600 Priester 29. August 2015 1. Es rühmt sich die „Piusbruderschaft“ in ihrem jüngsten „Mitteilungsblatt“ (August 2015), erstmals seit ihrem Bestehen mehr als 600 Priester in ihren Reihen zu haben. Wir gratulieren! Dann aber denken wir ein wenig nach. 600 Priester in 45 Jahren? Das bedeutet im Schnitt einen Zuwachs von 13,33 Priestern im Jahr. Verteilt auf die sechs Seminare der „Piusbruderschaft“ ergibt das 2,22 Priester pro Jahr und Seminar, wenn wir nur die vier Seminare berücksichtigen, welche theologische Jahrgänge führen und daher auch Priesterweihen vornehmen, so kommen wir auf 3,33 Priester pro Jahr und Seminar. Das ist nicht eben sehr viel. 2. In den 1950er Jahren war es in Deutschland keine Seltenheit, daß aus einer einzigen Diözese in einem Jahr mehr als 50 Neupriester hervorgingen. Dagegen scheinen einem 13 neugeweihte Priester weltweit eher gering. Doch natürlich lassen sich die Verhältnisse nicht vergleichen. Ziehen wir also lieber einige eher vergleichbare, ähnliche zeitgenössische Gemeinschaften heran. Die „Petrusbruderschaft“, die 1988 aus der „Piusbruderschaft“ entsprossen ist, verfügt nach eigenen Angaben inzwischen über 253 Priester. Im Schnitt wurden in den letzten 12 Jahren in ihren beiden Seminaren zusammen jeweils 12 Priester geweiht, das macht immerhin 6 Priester pro Jahr und Seminar, bzw. 4 Priester, wenn wir das noch nicht lange existierende dritte Seminar in Sydney mit einbeziehen. Die ebenfalls 1988 gegründeten „Servi Jesu et Mariae“ nennen leider keine aktuellen Zahlen, hatten jedoch im Jahr 2013 30 Priester in ihrer Gesellschaft. Die „Legionäre Christi“, 1941 gegründet, geben auf ihrer „Homepage“ an, aktuell 944 Priester zu zählen. „Vier Mitglieder der Ordensgemeinschaft sind Bischöfe“, heißt es weiter. „Zu den 944 Priestern gehören auch die 35 Neupriester, die am 13. Dezember 2014 geweiht wurden.“ In diesem Vergleich liegt somit die „Piusbruderschaft“ gut im Durchschnitt. Legen wir jedoch den internen Maßstab an, so stellen wir fest, daß die Weihezahlen in der „Piusbruderschaft“ anfangs stark anstiegen, ihren Höhepunkt zwischen Mitte der 1980er und Mitte der 1990er Jahre hatten, danach wieder abflachten, Mitte der 2000er Jahre sogar stark absanken, dann wieder etwas anstiegen und in den letzten Jahren eher stagnieren. Eigentlich hätte man erwarten sollen, daß sie angesichts der zunehmenden Ausbreitung der „Piusbruderschaft“ innerhalb der letzten Jahrzehnte insgesamt tendenziell eher einen Zuwachs hätten erfahren müssen. So ist es etwa bei der „Petrusbruderschaft“, deren Anzahl an Seminaristen zunächst kontinuierlich stieg und um das Jahr 2000 einen ersten Höhepunkt erreichte. Danach geht die Kurve etwas abwärts, steigt dann aber wieder aufwärts und erreicht in den 2010er Jahren einen neuen Höhepunkt, der deutlich über dem vom Jahr 2000 liegt. Die „Piusbruderschaft“ hat demgegenüber ihre Glanzzeit eindeutig hinter sich und konnte die Zahlen aus den 1980er und 1990er Jahren nie wieder erreichen. 3. Interessanter wäre es freilich, noch andere Zahlen einander gegenüberzustellen, so etwa die der Eintritte in die Priesterseminare der „Piusbruderschaft“ mit denen der dann tatsächlich dort geweihten Priester. Leider verfügen wir diesbezüglich über keine Statistik, wissen jedoch aus Erfahrung und Zeugenberichten, daß „Ausfallquoten“ von 50 Prozent und mehr in einem Jahrgang dort keine Seltenheit waren und sind. Verf. selber gehörte einem Jahrgang an, bei welchem von 11 eingetretenen Seminaristen nur vier schließlich zur Weihe gelangten (plus ein weiterer, der allerdings noch als Seminarist die „Piusbruderschaft“ verließ und außerhalb dieser seine Weihe empfing). Es gab sogar Jahrgänge, die zur Gänze „ausgestorben“ sind. Es mag natürlich viele verschiedene Gründe geben für dieses Phänomen, normal erscheint es uns jedoch durchaus nicht. Und die Zahl der Priester der „Piusbruderschaft“ könnte bedeutend 600 Priester 1 von 4 größer sein, wenn es ihr gelungen wäre, die eingetretenen Seminaristen wenigstens zum weit überwiegenden Teil auch bis zum Priestertum zu führen. Ebenfalls sehr eindrucksvoll ist die Zahl der Ausfälle, Abgänge oder „Auswürfe“ bereits geweihter Priester in der „Piusbruderschaft“. Auch hier wäre eine Statistik sehr interessant, die Aufschluß darüber gäbe, wie viele von den in der „Piusbruderschaft“ geweihten Priestern tatsächlich heute noch bei ihr sind – von den verstorbenen einmal abgesehen, die aber bislang nicht sehr ins Gewicht fallen (wenngleich auch einige Todesfälle recht merkwürdig waren, wie etwa jene beiden jungen Priester, die im Jahr 1988 ums Leben kamen, oder jene Seminaristen, die 2012 bei einer Bergtour ihr Leben lassen mußten; jedesmal gerade zu einer Zeit, als die „Piusbruderschaft“ gerade daran gewesen war, in der „Konzilskirche“ aufzugehen). Wir haben nur, soweit uns verfügbar, die Weihejahrgänge zwischen 1977 und 1987 ausgewertet und ermittelt, daß von den insgesamt 180 in diesen Jahren geweihten Priestern heute noch 83 bei der „Piusbruderschaft“ sein dürften. Es ist schon sehr auffällig, daß eine vergleichsweise große Zahl ihrer Priester ausgeschieden ist, sei es, daß sie ihr Priestertum ganz aufgaben (was durchaus nicht selten vorkommt, Heirat meist inbegriffen), daß sie in der einen oder anderen Form zur „Konziliaren Kirche“ wechselten, aus sonstigen Gründen die Bruderschaft verließen, oder daß sie, meist als „Sedisvakantisten“, ohne weiteres hinausgeworfen und auf die Straße gesetzt wurden. Hätte man es verstanden, diese vielen Verluste zu verringern, so dürfte die Zahl der „Pius“-Priester heute sehr deutlich höher liegen. Noch einmal das Zeugnis des Verf.: Von den vier geweihten Priestern seines Jahrgangs, der ursprünglich aus 11 Eintritten bestand, ist heute gerade noch ein einziger bei der „Piusbruderschaft“. Das bedeutet eine Ausfallquote von 75 Prozent bei den geweihten Priestern und von mehr als 90 Prozent gegenüber den eingetretenen Seminaristen. Natürlich ist diese Zahl nicht repräsentativ, aber sie ist doch bezeichnend. Denn wenn auch jeder Einzelfall sicher seine Besonderheiten und eigenen Gründe hat, so ist doch bei einer solchen Verlustrate notwendig ein Fehler im System anzunehmen. Ganz nachzuvollziehen ist der Stolz auf die über 600 Priester also nicht. Es könnten bedeutend mehr sein. Doch die Führung der „Piusbruderschaft“ nimmt es gelassen. „Alle diese Weggänge sind eine Reinigung für die Bruderschaft und müssen als eine Gnade gesehen werden, selbst wenn dies weh tut, weil es vielleicht Mitbrüder sind, mit welchen man sich gut verstand“, so ihr „Erster Generalassistent“ im vorigen Jahr bei Brüder-Exerzitien. Darum macht man sich auch gar keine Mühe und unternimmt nicht die geringsten Anstalten, auch nur einem dieser „verlorenen Schafe“ – immerhin auf ewig geweihte Priester! – nachzugehen und es zurück zur „Herde“ zu bringen. Und das im offenen Widerspruch zu den eigenen Statuten, in welchen es heißt: „Die Bruderschaft soll bereitwillig den alten, kränklichen, ja selbst den untreuen Priestern zu Hilfe kommen.“ Ob eine solche gleichgültige Haltung der „Pius-Oberen“ wohl mit schuld sein mag an den vielen, zum Teil tragischen Verlusten und Ausfällen? 4. Das eigentliche Drama sind jedoch nicht die Priester, welche die „Piusbruderschaft“ haben könnte und nun nicht oder nicht mehr hat, sondern es sind gerade jene über 600 bedauernswerten geweihten Seelen, die sie noch und trotz allem hat. Bereits im Jahr 1994 schrieb der ehemalige „Pius“-Priester Abbé Donald J. Sanborn (inzwischen Bischof) einen bemerkenswerten Artikel mit dem Titel: „The Mountains of Gelboe“. Darin vergleicht er die „traditionalistischen“ Priester mit jenen im Gebirge von Gelboe gefallenen hoffnungsvollen jungen Helden des Volkes Gottes des Alten Bundes Israel. Wie diese damals durch König Saul gesammelt und in eine aussichtslose Schlacht gegen die Philister geführt wurden, in welcher sie fast alle umkamen, so wurden all die priesterlichen Berufungen, die ein Heer im Kampf gegen die Modernisten hätten darstellen können, von Erzbischof Lefebvre gesammelt und in ein sinnloses Scharmützel geworfen, in welchem sie nur verlieren konnten. Zwar sei es 600 Priester 2 von 4 einerseits das Verdienst Seiner Exzellenz gewesen, eine solche Armee überhaupt aufgestellt zu haben, doch habe er sie andererseits gewissermaßen verheizt, indem er mit dieser Armee nicht die „Konziliare Kirche“ bekämpft habe, sondern stets nur um einen Platz in dieser „Konziliaren Kirche“ kämpfte. Nicht der Sieg über die Modernisten, sondern eine friedliche Koexistenz mit diesen zu erlangen war sein Ziel und sein Plan. Dank des Aufbaus der Strukturen der „Piusbruderschaft“ und durch sein „Charisma“, das ihm so viele Seelen zufliegen ließ, gelang es „dem Erzbischof“, beinahe alle priesterlichen Berufungen hinter sich zu scharen, die in jener Zeit den Neuerungen widerstanden. Die Errichtung von Ecône im Jahr 1970 schien der Schlachtruf zum Entscheidungskampf mit den Pforten der Hölle. „Viele entsprachen diesem Ruf und fahren fort, ihm zu entsprechen. Das ist die erwählte Jugend Israels für den grausamen Kampf gegen die Philister. Jedoch, wie bei der Schlacht im Gebirge von Gelboe, ist unsere auserwählte Jugend daran, sich massakrieren zu lassen, und die Armee ist dabei, von den Philistern geschlagen zu werden. Denn solange die Armee der dem Modernismus widerstehenden Priester nicht realisiert, daß die Philister der Feind sind, wird sie aufgerieben werden.“ Abbé Sanborn stellte damals folgende Prognose: „Daß einige Mitglieder der Bruderschaft sich schließlich in der einen oder anderen Form dem Novus Ordo anschließen, ist unausweichlich. Es ist wahrscheinlich, daß die Bruderschaft ein Abkommen mit dem Novus Ordo schließen wird, daß sie die ‘Anerkennung’ erlangen wird unter solchen Bedingungen, die sie für annehmbarer halten wird als jene beim Abkommen mit der Petrusbruderschaft, und daß sie sich auf diese Weise von der modernistischen Religion absorbiert finden wird. Nach meiner Meinung wird ein solches Abkommen zu einer Trennung von ungefähr 20 Prozent ihrer derzeitigen Anhänger führen, die sie verlassen und sich neu formieren werden, allerdings nur, um denselben Prozeß erneut durchzumachen. Sie werden die Fackel des Lefebvrismus wieder aufnehmen, einer absurden Theologie der Kirche, ein Bein in jeder der beiden Religionen, katholisch und modernistisch, und werden fortfahren, die Dokumente und Dekrete des Vatikan zu filtern. Und unausweichlich werden die Spannungen und Kräfte des Widerspruchs ein weiteres Mal diesen Kern von 20 Prozent sprengen.“ Die Zahl von 20 Prozent war ein wenig hoch geschätzt, aber ansonsten hat die Geschichte der vergangenen 15 Jahre die Vorhersage recht genau bestätigt. 5. Was also hat die „Piusbruderschaft“ in den 45 Jahren ihres Bestehens tatsächlich zuwege gebracht? Wie es scheint, hat sie es erstens fertiggebracht, eine beträchtliche Zahl priesterlicher Berufungen, die in dieser so dramatischen Epoche der endzeitlichen Angriffe und Auseinandersetzungen für die Kirche dringend gebraucht worden wären, bereits im Keim zu ersticken oder vom Weg zum Priestertum abzubringen. Sie hat es ferner geschafft, eine nicht unbeträchtliche Zahl solcher Berufungen, die es dann doch bis zur Priesterweihe geschafft haben, zu ruinieren, zu zersprengen, auszuschalten, wirkungslos zu machen, ja ganze priesterliche Existenzen zu zerstören. Sie hat drittens einen Rest von über 600 Priestern fest in ihr ideologisches Gefängnis des Lefebvrismus eingeschlossen und auf diese Weise gänzlich unschädlich gemacht, um sie alsbald vollständig in die „Konziliare Kirche“ zu integrieren. Zu diesem Zweck wurde in ihrem Inneren ein zunehmend totalitäres System errichtet, dessen Arsenal von Gehirnwäsche über Bespitzelung, Gängelung, Denunziantentum, „Mobbing“ aller Art und Strafandrohungen bis hin zur Gesinnungskontrolle, Schauprozessen und überwachter „Festungshaft“ reicht. (Wir erinnern nur an die Vorgehensweise gegen die Abbés Pinaud und Salenave, nachzulesen in dem Buch von Abbé Pivert „Quel droit pour la Tradition catholique?“, könnten aber noch viele andere Beispiele und Zeugen anführen.) Gewissenlose Charaktere verstehen es, sich diesem System nicht nur anzupassen, sondern sogar darin Karriere zu machen. Andere leiden darunter und gehen in die innere Emigration, wenn sie nicht 600 Priester 3 von 4 anderswohin flüchten (wozu keineswegs nur die bekannten Süchte aller Art zählen, sondern beispielsweise auch eine exzessive Seelsorgstätigkeit), und bezahlen dies, besonders wenn sie weniger widerstandsfähig sind, mit Schäden an ihrer geistigen, psychischen und oft genug körperlichen Gesundheit. Interessanterweise ist das Gefängnis der lefebvristischen Ideologie so stabil, daß es sogar noch solche Priester weiter mit sich bzw. in sich herumtragen, die den äußeren Fängen der „Piusbruderschaft“ glücklich entronnen sind. 6. Was soll uns also an den über 600 Priestern freuen? Zwei von ihnen sind jene Neupriester, die in diesem Sommer im Seminar der „Piusbruderschaft“ im bayerischen Zaitzkofen geweiht wurden (vgl. Niedergang statt Erneuerung). Sie haben sich aus diesem Grund zusammen auf einem Primizbildchen verewigen lassen. Für gewöhnlich zeigen diese kleinen Andenken auf der Vorderseite ein Bild des Heilands, der Gottesmutter oder irgendeines Heiligen, während auf der Rückseite der Name des Neupriesters mit den Daten seiner Weihe und Primiz sowie dem einen oder anderen kurzen Zitat aus der Hl. Schrift oder dem Mund bzw. der Feder eines Heiligen zu lesen ist, welches so etwas wie das Motto des jungen Priesters angeben soll. Bei unseren beiden Neupriestern prangt nun auf der Vorderseite ein Bild „des Erzbischofs“. Auf der Rückseite finden wir über den Namen und den Daten die Wappen des hl. Pius X. und „des Erzbischofs“ mit ihren jeweiligen Wahlsprüchen und darunter nur ein längeres Zitat von „Mgr. Lefebvre“. Dieses Bildchen spricht Bände. Diese beiden armen jungen Männer sind nicht zu katholischen Priestern geweiht worden, sondern wurden auf ewig zu Lefebvristen geschmiedet. Für die katholische Kirche und den guten Kampf sind sie damit für immer verloren. Aus einer Armee katholischer Priesterberufungen ein trauriges Häufchen von Lefebvristen gemacht zu haben, das ist die stolze Leistung der „Piusbruderschaft“. Wahrhaft ein Grund, ihr zu gratulieren! 600 Priester 4 von 4
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