Passauer Neue Presse

Mit Schokoriegeln zum Sieg gelaufen
Frankfurter geteilter Sieger beim Jurasteig-Nonstop-Ultratrail – Distanz von 239 Kilometern – „Für mich Entspannung“
Von Christoph Werner
Dietfurt a. d. Altmühl/
Frankfurt. 37 Stunden und 33 Minuten zeigt die Uhr, da laufen Georg Kunzfeld aus Frankfurt und
der Franzose Paul Moog aus dem
Elsass gemeinsam über die Ziellinie. Geschafft. Hinter beiden liegen 239 Kilometer voller Strapazen und Herausforderungen, 239
Kilometer, den immer wiederkehrenden inneren Schweinehund zu
besiegen, mentale Stärke zu zeigen
und einfach durchzuhalten. Beide
sind Teilnehmer beim sogenannten Jurasteig-Nonstop-Ultratrail,
einem ständigen Bergauf und
Bergab durch die Mittelgebirgslandschaft des Bayerischen Jura.
128 Sportler aus neun Nationen
waren in Dietfurt an der Altmühl
gestartet, um den durch Niederbayern und die Oberpfalz führenden, ursprünglich als Wanderweg
dienenden Jurasteig zu bewältigen.
54 Stunden Zeit hatten die Läufer,
um die knapp 240 Kilometer zu bezwingen und dabei 7900 Höhenmeter zu überwinden, das Ganze
hauptsächlich auf unbefestigten
Wegen und Pfaden – tagsüber und
in der Nacht. Ein Extremlauf, der
selbst für trainierte Teilnehmer eine sportliche und mentale Herausforderung darstellt.
Selbstironie und Distanz
zu sich selbst vonnöten
So auch für einen der beiden Sieger, Georg Kunzfeld aus dem hessischen Frankfurt am Main. Zum
insgesamt dritten Mal lief der 41Jährige
diesen
Wettbewerb.
„Nachdem es bei den ersten beiden
Malen nichts wurde, wollte ich
endlich auch mal vorne mitlaufen.“ Dieser Wunsch wurde ihm erfüllt. Zeitgleich mit dem Franzosen Paul Moog überquerte er die
Ziellinie – erschöpft, aber glücklich über den errungenen Erfolg.
„Um so etwas wirklich durchzuziehen, ist eine gehörige Portion
Selbstironie nötig, und auch eine
gewisse Distanz zu sich selbst“,
gibt er zu.
Nichtsdestotrotz – vollends zufrieden ist Georg Kunzfeld nicht.
Mit den hohen Temperaturen um
die 24 Grad habe man Mitte April
nicht gerechnet, „das war einfach
sechs bis sieben Grad zu warm, um
einen ordentlichen Rennverlauf
hinzubekommen, auch, wenn es
zwischenzeitlich mal geregnet
hat“. Des Weiteren sei das Tempo
vom Start weg viel zu hoch gewesen. „Jeder im Feld wusste, dass es
nicht gut gehen wird, dennoch hat
keiner langsamer gemacht.“
So seien viele Läufer, auch Sieger der letzten Jahre, nach und
Über Stock und Stein: Beim Jurasteig-Ultratrail laufen die Teilnehmer in erster Linie auf unbefestigten Wegen und Pfaden. So kommt es, dass auch den
Weg versperrende Baumstämme zum Hindernis werden. Am besten mit den Bedingungen zurecht kam Georg Kunzfeld (kl. Bild), der auf den geteilten
ersten Platz laufen konnte.
− Fotos: www.junut.de
nach ausgeschieden. „Irgendwann
wusste ich: Du musst nur im Rennen bleiben, dann kommt eine
Top-5-Platzierung raus.“ Das Ende
ist bekannt, Georg Kunzfeld sollte
Recht behalten. Ein Ziel hat er jedoch nicht erreicht: „Mein Traumziel ist es, mal unter 36 Stunden zu
bleiben, das geht aber nur mit einem Teilnehmerfeld, das nicht so
überdreht.“
Zehn bis 20 Prozent Training, 50
Prozent Kopf und 30 bis 40 Prozent Magen – so teilt sich für Georg
Kunzfeld, der als IT-Berater bei einem international tätigen Süßwarenhersteller arbeitet, der Erfolg
bei einem Langstreckenlauf auf.
Beim Thema Magen hielt der Lauf
entlang des Jurasteigs für Kunzfeld
eine Überraschung parat. „Normalerweise greife ich immer zu Pellund Salzkartoffeln oder Energieriegeln.“
Jeden Monat eine Kiste
voller Süßigkeiten
Beides habe ich dieses Mal nicht
angerührt. Stattdessen: Schokoriegel. „Über meinen Arbeitgeber bekomme ich pro Monat immer eine
ganze Kiste voller Süßigkeiten, so
viel, dass ich inzwischen schon an-
gefangen habe, das alles
an Obdachlose zu verteilen,
da
auch in meinem Umfeld
keiner mehr
die
vielen
Süßigkeiten
sehen kann.“ Umso erstaunter sei
er gewesen, dieses Mal ausgerechnet auf Schokoriegel angesprungen zu sein. „Damit hätte ich nie im
Leben gerechnet.“
Seine Motivation für solche
Strapazen erscheint dabei simpel:
„Ich liebe Weitwanderwege.“ Für
den Jurasteig brauche man normalerweise 10 bis 12 Tage, er sei jedoch Familienvater und bewältige
die Strecke in zwei bis drei Tagen.
„Einfach, um mehr Zeit für die Familie zu haben, um wieder früher
bei ihr zu sein.“
Entspannung – dies sei für ihn
das ausschlaggebende Indiz, diese
Sportart auszuüben. Mental sei es
ein extremer Erholungsfaktor, eine
Art Hobby, „um dabei immer wieder verletzungsfrei zu bleiben – bei
jedem Lauf absolut die oberste
Prämisse –, ist jedoch ein hoher
Zeitaufwand nötig“. 100 Kilometer Laufen in der Woche, zu Spitzenzeiten auch mal 180 Kilometer.
„Dazu kommt noch Krafttraining,
außerdem nutze ich viele Wettkämpfe auch rein zum Trainieren.“
meisten im normalen Alltag.
„Durchaus eine große Hilfe, wenn
es darum geht, den eigenen Horizont zu erweitern.“
Ursprünglich aus dem Langstrecken-Triathlon kommend, ist für
den 41-Jährigen noch etwas ganz
Generalprobe für
anderes ausschlaggebend, um bei
Kanada ist geglückt
Veranstaltungen dieser Art mitzulaufen: der Zusammenhalt im Teilnehmerfeld. „Es sind so wenige
Es mache einfach riesigen Spaß,
Läufer, dass man sich untereinan- man lerne regelmäßig neue Leute
der einfach kennt – wie eine kleine und Kulturen kennen, reise um die
Familie.“ In erster Linie helfe man Welt, und immer wieder entstünsich gegenseitig, auch und vor al- den neue Freundschaften. Und in
lem den Neulingen. Er habe ohne der Tat, Georg Kunzfeld kam viel
Probleme an Paul Moog vorbeizie- herum in der Welt. Am 160 Kilohen können, „da er einer jener meter langen Ultratrail durch das
Läufer war, die das Rennen viel zu Mont Blanc -Massiv hat er ebenso
schnell angingen und am Ende ein- teilgenommen wie am Barkleygebrochen sind“. Dennoch habe Marathon im US-Bundesstaat Tennessee, der mit seinen 160 Kilomeman sich beim Zusammentreffen
tern Länge und zu überwindenden
auf der Strecke dazu entschlossen, 18 Höhenkilometern als der härgemeinsam über die Ziellinie zu teste Lauf der Welt gilt.
laufen.
Im August startet Kunzfeld im
„Wettkampf- und Konkurrenz- kanadischen British Columbia bei
gedanke stehen bei uns einfach einem Lauf, was Länge und
nicht an erster Stelle.“ Zwar finde Schwierigkeitsgrad angeht vergleichbar dem am Jurasteig. „Ich
alles auf einem sehr hohen sportliwäre gern der erste Europäer, der
chen Niveau statt, das Ganze aber dort unter die Top-3 läuft oder soohne Verbissenheit, wenn es um gar gewinnt“, so seine ehrgeizigen
Geld oder Prestige geht. „Der Zu- Ziele. Um dieses Unterfangen
sammenhalt hört bei uns nicht auf wahr werden zu lassen, war der
im Wettkampf.“ Man habe einen Sieg beim Ultratrail am Jurasteig sigemeinsamen Nenner, leide ge- cherlich eine gelungene Generalmeinsam und bewältige gemein- probe, die Selbstvertrauen und
sam Krisen – anders als bei den Motivation gefördert haben dürfte.