Ein Weg zum Priester - BDKJ Diözesanverband Paderborn

Ein Weg zum Priester
Pastor Josef Wördehoff
Ich bin erst im Alter von 50 Jahren Priester geworden. Vorher war ich 25 Jahre
Lehrer an einem Gymnasium.
Seit meiner Schulzeit habe ich mich für theologische Fragen interessiert, die für mich
zugleich wichtige Lebensfragen gewesen sind und auch heute noch sind. (Tillich:
Religion ist das, was mich unbedingt angeht).
Ich kann mich noch gut an das Jahr 1962 erinnern. Als das Konzil eröffnet wurde,
saßen wir in der Schule vor dem Fernseher und verfolgten die feierliche Eröffnung des
Konzils. Durch meine Religionslehrer – Jesuiten - habe ich während meiner Schulzeit
ein Glaubensverständnis erhalten, welches sehr stark durch das Ergebnis des
Vatikanum II beeinflusst worden ist. Uns wurde vermittelt, dass der Glaube immer
etwas mit unserem Alltagsleben zu tun haben muss und sich nicht auf den
Kirchenraum mit seinen ritualisierten Gebeten beschränkt darf.
Dieses Verständnis machte mich so neugierig auf den Glauben, dass ich nach meinem
Abitur im Jahr 1968 beschloss, Theologie zu studieren.
Und wirklich, dass Theologiestudium war die Auseinandersetzung mit der
LebensWirklichkeit Mensch.
Meine persönlich wichtige Frage war die Frage nach Gott und seiner Realität in der Welt
von heute, konkretisiert durch die Frage nach der Auferstehung Jesu.
Die Antwort des Exegeten Marxsen, "Auferstehung Jesu heißt für uns heute,
dass die Sache Jesu weiter geht", war aber keine Antwort auf meine Frage.
Geprägt hat mich während meines Theologiestudiums in Münster Johann Baptist
Metz mit seiner "Theologie der Welt", mit der er die Frage nach dem weltlichen
Ausgangs- und Bezugspunkt theologischer Glaubensverantwortung gestellt hatte. Die
Fragen meiner Schulzeit, die Papst Johannes XXIII mit seinem "Aggiornamento" in mir
ins Rollen gebracht hatte, als er die Öffnung der Kirche zur Welt" gefordert hatte, habe
ich in der "Theologie der Welt" wieder gefunden und sind für mich insofern
beantwortet worden, als ich spürte, dass unser christliche Glaube dieser Welt etwas zu
sagen hatte und auch heute noch hat.
Da ich in der Amtskirche der 70iger Jahre diese Weiterentwicklung der Aussagen
des Vatikanum II nicht wiederfand - es wurden zwar in jener Zeit in den meisten
Kirchen die sogenannten Volksaltäre eingerichtet, die Köpfe hinter den Altären waren
allerdings immer noch vollgestopft mit den tradierten Ansichten vergangener Jahre ,
die für mich Mitte der 70iger Jahre keine Antworten auf die Fragen der Zeit waren- war
mir klar geworden, dass ich eine gewissen Distanz zur Amtskirche brauchte.
Somit habe ich dann nach dem Theologiestudium in Münster noch ein Zweitstudium
an der damaligen Paderborner Gesamthochschule angeschlossen mit dem Berufsziel,
Lehrer zu werden. Neben den Fächern des Zweitstudiums habe ich dort zusätzlich noch
Seminare "Didaktik der Religionspädagogik" besucht. Ich spürte, dass das, was ich dort
erfahren durfte, die exakte Fortführung meines Studiums an der Westfälischen WilhelmsUniversität in Münster war. Sowohl der damalige Leiter der Seminare als auch die
Studenten und Studentinnen haben in den Seminaren der "Didaktik der
Religionspädagogik" genau das fortgeführt, was ich aus meinem Studium in Münster
mitbekommen hatte, nämlich, dass Religion und Glaube im Leben erfahrbar werden
müssen, wenn sie bleibend im Menschen haften sollen.
Die dortigen Gespräche in den Seminaren waren so intensiv, dass daraus Freundschaften
entstanden sind, die heute noch intensiv weiterbestehen. So treffen sich heute- 40 Jahre
danach - alle zwei Jahre viele ehemalige Seminarteilnehmer/innen an einem Wochenende
(Freitag - Sonntag) zu einem intensiven Gedankenaustausch mit Fortbildungscharakter.
Ich habe dadurch Männer und Frauen kennengelernt, die heute noch aktiv in der Schule
und in ihren Heimatpfarreien tätig sind und dort versuchen, das zu leben, was wir damals
im Studium erfahren haben, nämlich, dass Glaube und Leben zusammen gehören.
Ein Slogan aus der damaligen Zeit ist der Satz, dass wir unseren Verstand nicht am
Weihwasserbecken der Kirche abgeben wollen, sondern ihn mit in das kirchliche
Geschehen einbringen wollen. Leider ist dieses Vorhaben häufig nicht umzusetzen, da
zwischen Verkündigung und Leben doch immer wieder ein Graben liegt, der schwer zu
überspringen ist.
Mit dem Vorsatz, dass Glaube und Verstand und damit Leben zusammenpassen, habe ich
dann 25 Jahre an der Schule unterrichtet.
Allerdings haben mich meine Schüler und Schülerinnen auch immer wieder - vor allem in
den Religionskursen der Oberstufe - vor große Herausforderungen gestellt, die mich
veranlasst haben, den Verstand immer mit ins Spiel zu bringen. Da ich in meinen 25 Jahren
am Gymnasium 22 Jahre sowohl schriftliches als auch mündliches Abitur abzunehmen
hatte, war ich gezwungen, zielgerichtet und lernzielorientiert zu arbeiten, was sich heute
in meiner Arbeit als Priester positiv auswirkt. Die Kollegen und Kolleginnen innerhalb der
Fachschaft Religion haben zudem immer dafür gesorgt, dass der Religionsunterricht nicht
zu einer reinen Routine wurde.
Insgesamt muss ich sagen, dass es mir viel Freude gemacht hat, mit den Schülern und
Schülerinnen gemeinsam nach den wichtigen Fragen des Lebens zu suchen und Antworten
aus dem Leben/Glauben zu finden. Dazu hat mir mein Theologiestudium ein gutes
Fundament gegeben. Ich muss sagen, dass ich auch heute als Priester immer noch
von beiden Studienorten profitiere. Besonders spüre ich, wie aktuell die "Politische
Theologie von Metz" auch heute noch ist.
Durch ein befreundetes Ehepaar habe ich während meiner Zeit als Lehrer zugleich
indirekten Kontakt zur kfd bekommen, weil die Ehefrau zum Diözesanvorstand unseres
Erzbistums gehörte. Viel haben wir gemeinsam diskutiert, wie der Glaube heute in
unserer Welt gelebt werden kann. Dabei habe ich gespürt, dass sich vieles in unserer
Kirche verändern lässt, wenn wir Menschen finden, die sich aktiv für ein Leben in dieser
Welt aus dem christlichen Glauben heraus finden lassen.
Ich bin heute noch der Ansicht, dass gerade die kfd einen Ansatz vertritt, der es
einem mündigen Christen/ einer mündigen Christin ermöglicht, als ein aufgeklärter
Christ in der Welt von heute zu leben. Besonders stolz bin ich zudem, da gerade die
mittlerweile erwachsenen Kinder dieses Ehepaares, die zugleich damals meine
Schüler/innen waren, diesen zu Hause und in der Schule erfahrenen Glaubensansatz in
ihrem Lebens- und Arbeitsumfeld umzusetzen versuchen.
Da sich zudem meine Frage nach der Auferstehung Jesu durch den jahrelangen
Religionsunterricht mit den kritischen Anfragen aus der Schülerschaft und der kfd für
mich zufriedenstellend geklärt hatte, stellte sich für mich immer mehr die Frage, ob ich
das, was ich in der Schule vermitteln konnte, nicht noch intensiver als Priester
weitergeben konnte.
Seit 16 Jahren bin ich nun Priester und habe es noch keinen Tag bereut. Die neuen
Strukturen beim Aufbau des Pastoralverbundes Lichtenau, die oft erst nach harten
Auseinandersetzungen mit einigen Gläubigen umgesetzt werden können, zeigen mir, wie
lebendig die Glaubensauseinandersetzung im Heute ist.
Besonders die Arbeit mit den kfd Frauen im Bezirksteam und die Arbeit im Zentralbüro
Lichtenau motivieren mich immer wieder aufs Neue, neue Wege der
Glaubensverkündigung zu gehen.
Natürlich muss ich sagen, dass es nicht immer leicht ist, den Gläubigen heute deutlich
machen zu müssen, dass die Kirche kein "Haus voll Glorie schauet" mehr ist, welche, wie
in den Jahren der Weimarer Republik (1870) mit der Unterdrückung der Katholiken als
ein Fels in der Brandung nur katechismusartige Antworten auf nicht gestellte Fragen
geben konnte, sondern heute ein pilgerndes Gottesvolk ist, das sich immer wieder den
Herausforderungen der Zeit stellen und daraus neue Antworten aus dem Glauben heraus
geben muss.