Chance und Risiko - Bund

titelthema
mobile arbeit
Chance und Risiko
mobile arbeit Das Internet macht es möglich: Arbeiten immer und überall.
Die verschiedenen Formen mobiler Arbeit bringen Freiheit – aber auch
juristische Fallstricke für die Beschäftigten. Der Betriebsrat muss mitreden.
VO N P E T E R W E D D E
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mobile arbeit
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M
eyers »Großes KonversationsLexikon« aus dem Jahr 1907 beschreibt anschaulich, dass sich
Reisen in staunenswerter Weise
entwickelt hat. Es sei sicherer geworden und
würde deshalb nicht mehr nur aus rein merkantilen Zwecken unternommen. Vielmehr
würde immer öfter »zur Belehrung, zur Herstellung und Verfestigung der Gesundheit, zum
Vergnügen, zur Anknüpfung und Befestigung
kaufmännischer Verbindungen oder auch aus
religiösen Beweggründen gereist.«1
Begibt man sich heute auf eine Reise,
merkt man, dass sich die im Lexikon beschriebene Situation grundlegend verändert hat: In
den Großraumabteilen der ICE-Züge oder in
den Warteräumen der Flughäfen starren praktisch alle reisende Geschäftsleute schon am
frühen Morgen konzentriert auf die Displays
ihrer Smartphones, Tablets oder Notebooks.
Dort werden E-Mails, Geschäftsunterlagen
oder Präsentationsunterlagen bearbeitet oder
es wird online gespielt. Unterbrochen wird die
Konzentration hin und wieder durch intensive
und teilweise lautstarke geschäftliche Telefongespräche oder Videokonferenzen.
Ihre Fortsetzung indet mobile Arbeit am
Zielort in Cafés, Hotellobbys, Hotelbars oder
im Hotelzimmer. Viele Beschäftigte setzen ihre
Arbeit direkt bei Kunden fort. Wer so arbeitet,
dem macht es auch nichts mehr aus, wenn ihm
im Betrieb seines Arbeitgebers kein dauerhafter Arbeitsplatz mehr zur Verfügung steht: Im
Rahmen von »Desk-Sharing-Konzepten« wird
dieser vielmehr bei Bedarf zugeteilt.
titelthema
darum geht es
1. Über mobile Arbeit
wird schon seit Jahrzehnten diskutiert. Das
Internet verbessert die
Möglichkeiten dafür
massiv.
2. Einerseits erfüllt
mobiles Arbeiten Bedürfnisse der Beschäftigten,
andererseits können sie
dadurch oft kaum noch
abschalten.
3. Mobiles Arbeiten
berührt viele Themenfelder wie Arbeitsschutz,
Datenschutz und Arbeitszeitschutz. Auch hier gilt
die Mitbestimmung.
Formen der mobilen Arbeit
Über die Arbeit außerhalb der Betriebsstätten mittels Informationstechnik wird seit gut
30 Jahren diskutiert. Anfang der 1980er Jahre
stand »Teleheimarbeit« im Mittelpunkt der Diskussion. Der Begrif beschrieb die Erledigung
einfacher Schreibarbeiten unter Nutzung von
Schreibcomputern von einem häuslichen Arbeitsplatz aus.2 Nennenswerte Verbreitung fand
diese Arbeitsform nicht, weil die zur Verfügung
stehende Technik zu teuer und zu aufwändig
war. Diese Situation änderte sich innerhalb
weniger Jahre mit der Verfügbarkeit leistungsfähiger und kostengünstiger Laptops und Notebooks sowie mit der Vereinfachung des Zugangs
zum Internet. Unter der Überschrift »Telearbeit« wurde ab Mitte der 1990er Jahre über die
1 Meyers Großes Konversations-Lexikon, 6. Auflage,
Leipzig/Wien 1907, Stichwort »Reisen«.
2 Ausführlich Wedde, Telearbeit und Arbeitsrecht,
Köln 1986, S. 22 ff.
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titelthema
mobile arbeit
Mobile Arbeit ist für
Beschäftigte attraktiv,
wenn sie Arbeitsort
und Arbeitszeit selber
bestimmen können.
Erledigung vielfältiger Arbeitsaufgaben mittels
»alternierender Telearbeit« nachgedacht, die
teilweise zu Hause und teilweise im Betrieb erfolgen sollte oder per »mobiler Telearbeit«, die
überall möglich war.3
In der heutigen Diskussion sind diese
Grenzen nicht mehr bedeutsam. Mobile Arbeit
ist überall möglich, wo ein Internetzugang zur
Verfügung steht. Als Endgerät reicht ein Smartphone oder ein Tablet. Ob die Arbeit hiermit
von zu Hause aus oder unterwegs erledigt
wird, ist allenfalls eine Frage der arbeitsrechtlichen Zulässigkeit, nicht aber der technischen
Voraussetzungen.
Die Möglichkeiten für mobile Arbeit werden in Zukunft noch verbessert, wenn sich
die unter dem Stichwort »Bring Your Own
Device (BYOD)«4 propagierte Einbindung
privater Endgeräte in betriebliche Netze weiter durchsetzt. Auch die zunehmende Verbreitung von »Mitarbeiterportalen«, die den
von kommerziellen Sozialen Netzwerken
bekannten Nutzeroberlächen nachempfunden sind,5 begünstigt die Ausbreitung dieser Arbeitsform. Hinzu kommt, dass mobile
Arbeit längst nicht mehr nur für klassische
Büro- oder Vertriebstätigkeiten eine Option
darstellt, inzwischen lassen sich mittels Tablet auch Produktionsprozesse mobil steuern
und überwachen. Damit hält mobile Arbeit
Einzug in Produktionsbereiche.
Vor- und Nachteile
Über Chancen und Risiken von Telearbeit und
von mobiler Arbeit wird seit Jahrzehnten ebenso intensiv diskutiert wie über ofene Rechtsfragen.6 Auf der Habenseite indet sich insbesondere die lexible Gestaltung der Arbeitszeit, die die
Bedürfnisse der Beschäftigten berücksichtigt.
Wer nach einem langen Arbeitstag bei Kunden
die notwendigen Verwaltungsarbeiten auf dem
Rückweg im Zug oder zu Hause erledigen kann
und damit eine Fahrt ins Büro spart, weiß diesen Vorteil zu schätzen. Gleiches gilt für wegfallende Fahrtzeiten und -kosten, wenn tageweise
im Home-Oice gearbeitet werden kann. Dies
erhöht die Zufriedenheit der Beschäftigten und
ihre Bindung an den Arbeitgeber.
Arbeitgeber sehen es als vorteilhaft an, dass
sie Büroraum sparen können. Gelingt die Umsetzung von BYOD-Konzepten, entfallen zudem
die Anschafungs- und Unterhaltskosten für
Endgeräte. Bedeutsamer ist, dass die Produkti3 Vgl. zu Definitionen etwa »Bundesministerium für Arbeit und
Soziales (Hrsg.), Telearbeit – Ein Leitfaden für die Praxis, Bonn
1998, S. 10 ff.
4 Vgl. Sinn, CuA 11/2011, 4 ff.; Brandt, CuA 10/2011, 8 ff.
5 Vgl. zu Mitarbeiterportalen Wedde, CuA 4, 2015, S. 4.
6 Zu Rechtsfragen Wedde, Telearbeit, München 2002, S. 63 ff.; zu
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vität mobiler Arbeitnehmer teilweise höher ist
als die im Betrieb tätiger Beschäftigter.
Als weiterer Vorteil wird von Beschäftigten
wie von Arbeitgebern angeführt, dass insbesondere häusliche Formen mobiler Arbeit es leichter machen, Beruf und Familie unter einen Hut
zu bringen. Allerdings wurde bezüglich dieses
Arguments schon zu Beginn der Debatte festgestellt, dass es Kindern nur schwer zu vermitteln ist, dass Mama oder Papa zwar zu Hause
sind, wegen einer Telefonkonferenz aber keine
Zeit zum Spielen haben. Oder anders gesagt:
Tatsächlich führt die Kombination von Telearbeit und Kinderbetreuung zu einer nicht erträglichen Doppelbelastung für die Beschäftigten
und ist deshalb nicht zu empfehlen (zur Arbeit
im Home-Oice s. Beitrag auf S. 15).
Und damit sind wir schon bei den Nachteilen, die mobile Arbeit für Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmer mit sich bringt. Besonders
augenfällig stehen auf der Negativseite zunehmende Entgrenzungsefekte: Aufgrund der
fehlenden Trennung von Arbeit und Privatleben ist für viele Beschäftigte ein Abschalten
vom Berulichen nach Feierabend nicht mehr
möglich, wenn sie noch ein paar dienstliche
E-Mails beantworten oder einen Blick auf
wichtige Unterlagen werfen müssen.
»Gesetzliche Arbeitszeitvorgaben sind bei
mobiler Arbeit nicht
deshalb unbeachtlich,
weil Beschäftigte
selbst sie ignorieren.«
PETER WEDDE
Trotz der erkennbaren Probleme und Risiken
ist mobile Arbeit für viele Beschäftigte attraktiv
und erstrebenswert. Sie inden es vorteilhaft,
Arbeitsort und Arbeitszeit selbst bestimmen zu
können. Allerdings steht diese Flexibilität tatsächlich nur wenigen Beschäftigten zur Verfügung. Wer Kundentermine wahrnehmen muss,
die der Arbeitgeber vorgibt, und auf dem Weg
dahin im Zug arbeitet, verfügt über keine echte
Gestaltungsmöglichkeiten Böker / Wedde, Telearbeit praktisch,
Düsseldorf 1999.
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zeitliche und räumliche Autonomie. Ähnlich
steht es mit der »Freiwilligkeit« der Erledigung
von E-Mails außerhalb der Arbeitszeit, wenn
diese Arbeit nur erfolgt, weil die Arbeitszeit im
Büro wieder nicht ausgereicht hat (s. zur ständigen Erreichbarkeit auch Beitrag auf S. 18).
titelthema
beenden. Die Durchsetzung von gesetzlichen
Vorgaben oder Verboten ist bei mobiler Arbeit
technisch möglich: Mittels Mobile Device Software (MDM, zu Deutsch: Verwaltung mobiler
Endgeräte) lassen sich beispielsweise Zugrife
auf betriebliche Systeme außerhalb der gesetzlich zulässigen Arbeitszeit verhindern.
Rechtsfragen mobiler Arbeit
Datenschutz
Schon die ersten Überlegungen und Pilotvorhaben zur »Teleheimarbeit« zu Beginn der 1980er
Jahre wurden von einer intensiven Diskussion
einschlägiger Rechtsprobleme begleitet. Dabei
standen Themen wie Arbeitsschutz, Unfall- und
Gesundheitsschutz, Arbeitszeitschutz, Datenschutz, Haftung, Verteilung des Betriebsrisikos
oder Kostentragung im Mittelpunkt.7 Mit Blick
auf die Dauer dieser Diskussion verwundert
es, dass diese Themen weiterhin aktuell sind.
Arbeitszeitschutz
Mobile Arbeit ist Teil der dem Arbeitgeber geschuldeten Arbeitsleistung. Sie unterliegt den
gleichen arbeitsrechtlichen Voraussetzungen
und Begrenzungen wie klassische Büroarbeit.
Bezogen auf die Regelungen des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) bedeutet dies: Arbeitgeber,
die für die Einhaltung einschlägiger Schutzvorschriften verantwortlich sind, müssen die
Umsetzung der gesetzlichen Arbeitszeitregelungen auch für mobile Arbeit garantieren.
Dazu gehört beispielsweise die Einhaltung der
durch § 3 ArbZG vorgegebenen maximalen
täglichen Höchstarbeitszeit von zehn Stunden ebenso wie die der Ruhepausen nach § 4
ArbZG oder der Ruhezeiten nach § 5 ArbZG.
Gleiches gilt für das Beschäftigungsverbot an
Sonn- und Feiertagen nach § 9 ArbZG. Zudem
müssen Arbeitgeber auch für mobile Arbeit die
gesetzlich notwendigen Zeitnachweise führen,
die etwa § 16 Abs. 2 ArbZG oder § 17 Abs. 1
MiLoG vorschreiben.
Zwingende gesetzliche Arbeitszeitvorgaben
sind bei mobiler Arbeit nicht schon deshalb
unbeachtlich, weil sie in der Praxis unterlaufen
werden oder Beschäftigte selbst sie ignorieren.
Für mobile Arbeit gilt nichts anderes als für
konventionelle betriebliche Arbeit: Bemerkt
oder weiß ein Arbeitgeber, dass seine Beschäftigten mehr als zehn Stunden arbeiten oder
dass sie vorgeschriebene Pausen nicht einhalten, muss er den gesetzeswidrigen Zustand im
Rahmen seines Direktionsrechts durch Verbote
Mobile Arbeit führt dazu, dass geschützte personenbezogene Daten außerhalb des Betriebs
verarbeitet und genutzt werden. Damit erhöht
sich das Risiko, dass unberechtigte Personen
von diesen Daten Kenntnis erlangen können.
Aus dem Blickwinkel des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) muss der Arbeitgeber als verantwortliche Stelle gemäß § 3 Abs. 7 BDSG die
notwendigen Schutzmaßnahmen etablieren.
Dazu gehören der Schutz vor unberechtigten
Zugrifen und Übermittlungen von personenbezogenen Daten. Weiterhin müssen die Zugrifsmöglichkeiten auf personenbezogene Daten von mobilen Geräten aus begrenzt werden.
Und es müssen weitere Schutzmaßnahmen hinzukommen, wie etwa eine Verschlüsselung der
Übertragungswege und der Datenspeicher auf
den mobilen Endgeräten oder die Ausstattung
aller in der Öfentlichkeit genutzten Endgeräte mit Sichtschutzfolien. Nicht vernachlässigt
werden darf auch die Schulung der Beschäftigten für den Umgang mit personenbezogenen
Daten an öfentlichen Orten.
Aus Sicht der Beschäftigten kommt schließlich Vereinbarungen eine besondere Bedeutung
zu, durch die ihre Haftung für Datenverluste
begrenzt wird (s. dazu den Punkt »Haftung der
Beschäftigten«, S. 14).Wichtig ist für sie auch
eine wirksame Trennung zwischen dienstlichen
und persönlichen beziehungsweise privaten
Daten auf den genutzten Endgeräten. Dies gilt
besonders, wenn eigene Geräte verwendet werden. Ein angemessener Schutz lässt sich hier
technisch durch sogenannte Clients realisieren.
Dies sind besonders geschützte Bildschirmfenster auf den Endgeräten, die den Zugrif auf
betriebliche Systeme ermöglichen (Details zu
MDM/Datenschutz s. Beitrag auf S. 22).
aib-seminartipps
Zum Schwerpunkt der AiB
6/2015 empiehlt Ihnen die
AiB-Redaktion diese Seminare
im Jahr 2015
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}
Seminarthemen/
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Weitere Seminare inden Sie
unter: www.arbeitsrecht.de/
seminare
Gesundheitsschutz
Bei mobiler Arbeit kommen arbeitsrechtliche
Schutzregeln zum Unfall- und Gesundheitsschutz ebenso zur Anwendung wie bei be-
7 So schon Wedde, Telearbeit und Arbeitsrecht, Köln 1986, S. 47 ff.
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titelthema
mobile arbeit
lesetipp
Mehr zum Thema in:
Computer und Arbeit
2015, Ausgabe 3, S. 16–19
(»Digitales Arbeiten –
das neue ›Wir‹ im Job?«
von Mattias Ruchhöft).
trieblichen Tätigkeiten. Arbeitgeber müssen
beispielsweise dafür sorgen, dass Beschäftigte
unterwegs oder in der eigenen Wohnung nur
mit Geräten arbeiten, die ergonomischen Mindestanforderungen und einschlägigen Vorgaben zur Gerätesicherheit entsprechen.8 Für
ein Notebook oder ein Tablet mit Tastatur
mögen die entsprechenden gesetzlichen Voraussetzungen im Einzelfall noch erfüllt sein,
wenn die Geräte regelmäßig zum Lesen und
Schreiben von E-Mails oder Berichten genutzt
werden. An der ergonomischen Eignung von
kleinen Smartphone-Bildschirmen für diese
Zwecke bestehen hingegen große Zweifel.
Ähnliches gilt für das Umfeld der Arbeit:
Arbeiten Beschäftigte nur gelegentlich während einer Zugfahrt oder für die Dauer eines
kurzen Kundenbesuchs mobil, sind die Mindestanforderungen, die es bezogen auf Bildschirmarbeitsplätze gibt, möglicherweise noch
erfüllt. Cafés, Parkbänke und viele Hotelzimmer erfüllen aber die Mindestanforderungen
an betriebliche Arbeitsplätze nicht und sind
nicht für regelmäßige mobile Arbeit geeignet.
Wollen sich Arbeitgeber gesetzeskonform verhalten, müssen sie entsprechende Arbeitsumgebungen durch Anweisungen ausschließen.
Haftung der Beschäftigten
Entstehen dem Arbeitgeber durch die mobile Arbeit Schäden, weil etwa ein Notebook
mit vertraulichen Daten durch ein Versehen
eines Beschäftigten in die Hände eines Konkurrenzunternehmens gerät, gelten die allgemeinen arbeitsrechtlichen Haftungsregeln:
Verantwortliche Mitarbeiter haften bei grober
Fahrlässigkeit unbegrenzt für den Schaden,
bei mittlerer Fahrlässigkeit immer noch in der
Größenordnung von einigen Monatsgehältern.
Hat der Arbeitgeber nicht für eine Verschlüsselung der Daten gesorgt, trift ihn unter Umständen eine Mitschuld, durch die die Haftung
des Beschäftigten reduziert wird. Begrenzen
lässt sich dieses Risiko durch vertragliche Regelungen oder Betriebsvereinbarungen.
Betriebsrisiko und Kosten
Können Beschäftigte geplante mobile Arbeit
nicht leisten, weil Endgeräte oder die Verbindung zum Firmenrechner ausfallen, trägt der
Arbeitgeber dieses Betriebsrisiko nach § 615
Satz 3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). In der
8 Zu den Anforderungen Schwemmle / Wedde, Digitale Arbeit in
Deutschland, Bonn 2012, S. 88 ff.
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Praxis verzichten Beschäftigte aber oft darauf,
diese Zeiten als Arbeitszeiten anzusetzen. Damit indet eine schleichende Verlagerung des
Betriebsrisikos auf die Beschäftigten statt.
Ähnliches gilt für die Kosten privater Geräte
oder die Mitbenutzung des häuslichen W-LAN:
Viele Arbeitgeber freuen sich über die hiermit verbundenen Einsparefekte. Fordern Beschäftigte
eine Kostenerstattung, halten Arbeitgeber ihnen
mitunter entgegen, dass sie an den Tagen im
Home-Oice ja die Fahrtkosten sparen würden.
Und die Mitbestimmung?
Mobile Arbeitsplätze gehören aus kollektivrechtlicher Sicht zum Betrieb des Arbeitgebers
und unterfallen ohne Einschränkung den gesetzlichen Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechten der Betriebsräte. Auf der Grundlage
von § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG können Betriebsräte mitbestimmen, welche Verhaltens- und
Leistungskontrollen zulässig sind. Auf dieser
Grundlage lassen sich unberechtigte Kontrollen
ausschließen und notwendige regeln. Fragen
des Arbeits- und Gesundheitsschutzes können
sie auf Grundlage von § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG
behandeln. Für Arbeitszeitthemen kommt der
Rückgrif auf § 87 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BetrVG
in Betracht. Auf dieser Grundlage können Betriebsräte etwa Gestaltungen verlangen, die den
Zugrif auf betriebliche Systeme nur innerhalb
deinierter Arbeitszeitfenster zulassen.
Die Mitbestimmungstatbestände ermöglichen es, Vorteile der mobilen Arbeit festzuschreiben und Nachteile auszuschließen oder
zumindest zu begrenzen. Betriebsvereinbarungen können beispielsweise eine auf Bereiche
bezogene Dokumentation von Zugrifen auf betriebliche Systeme vorsehen, die gegen zwingende Vorgaben des ArbZG verstoßen. Dies ermöglicht angemessene Reaktionen. Ergonomische
Mindeststandards können gesichert werden,
wenn zulässige Gerätetypen festgelegt werden.
Weiterhin können Regelungen zur Haftungsbeschränkung, zur Verteilung des Betriebsrisikos,
zu zulässigen Arbeitszeitfenstern und -gestaltungen festgeschrieben werden (Checklisten zu
Regelungsinhalten von Betriebsvereinbarungen
s. Beiträge auf S. 15 f. und 22 f.). v
Dr. Peter Wedde, Professor für
Arbeitsrecht/Recht der Informationsgesellschaft, FH Frankfurt a.M.
[email protected]