Der Natur zuliebe... Die Landschaftsbilder des nordrhein-westfälischen Malers und Graphikers HERMANN MOOG (1901 – 1974) von Lothar W. Brenne-Wegener (August 1980) * „Ich male Landschaften aus dem Grunde, weil ich glaube, daß ich selber eine Landschaft bin. Das hört sich zunächst lächerlich an, aber dieses Weben, und dieses Wachsen, und diese Atmosphäre ... Ich meine, Landschaft, das ist wirkliches Leben.“ (Hermann Moog) Diese Erkenntnis des nordrhein-westfälischen Malers und Graphikers Hermann MOOG (1901-1974) zieht sich durch sein gesamtes Werk wie ein roter Faden, ist seine tiefste, innere Überzeugung, zunächst als Hobby nur, später Lebensinhalt. Grund genug für ihn, noch mit 45 Jahren sein gesamtes bisheriges Leben über den Haufen zu werfen und tiefgreifend zu verändern. Das Überleben als Soldat, die Rückkehr aus russischer Gefangenschaft – beide Ereignisse sind für ihn Veranlassung, über die eigene Existenz und die Chance für einen persönlichen Neubeginn nachzudenken. Erfolgreiche Studien bei Prof. Urbach an der Folkwangschule Essen, Vertiefung an der Akademie in Düsseldorf sowie Erfahrungen im Atelier des Berliner * In älteren Publikationen erscheint als Autor dieses Beitrags Prof. Dr. Georg Weise, Hamburg. Tatsächlich wurde er aber von Lothar W. Brenne-Wegener verfaßt. Heide im Münsterland Öl auf Hartpappe, 1961, 79x59 cm Expressionisten Walter Kurau zwischen 1918 und 1933 ermutigen ihn, die bisherige Position eines kaufmännischen Angestellten, die bis dahin die finanzielle Grundlage für seine künstlerische Nebentätigkeit sichert, aufzugeben und ein Leben als freier Künstler neu zu gestalten. Äußeres Zeichen für diesen Entschluß wird 1946 die Verlegung seines Wohnsitzes von Gelsenkirchen nach Holtwick, einem kleinen Dorf am Rande des Erholungsgebietes Hohe Mark. Er will seinen bildnerischen Themen, seinen Farben und seinen Formen so nahe sein, wie irgend möglich. Aus der Kunstgeschichte wissen wir, daß jeder Landschaftsmaler seine eigene Landschaft hat, die ihm mit ihren besonderen Eigenarten und Ortsgegebenheiten zeitlebens ans Herz gewachsen ist. So gehören zum Beispiel Vincent van Gogh und Arles untrennbar zusammen; Otto Modersohn und andere sind von der Landschaft um Worpswede fasziniert; Hermann MOOG, der gebürtige Gelsenkirchener, ist von Anfang an dem Münsterland verfallen. So wie ihn diese ernste, fast schwermütige Region im Norden des Ruhrgebiets in seinem Innersten besitzt, so hat er von ihr Besitz ergriffen. Von eben dieser Landschaft geht er in seinen Bildern aus. Er braucht den Fuß nur in den Garten zu setzen, schon sieht er, der beobachtende Flaneur, sich umgeben von einer selbst angelegten, unnachahmlichen Farbenpracht, die er in zahlreichen seiner Bilder festhält. Nie malt er etwas, was er nicht an „inneren Bildern“ während seiner Spaziergänge zuvor in sich aufnimmt: „Man kann in verschiedener Weise die Natur betrachten, maßgeblich ist doch dabei, daß aus dem, was man hereinnimmt, auch etwas herauskommt.“ Heideweg Öl auf Hartpappe 1991 70x83 cm MOOG sucht sich das Alltägliche für seine Darstellungen aus, das Wiedererkennbare. Er will das Unverwechselbare dieser Landschaft deutlich machen. An Ort und Stelle skizzieren, Farbangaben quasi als Gedächtnisstütze festhalten, das ist für ihn der erste Schritt. Später, im Atelier, wenn er mit sich in Klausur geht, folgt der zweite: das Gesehene verarbeiten, in die eigene Handschrift umsetzen. Dabei geht es ihm beim Komponieren von Farbe und Form zugleich ums Beschreiben – er will einen Bericht über den Inhalt dessen liefern, was ihn beeindruckt. Bei diesem Inswerksetzen versteckt er sich nicht hinter scheuer oder spröder Distanz, er bleibt am Motiv. MOOG ist arrogant genug, sich wichtigtuerischer Künstlerart beständig und hartnäckig zu verweigern: „Ich habe mich mit dem Rummel nicht beschäftigt, sondern habe meine eigene Welt aufgebaut und male aus dieser Welt. Es kann nur dann jemand etwas leisten, wenn er sich abschirmen kann, wenn er sich selber findet. Aus seinem Innern heraus kann sich nur etwas entwickeln.“ Diesem Grundsatz bleibt MOOG in seinem gesamten Schaffen treu. An ihm gemessen, verläuft seine Entwicklung gradlinig, ohne Ausbrüche. In den wenigen Bildern, in denen er sich noch Anfang der fünfziger Jahre an der Darstellung von Menschen versucht, vermag MOOG wenig zu überzeugen. Er selbst fühlt, sein Metier ist die Landschafterei. Seine Bilder strahlen eine Einsamkeit aus, die Einsamkeit des Malers, der Zwiesprache hält mit seiner Natur. Gleichwohl sind es keine schwermütigen, melancholischen Bilder, die er festhält, sondern lebendige, kraftvolle Visionen. Birken Öl auf Hartpappe 1969 60 x 70 cm In handwerklicher Sorgsamkeit malt er ... die weiten, von etwas überhöhter Warte aus gesehenen Überblicke über einen Geländeteil, ... die in Stufen sich entwickelnden, durch gelungene Tiefenstreckung fast begehbar scheinenden Wege, deren Parallellinien im Sandboden wie eingedrückte Spurrillen wirken, ... die sich überlagernden, konturierten Ebenen der auf Silhouettenerscheinungen verkürzten Bäume und Büsche. Überhaupt wird die wuchtig eingerahmte Baumfläche mit ihren transparent scheinenden Farbschichten Markenzeichen MOOG’scher Darstellungskunst. In ruhiger Gegenständlichkeit entstehen so Gärten, Wege, Spiegelungen, Felder, Räume, Horizonte, Bäume und immer wieder Bäume. Vorsichtig tastend nähert er sich einer gewissen Abstraktion. Im Grunde aber weiß er, daß er die Natur nicht einfach vergewaltigen darf: „Ein Baum muß ein Baum bleiben, da kann ich nicht einfach einen Reiserbesen hinmalen.“ Sonnenblumen Öl auf Hartpappe 1970 69 x 94 cm Darüber hinaus entwickelt MOOG, neben der unnachahmlichen Charakterisierung des Tiefenraumes in der Bildfläche, ein einzigartiges Gespür für die Lokalfarben der Landschaft – Grün und erdnahes Braun. MOOG hat es nicht nötig, seine Sensibilität, seine Empfindsamkeit, zu verstecken. Er könnte es auch gar nicht, denn jedes seiner malerisch so machtvollen Bilder weist ihn als abgeklärten, zeitlosen, einsamen Bekenner und Farbvisionär aus, vermittelt Einfachheit und Ausgewogenheit. Seine Bilder setzen beim Betrachter nichts Vorgewußtes voraus, man kann sie naiv genießen. Mit seiner Einstellung zur Natur kann er es sich leisten, nicht provozieren zu müssen. Seine Mitteilung ist denkbar einfach: die Besucher seiner Ausstellungen sollen aus seiner ehrlichen, heilen Bildwelt für sich selbst Kraft, Ruhe und Frieden schöpfen, denn er macht nur auf Unbekanntes oder möglicherweise Übersehenes aufmerksam. Hermann MOOG ist ein Leben der Natur zuliebe, ein Wirken im Einfachen, Ursprünglichen, aber nichtsdestoweniger ein kosmopolitisches Leben. Oft reist er nach Spanien, Südfrankreich, schließlich nach Japan. Immer dienen diese Reisen dem einen Zweck: Farbe und Form der andersartigen Landschaft zu erfahren und zu vergleichen. Hermann MOOG ist ein Mensch mit ganz und gar unauffälligem Habit, sein Leben nicht unbedingt ein Perpetuum Mobile des Erfolgs. Aber trotzdem kann man ihn heute getrost zu jener Generation Künstler zählen, die uns die Vermittler nur allzu lange vorenthalten haben. Die Natur sei außer Sicht gekommen, sagt uns Arnold Gehlen. Bei der Betrachtung der Bilder von Hermann MOOG indes möchte man eiligst widersprechen. Ihm gelingt es, die verloren geglaubte Landschaft wieder in unser Bewußtsein zu rücken, wieder sichtbar zu machen. Mit seinem Lebenswerk hilft er, die Kunst wieder in eine Mitte der Gesinnung zurückzuführen, in der Kunst wieder Kunst sein kann. Eher unbeachtet vom jeweils vorherrschenden Zeitgeist schafft er in seinem Atelier Bilder, die die Welle der Neuorientierung an der Landschaft wieder nach oben spült. Die überraschende Resonanz des Durchschnittsbürgers auf die Bildwelt Hermann MOOG’s, sein langsam sich einstellender, posthumer Ruhm, signalisieren, abseits der überhitzten und überreizten Kunstmetropolen, ein echtes Bedürfnis nach theorieloser, unvermarkteter Kunst. Insofern hat sein zeitloses Oeuvre durchaus Aktuelles. Das drohende Ende der Landschaft sozusagen als möglicher Anfang einer Neubesinnung auf die Landschaftsmalerei? Hermann MOOG könnte einer der Protagonisten dieser Richtung werden. Die abgebildten Ölgemälde befinden sich im Besitz des Autors Literatur: - Hermann Moog, 1901 – 1974, herausgegeben von Ruth Moog, Haltern, Holtwick 178, Graphische Kunstanstalt Aurel Bongers, Recklinghausen (Monographie), 127 Seiten Hildegard Reitz: Hermann Moog. In: Die Kunst und das schöne Heim, Heft 5, Mai 1983, S. 339-342 Lothar W. Brenne-Wegener: ...der Natur zuliebe. Erinnerungen an den westfälischen Maler und Grafiker Hermann Moog. Westerau 1993, 133 Seiten mit zahlreichen Abbildungen Sonderdruck: Der Maler und Graphiker Hermann Moog im Spiegel der Presse 1969-1986, 87 Seiten Diverse Ausstellungskataloge
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