann kann das Verfahren als Leitlinie
Konflikten vorbeugen. Voraussetzung ist
die Akzeptanz und das Wissen um den
Verfahrensablauf.
Wenn nach einem Leistungsstandard
gesucht wird, dann muss dieser „NullFehler“ sein, d.h. für die vorliegende Diskussion, Konflikte erst gar nicht aufkommen zu lassen. Auszutragende Konflikte
wären demnach bereits im Ursprung zu
erfassen und sofort zu beheben. Qualität
wird an dieser Stelle als systematische
Vorbeugung interpretiert. Man sollte also
wissen, wie vorhandene Probleme beurteilt und beseitigt werden, um in der Zukunft auftretende Probleme zu verhindern.
Menschen in Organisationen müssten
sich z.B. regelmäßig die Frage stellen, ob
sie immer gute Arbeit für den Kollegen
(Kollege als Kunde) abliefern oder ob sie
sich immer wieder eben nicht qualitätsbewusst verhalten. In diesem Fall liefern sie
nicht die erwartete Leistung ab. Es kommt
zu Konflikten. Wenn in diesem Zusammenhang von Partnerschaft die Rede ist,
dann kann man von Respekt und Vertrauen sprechen. Die Chance, ausgewogene Entscheidungen zu bekommen und
Konfliktpotential einzuengen ist groß.
Der Leistungsstandard hat „Null-Fehler“
zu sein und nicht „Das ist gut genug“.
Man darf vor diesem Hintergrund nicht
akzeptieren, dass Qualitätsmängel nicht
zu verhindern seien. Eine verpatzte Abstimmung generiert Fehler, d.h. wir enttäuschen Lieferanten und Kunden. Das
stetige Bemühen um Qualität ist der zentrale Punkt in einem Verbesserungsprozess. Das Harvard-Konzept betont das
„Verhandeln mithilfe objektiver Kriterien“, d.h. es werden Verfahrensweisen
vorgeschlagen, die von beiden Seiten getragen werden können.
1. ,,Funktionieren Sie jeden Streitfall
zur gemeinsamen Suche nach objektiven Kriterien um.
2. Argumentieren Sie vernünftig – und
seien Sie selbst offen gegenüber solchen Argumenten, die auf einsichtigen Kriterien beruhen und die sagen,
wie man sie entsprechend umsetzen
soll.
3. Geben Sie niemals irgendwelchem
Druck nach, beugen sie sich nur
(sinnvollen) Prinzipien.“21
Wie sind Mitarbeiter darauf vorbereitet? Welche Instrumente stehen Ihnen zur
Verfügung? Sind Kundenerwartungen de50
finiert? Sind Lieferantenerwartungen definiert? Gibt es Redundanzen in einzelnen
Arbeitsschritten? Gibt es eine klare Verantwortungsabgrenzung? Gibt es geeignete organisatorische Vorkehrungen? Werden die Faktoren „Kosten, Zeit und Qualität“ berücksichtigt?
E. Konfliktursachen in Organisationen
Die Identifikation von Konfliktursachen
und die Art und Weise der Bearbeitung
sowohl durch einzelne Verantwortliche
als auch durch Teams ist von zentraler
Bedeutung. Konflikte sind per se nichts
negatives, aber das Verlassen einer objektivierbaren Grundlage, Emotionen und
aus der Luft gegriffene Haltungen erschweren den Prozess. Lautstärke und
persönliche Angriffe wirken sich zusätzlich störend oder beleidigend aus.
Zunächst zu den Konfliktursachen: (1)
In Organisationen entstehen bei der Verteilung der Budgets auf einzelne Produkte
oder Produktgruppen enorme Interessenskonflikte (Allokationsproblematik). Die
Gegensatzpaare „Umsatz versus Gewinn,
Umsatz versus Deckungsbeitrag, Forschung + Entwicklung versus Produktionsplanung, Produktion versus Vertrieb
und Logistik versus Materialmanagement“ vervollständigen die Betrachtung.
(2) Behandlung von Kollegen bzw.
Teammitgliedern erfolgt gerecht oder ungerecht, persönliche Animositäten gewinnen an Gewicht. (3) Vorgesetzte oder Kollegen halten Informationen zurück, es ist
die Absicht dahinter zu vermuten, Macht
und Einfluss durch Informationsvorenthaltung zu gewinnen. (4) Schließlich sind
Stimmungen in Organisationen, bedingt
durch Freundschaften und gegenseitiges
Vertrauen oder Misstrauen geprägt.22
Es sind überwiegend persönliche und
betriebswirtschaftliche Betrachtungen,
die Klima und Arbeitsprozesse einschränken. Ein Veränderungsprozess im Verhalten der Mitarbeiter mit Wirkung auf Kunden und Lieferanten kann durch konfliktlösende Maßnahmen erreicht werden. Im
Promotorenmodel von Witte23 werden
den Promotoren Opponenten (Macht-/
Fachopponenten) gegenübergestellt, die
Innovationsprozesse aufhalten können
und deshalb zwingend sehr früh eingebunden werden sollen. Es ist nicht auszuschließen, dass Interessengruppen (Betriebsrat, Vertrauensleute, Ombudsmänner, Personalleitung, Rechtsabteilung,
u.a.) schwierige Verhandlungspartner bei
der Entwicklung eines KMS sein können.
ZKM – ZEITSCHRIFT FÜR KONFLIKTMANAGEMENT 2/2015
Dafür verantwortlich sind Macht- und
Ansehensverluste.24
Ausgehend von der Unternehmensleitung sind solche Veränderungsprozesse
einzuleiten bzw. zu promoten. Antworten
werden auch aus den Verfahrensanleitungen der ISO 9001 ff. und des EFQM (European Foundation for Quality Management) gegeben. Zentrales Element beider
Ansätze ist die Steigerung der Kundenzufriedenheit, der Kundenbegeisterung und
der damit verbundenen Kundenbindung.
Vor diesem Hintergrund bezieht sich die
Qualitätsdiskussion auf Produkte, Dienstleistungen und interne Prozesse, im Sinne
der bereits erwähnten „Lieferanten-Kunden-Beziehung“.
Ein entwickeltes Konfliktmanagementsystem als Hilfe zur Selbsthilfe hält
Maßnahmen bereit, um eine Konfliktentstehung nicht aufkommen zu lassen. Eine
Eskalation mit weitreichenden Folgen
bzw. Auswirkungen für die Problemlösungsfähigkeit soll vermieden werden.
Kosten, die für Korrekturen über Wochen
und Monate anfallen, sind nicht außer
Acht zu lassen. Im Qualitätsmanagement
diskutiert man den Preis, der Abweichung
als den Preis, der zu zahlen ist, wenn
Nachbesserungen stattzufinden haben
und deren Behebung in Geld ausgedrückt
wird. Im Kontext eines Konfliktmanagementsystems könnte man vom „Preis des
Konflikts“ sprechen. Dabei handelt es sich
um ein wirksames Instrument für alle
Verantwortlichen auf der Basis eines „objektivierbaren Kriteriums“. Basis für diese
Betrachtung ist in Unternehmen die Prozesskostenrechnung.25 In Tabelle 2 werden konzeptionelle und personengesteuerte Verfahrensweisen und Empfehlungen angesprochen, die im Rahmen
von Konfliktmanagementsystemen einen
hohen Stellenwert genießen. Die ISO9000 Diskussion sowie der Mechanismus
des EFQM sind seit Jahren in Unternehmen gelernt und bieten damit einen guten
Anknüpfungspunkt an die Diskussion um
Konflikte und deren Bearbeitung.
Das Harvard-Konzept findet seit Jahren in amerikanischen Unternehmen eine
große Resonanz. Durch den Hinweis auf
objektive Kriterien und eine sachbezogene
21 Fisher/Ury/Patton, Das Harvard Konzept,
Frankfurt New York, 23. Aufl., 2009, S.129.
22 Vgl. Rosenstil/Molt/Rüttinger, Organisationspsychologie, Stuttgart u.a., 1975, S. 91 ff.
23 Witte, Organisation für Innovationsentscheidungen – Das Promotermodell, Göttingen, 1973;
Witte, ZfB 46/1976, 319.
24 Vgl. v. Oertzen/Nöldeke, in PWC/EUV, s. Fn.1,
S. 63 ff.
25 Vgl. Winkelmann, Marketing und Vertrieb,
München-Wien, 2008, S. 95; Olfert, Kostenrechnung, Ludwigshafen, 2000, S. 43 f.
GRUNDLAGEN UND ENTWICKLUNGEN
Handlungsebene wird schon zu Beginn eines Problemlösungsprozesses die Unabhängigkeit von Interessenlagen hervorgehoben. Überträgt man diese Überlegung
auf das dargestellte Lieferanten-KundenModell, so haben die definierten Kriterien
beide Seiten zufriedenzustellen.
Die ISO-Richtlinien haben dafür gesorgt, dass klare Begrifflichkeiten für
„Qualität“ definiert werden. Man kann in
diesem Zusammenhang z.B. lesen, dass
„Qualität die Eignung für den Verwendungszweck“ ist. Eine erbrachte Leistung
muss für einen Verwendungszweck praktisch geeignet sein.
Zentrale Kriterien der Qualitätsforschung wurden oben dargestellt, vgl. Abbildung 1. Nun ist der Frage nachzugehen,
wieweit diese Kriterien auf eine Qualitätsdiskussion im Rahmen eines Konfliktmanagements anzuwenden sind.
– Qualität wird unter dem Gesichtspunkt des Kundennutzens definiert.
Dabei sind die streitenden Parteien
„Lieferanten-Kunden“ in wechselseitigem Verhältnis, vgl. Abbildung 1.
– Aber wie werden dann Qualitätsinhalte gemessen? Wann stellt sich Zufriedenheit ein?
– In Konfliktsituationen wird sich der
Kompromiss bewähren. „Ich habe
meine Ziele zu 70 % erreicht.“ Dies
wäre eine Aussage mit skalierbarem
Charakter.
– Qualität zeigt sich in der Beilegung
von Konflikten ohne juristische Hilfe,
die in Unternehmen ohnehin nicht so
schnell Platz greifen dürfte.
Aus der Sicht eines Moderators oder
Mediators sind die Konfliktparteien Kunden. Wie wir gesehen haben, wird Qualität dann erzeugt, wenn die Zufriedenheit
der Kunden im Mittelpunkt unseres Denken und Handelns steht.
F. Systematische Vorbeugung und
Qualität
Man kann nur intervenierend wirken,
wenn man die Verfahren und Bedürfnisse
der Lieferanten und Kunden versteht. Es
sind die Abweichungen in diesem System
26 Vgl. Dehr, Spektrum der Mediation 53/2014,
49 ff.
27 Vgl. Radatz, Einführung in das systemische
Coaching, Heidelberg, 2010, S. 43 ff.
28 Vgl. Fisher/Ury/Patton, Das Harvard-Konzept,
Frankfurt-New York, 2009, S.125 ff.
29 Vgl. zum Prinzip der Vorbeugung Dehr (Hrsg.),
Kurswechsel Richtung Kunde, Frankfurt, 1996,
S.136 f.; Linß, Training Qualitätsmanagement,
München-Wien, 2003, S. 29; Linß, Qualitätsmanagement für Ingenieure, München Wien, 2002,
S. 79.
Wege zur Bewältigung unternehmerischer Verantwortung im Rahmen der
Konfliktüberwindung26
Coaching/Selbstcoaching/Konfliktcoaching/Teamcoaching
Zum Ablauf eines systemischen Coaching: Problemdefinition, Zielerarbeitung, klarer Auftrag, Kriterien für Zielerreichung festlegen, Lösung und
27
Erfolgsüberprüfung/Maßnahmenbildung
Coaching (to coach = betreuen, trainieren) Anleitung zu frühem Erkennen von problematischen
Situationen, die bei Eskalation zu erheblichen
zeitlichen Belastungen führen können.
Moderationstraining für die Führung von Teams
Moderator kann/soll intervenieren wenn vom
Thema abgewichen wird
Konfliktmoderator
Moderator hat eine leitende Funktion,er verhältsich
neutral. Die beteiligten Personen sind reif genug,
Probleme (Konflikte) unter Anleitung selbst zu
lösen. Eine gute Moderation wird von Toleranz und
gegenseitigem Respekt getragen.
Mediation als Mandat zur Anwendung von Kon28
fliktlösungsverfahren (Harvard Ansatz)
Konflikte sind zu entschärfen, eine Balance zwischen Verhandlungsthema und Individual-bzw.
Gruppeninteressen ist herzustellen
Ausgewählte Elemente aus dem ISO-/EFQM-AnsatzHinter beiden Ansätzen verbergen sich kundenbezogene und mitarbeiterbezogene Aspekte.
Was erreicht das Unternehmen für seine Kunden?
Werden diese zufriedengestellt? Wie werden Beschwerden behandelt?
Wie nehmen Mitarbeiter das Unternehmen wahr?
Stichworte hierzu sind: Kommunikation, Ermächtigung, Beteiligung, Anerkennung, Verhältnis zu
Kollegen.
Verwendung objektiver Kriterien für die Beilegung
eines Streitfalls. Die Konfliktparteien sollen gemeinsam objektive Kriterien suchen
Präventive Maßnahmen im Rahmen der Zertifizierung, Aufstellen von Standards, die dabei Leitlinien
zur Konfliktbeilegung sind. Zentrale Elemente von
Wichtigkeit für ein betriebliches Konfliktmanagement sind:
Verantwortung der obersten Leitung: Regelung von
Zuständigkeiten, Verantwortungen, Befugnissen
Lenkung der Dokumente: Lenkung der Dokumente,
Pflege der Dokumente, Einbindung in Änderungswesen (Erstellen, Prüfen, Freigeben, Verteilen)
Vorbeugungsmaßnahmen: Fehlerinformationssystem, Analyse von Abläufen, Festlegung der Korrekturmaßnahmen
Audits: Interne Audits, Verfahrens-und Prozessaudits
Tabelle 2: Konfliktlösende Verfahren und Empfehlungen zur Konfliktüberwindung
zu erkennen, nur durch diese Wahrnehmung werden die Sachverhalte klar erkennbar. Man könnte auf die Idee kommen, dass eine strikte Kontrolle im Lieferanten-Kunden-Modell Abhilfe schaffen
könnte, es scheint aber so zu sein, dass
wir schon bei Beginn der Austauschbeziehungen bemüht sein müssen. Was hat der
Lieferant zu liefern? Was erwartet der
Kunde? Welche Methoden und Verfahren
müssen hierfür bereitgestellt werden?
Wenn also darauf geachtet wird, dass von
Beginn an keine Probleme auftreten, ist
mit zufriedenen Lieferanten bzw. Kunden
zu rechnen. Ansonsten steht zu befürchten, dass Fehler zu berichtigen sind oder
der Prozess muss von neuem gestartet
werden. Der Fehler ist Ursprung der
Schuldzuweisungen und damit der Start
für ein enormes Konfliktumfeld.29 Einige
Unternehmen gehen in jüngerer Zeit dazu
über, ein maßgeschneidertes Konfliktmanagementsystem zu entwickeln, um den
Umgang mit Konfliktsituationen zu
steuern. In diesem Kontext werden Kosten-Nutzen Erwägungen angestellt. Ein
erster Schritt besteht in der Ausbildung
interner Berater (Coaches, Moderatoren,
Mediatoren) und der stärkeren Einbindung externer Helfer sowie eine Festlegung der „Audit-Zeitpunkte“ im Rahmen
eines Früherkennungssystems.
G. Teamstrukturen als Organisationsprinzip
Mitarbeiter in Organisationen haben bestimmte Fähigkeiten zu entwickeln, damit
sie die Zielsetzung einer Konfliktvermeidung erfüllen können: (1) Eine positive
Einstellung zur Qualitätsverbesserung
und (2) die Fähigkeit, in Teams mit Kollegen zusammenzuarbeiten. Eine Grundformel hat sich in der Praxis bewährt:
Fordern, Fördern, Feedback-Geben. Qualitätsarbeit und konfliktfreie Beziehungen
werden gefordert, müssen aber gleichzeitig inhaltlich verdeutlicht werden und die
Teilnehmer sind durch interne/externe
Moderatoren, Coaches oder Mediatoren
zu unterstützen.
Teams werden abteilungsintern als
auch abteilungsübergreifend entwickelt
und sie folgen dem Lieferanten-KundenGedanken. Damit ist die Prozessorientierung gemeint, wie sie oben beschrieben
wurde. Es geht um die Planung von Prozessen und um die Beseitigung von Störungen durch unzureichende Harmonisierung. Noch im Rahmen der zurückliegenden Diskussion um Schnittstellen wurden
Ressortkonflikte, Motivkonflikte und Informationskonflikte behandelt und die
Überwindung durch Prozessorientierung
vorgeschlagen. Das Team als Entschei-
ZKM – ZEITSCHRIFT FÜR KONFLIKTMANAGEMENT 2/2015
51
GRUNDLAGEN UND ENTWICKLUNGEN
dungsteam, Innovationsteam, etc. soll
sich idealtypisch selbst in die Lage versetzen, sich Prozessorientiert als Lieferanten-Kunden-System auszurichten. Die
Säulen der Zusammenarbeit sind:
k Unabhängigkeit und Toleranz,
k Idealismus, Verantwortung und gegenseitiges Vertrauen,
k Beteiligung der betroffenen Mitarbeiter,
k Abbau von hierarchischen Strukturen.
Wie die Praxis zeigt, gibt es erhebliche
Widerstände, die aus persönlichen und
machtpolitischen Überzeugungen entstehen. Es ist zu bedenken, dass eine Dezentralisierung auch einhergeht mit einem
großen Autoritätsverlust insbesondere
der mittleren Hierarchieebenen.
Hilfreich beim Aufbau von Teams ist
das „Team-Design-Konzept“ auf der Basis
der Rollentheorie: Förderer, Entwickler,
Organisator, Produzent, Controller, Erhalter, Berater und Erfinder stellen die
unterschiedlichen Rollen dar. So nützt es
wenig, wenn einem starken Förderer kein
Part in Gestalt eines Controllers gegenübersteht. Es sind einseitige Entscheidungen zu befürchten, die nicht ausgewogen
wahrgenommen werden. Hilb sieht in diesem Rollenkonzept den Coach als zentrale
Anlaufstelle mit beratender Funktion. Es
ist also nach den sich ergänzenden Rollenstärken/-schwächen zu forschen und
dann ein Team zu implementieren.30 Eine
Unausgewogenheit der Rolleninhaber
muss Konflikte hervorrufen. Der Zweck
der Rollentheorie besteht in der Balance
der Kräfte und Begabungen. Wider-
sprüchlichkeiten im Sinne der Ambiguitätstoleranz auszuhalten ist Teil der
Persönlichkeitspsychologie und weist daraufhin, Rollenkonflikte auch zu tolerieren.
Eine verwandte Betrachtungsweise
besteht in der „Dynamik der Teamentwicklung“ auf der Basis der verschiedenen
Entwicklungsstadien. Ziel ist die Fähigkeit
eines Teams sich selbst auszurichten und
Prozesse aufzunehmen und gegebenenfalls neu zu strukturieren. Beeinflusst
wird dieser Ansatz von der Entwicklung
arbeitsfähiger Teams. Wenn dies behutsam angegangen wird, spricht einiges für
einen ausgeglichenen und abgestimmten
Entscheidungsprozess. Forming (Mitglieder lernen sich kennen), Storming (Formulierung von Erwartungen und Methoden), Norming (Festlegen von Zielen und
Arbeitsweisen), Performing (Planmäßige
Arbeit des Teams) beschreiben die Entwicklungsschritte zu einer simultanen
und konsensorientierten Vorgehensweise.31 Es ist davon auszugehen, dass bei
verschiedenen Teamtypen (Top-Management-Team, Abteilungsleiter-Team, Projektteam, Quality Circle, Ausschuss, Arbeitsteam, Innovationsteam) der Teamtrainer vor unterschiedliche Aufgaben
und Probleme gestellt werden wird.32
Ebenso darf vermutet werden, dass der
Teamtrainer als Konflikt-Coach bzw. als
Mediator Aufgaben übernehmen wird.
Ein leistungsfähiges Team wird gänzlich
auf einen Berater verzichten können, dies
erfordert aber ein „Performing“ im Sinne
der Teamentwicklung.
H. Fazit
Ein Konfliktmanagementsystem (KMS)
hat für eine Kanalisierung der Konfliktfälle zu sorgen. Ursachen, Häufigkeit und
Schwierigkeitsgrad der Konfliktfälle sind
in einer „Konfliktstatistik“ zu erfassen
und den Konfliktmoderatoren, Konfliktcoaches, Mediatoren zu überantworten.
Die Unternehmensleitung ist in besonderer Art und Weise gefordert, Vorkehrungen personeller Art zu treffen in der Erwartung, dass immer häufiger von konfliktfreien Prozessen gesprochen werden
kann und sich dies auf Kostenwirtschaftlichkeit (Konfliktkosten) und Produktivität (Produktivitätssteigerung) auswirken
wird. Der vorliegende Beitrag zur Entwicklung eines KMS ist ein Plädoyer für
Qualität und Konfliktvermeidung am Arbeitsplatz.
Prof. Dr. Gunter Dehr
em. Professor für ABWL, Unternehmensführung und Marketingplanung an der
Hochschule Anhalt (FH).
Inhaber der Dr. Dehr Unternehmensberatung Berlin (Schwerpunkte:
Strategische Unternehmensplanung,
Controlling, Coaching, Moderation und
Prozessmanagement
[email protected]
30 Vgl. zum Konzept der Jungschen Persönlichkeitslehre und der weiterführenden Lit. Hilb, s.
Fn. 7, S. 28 ff.
31 Vgl. Dehr, s. Fn. 3, S.12 ff.
32 Vgl. Francis/Young, Mehr Erfolg im Team,
Hamburg, 1996, S. 29 ff.
Katja Windisch*
Fair und/oder gerecht? Fairnesskriterien in der Mediation
Fairness wird in
der Mediationsliteratur im Wesentlichen
als
spezifisches Kriterium der Mediation an sich
verstanden. Diez
und Murbach
konzipieren
Katja Windisch
Fairnesskriterien
zusätzlich
als
phasenunabhängigen, flexibel einsetzbaren „Baustein“, der sich aber nicht nur
auf das Verfahren, sondern auch auf das
52
jeweilige Resultat des Konfliktbearbeitungsprozesses bezieht. Vor dem Hintergrund begrifflicher Überlegungen wird
vorgeschlagen, diesen Baustein anders zu
bezeichnen.
I. Einleitung
Ralph: When she put two potatoes
on the table, the big one and
the small one, you immediately took the big one without
asking me what I wanted.
Norton: What would you have done?
ZKM – ZEITSCHRIFT FÜR KONFLIKTMANAGEMENT 2/2015
Ralph: I would have taken the small
one, of course.
Norton: You would? (In disbelief)
Ralph: Yes, I would!
Norton: So, what are you complaining
about? You GOT the little
one!1
* Der Artikel basiert auf einem Teil der Abschlussarbeit der Verfasserin im Rahmen der MediationsAusbildung am Ausbildungsinstitut Perspectiva in
Basel.
1 Conversation between Ralph Kramden and Ed
Norton in an episode of The Honeymooners
(1955), zitiert nach: Brams/Taylor: The Win-WinSolution. Guaranteeing fair Shares to Everybody,
New York/London, 2000.
GRUNDLAGEN UND ENTWICKLUNGEN
Obwohl weder Ralph noch Ed in der geschilderten Szene „Fairness“ erwähnen
und auch von Mediation relativ weit entfernt sind, lässt sich an diesem kurzen
Dialogausschnitt doch die Problematik
des phasenunabhängigen Bausteins „Fairnesskriterien“ in der Mediation exponieren:2 Während der eine sich am Verfahren abarbeitet, argumentiert der andere
mit dem erzielten Resultat der Verteilung
dagegen. Bei strittigen Auffassungen darüber, wie etwas geteilt werden oder welcher Standard zumutbar ist usw., ist es
unbestritten hilfreich und in der Mediation gängige Methode, die Ebene zu wechseln. Gary Friedman und Jack Himmelstein,3 renommierte Mediatoren4 und Mediationsausbilder, thematisieren dann die
„Points of Reference“ der Medianden, ihre Bezugspunkte oder Bewertungsmassstäbe. Hannelore Diez (2006 verstorben),
Schülerin von Friedman und Himmelstein, und auch Murbach, seinerseits Schüler von Diez und namhafter Mediationstrainer in der Schweiz, konstruieren aus
diesen den Baustein „Fairnesskriterien“.5
II. „Fairnesskriterien“ als phasenunabhängiger Baustein
Eingesetzt werden die „Fairnesskriterien“
nach Diez/Murbach situativ bei Blocka2 Gemeinhin werden 6 Phasen unterschieden: 1.
Einführung und Arbeitsbündnis, 2. Informationsund Themensammlung, 3. Interessenklärung und
Konflikterhellung, 4. Optionen und Ideen, 5. Verhandeln und Einigung, 6. Vereinbarung und Abschluss. Generell gibt es parallel zum Phasenmodell
des (idealen) Ablaufs von Mediationen Mediationstechniken – des Fragens, Fokussierens, Partialisierens, Visualisierens etc., die auch als phasenunabhängige Bausteine bezeichnet werden.
3 Zitiert nach Diez, Werkstattbuch Mediation,
Köln 2005, S. 126 ff.
4 Im Interesse des Leseflusses wird auf eine gendergerechte Schreibweise verzichtet und durchgängig die männliche Form verwendet; womit jedoch alle Gender eingeschlossen sein sollen.
5 Diez, s. Fn. 3.
6 Murbach, Mediation. Die erfolgreiche Konfliktlösung, Reader und Fotoprotokoll zur Basisausbildung April–Dez. 2008 (unveröffentlicht).
7 Diez/Krabbe/Thomsen, Familienmediation und
Kinder: Grundlage, Methoden, Techniken, Köln,
2002, S. 125.
8 Diez, s. Fn. 6, S. 127.
9 Maria Seehausen argumentierte, Medianden kämen „nicht nur in die Mediation, um ihre Interessen zu vertreten, sondern auch, weil sie erlebte Ungerechtigkeit ausgleichen“ wollen. Da u.a. Empörung eine Reaktion auf wahrgenommene Ungerechtigkeit sei, wäre deren konstruktive Bearbeitung
eine logische Konsequenz. U.a. durch Integration
der Gerechtigkeitsthematik, vgl. Seehausen, ZKM
2009, 110.
10 Zusammenstellung aus Diez, s. Fn. 3 und 6;
Murbach, s. Fn. 5.
11 Also nicht: Ich finde das Ergebnis fair und gerecht, wenn ich bekomme, was ich will.
12 Murbach, s. Fn. 6.
13 Diez, s. Fn. 7, S. 127.
den, Disbalancen, Unfairness, sowie bei
vermuteten relevanten Tabuthemen.6
Murbach setzt die Fairnesskriterien in jeder zehnten Mediation ein, zumeist in
Phase drei (Bedürfnisse/Interessen), teilweise aber auch schon im Erstgespräch,
wenn dort grundsätzliche „Fragen nach
Gerechtigkeit“ auftauchen. Diez nutzte die
Fairnesskriterien als festen Bestandteil jeder Mediation, um die Massstäbe und
Kriterien zu finden, anhand deren die Medianden die Vereinbarung für sich später
überprüfen. Dies sei „von unschätzbarem
Wert für die Einhaltung der Vereinbarungen“.7 Bei der Arbeit an „eigenen Gerechtigkeitskriterien“8 sei nicht in erster Linie
wichtig, dass gemeinsame Kriterien gefunden werden, da die Vereinbarung v.a.
für jeden Einzelnen stimmig sein muss.
Zudem verändern sich die Entscheidungen und v.a. auch die Art, wie miteinander verhandelt wird, mit der Erarbeitung
der Fairnesskriterien häufig.9
Mediatoren fragen:10
k „Unter welchen Bedingungen/Kriterien fänden Sie die Regelung/Vereinbarung fair/gerecht?“
k „Damit Sie nicht im Nachhinein denken, das ist nicht fair. – Was muss in
der Vereinbarung alles enthalten sein,
dass Sie das Gefühl haben, weil das
enthalten ist, ist es fair und gerecht?“
k „Welche Kriterien müssen in Bezug
auf Fairness und Gerechtigkeit erfüllt
sein?“
k „Woran können Sie erkennen, dass etwas fair und gerecht ist?“
k „Es könnte für Sie beide wichtig sein,
dass Sie sich Gedanken machen, unter
welchen Umständen Sie (beide) die
erarbeiteten Zahlen mit gutem Gefühl
unterschreiben könnten?“
k „Welche Fairnessaspekte sollten – unausgesprochen – in die Vereinbarkeit
eingeflossen sein?“
Besonders häufig genannte Massstäbe
und Kriterien sind gemäß Diez z.B.:
– Machbarkeit und ökonomische Realität
– Weiterhin Respekt im Umgang miteinander nach Beendigung der Konflikte
– Interessen und Bedürfnisse von jedem
Einzelnen
– Erhalt von „Werten“ wie z.B. Firmenoder Familienbesitz, guter Ruf
– Wohl der Kinder/Umwelt
– Erhalt von Beziehungen (Schulgemeinschaft, Familie, Betrieb, Nachbarschaft, Elternschaft)
– Absicherung der Zukunft
– Anerkennung von Arbeit und Energie
– Materieller und immaterieller Kontenausgleich, z.B. auch von Schuld
– Ausgleich von Geben und Nehmen
– Prinzipien der Rechtsordnung.
Die Schwierigkeiten bei der Erarbeitung der „Fairnesskriterien“ liegen in
dem Anspruch, dass die Kriterien einerseits so allgemein formuliert werden sollten, dass die zu findende Lösung nicht
eingeschränkt wird,11 andererseits aber einen konkreten Bezug zur Thematik der
Vereinbarung aufweisen sollten.12 Des
Weiteren sollten die Kriterien intersubjektiv überprüfbar bzw. messbar sein, aber
zugleich individuell spezifisch, denn:
,,Genau diese „Eigen-Gerechtigkeit“
ist in der zugestandenen Privatautonomie
[...] ausdrücklich gemeint und gewollt.
[Das bedeutet] zunächst, Abschied zu
nehmen von der „objektiven“ Gerechtigkeit und eine Relativierung des normativen Rechts“.13
Bei grundsätzlicher Betrachtung ist eine Problematik ähnlich der Kartoffel-Szene zwischen Ralph und Ed erkennbar:
Das Ergebnis bleibt für den einen stimmig. Für den anderen aber ist es – so entstanden – unfair, während es – anders
entstanden – akzeptabel gewesen wäre:
Die Kriterien, die auf das Entstehen verwendet werden, passen offensichtlich
nicht unbedingt in gleicher Weise auf das
Ergebnis. Bezogen auf Mediation als Verfahren lässt sich fragen:
k Ist „Fairness“ nun einer unter mehreren möglichen Bewertungsmassstäben
für die Vereinbarung, z.B. neben dem
Recht?
k Ist Fairness der (vorgegebene) Massstab, zu dem Auslegungskriterien gesucht werden sollen?
k Können Fairness und Gerechtigkeit –
wie von Diez und Murbach – synonym
verwendet werden?
k Und wie verhält sich der so benannte
„Baustein“ zur Fairness als Charakteristikum des Mediationsprozesses?
III. Fairness als Verfahrensgerechtigkeit
Der amerikanische Philosoph John Rawls
(1921–2002) konzipierte Fairness als Verfahrensgerechtigkeit bzw. „die [...] Fairness eines Vorgangs, [als diejenige] der
Mittel oder der Art und Weise, in der verschiedenartige Ergebnisse oder Endzustände erzielt oder hervorgebracht wer-
ZKM – ZEITSCHRIFT FÜR KONFLIKTMANAGEMENT 2/2015
53
GRUNDLAGEN UND ENTWICKLUNGEN
den“.14 Dagegen bezieht sich distributive
Gerechtigkeit auf die erzielten Ergebnisse
oder Endzustände selbst.
Als zentrales Kennzeichen einer verfahrensgerechten – fairen – Gesellschaft
erachtet Rawls in seiner „Theory of Justice“ (1971), dass ihre Mitglieder ihr auch
dann zustimmen könnten, wenn sie ihre
eigene Stellung darin (noch) nicht kennen
würden. Denn sie würden den Regeln zustimmen, welche „die jeweiligen Anteile
an Vorteilen und Lasten festlegen“.15 Fairness taugt als Konzept daher „gerade dort,
wo das gerechte Ergebnis als solches nicht
mit anderen Mitteln festzustellen ist“.16
Selbstredend sind nicht alle Regeln
per se „fair“. Der Entstehung fairer Regeln
zuträglich ist der sog. „Schleier des Nichtwissens“17 bei ihrer Erarbeitung, um damit Vorteile weitgehend auszuräumen.
Exemplarisch dafür ist „wie Kinder einen
Kuchen fair teilen":18 „Ein Kind zerteilt
den Kuchen, das andere wählt aus. Da
kann man sagen, die Lösung sei fair [zustande gekommen!, KW]“.19
Diese Methode korrespondiert mit
der „fairen Haltung",20 dass man nicht
nur Vorteile einer Gemeinschaft geniessen will, sondern auch bereit ist, Belastungen zu übernehmen. Dies wiederum ist
nicht zuletzt im Sinne der Nachhaltigkeit
und Stabilität des gefundenen Entscheids
„vernünftig“.21
Diese Haltung liegt auch der sog. Goldenen Regel zugrunde, bekannt bereits
aus altägyptischen Spruchsammlungen:
„Tu niemandem etwas Böses an, um nicht
heraufzubeschwören, dass ein anderer es
dir antue“.22 Sie existiert in vielfältigen
Abwandlungen von Konfuzius, Augustinus, Thomas von Aquin, Voltaire bis hin
zum deutschen Sprichwort: „Was Du
nicht willst, dass man dir tu, das füg' auch
keinem anderen zu“.23 Die ihr zugrunde
liegende Reziprozität wird im Neuen Testament positiv for-muliert: „Alles, was ihr
wollt, dass euch die Menschen tun sollen,
das sollt ihr auch ihnen tun“.24
Mit der Goldenen Regel verknüpft
sind nach Studer25 als Merkmale moralischer Urteile ihre Universalisierbarkeit
(Anwendbarkeit auf eine Klasse von Fällen), sowie Präskriptivität („vor-schreibende“ Verpflichtung, auch selbst zur Erbringung der Leistung bereit zu sein, die
als moralische Pflicht formuliert wird).
Der Universalisierungsgrundsatz wurde
von dem amerikanischen Sozialphilosophen George Herbert Mead (1863–1931)
auch als „universeller Rollentausch“26 und
Grundlage der Entstehung gesellschaftlicher Normen bzw. ihrer Generalisierung
bezeichnet.
54
Zentral bei allen bisher skizzierten
Konzeptualisierungen ist, dass nicht das
„gerechte Ergebnis“ als Zielvorstellung
der distributiven oder allokativen Gerechtigkeit im Vordergrund steht, sondern die
Regeln ihres Zustandekommens.27 Hierauf
würden sich folglich – begrifflich gesehen
– auch so benannte „Fairnesskriterien“ in
der Mediation beziehen.
IV. Die konkrete Ausgestaltung fairer
Verfahren – Procedural Justice
Eine Reihe sozialwissenschaftlicher Arbeiten setzt sich damit auseinander, wie die
Regeln fairer Kommunikations- und Entscheidungsverfahren konkret aussehen.
Dies nicht zuletzt aufgrund des aus dem
Recht bekannten sog. „Procedural-Justice-Effekts“:28 Beteiligte Parteien empfinden eine durch ein bestimmtes Verfahren
festgelegte Aufteilung je eher als „gerecht“, je mehr sie das Verfahren als „fair“
einstufen, insbesondere im Falle eines für
sie nachteiligen Verfahrensergebnisses. In
der Diskursethik des deutschen Philosophen und Soziologen Jürgen Habermas
gehört zu den Voraussetzungen eines „begründeten Konsenses“ die „ideale Sprech(bzw. Dialog-) Situation“, mit:
k dem Einschluss aller Interessenten und
Betroffenen,
k der gleichmässigen Verteilung der Dialogrechte,
k dem Ausschluss von Zwang (zulässig
ist nur die Überzeugungskraft der besseren Argumente),
k der Aufrichtigkeit der29 Äusserungen
der Diskursteilnehmer.
Die amerikanischen Psychologen Thibaut und Walker bezeichnen in ihren Arbeiten neben der Verfahrenskontrolle
(process control) auch die Entscheidungskontrolle (decision control) als entscheidende Variable.30 Während ersteres die
Möglichkeit der Meinungsäusserung bezeichnet, meint zweiteres die Möglichkeit,
die Entscheidung z.B. durch Vetorechte
zu beeinflussen.
Ergänzende Verfahrenselemente werden von Leventhal31 genannt:
k Die Regeln gelten bei jeder Anwendung und verschiedenen Personen
(consistency),
k Die Durchführenden sind neutral (bias
suppression),
k Informationen werden korrekt gesammelt und angemessen berücksichtigt
(accuracy),
k Fehler können korrigiert werden (correctability),
ZKM – ZEITSCHRIFT FÜR KONFLIKTMANAGEMENT 2/2015
k Moralische und ethische Werte der Be-
teiligten werden berücksichtigt (ethicality).
Neben diesen strukturellen Aspekten
liegen weitere Fairness-Komponenten im
Bereich des Umgangs, z.B. dem subjektiven Gefühl, mit Würde und Respekt behandelt zu werden.32
Erklärt wird der „Procedural-JusticeEffekt“ beispielsweise von der sog. Gruppenwerttheorie33 damit, dass Menschen
grundsätzlich sozial integriert sein wollen
(Selbstwertgefühl, soziale Identität) und
dies u.a. an ihrer Behandlung ablesen. Mit
entsprechend respektvoller, vorurteilsloser und ernsthafter persönliche Behandlung steigt dann auch die Bereitschaft,
nachteilige Entscheidungen zu akzeptieren.34
Mediationen sind nach den hier genannten Aspekten per se faire Verfahren,
in denen (wenn immer möglich) alle am
Konflikt Beteiligten versammelt werden.
Sie werden von einem/einer allparteilichen Dritten darin unterstützt, eigenverantwortlich tragfähige Regelungen bzw.
Lösungen zu finden. Mediationen laufen
nach einer klaren Struktur und in einem
(mindestens seitens des Mediators) wertschätzenden Klima ab.35
14 Walkner, Gerechtigkeit und Fairness als Konzepte zur Überwindung der Widerstandsproblematik bei Beratungsprojekten, Bamberg, 2001, S. 99.
15 Rawls, Gerechtigkeit als Fairness. Ein Neuentwurf, Frankfurt, 2006, S. 57.
16 Walkner, s. Fn. 14, S. 78.
17 Rawls, s. Fn. 15, S. 40.
18 Hösl, Mediation – die erfolgreiche Konfliktlösung. Grundlagen und praktische Anwendung,
München 2008, S. 89.
19 Hösl, ebd.
20 Studer, Fairness – Leerformel oder durchsetzbare Forderung? Das Wertewort Fairness in ausgewählten Bereichen der ethischen und juristischen
Praxis, Konstanzer Universitätsreden, Band 219,
Konstanz, 2005, S. 14.
21 Rawls, s. Fn. 15, S. 27.
22 Studer, s. Fn. 20, S. 16.
23 Studer, s. Fn. 20.
24 Matth. 7.12, Lukas, 6.31.
25 Studer, s. Fn. 20, S. 17 f.
26 Vgl. Mead/Morris/Pacher, Geist, Identität und
Gesellschaft, Frankfurt a. M., 1973.
27 Vgl. Studer, s. Fn. 20, S. 14.
28 Vgl. u.a. Walkner, s. Fn. 14, S. 100.
29 Vgl. Studer, s. Fn. 20, S. 15.
30 Vgl. Walkner, s. Fn. 14, S. 101.
31 Vgl. Walkner, s. Fn. 14, S. 105 f.; Klendauer/
Streicher/Jonas/Frey, in Handbuch der Sozialpsychologie und Kommunikationspsychologie, Bierhoff/
Frey (Hrsg.), Göttingen 2006, S. 187–195, S. 190.
32 Vgl. Walkner, s. Fn. 14, S. 108 ff.
33 Lind/Tyler, The Social Psychology of Procedural
Justice, New York, 1988; vgl. auch Klinger/Bierbrauer, ZKM, 2006, 72 f.
34 Vgl. Machura, Fairness und Legitimität, Reihe:
Schriften zur Rechtspolitologie, Bd. 10, Baden-Baden, 2001, S. 11., sowie auch: Streicher, ZKM
2010, 100.
35 Vgl. Hösl, s. Fn. 18, S. 15, 29, 39.
GRUNDLAGEN UND ENTWICKLUNGEN
V. Fairness als „Prinzip der mittleren
Ebene“
Die deutsche Philosophin Annemarie Pieper verortet Fairness zudem als Prinzip
auf einer mittleren Ebene, auf der erstrebenswerte, universalisierbare Ziele, Basisnormen bzw. Grundwerte über ihre Anwendung stabilisiert werden,36 und „der
Handelnde – etwa der Strafrichter – [in
deren Sinn, KW] Ermessen ausüb[t]“.37
Solche Grundwerte sind beispielsweise
„Freiheit, Selbstbestimmung, Gerechtigkeit, Menschenwürde, psychische und
physische Integrität“.38 Diesem Verständnis der Fairness als Kriterium einer handlungs- bzw. anwendungsbezogenen Ebene
und einer prozeduralen, nicht inhaltlichen Norm entsprechen auch Fairnessbegriffe anderer Wissenschaften: So umfasst
juristische Verfahrensgerechtigkeit insbesondere das Recht auf Gehör oder das
Recht auf Gegendarstellung39 bzw. Fairness als Gütekriterium von psychologischen Tests den Ausschluss von Diskriminierung.40 Auch Fair-Play im Sport erfordert das konsequente und bewusste Einhalten der Regeln im Dienste der Olympischen Idee als universalem Ziel.41
In Mediationen findet sich Fairness
nach diesem Verständnis beispielsweise
dann, wenn Medianden bei der Aushandlung ihrer Vereinbarung fair miteinander
umgehen bzw. sich über Umgangsregeln
miteinander während der Mediation verständigen.
Damit wurde gleichsam der Ralphs
Part bei der Kartoffelverteilung näher beleuchtet. Für die Praxis der Mediation
heißt das, dass Fairness eher ein Kriterium der Gestaltung des Prozesses insgesamt ist, ob als phasenübergreifende, fortwährende Reflexionsdynamik eingebracht
oder im Rahmen eines punktuellen
„Bausteins“ erarbeitet. Da aber Eds Perspektive in ihrer Fokussierung des Ergebnisses sowohl in der Kartoffelszene als
36 Vgl. Pieper, Einführung in die Ethik, Tübingen/Basel, 2007, S. 32.
37 Vgl. Studer, s. Fn. 20, S. 18.
38 Pieper, Gut und Böse, München, 2002, S. 15.
39 Studer, s. Fn. 20, S. 40.
40 Vgl. Testkuratorium der Föderation deutscher
Psychologenverbände: Mitteilung, Diagnostica, 32/
1986, S. 358-360, S. 358.
41 Vgl. Deutsche Olympische Gesellschaft, FairPlay-Initiative 2009, http://www.dog-bewegt.de/
engagement/fair_play.html, 23.7.09.
42 Walkner, s. Fn. 14, S. 108.
43 Walkner, s. Fn. 14, S. 95.
44 Rawls, s. Fn. 15, S. 102.
45 Rawls, s. Fn. 15, S. 156.
46 Mastronardi, Mediation als Weg. Kunst und
Technik der Vermittlung, Ittingen, 2000, S. 143.
47 Hösl, s. Fn. 18.
48 Besemer, Mediation – Vermittlung in Konflikten, Königsfeld/Baden, 1998, S. 79.
49 Mastronardi, s. Fn. 46, S. 131.
auch in jeder Mediation von ebenso grosser Berechtigung ist, sollen im Folgenden
auch Prinzipien der Verteilungsgerechtigkeit skizziert werden, um auch die weitergehenden, durchaus berechtigten Anliegen
des mediativen Zwischenschritts von Dietz
und Murbach theoretisch zu verorten.
VI. Drei Prinzipien der Verteilungsgerechtigkeit
Gegenüber Fairness als Verfahrensgerechtigkeit oder prozeduraler Gerechtigkeit
bezieht sich die distributive Gerechtigkeit
oder Verteilungsgerechtigkeit auf das Ergebnis sozialer Austauschbeziehungen.
Dabei wird dieses Ergebnis42 von den jeweils Betroffenen dann als gerecht angesehen, wenn sich entweder
k die Zuteilung im Ergebnis proportional
zu den individuellen Beiträgen verhält
(Beitragsprinzip bzw. Equitiy), oder
k jeder der Beteiligten den gleichen Teil
erhält (Gleichheitsprinzip bzw. Equality), oder
k die Zuteilung den individuellen Bedürfnissen entspricht (Bedürfnisprinzip bzw. Need).
Die Relevanz der jeweiligen Verteilungsnorm hängt dabei u.a. von der Natur der
sozialen Beziehung (Freundschaft, Partnerschaft, Geschäftspartnerschaft etc.)
und der zu verteilenden Ressource (Information, Güter, Dienstleistung/Service,
Geld, Status, Liebe etc.) ab. Die Zufriedenheit mit dem Resultat der Verteilung
hängt daher – distributiv betrachtet – von
der Angemessenheit der Verteilungsnorm
und dem Grad ihrer Erfüllung ab.43 Bei
der Auswahl der Verteilungsnorm könnte
wiederum auf Kriterien der Fairness zurückgegriffen werden: Nach dem Differenz- oder Maximin-Prinzip44 wird diejenige Alternative ausgewählt, bei dem die/
der Schlechtergestellte im Vergleich zu
den übrigen Alternativen das beste Ergebnis erzielen kann.45
VII. Verfahrens- und Verteilungsgerechtigkeit in der Mediation
Die genannten Beispielkriterien (vgl. unter Ziff. II) zeigen, dass der Baustein
„Fairnesskriterien“ in der Verwendung
von Diez und Murbach tatsächlich auf allgemeine Prinzipien zielt, die den Medianden grundsätzlich wichtig sind und die sie
in der zu findenden Vereinbarung berücksichtigt wissen wollen. Von den klassischen Interessen und Bedürfnissen (explizit in jeder Mediation thematisiert als
dritte Phase) unterscheiden sich diese Bewertungsmassstäbe oder -prinzipien dadurch, dass sie (noch) allgemeiner bzw.
unabhängiger vom Gegenstand der Mediation sind. Sie werden von der Mehrheit
der Autoren des Mediationsfeldes thematisiert:
k Mastronardi
beschreibt als „prinzipienorientiertes Verhandeln“: „Bringe
die Parteien dazu, alles, was sie wollen,
zu begründen, damit das Gespräch auf
eine möglichst rationale Ebene gehoben wird“46 und fragt die Parteien nach
„ethischen, moralischen und rechtlichen Grundsätzen“, um „objektive
Prinzipien und nicht mehr nur subjektive Auffassungen“ als Begründungsraster zu haben.
k Hösl47 fragt (in Phase 1 der Mediation)
nach den „Bewertungskriterien“ der
Medianden für ihre zu treffende Vereinbarung und bietet dann an: „Was
halten Sie vom Kriterium der Fairness?“ Andere Kriterien seien z.B. Gerechtigkeit, Gleichheit, Effizienz, Vernunft.
k Besemer bezieht sich auf das faire Zu-
standekommen der Vereinbarung,
und fragt: „ob alle vom Problem Betroffenen die Möglichkeit hatten, an
der Problemlösung mitzuarbeiten, ob
alle gleiche Chancen im Verhandlungsprozess hatten etc.“.48
Fairness ist damit einer von mehreren
möglichen Massstäben, die von den Medianden zur Bewertung und Prüfung ihrer
Vereinbarung festgelegt bzw. ihnen vom
Mediator/der Mediatorin angeboten werden können. Fairness ist kein Synonym
für Gerechtigkeit, sondern bezieht sich
auf den Prozess, nicht das Resultat des
Verhandelns. Weitere Bewertungsmassstäbe neben Fairness und Gerechtigkeit
wären z.B. gesetzliche Bestimmungen,
Praktikabilität, wirtschaftliche Machbarkeit, Einhaltbarkeit bestehender Verträge,
moralische Werte, politische und religiöse
Grundgesinnungen.49 Die Bezeichnung
„Fairnesskriterien“ als Titel der Erarbeitung verschiedener Massstäbe ist daher
einengend und verwirrend. Zudem widerspräche die (alleinige) Festlegung dieses
Massstabs als Prüfmassstab an dieser Stelle dem Autonomieanspruch der Medianden. Diese Arbeit nicht auf die Frage zu
beschränken: Wann finde ich den Entscheidungsfindungsprozess fair, sondern:
An welchen Massstäben soll der Prozess
als Ganzes und sein Ergebnis gemessen
werden, ist hingegen für ein Gelingen der
Mediation ausserordentlich wichtig. Hier
erscheinen dann Gerechtigkeit, Absicherung der Zukunft, Erhalt von Beziehungen Prinzipien der Rechtsordnung etc.
(im richtigen Licht).
ZKM – ZEITSCHRIFT FÜR KONFLIKTMANAGEMENT 2/2015
55
ARBEIT UND ORGANISATION
VIII. Schlusswort: Nicht „Fairness-“,
sondern „Prüfkriterien“
Fairness des Verfahrens ist der (Idee der)
Mediation inhärent. Hierbei gibt es verschiedene Auffassungen zur Einbindung
der Medianden: Die Grundregeln der Mediation wie Fairness, Transparenz, Verschwiegenheit usw. können vom Mediator/der Mediatorin vorgegeben oder (teilweise) im Sinne der Umgangsregeln mit
Parteien erarbeitet bzw. konkretisiert werden. Im Sinne Rawls würde es sich dabei
um „Fairnesskriterien“ im eigentlichen
Sinn handeln.
Der phasenunabhängige Baustein –
nennen wir ihn vorläufig neutraler ,,Be-
wertungs- und Prüfkriterien“ – hingegen
kann „Fairness“ als möglicherweise einen
von mehreren Massstäben beinhalten.
Essentiell ist – und das sei Plädoyer
wie Fazit dieses Artikels –, Begriffe in
dem jungen Feld der Mediation unter Berücksichtigung ihres vorhandenen begrifflichen Gehalts zu verwenden, allein schon,
um Verwirrungen der Art zu vermeiden,
wie sie im eingangs zitierten Dialog aus
den „Honeymooners“ eben aus der Vermischung von Prozess und Resultat erwachsen. Denn Medianden repräsentieren auch betreffend ihre Vorbildung einen Querschnitt aus der Gesellschaft, und
wären – mit sozial(wissenschaftlich)em,
Ann Christine Hlawaty
Weniger ist mehr – Teil 2
Diagnostik als Element der Qualitätssicherung bei Mediationen
im Arbeitsleben
In diesem Artikel
werden ausgewählte Aspekte
eines von der
Verfasserin entwickelten Modells zur Einschätzung der
Eignung des MediationsverfahAnn Christine
rens bei der LöHlawaty
sung
innerbetrieblicher Konflikte dargestellt. Der bereits erschienene 1.Teil befasste sich mit
den entscheidungsrelevanten Kontextvariablen. Im vorliegenden 2. Teil werden
neben den Grundsatzorientierungen professioneller Diagnostik die personenbezogenen Erfolgsfaktoren in der Mediation
dargelegt.
Teil 1 (Heft 1/2015, 164):
A. Warum eigentlich Diagnostik?
B. Kontextvariablen
I. Dysfunktionale Strukturen oder
Prozesse
II. Vakanzen oder gravierende Defizite auf Leitungsebene
III. Komplexe Langzeitkonflikte
C. Personenbezogene Variablen
Ein wenig heikel ist die Tatsache, dass
nicht alle Konfliktbetroffenen die Voraussetzungen mitbringen, um vom Media56
tionsverfahren zu profitieren. Mediation
braucht kompetente Medianden, um zu
gelingen. Die großen Vorteile „Eigenverantwortlichkeit“ und „Selbstbestimmtheit“ sind ohne eigenes Zutun nicht zu haben. Jeder Schritt des mitunter anstrengenden Weges zur Verständigung muss
von den Parteien aus eigener Kraft selbst
geleistet werde. Es gibt keine Abkürzungen und keinen Personennahverkehr. Mediation ist ein anspruchsvolles Verfahren,
das nur funktioniert, wenn die Beteiligten
engagiert mitarbeiten. Nicht jedem Auftraggeber und längst nicht allen Medianden ist das bewusst. Wer sich im Fitnessstudio anmeldet ahnt, dass er dort keine
E-Bikes zu seiner körperlichen Ertüchtigung vorfinden wird. Aber so mancher,
der sich an einen Mediator wendet, hofft
auf ein Wunder. Diagnostik im Vorfeld
des Verfahrens kann helfen, unrealistische Vorstellungen und Hoffnungen aufzuspüren und gerade zu rücken. Nach
meinem Verständnis zielt darauf übrigens
§ 2 (2) MedG ab: „Der Mediator vergewissert sich, dass die Parteien die Grundsätze
und den Ablauf des Mediationsverfahrens
verstanden haben (...)“ Alle, die nicht Gedanken lesen können, brauchen für eine
solche Vergewisserung ein diagnostisches
Repertoire. Die reine Erläuterung des Phasen-Modells reicht nicht, um sicherzustellen, dass Medianden wissen, worauf sie
sich einlassen, was Mediation leisten kann
und an welchen Stellen ihr eigener Einsatz
erforderlich ist. Nur dann aber ist eine ei-
ZKM – ZEITSCHRIFT FÜR KONFLIKTMANAGEMENT 2/2015
juristischen, psychologischen o.Ä. Hintergrund – begrifflich möglicherweise mindestens verunsichert. Anderen müsste
der/die Mediator/in die Begriffe erklären
– und hätte mit Bezug auf ihren Kontext
ein profundes Instrumentarium.
Dr. Katja Windisch
Soziologin und Mediatorin SDM-FSM,
Geschäftsleitung des Departements
Gesellschaftswissenschaften an der
Universität Basel, Lehraufträge u.a. an der
Humboldt-Universität zu Berlin,
Mitglied des Mediations-Teams Basel
[email protected]
www.mediations-team.com/
genverantwortliche Entscheidung für dieses Verfahren überhaupt erst möglich.
Und nur dann haben wir genügend Rückenwind für eine gemeinsame Lösung.
I. Personenbezogener Diagnostik:
Ressourcenorientierte phänomenologische Verhaltensbeobachtung
Bevor wir uns den personenbezogenen
Erfolgsfaktoren in der Mediation zuwenden können, muss zunächst noch etwas
Grundsätzliches vorausgeschickt werden:
Entscheidend ist die Blickrichtung.
Modellhaft kann man sich die
menschliche Persönlichkeit in etwa wie eine Zwiebel aufgebaut vorstellen, s. Abbildung.1 Den inneren Kern (1) bildet das
materielle Grundgerüst der Seele, zum
1 Grafik aus: Hlawaty, „Die Coaching Kompetenzen“ in der Reihe „Führen und Verantworten“, Medienpaket, Ernst Klett Verlag 1997.
ARBEIT UND ORGANISATION
überwiegenden Teil bestehend aus Eiweiß, also Neuronen und Neurotransmittern. Hier wird aus Psychologie Biologie –
und umgekehrt. Eine Ebene darüber (2)
befinden sich sog. „Lebensprogramme
und Prägungen“: verdichtete, in der Regel
vorsprachliche Erfahrungen über das
Selbst und die Beschaffenheit und Wirkzusammenhänge der Welt. Darüber liegen
die Ebenen (3) „Motive, Einstellungen,
Werte“ sowie (4) „Gedanken, Gefühle, Erleben“ Die äußeren Schichten der Zwiebel
schließlich bildet die öffentliche Person.
Zur öffentlichen Person gehören „Verhalten und Äußerungen“ (5) sowie „Leistungen“ und „Resonanzen“ eines Menschen.
(6) Im Großen und Ganzen ist davon auszugehen: je tiefer eine Schicht in diesem
Modell angesiedelt ist, desto weniger ist
sie dem reflektierenden Bewusstsein zugänglich.
Üblicherweise (sozusagen als „Standardeinstellung ab Werk“) haben Menschen beim Betrachten ihrer Artgenossen
bevorzugt den Hintergrund im Vordergrund – in unserer Abbildung die Ebenen
2-4. Menschen beschäftigen sich liebend
gern mit ihren Fantasien zu den vermutlichen Motiven, Beweggründen und (psychischen) Strukturen anderer (Personen)
und antizipieren darüber deren zukünftiges Verhalten. Grundsätzlich ist dagegen
nichts einzuwenden, zumal diese Angewohnheit aller Wahrscheinlichkeit nach
wesentlich zum Erfolg unserer Spezies
beigetragen hat.2 Im Konfliktfall allerdings kann diese Wahrnehmungsvorliebe
ganz maßgeblich an Entstehung und Aufrechterhaltung von Kontroversen beteiligt
sein.
Professionelle Diagnostik konzentriert
sich auf die öffentliche Person. Was sagt
jemand? Was macht er? Und welche Effekte ruft er hervor? Mehr nicht. Was sich
im ersten Moment wie eine fahrlässige
Einschränkung des Gesichtsfeldes anhört,
hat viele Vorteile: die weitaus größere
Präzision der Informationsaufnahme und
das „eingebaute“ Taktgefühl. Alle im dargestellten Modell tiefer angesiedelten
2 Z.B. gilt die Fähigkeit, die logischen Strukturen
seines Gegenübers zu erkennen als einer der Gründe dafür, warum es dem Schachgroßmeister Garry
Kasparov anfangs gelang, das Computerprogramm
„Deep Blue“ zu besiegen.
3 Solche Verläufe finden sich häufiger: Wenn das
„Nein“ einfach beiläufig freundlich begrüßt und
zur Kenntnis genommen worden ist, kommt meistens ohne großartiges weiteres Zutun auch noch
ein „Ja“ durch die Tür.
4 In der Psychologie bezeichnet der Begriff „Performanz“ die Fähigkeit durch den eigenen sprachlichen oder körperlichen Ausdruck Atmosphären in
sozialen Kontexten zu verändern.
Schichten sind privat. Sie sind nur dann
Thema in der Mediation, wenn die Betreffenden sie aus eigenem Antrieb ins
Spiel bringen, also von sich aus Persönliches besprechen oder zeigen wollen. Das
heißt auch: Aufdeckende und tiefende Interventionen gehören nicht zum Repertoire von Mediationen im Arbeitsleben.
Im beruflichen Kontext halte ich für elementar, die Grenze zwischen Arbeit und
Privatem strikt zu wahren. Freiwilligkeit
bedeutet, dass Medianden bei jedem
Schritt nach eigenem Gutdünken entscheiden, wie weit sie sich vorwagen wollen und dazu u.a. erwägen, wie viel Offenheit sie auch am nächsten und an allen
weiteren Arbeitstagen weiterhin richtig
finden werden. Wer sich jetzt Sorgen
macht, dass diese Haltung in Mediationen
dazu führen könnte, aus lauter Vorsicht
am Eigentlichen vorbei zu segeln und sich
mit Oberflächlichem und Belanglosem zu
beschäftigen, sei beruhigt: Konfliktbetroffene haben von sich aus ein tiefes Bedürfnis und Drängen danach, zu verstehen
und verstanden werden zu wollen. Sobald
Medianden erkennen, dass niemand gegen ihren Willen ihr Innerstes nach außen
kehren wird, äußern sie aus eigenem
Impuls, was für die Lösung erforderlich
ist.
... und wenn nicht, dann sollte sich niemand gezwungen, verpflichtet, überredet
oder verführt fühlen.
Mindestens ebenso wichtig wie die
Blickrichtung ist die Intention von Diagnostik. Wonach suchen wir eigentlich? In
unserem Kulturkreis erfreut sich das Ermitteln und Analysieren von Fehlern und
Schwachstellen großer Beliebtheit. Für ein
gelingendes soziales Miteinander ist das
Gift. Wahrscheinlich mehr als alles andere
brauchen Menschen positive Resonanz
und Bestätigung, um friedliche Koexistenz leben zu können. An vielen Konflikten sind gegenseitige Schuld- und Versagensvorwürfe ursächlich beteiligt. Hier ist
Umkehr gefragt. Im Zentrum professioneller Diagnostik und der daraus resultierenden Interventionen stehen die Kompetenzen, Ressourcen und Leistungen der
Beteiligten und ihrer Interaktionen: Was
funktioniert gut? Warum? Welche Stärken, Fähigkeiten und Qualitäten sind erkennbar? Potentialorientierung ist radikal
und konsequent darauf ausgerichtet, die
Bausteine zukünftiger gemeinsamer Erfolge zu finden und zu nutzen. In Mediationen erweist sich der ressourcenorientierte Blick als Analysetool und Intervention zugleich und wirkt auf Medianden
bereits in den Vorgesprächen unmittelbar
beruhigend und entspannend.
II. Lösungswille, Standpunkt,
Distanz, Perspektivenwechsel –
Die personenbezogenen Erfolgsfaktoren
Jede Theorie ist eine Reduktion der Komplexität von Wirklichkeit mit dem Ziel
Handlungskompetenz zu erhalten und zu
steigern. In den teilweise aufgeheizten Atmosphären von Konfliktlösungsprozessen
müssen beachtliche Informationsmengen
irgendwie einigermaßen strukturiert aufgenommen werden, um zu entscheiden,
ob und wenn ja wie wir eine realistische
Chance haben, die Probleme zu bewältigen. In meiner Praxis hat sich bewährt,
beim Blick auf die Personen den oben genannten vier Aspekten besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Bereits im
Vorgespräch sollten diese Erfolgsfaktoren
bei Medianden zumindest in Ansätzen erkennbar sein.
1. Lösungswille
„Please hold the line“
Betriebsrat und Geschäftsführung eines
Versicherers haben es nicht leicht miteinander und schon einige Versuche unternommen, ihre Zusammenarbeit erträglicher zu gestalten. Bislang ohne rechten Erfolg. Die Arbeitgeberin fragt eine Mediation an. In solchen Fällen möchte ich mich
beiden Seiten zunächst ergebnisoffen persönlich vorstellen.
Der Betriebsratsvorsitzende leitet das
Vorgespräch damit ein, dass er unter den
gegebenen Umständen nicht die geringste
Chance auf Verständigung sähe. Auch die
anderen Betriebsräte zeigen sich äußerst
skeptisch und misstrauisch. Allerdings verändert sich die Atmosphäre nach diesem
nicht eben ermutigenden Auftakt rasch,
und es ist entwickelt sich mehr und mehr
Zuversicht im Raum.3 Als ich gegen Ende
schließlich frage, ob es noch etwas gäbe,
was ich wissen sollte, ergreift der bislang
überwiegend schweigsame BRV das Wort:
Das Gespräch sei angenehm gewesen –
und ich auch nett. Einen Erfolg des geplanten Vorhabens könne er sich allerdings
weiterhin nicht vorstellen. Er werde an der
Mediation teilnehmen, könne aber bereits
jetzt vorhersagen, dass die gesamte Aktion
aussichtslos sei. – Drei Sätze – und die
Stimmungslage des Gremiums befindet
sich schlagartig wieder im Keller.
So viel Performanz4 beeindruckt –
auch wenn sich der Effekt gerade als bedauerlich erweist. Bei Formulierungen
wie „Ich kann nicht“, ist immer lohnend
zu prüfen, wie es um das Wollen der Person bestellt ist. Für das Gelingen einer
Mediation ist Lösungswille unverzichtbar.
ZKM – ZEITSCHRIFT FÜR KONFLIKTMANAGEMENT 2/2015
57
ARBEIT UND ORGANISATION
Beziehungsangebote der Kategorie „Machen Sie mal ...“ oder „Überzeugen Sie
mich, dass dieses Vorgehen gut für uns
ist.“ sind Freifahrtscheine in die Katakomben belasteter Systeme und enden in
Verwicklung und Verstrickung. Bevor wir
beginnen, sollte immer sichergestellt werden, dass die Beteiligten sich ernsthaft
und aus freien Stücken entschieden haben, miteinander an einer gemeinsamen
Lösung zu arbeiten. Im dargestellten Beispiel beende ich das Gespräch deshalb in
etwa wie folgt:
Unter diesen Bedingungen würde ich
nicht kommen. Der BRV habe soeben ein
weiteres Mal die für den Erfolg der angedachten Veranstaltung mit weitem Abstand allerwichtigste Frage aufgeworfen.
Inzwischen hätten sicher alle eine ausreichend konkrete Vorstellung davon, wie wir
in etwa vorgehen würden. Jetzt stünde an,
das Vorhaben im Gremium sehr kritisch
zu diskutieren und sich dann zu entscheiden. Auf eines aber müsse ich mich bitte
verlassen können: Sollten die Zweifel überwiegen, dürften die Anwesenden dem Verfahren keinesfalls zustimmen. – Anschließend verabschiede ich mich freundlich und
gehe.5
Eine weitere mögliche Klippe kann
darin bestehen, dass Menschen im Arbeitsleben sich oft im Sinne sozialer Erwünschtheit äußern, aber eigentlich
(noch?) nicht bereit sind, an einer produktiven Streitbeilegung mitzuwirken.6
Manchmal begegnet uns auch vorgeblicher Lösungswille „Ich würde mich ja sofort verständigen – wenn der andere ein
anderer wäre.“
Die Entscheidung, die Medianden
sehr gewissenhaft für sich allein fällen
müssen und die ihnen niemand abnehmen oder erleichtern darf, lautet: „Will
ich tatsächlich mit meinem Konfliktgegenüber, so wie es nun einmal ist, eine
neue Ebene finden und nach Lösungen
suchen, mit denen wir alle gut leben können?
2. Standpunkt
„Concordia domis – foris pax“
Ohne halbwegs offene Meinungsäußerungen gibt es keinen produktiven Dialog.
Im beruflichen Kontext kommt häufiger
vor, dass Medianden sich so bedeckt halten (Pokerface), dass Verstehen und Verständigung massiv erschwert oder sogar
unmöglich gemacht werden. Vor Beginn
eines Konfliktlösungsverfahrens ist daher
zu klären: Sind die Beteiligten bereit, und
sind sie in der Lage, ihre Vorstellungen,
Anliegen und Interessen vorzutragen?
7
58
Es kann sein, dass Konfliktbetroffene
selbst (noch) nicht so genau wissen oder
formulieren können, was genau sie eigentlich stört oder entrüstet. Dies insbesondere, wenn der Konfliktgegenstand in
einem Fachgebiet liegt, in dem die Parteien sich unterschiedlich gut auskennen
und eine Seite die Befürchtung hat sich zu
blamieren. Manchmal sind Konfliktinhalte auch sehr persönlichkeitsnah und deshalb schambesetzt und schwer in Worte
zu fassen. Als besonders anspruchsvoll erweist sich die Umwandlung von Störungen in positive Zielvorstellungen. Viele
Menschen können ohne Probleme sehr
detailliert und anschaulich schildern, was
sie falsch finden, aber es fällt ihnen unglaublich schwer zu erläutern, unter welchen Bedingungen sie zufrieden wären
oder wie ihrer Einschätzung nach erste
Schritte in eine bessere Richtung aussehen
könnten. Manchmal liegt es auch daran,
dass zusätzlich zum äußeren ein inneres
Konfliktgeschehen vorliegt, weil gerade
„zwei oder noch mehr Seelen in einer
Brust wohnen“:
von Mediation sicherzustellen, dass die
Personengruppen sich jeweils intern auf
gemeinsam getragene Anliegen und Interessen verständigt haben.
3. Distanz
Ein Unternehmen hat einen ehemaligen Mitbewerber als Spezialisten für die eigene Entwicklungsabteilung gewinnen
können. Dieser etwa 55 Jahre alte Ingenieur ist inzwischen kreuzunglücklich: Seinen eigenen kleinen Betrieb hat er abgewickelt und im neuen Unternehmen nicht die
erhoffte Position und Autorisierung vorgefunden. Während des Vorgespräch oszillieren seine Vorstellungen unablässig und in
rascher Abfolge zwischen (1) dem Beenden
des ungeliebten Arbeitsverhältnisses, wobei
er im Anschluss absolut keine berufliche
Alternative für sich erkennen kann, und
(2) dem Fortführen der Beschäftigung –
dies allerdings nur unter Bedingungen, die
in der gegebenen Situation ohne Zweifel
vollkommen unrealistisch sind. So versteigt
er sich in die gänzlich unproduktive Position, getäuscht und betrogen worden zu
sein und produziert in seiner Abteilung
beachtliche Störungen.
,,Eigentlich bin ich ganz anders, nur komme ich selten dazu.“ (Ödön von Horváth)
Bei dem römischen Geschichtsschreiber Tacitus findet sich ein Bericht über
ein aus heutiger Sicht hochmodernes Beschlussverfahren der Germanen: Vor
wichtigen Entscheidungen ging der Stammesälteste mit seinem Rat der Weisen zunächst einmal alle Argumente durch. Anschließend wurden größere Mengen Alkohol verteilt und konsumiert, und man
beriet erneut. Als tauglich befunden wurden Entscheidungen erst dann, wenn sie
in beiden Bewusstseinszuständen identisch waren. Die Bedeutung der Balance
von Denken und Fühlen erfährt als
Grundlage dauerhafter Lösungen gegenwärtig wissenschaftliche Bestätigung und
Renaissance. Beide Qualitäten sind unverzichtbare Bestandteile des Gelingens. Im
psychologischen Fachjargon wird Distanz
auch als Fähigkeit eine exzentrische Position einzunehmen bezeichnet und markiert den Unterschied zwischen selbstgesteuertem Handeln und re-aktivem Agieren. Konkret bedeutet Distanz:
– So viel Abstand zu sich selbst in dem
Geschehen herstellen zu können, dass
Selbstwahrnehmung und Introspektion überhaupt möglich sind und bewusst entscheiden werden kann, wie
viel davon man dem Konfliktgegenüber offenbaren will.
– In der Lage zu sein, sich zumindest
streckenweise von der eigenen Betroffenheit zu lösen und anderen Aspekten und Sichtweisen zuzuwenden. Damit ist Distanz eine der Voraussetzungen, um mit anderen Menschen in einen Dialog und Gedankenaustausch
treten zu können.
Wenn eine innere Zerrissenheit so virulent ist, dass die Person keinen Gedanken im Raum stehen lassen kann, ohne
unmittelbar ins Gegenteil zu verfallen, ist
sie zu dieser Zeit ihres Lebens einer Mediation nicht gewachsen. Manchmal kann
externe Unterstützung nötig sein, damit
zunächst ein einigermaßen stabiler innerer Frieden hergestellt wird, bevor ein
Mensch seinem Ärger mit der Außenwelt
entgegen tritt. Gleiches gilt für Konfliktlösungen zwischen Mehrpersonenparteien.
In unserer täglichen Arbeit nehmen Konfliktlösungen zwischen Arbeitgebervertretungen und Mitbestimmungsorganen einen großen Raum ein. Hier ist im Vorfeld
5 Grundsätzlich möchte ich, dass potentielle Medianden sich nicht bereits im Vorgespräch entscheiden, ob sie mit mir zusammenarbeiten wollen, sondern bitte sie immer, sich ein paar Tage Bedenkzeit
zu gönnen. Im vorliegenden Fall ist die Mediation
übrigens völlig problemlos zustande gekommen
und gelungen.
6 An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass die
sich gegenwärtig abzeichnende Tendenz in der Arbeitsgerichtsbarkeit, das Ablehnen einer Mediation
im anschließenden Gerichtsverfahren negativ zu bewerten, dem Grundgedanken der Freiwilligkeit widerspricht. Siehe hierzu auch Dahl in Koweit/Gäßler, Kommentar zum Mediationsgesetz, Nomos
2014, S. 378 Rz. 21.
7 Inschrift über dem Lübecker Holstentor, frei
übersetzt: „Eintracht innen – außen Frieden“.
ZKM – ZEITSCHRIFT FÜR KONFLIKTMANAGEMENT 2/2015
ARBEIT UND ORGANISATION
– Außerdem werden Affektkontrolle
und Selbststeuerung – ein kühler Kopf
– benötigt, um Alternativen und deren mögliche Folgen und Gefahren erkennen und abschätzen zu können.
Unter starkem Stress entspricht die
individuelle Wahrnehmung der Außenwelt in etwa der Sehkraft eines
Maulwurfs, während Risikobereitschaft und Engagement umgekehrt
proportional zunehmen. Affektiv aufgeladene Zustände sind also ungeeignet, um kompetent und eigenverantwortlich Entscheidungen zu fällen.
Nach meinem Empfinden gehört es
zu den Aufgaben des Mediators, im Vorfeld zu überprüfen, ob eine exzentrische
Position eingenommen werden kann. Ein
ausgesprochen gutes Zeichen ist übrigens,
wenn Personen noch über Restbestände
von Humor verfügen und sich beispielsweise mit dem Gedanken anfreunden
können, dass „jedes Ding drei Seiten hat:
eine gute, eine schlechte und eine komische.“ (Karl Valentin)
Ganz grundsätzlich sollte während
des gesamten Verfahrens im Blick behalten werden, dass Medianden die Beherrschung nicht verlieren – schließlich sind
sie auf der Arbeit und nicht in der Therapie. Um Missverständnissen vorzubeugen: Gefühle gehören dazu. Ein ordentliches Wut-Gewitter kann reinigende Wirkung haben und der Ausdruck von zarten
Empfindungen wie Verletzung, Schmerz,
Scham oder Angst mitunter sogar die Voraussetzung dafür sein, dass dauerhafte
Problemlösungen gefunden werden.
Gleichzeitig hängen Qualität und insbesondere Tragfähigkeit von Ergebnissen
entscheidend davon ab, ob die Beteiligten
finden, durchgängig ausreichend Kontrolle behalten zu haben, also in der Mediation nicht „völlig außer sich“ geraten zu
sein.
Bezogen auf die Bereitschaft, Einblicke
in das eigene Gefühls- und Seelenleben zu
gewähren, gibt es stark differierende kontextabhängige Gepflogenheiten. Während
eine gewisse Offenheit und Redseligkeit in
manchen Berufsgruppen (z.B. meiner ei8 Was in einem Text kaum zu vermitteln ist: diese
Aussage war nicht als Entwertung gemeint. Für den
CEO hatten sachlogische Fragestellungen und Erfordernisse sowie absolute Ehrlichkeit oberste Priorität. Bezogen auf Gefühlsbotschaften und persönliche Anliegen zeigte er sich auch im weiteren Verlauf der Mediation weitestgehend blind und taub
und behandelte Herzensangelegenheiten wie Denksportaufgaben – Dabei war er allerdings durchgängig und unter erkennbar gewaltigem Stress ernsthaft bemüht, alles „richtig“ zu machen. Demgegenüber hatte der HR Manager in ebenso radikaler
Ausschließlichkeit – auch in seinem Verantwortungsbereich – nur die emotionalen Belange im
Vordergrund.
genen) und Arbeitsfeldern vorausgesetzt
wird, ist das Veröffentlichen von Innenwelten in anderen Bereichen des Arbeitslebens eher unüblich. Allparteilichkeit bedeutet auch, bei den Konfliktbeteiligten
die Gegebenheiten zu akzeptieren und mit
dem zu arbeiten, was Medianden aus
freien Stücken entfalten wollen.
4. Perspektivenwechsel
,,Ein Wort gab das andere. Wir hatten uns
nichts mehr zu sagen.“ (Lothar Matthäus)
CEO und HR Manager eines Konzerns
unterstellen einander Intrigen und Demontage und wollen einen Versuch unternehmen, ihre Zusammenarbeit zu verbessern. In der Mediation gestaltet sich die
Kommunikation mühsam. Zu verstehen,
was der jeweils andere gerade gesagt hat,
scheint für beide in etwa so anspruchsvoll
wie die Übersetzung klingonischer Poesie.
Der HR Manager erläutert schließlich, er
fühle sich in seinem Engagement und seiner Leistung nicht gesehen und fragt ganz
direkt, was der CEO eigentlich von seiner
Arbeit mitbekäme und gut fände. Daraufhin schweigt der CEO – gefühlt minutenlang – und berichtet dann, dass das Catering in den Meetings immer ganz ausgezeichnet sei 8
Perspektivenwechsel hat eine sachlogische und eine zwischenmenschliche
Komponente. Letztere bedeutet, die IchGrenzen zeitweise zu überwinden, was
sich bereits in den Begrifflichkeiten ausdrückt: In der Sprache der Hopi Indianer
beispielsweise wird Perspektivenwechsel
sehr anschaulich als „eine Weile in den
Mokassins des anderen wandern“ bezeichnet. Im Deutschen spricht man davon „sich in jemanden hineinzuversetzen“
oder „etwas durch seine Augen zu sehen“.
Interpersonell umfasst die Qualität Perspektivenwechsel:
Hinschauen: Die Vermeidung von
Blickkontakt ist in vielen Konflikten Ursache und Wirkung zugleich. Wenn Menschen einander nicht mehr ansehen (mögen), findet eine wahre Kettenreaktion
verhängnisvoller Effekte statt. Unter anderem auch deshalb hat sich bewährt, die
Platzwahl konfliktzentraler Personen zu
steuern.
Die weitreichende Bedeutung visueller
Kontaktaufnahme wurde erstmalig von
dem Italiener Giacomo Rizzolatti und seinen Mitarbeitern in geradezu bahnbrechenden Experimenten nachgewiesen. Seither wissen wir, dass Menschen – eigentlich – „wie gemacht“ für Mitgefühl und
intuitives Verstehen sind. Sobald Personen einander anschauen, geht es gar nicht
anders, ein einziger Blick, und die aktuelle
Befindlichkeit des jeweils anderen ist in
einer Tiefe erfasst, die weit über das hinausreicht, was Worte zu leisten vermögen. Unser soeben dargestelltes Beispiel
zeigt allerdings auch, dass nicht jedem gegeben ist, mit diesen autonomen Resonanzphänomenen in konstruktiver Weise
umzugehen.
Zuhören: Verhältnismäßig viele
Menschen tun sich schwer damit, anderen
ihre Aufmerksamkeit zu schenken. In
Konflikten wird diese Tendenz weiter verstärkt. Konkret bedeutet das: Entweder
die Konfliktbeteiligten reden selbst – oder
sie bereiten sich darauf vor zu reden und
warten auf den Moment, in dem das Gegenüber Atem schöpfen muss. Man
braucht kein Experte zu sein, um zu erkennen, ob Personen wirklich zuhören:
echte Dialoge zeichnen sich dadurch aus,
dass Gesprächspartner einander ausreden
lassen und sich wechselseitig aufeinander
beziehen.
Einordnen: Zur Beurteilung sozialer
Situationen und zur Antizipation von Effekten des eigenen Handelns greifen Menschen auf emotional bewertete abgespeicherte Erlebnisse zurück. Dieser Vorgang
dauert nur wenige Millisekunden. Im
oben dargestellten Beispiel liegt das Problem nicht darin, dass der CEO anscheinend kaum weiß, was der HR-Manager
macht. Unglücklich ist seine Einschätzung, wie eine adäquate Beantwortung
der Frage des Mitarbeiters aussieht. Soziale Sensibilität und interpersonelle Effektivität hängen entscheidend davon ab, ob
eine Person auf einen Erfahrungshintergrund zurückgreifen kann, der es ihr ermöglicht, die vom anderen gesetzten
Schwerpunkte (in dessen Sinne) richtig zu
erfassen und sich gleichzeitig die Auswirkungen des eigenen Verhaltens vorzustellen.
Bei dauerhaften Konflikten besteht
das Handikap übrigens meistens nicht darin, dass die Personen sich nicht verstehen und die Äußerungen des jeweils anderen nicht einordnen können. Ganz im
Gegenteil finden wir bei „gut eingespielten“ Langzeitfeinden vielmehr häufig eine
große Nähe oder sogar eine komplementäre Seelenverwandtschaft kombiniert mit
der fatalen Neigung, gegenseitig die roten
Knöpfen zu bedienen.
Aushalten: Eigentlich weiß es jeder
und dennoch kann es zuweilen unbegreiflich oder unerträglich sein: Wirklichkeit
ist ein Konstrukt und hängt stark von der
individuellen Blickrichtung ab. In Konfliktsituationen erweist sich die wiederbelebte Akzeptanz dieser Erkenntnis immer
als erster Schritt des Verstehens, dass
auch der eigene Gegenspieler für seine
ZKM – ZEITSCHRIFT FÜR KONFLIKTMANAGEMENT 2/2015
59
PRAXISFALL
Verhaltensweisen subjektiv nachvollziehbare Gründe hat. Im oben dargestellten
Beispielfall wurde Lösung möglich, als es
den beiden Managern gelang, ihre wirklich sehr weit auseinander liegenden
Wahrnehmungsspezialisierungen als individuelle Eigenarten zu erkennen und zu
tolerieren.
Angesichts der vielen in den vorangegangenen Abschnitten dieses Artikels dargestellten psychologischen Aspekte könnte der Eindruck entstehen, dass es bei
Konflikten im Arbeitsleben vorrangig um
die Klärung persönlicher Problematiken
ginge – was falsch wäre. Dem mit weitem
Abstand überwiegenden Teil der an uns
herangetragenen Thematiken liegen
handfeste sachlogische Meinungsverschiedenheiten bzw. systemimmanente
Interessengegensätze zugrunde, bei denen
die phasenweise auftretenden „Nickeligkeiten“ nicht überbewertet werden sollten. In den allermeisten Fällen finden wir
menschlich und fachlich hochkompetente
Parteien in Situationen, die meine Kollegin Dr. Katja Mückenberger ebenso anschaulich wie zutreffend als „verkantet“
bezeichnet. Bei der Lösung punktueller
inhaltlichen Verkantungen steht im Vordergrund, die sachlogischen Komponenten von Perspektivenwechsel zu fokussieren, d.h. u.a.: Haben alle Beteiligten Zugang zu den relevanten Informationen?
und: Haben sie das Fachwissen oder entsprechende Unterstützung, diese verstehen und einordnen zu können? Zusätzlich
gehören systemisches Denken und die Fähigkeit zur Antizipation von Effekten und
Risikoanalyse zu den sachlogischen Anteilen von Perspektivenwechsel.
D. Fazit
Das eigentliche Anliegen von Konfliktbetroffenen ist die Lösung eines Problems
und nicht die Durchführung eines spezifischen Verfahrens. Vor jedem Eingreifen
in belastete Systeme stehen diagnostische
Erwägungen zu Effizienz und Effektivität
der in Betracht kommenden Maßnahmen. Professionelle Konfliktlösungsberatung im beruflichen Kontext berücksichtigt die Bandbreite der Interventionsmöglichkeiten und gibt minimalinvasiven
Strategien der Vorrang.
Ann Christine Hlawaty,
Psychologin und Mediatorin, Hamburg.
Kooperationspartnerin des Frankfurter
Unternehmens roland lukas KONFLIKTLÖSUNGEN
Heiner Krabbe/Michaela Steinwender/Gert Fürst
Kurz-Zeit-Mediation in einem Anlegerverfahren
– ein Praxisfall
Auf Anraten des Handelserläutert. Im Gerichtsvergerichts Wiens wurde ein
fahren wäre mit umfangAnlegerverfahren mit einer
reichen ZeugenvernehSchadenssumme von 23
mungen zu rechnen geweMillionen Euro im Rahmen
sen. Einschätzungen gineiner Kurz-Zeit-Mediation
gen von einem Zeitraum
erfolgreich beendet. Nach
von bis zu zehn Jahren
einer sehr ausführlichen
aus. Dieses Zeit- und KosVorlaufphase
(hearing,
tenrisiko gab letztlich den
Vorgespräche mit den
Ausschlag, dass die ParHeiner Krabbe
Michaela Steinwender
Gert Fürst
Rechtsanwälten,
Vorgeteien einer Mediation zuspräche mit den Parteien) konnte in zwei
stimmten. So wurde „Ruhen des VerfahAnlageberater in Form der Kurz-Zeit-MeSitzungsblöcken (3 Tage/2 Tage) mit den
rens“ vereinbart und gleichzeitig ein neudiation erfolgreich abgeschlossen werden.
beteiligten Parteien eine Vereinbarung
er Verhandlungstermin in drei Monaten
mediiert werden. Dabei spielte sowohl der
festgelegt.
2. Die Überweisung in die
Faktor Zeit als auch die interdisziplinär
Mediation
besetzte Co-Arbeit eine entscheidende
3. Das Hearing
Rolle.
Beim Handelsgericht Wien reichte der
Verein für Konsumenteninformation
Der Verband für Mediation gerichtsan(VKI) im Namen von 2.500 Wertpapierhängiger Verfahren (VMG) organisierte
anlegern fünf Sammelklagen ein. Es ging
eine Ausschreibung, wonach sich drei Be1. Der Fall
um eine Schadenssumme von 23 Milliowerberteams, die sich in einem Hearing
In einem gerichtsanhängigen Anlegervernen Euro. Verklagt wurde eine Anlagebeden Konfliktparteien vorstellen mussten.
fahren mit vermeintlich 2.500 Geschädigratungsgesellschaft mit dem Vorwurf der
Dabei ging es einerseits um Vorschläge
ten wurde in einem mehrjährigen Rechtssystematischen Fehlberatung. Zwei Jahre
der Mediatoren zur Gestaltung der anstestreit vor dem Handelsgericht in Wien
war das Gericht dann mit der Erledigung
henden Mediation; andererseits sollten
um die Zulässigkeit von Sammelklagen
formaler Streitpunkte beschäftigt. In der
die Mediatoren die Form ihrer Zusamgestritten. Nach Bejahung der Zulässigkeit
mündlichen Streitverhandlung hatte der
menarbeit vorstellen. Große Bedeutung
konnte auf Vorschlag des Handelsgerichts
Richter mit den Prozessparteien die rechtnahm die Frage nach der Indikation von
eine Mediation zwischen einer Konsuliche Ausgangssituation erörtert und zuMediation für beide Seiten ein. Die Parmentenschutzorganisation und einem
gleich die mögliche Alternative Mediation
teien wollten überzeugt werden, dass eine
60
ZKM – ZEITSCHRIFT FÜR KONFLIKTMANAGEMENT 2/2015
PRAXISFALL
Mediation in ihrem Fall Sinn machen
könnte. Sie waren jedoch erstaunt, dass
das Mediatorenteam mit der gleichen Frage in das Hearing gekommen war. Zudem
gab es eine große Skepsis seitens der Parteien, ob eine solche umfangreiche Mediation in diesem knappen Zeitrahmen gelingen konnte. Das Konzept der Kurz-ZeitMediation wurde intensiv erörtert mit der
Zusicherung der Mediatoren, dass sie den
Zeitrahmen entsprechend gestalten und
die Variable „Zeit“ bei der Prozessgestaltung bewusst einsetzen werden.
Die Kurz-Zeit-Mediation ist eine spezielle Form der Mediation, bei der eine
Gesamtmediation in ein bis zwei Sitzungen durchgeführt wird.1 Sie baut auf Leitlinien der Kurz-Zeit-Therapie auf und beschränkt sich auf eine Lösung, die von
den Parteien akzeptiert werden kann ohne Anspruch auf Transformation. In der
Kurz-Zeit-Mediation hat der Mediator die
zusätzliche Aufgabe, ein präzises Zeitmanagement zu führen. Mediator und Parteien durchlaufen in einem vorher festgelegten Zeitrahmen alle Prozessstufen einer Mediation. In diesem Fall war es ausdrücklicher Wunsch der Parteien, in einem begrenzten Zeitrahmen den Versuch
einer Mediation zu unternehmen. Von
daher wurde das Zeitmanagement der
Mediation ausführlich erörtert.
Nach einer Beratungspause beauftragten beide Seiten die Mediatoren zur Ausführung der Kurz-Zeit-Mediation.
4. Die Vorgespräche
In der Vorlaufphase der Mediation wurden mit jeder Seite Vorgespräche durchgeführt. Die ersten Vorgespräche fanden
mit den Rechtsanwälten jeder Seite statt,
da diese bereits im gerichtlichen Verfahren zahlreiche Schriftsätze ausgetauscht
hatten und sich stärker in die juristische
Materie eingearbeitet hatten. Hier war
den Mediatoren die Zustimmung der
Rechtsanwälte zum Verfahren der Mediation sowie deren Rollenklärung in der
Mediation von großer Bedeutung. Die
Mediatoren erhielten zugleich einen ersten Überblick über die strittigen Sachverhalte sowie deren rechtliche Einschätzung. Es konnten erste Hypothesen zum
Konflikt entwickelt werden. Die Konfliktanalyse konnte dann in einer zweiten Einzelgesprächsrunde mit den jeweiligen
Konfliktparteien vertieft werden. In diesem konnten die Mediatoren nochmals
das Verfahren der Mediation beiden Sei1 Hierzu ausführlich Krabbe/Fritz, ZKM 2013, 76.
2 Österreichische Amtssprache für „Sprachregelung gegenüber der Öffentlichkeit“.
ten in Abgrenzung zu Vergleichsverhandlungen erläutern.
Schließlich nahm die Formulierung
des Mediationsvertrages noch einige Zeit
in Anspruch, bis die Parteien der Durchführung der Kurz-Zeit-Mediation in zwei
Sitzungen zustimmten. Darüber informierten die Mediatoren das Handelsgericht, was gemäß dem österreichischen
Zivilrechts-Mediations-Gesetz Fristenhemmungen bewirkt. Die Mediatoren
sind gesetzlich zur Verschwiegenheit verpflichtet.
5. Die erste Mediationssitzung
(drei Tage)
Für die erste Mediationssitzung war ein
Zeitrahmen von drei Tagen vorgesehen.
Ausgehend von den Prozesshypothesen
aus den Vorgesprächen planten die Mediatoren einen halben Tag für die endgültige Version des Mediationsvertrages ein,
einen ganzen Tag für den Themenbereich
Kommunikation und Kommuniqué2 mit
allen Prozessstufen der Mediation sowie
einen Tag für den Themenbereich „Schaden“ bis zur Stufe der Interessen. Die verbleibende Zeit wurde als Joker-Zeit eingeplant. Dabei wurde der Themenbereich
Kommuniqué bewusst vor den des Schadens, des Geldes gezogen, um ein positives Bild bei den Parteien als Stabilisierungsmöglichkeit vorwegnehmen zu können („Welches Kommuniqué im Fall einer Einigung?“). Auf dieser Basis sollte
dann der Themenbereich Geld angegangen werden. Zudem sollte den Parteien
genügend Zeit eingeräumt werden, ihre
Interessen in dem Zeitraum zwischen beiden Sitzungen hinreichend zu beleuchten
und abzusichern.
Es wurde mit den Parteien das Setting
festgelegt. Auf jeder Seite stellten zwei
Personen die Verhandlungsparteien; jeweils drei weitere Personen (inklusive
Rechtsanwälte) saßen jeweils seitlich zum
Mediationsgeschehen und erhielten zwischendurch an bestimmten Punkten die
Möglichkeit, die beiden Verhandlungsführer zu unterstützen.
Zu Beginn der Mediationssitzung
wurden weitere Änderungsvorschläge der
Rechtsanwälte zur Mediationsvereinbarung eingebracht. Von großer Bedeutung
für die Mediation war die vertragliche
Verpflichtung jeder Seite, keine weiteren
Schriftsätze an das Gericht weiterzuleiten.
Sollten aus formalen prozessualen Gründen noch Schriftsätze erforderlich sein,
würden diese nur möglich sein, wenn diese vorher der anderen Seite bekannt gemacht würden. Ansonsten sollte der di-
rekte Austausch der Parteien ausschließlich im Rahmen der Mediation praktiziert
werden.
Nach Unterzeichnung des Mediationsvertrages schlugen die Mediatoren
den Konfliktparteien das zeitliche und inhaltliche Vorgehen vor. Beide Seiten wollten sich zunächst auf die Ermittlung der
Schadenssumme konzentrieren, bevor ein
Kommuniqué erarbeitet werden würde.
Beide Seiten befürchteten, dass im anderen Fall „das Pferd von hinten“ aufgezäumt würde, stimmten aber den Mediatoren zu, dass das Kommuniqué ein guter
Test sei, um eine grundsätzliche Einigungsmöglichkeit auszuloten.
Der Themenblock „Kommuniqué“
umfasste eine begrenzte Themensammlung. Viel Zeit wurde für die Stufe der Interessen vereinbart. Die Bedürfnisse zum
Umgang mit der Öffentlichkeit waren auf
jeder Seite sehr unterschiedlich. Während
auf Seiten der Konsumentenschützer die
Kommunikation mit den Anlegern in der
Öffentlichkeit eine große Bedeutung hatte,
sollte die Kommunikation mit der Öffentlichkeit auf Seiten des Anlageberaters auf
ein Mindestmaß reduziert werden. Hier
gaben die Mediatoren jeder Seite viel Zeit,
die jeweiligen Bedürfnisse der anderen
Seite zu verstehen, ohne ihnen zustimmen
zu müssen. So konnten bis Mitte des
zweiten Tages verschiedene Textvorschläge verhandelt und vorläufig vereinbart
werden.
Mit diesen „Kommuniqué Vereinbarungen“ zeigte sich auf beiden Seiten ein
wenig mehr Zuversicht, dass eine Vereinbarung auch zum zweiten Themenkomplex erreicht werden könnte.
Die Themensammlung zum Bereich
Schaden beschränkte sich auf wenige Unterpunkte. In der nächsten Stufe wurden
dann wiederum die Interessen und Bedürfnisse jeder Seite hinsichtlich des
Schadens intensiver beleuchtet. Hierfür
hatten die Mediatoren einen halben Tag
veranschlagt mit gemeinsamen Sitzungen
und Rücksprachen sowie Einzelgesprächen auf beiden Seiten.
Dem Verband der Konsumentenschützer war es vor allem wichtig, eine bestimmte Mindestsumme für jeden Anleger zu erhalten. Dem Anlageberater war
eine nachvollziehbare Berechnungsgrundlage für die Ermittlung der Schadenssumme sowie die Rücknahme des
Vorwurfs systematischer Fehlberatungen
wichtig.
Dies konnte erst in Einzelgesprächen
mit jeder Seite erarbeitet werden. Die Mediatoren unterstützten jede Seite in ihrer
ZKM – ZEITSCHRIFT FÜR KONFLIKTMANAGEMENT 2/2015
61
PRAXISFALL
Selbstbehauptung. Noch wichtiger war
anschließend der wechselseitige Verstehensprozess der jeweils anderen Seite. So
gelang es den Mediatoren, verständlich zu
machen, dass die eine Seite großen Wert
legte auf ihr Auftreten gegenüber den
Wertpapieranlegern, die eine Mindestsumme an Entschädigung erwarteten.
Andererseits war nachvollziehbar, dass
die Anlageberater eine rechnerische Formel zur Ermittlung des Schadens benötigten und auch nicht in den Verdacht geraten wollten systematisch fehlberaten zu
haben.
Nach einer längeren Pause zeigten
beide Verständnis für die andere Seite
und deuteten an, eine Berechnungsmethode vorzustellen sowie eine feste Gesamtsumme für die Anleger anzubieten.
Weitere Details sollten dann in einer
zweiten Mediationssitzung behandelt
werden mit dem Ziel einer Vereinbarung.
6. Die zweite Mediationssitzung
(zwei Tage)
Für den Zeitraum von zwei Tagen wurde
das Setting nochmals verändert.
Auf jeder Seite war nur jeweils ein
Verhandler anwesend, die anderen Beteiligten hielten sich in der jeweiligen Anwaltskanzlei auf und trafen sich in den
Pausen mit ihren Verhandlern. Zu Beginn
der zweiten Sitzung wurden die internen
Abstimmungen zum vorläufigen Kommuniqué zurückgemeldet und in den bestehenden Entwurf eingearbeitet.
Anschließend machten beide Seiten
konkrete Angebote an die andere Seite.
Im Wechsel von gemeinsamen und Einzelgesprächen konnten Angebote zur
Schadenssumme schrittweise miteinander
ausgehandelt werden. Es gelang, die jeweiligen Restsummen optional zu verkleinern. Dabei war eine straffe Verhandlungsführung durch die Mediatoren hilfreich. Der Hinweis auf den jeweils zur
Verfügung stehenden Zeitrahmen ließ die
Parteien auch bei Störungen rasch weiter
verhandeln. In den letzten 1,5 Stunden
vor Zeitablauf kam es bei einer sehr gerin-
62
gen Restsumme für die Mediatoren unerwartet zu Abbruchdrohungen von beiden
Parteien. Zunächst versuchten die Mediatoren, die Situation zu normalisieren und
boten eine Pause mit der Möglichkeit der
Rücksprache an. Es kam von beiden Verhandlungsparteien erneut die Ankündigung, abzubrechen. Erst der energische
Hinweis durch die Mediatoren, dass nur
noch eine geringe Summe zu verhandeln
sei und die Parteien sich nur noch auf diese Summe konzentrieren sollen, half weiter. Beide Seiten hielten Rücksprachen
mit ihren Beratern und konnten zum
Schluss die verbleibende Restsumme aufteilen, so dass eine Gesamtsumme als
Schaden ermittelt und vereinbart werden
konnte.
Am Ende der Verhandlung wurde die
noch verbleibende eingeplante Zeit genutzt, ein Memorandum bezüglich der
Verfahren vor den Zivilgerichten (Einigung über Schadenssumme) und im Hinblick auf das Kommuniqué zu erarbeiten.
Beide Verhandlungsführer holten ihre
Berater in den Verhandlungsraum und
bedankten sich für die Zusammenarbeit
und die entwickelte Lösung.
Es wurden entsprechende Pressemitteilungen veröffentlicht. Anleger und Behörden wurden jeweils rasch informiert.
Die zuständigen Richter am Handelsgericht erhielten vom Mediatorenteam die
Mitteilung, dass im Rahmen der Mediation eine Lösung gefunden werden konnte.
7. Fazit
Es lassen sich eine Reihe von Erkenntnissen aus dieser Mediation ableiten:
– Der knappe Zeitrahmen bringt die
Parteien dazu, sich schneller wieder
auf die Sachebene zu begeben.
– Der knappe Zeitrahmen ermöglicht
die Konzentration auf ein Hauptthema.
– Das Setting muss so gestaltet werden,
dass die Verhandler genügend durch
ihre Berater und Rechtsanwälte abgestützt sind.
ZKM – ZEITSCHRIFT FÜR KONFLIKTMANAGEMENT 2/2015
– Ebenso muss die Einbeziehung aller
Entscheidungsträger zu Beginn der
Kurz-Zeit-Mediation
sichergestellt
sein.
– Es kommt in der Kurz-Zeit-Mediation
immer wieder zu Blockierungen, die
sich durch Einzelgespräche mit anschließendem gemeinsamen Gespräch
auflösen lassen.
– Bei beiden Themenbereichen war jeweils die Stufe der Interessen und Bedürfnisse von ausschlaggebender Bedeutung; dies gilt insbesondere für
das wechselseitige Verstehen, was
durch die Mediatoren in Einzelgesprächen aufbereitet werden musste
– Eine gute Co-Arbeit von Mediatoren
scheint darin zu bestehen, dass zum
einen unter den Mediatoren ein gemeinsam erarbeitetes Mediationsverständnisses besteht. Zum anderen
sollten die Mediatoren aus verschiedenen Grundberufen kommen, so dass
die unterschiedlichen Blicke auf den
Konflikt der Parteien miteinander
ausgetauscht werden können, um die
nächsten Schritte der Mediation festlegen zu können. Als ideal hat sich die
Besetzung des Mediatorenteams mit
je einem Mediator aus einem ökonomischen, juristischen und psychologischen Grundberuf erwiesen. Alle drei
Perspektiven gemeinsam konnten der
Vieldimensionalität des Konfliktgeschehens gerecht werden.
Heiner Krabbe
Psychologe, Mediator
Mediationswerkstatt Münster
www.heiner-krabbe.de
[email protected]
Michaela Steinwender
Juristin, Mediatorin
www.astpartner.eu
[email protected]
Gerhart Fürst
Ökonom, Mediator
www.trialogis.at
[email protected]
REZENSIONEN
Klowait/Gläßer (Hrsg.): Mediationsgesetz Handkommentar, Baden-Baden 2014, 732 S., 78 €, ISBN 978 3 8329 6997 4
Die Liste der Namen der Herausgeber
und Autoren liest sich wie das WHO'S
WHO der deutschen Mediationsszene.
Vor allem die Herausgeber drücken dem
Werk ihr Gütesiegel auf. Aufgrund seiner langjährigen Mediationserfahrung
ist Klowait in der Lage, bei Gesetzeslücken mit tiefgreifenden Gedanken Lösungsoptionen anzubieten. Bsp: Zunächst leitet er (§ 5 Rz. 44; § 6 Rz. 43)
aus der Nr. 20 der Gesetzesbegründung
zu § 6 und dem Gesetzeswortlaut § 6 S. 2
Nr. 8 („Übergangsbestimmungen für
Personen, die bereits vor Inkrafttreten
des Gesetzes als Mediatoren tätig sind“)
ab, dass ein Mediator, der bereits vor
dem Inkrafttreten der VO eine Ausbildung im Inland absolviert hat, die den
Anforderungen und dem Mindestumfang von 120 Std. entspricht, sich mit Inkrafttreten der VO als zertifizierter Mediator bezeichnen darf.“ Dieser begründete Hinweis dürfte besonders alle Altfälle interessieren, einschließlich diejenigen die ihre der VO entsprechende Ausbildung noch bis zu deren Inkrafttreten
beenden. Klowait rügt (§ 5 Rz. 22) den
unscharfen Gesetzgeber, der in § 5
Abs. 1 S. 3 im Kontext der Ausbildung
zwar zutreffend praktische Übungen,
Rollenspiele und Supervision erwähnt.
Supervision sei aber berufsbegleitend
Unterstützung des praktizierenden Mediators. Im Kontext der Ausbildung
könne „Supervision“ daher nur fachkundige Aufsicht und Anleitung bei den
Übungen und Rollenspiel bedeuten.
Auch Gläßers kluge und praxistaugliche
Ausführungen beeindrucken. Beispielsweise wird in § 2 Rz. 141 die interessante
These vertreten, dass Vorgespräche zur
Verfahrensübernahme auch ohne allseitiges Einverständnis nach § 2 Abs. 3 S. 3
einseitig erfolgen dürfen. Das Gebot gelte erst ab dem grundsätzlichen Zustandekommen der Mediation.
Goltermann (§ 3 Rz. 11) äußert Zweifel
an der Zulässigkeit einer Erfolgsprämie
für den Fall einer Einigung. Letztlich sei
die Frage davon abhängig, welche Ziele
mit der Mediation verfolgt würden, das
liege in der Entscheidungsgewalt der
Parteien. Rezensent dazu: Bei einer Baumediation zielt das beiderseitige Interesse auf eine schnelle interessengerechte
Einigung, um den Bauablauf nicht zu
gefährden. Hier dürfte die Vereinbarung
einer Einigungsgebühr wegen der angestrebten Sachlösung in jedem Falle zulässig sein. Dendorfer-Ditges (3 11
Rz. 21 – 25) sieht die Zulässigkeit von in
USA üblichen MedArb-Verfahren kritisch, und das selbst bei übereinstimmenden Parteiwillen – jedenfalls dann,
wenn der Mediator Einzelgespräche
durchgeführt hat. Der Rezensent hat in
vielen Verfahren damit gute Erfahrungen gemacht. Zuletzt sei noch ein weiterer Stern am Autorenhimmel hervorgehoben: Kirchhoff (3 1 Rz. 7) berichtet
von der Studienserie Viadrina/PwC und
Pionierprogrammen der RTMKM der
deutschen Wirtschaft, etwa SAP, E.ON,
DB, Deutsche Bank und Bombardier.
Gerade aus diesem Kreis rekrutiert sich
eine Vielzahl der weiteren Autoren. Das
erklärt die geballte und umfassende Information des Werkes, das jedem Lernenden und Tätigen in der Mediation
wärmstens empfohlen wird.
Hans Helmut Bischof, VizePräs. OLG a.D.,
Schiedsrichter/Mediator, Koblenz
William Ury: Getting to Yes With Yourself (and Other Worthy Opponents)
HarperCollins 2015, 191 S., 16,99 €, ISBN 9780062390677
Wenige Autoren haben das Gebiet der
Verhandlungsforschung so maßgeblich
beeinflusst wie William Ury. Vor 30 Jahren verfasste er (gemeinsam mit Roger
Fisher) „Getting to Yes“, danach (zusammen mit Jeanne Brett und Stephen
Goldberg) „Getting Disputes Resolved“,
und schließlich „Getting Past No“. In
den USA assoziiert man daher mit seinem Namen die „Getting-To-Trilogie“.
Im deutschsprachigen Raum ist er dank
der klugen Übersetzung des ersten Titels
als Vater des „Harvard Konzepts der
Verhandlung“ bekannt.
Mit „Getting to Yes with Yourself“ legt
William Ury nun, nach eigenen Worten,
die bisher fehlende erste Hälfte des Klassikers vor. Ging es in jenem um das richtige Agieren am Verhandlungstisch, so
geht es nun um die Schaffung der inneren Voraussetzungen des Verhandlungserfolgs. Dieser Erfolg, so argumentiert Ury, sei letztlich das Resultat einer
lebensbejahenden Einstellung des Verhandlers – gegenüber sich selbst, dem
Leben, und dem Gegenüber. Dementsprechend befasst sich Ury dieses Mal
nicht etwa mit schnöder Transaktionsvorbereitung a la Berechnung der ZOPA.
Vielmehr geht es in diesem Werk um
nichts weniger als das eigene Lebensglück und die stückweise Verbesserung
der Welt.
handler. Denn hier findet er einen einfachen aber umfassenden Rahmen, um
die eigenen Überlegungen einzuordnen
und zu vertiefen. Darüber hinaus bietet
sich das Buch selbstverständlich auch
als Handreichung für Medianten an, die
bereit sind, den eigenen Umgang mit ihren Konflikten zu überdenken.
Um ersteres zu erreichen und zu letzterem beizutragen, lädt „Getting To Yes
With Yourself“ vor allen Dingen zur
Selbstreflexion ein. Das Überdenken
und Anpassen der eigenen Haltung steht
für Ury im Zentrum jeder erfolgreichen
Verhandlungstätigkeit. Sein neues Werk
zeigt, was der Titel verspricht – wie man
sich als Verhandler eine bejahende Haltung auch unter widrigsten Umständen
erschaffen und bewahren kann.
Seinen Lesern, gleich welcher Color, bietet Ury in gebwohnter Manier und nach
bester amerikanischer Tradition ein eingängiges Schema, das die systematische
Arbeit am eigenen Selbst in sechs Schritten ermöglicht. Dieses begründet und illustriert er nicht nur mit sehr persönlichen Beispielen, sondern auch mit Leben und Werk von Persönlichkeiten wie
Nelson Mandela und Viktor Frankl. Aus
dieser Kombination entsteht ein Buch
von außergewöhnlicher Klarheit und
Kraft. „Getting to Yes with Yourself“ hat
das Potential, unser Verhandlungsverständnis in ähnlicher Weise zu beeinflussen wie „Getting To Yes“.
Manches davon hat sich der Praktiker,
möglicherweise intuitiv, selbst erarbeitet. In diesem Sinne ist für ihn vielleicht
nicht alles neu, was das Buch zu bieten
hat. Dennoch empfiehlt es sich gerade
für den erfahrenen Mediator oder Ver-
RA Prof. Dr. Georg Berkel MBA, Freising
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Dr. Jürgen Klowait, Rechtsanwalt, Ratingen
Prof. Dr. Angela Mickley, Fachhochschule Potsdam
Prof. Dr. Roland Proksch, ehem. Präsident der Ev. Fachhochschule Nürnberg
Peter Roethemeyer, Niedersächsisches Justizministerium, Hannover
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Redaktion: Dr. Karen Engler (verantwortlich); Birgit Schumann (Herstellung)
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