Foto: Liz Frank Junge Frauen und alte Rituale DAS OLUFUKO-RITUAL IM NORDEN NAMIBIAS ist wiederbelebt worden. Doch es ist kaum geeignet, junge Frauen auf ein selbstbestimmtes Leben vorzubereiten. Viele junge Frauen in Namibia wachsen auf im Spannungsfeld „traditionell afrikanischer“ und „westlich moderner“ Kultur, christlicher Religion und dem gesetzlich verankerten Recht auf Menschenwürde, körperliche Unversehrtheit und ein selbstbestimmtes Leben. Dieses Spannungsfeld wird am Beispiel der Wiederbelebung des Olufuku-Rituals im Norden des Landes verdeutlicht, dem Heimatgebiet der OvamboBevölkerungsgruppen. „Olufuko“ bedeutet „Gruppenhochzeit” auf Oshiwambo, und diente in der Vergangenheit zur Vorbereitung von Mädchen und jungen Frauen auf Ehe und Mutterschaft. Sie mussten zeigen, dass sie die notwendigen Hausarbeitstechniken beherrschten, und wurden dabei unterwiesen, ihre zukünftigen Ehegatten und Schwiegereltern zu „respektieren“, was bedeutete, sich deren Wünschen und Anweisungen zu unterwerfen. Wichtig war dabei die Keuschheit der Teilnehmerinnen. Durch stundenlanges Tanzen in der heißen Sonne mussten sie beweisen, dass sie nicht schwanger waren – und wer nicht durchhielt, wurde in Schande von dem Ritual ausgeschlossen. Für die anderen war es jedoch nach der bestandenen Prüfung keine Schande mehr, unverheiratet schwanger zu werden, und sie wurden zum Abschluss der „Gruppenhochzeit“ den Männern der Gemeinschaft präsentiert, die sich unter der tanzenden Gruppe eine „Braut“ aussuchen konnten. Missionare bekämpften dieses Ritual, und Mädchen, die daran teilgenommen hatten, durften nicht in die Kirche aufgenommen werden. Bis zum Jahr 2012 schien dieses traditionelle Ritual ganz verschwunden zu sein, als es plötzlich von führenden Politikern, allen voran vom ehemaligen ersten Staatspräsidenten Sam Nujoma, wiederbelebt wurde, und zwar als Zugpferd für ein Kulturfestival in Outapi in der Omusati-Region unter dem Motto: Unsere Kultur, unser Erbe, unser Stolz. Christliche Moral und kulturelle Werte Dieses Ereignis wurde im Vorfeld heiß diskutiert. Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Namibia (ELCIN) verkündete in einem Hirtenbrief, dass die Wiederbelebung von Olufuko gegen die Lehre und Prinzipien der Bibel verstoße sowie gegen die gesellschaftlich verankerte christliche Moral. Weiterhin wurde davor gewarnt, dass dieses Ritual die Jugend zur Promiskuität ermuntere und dadurch zur Verbreitung von HIV und Aids und anderen Geschlechtskrankheiten beitragen würde. Zur Verteidigung von Olufuko meldeten sich vor allem männliche Politiker, die sich auf das Recht auf Kulturfreiheit beriefen und behaupteten, das Recht auf Religionsfreiheit stehe nicht darüber. Außerdem beschrieben sie das Ritual gerade als ein Mittel zur Bekämpfung von HIV und Aids, da junge Frauen bis zu ihrer Teilnahme an einer Oluko-„Gruppenhochzeit“ darauf achten würden, Jungfrau zu bleiben. Frauenstimmen waren kaum zu hören. Nur eine der vielen Nichtregierungsorganisationen, Namrights, meldete sich zu Wort: Sie unterstrich das Recht der Teilnehmerinnen auf ihre Menschenwürde, behauptete, dass nur arme Mädchen, die nicht genügend über ihre Rechte als Frauen informiert sind, daran teilnehmen würden, und rief dazu auf, die Wiederbelebung dieses Rituals zu verhindern. Daraufhin teilte das OlufukoKommittee mit, es handele sich nur um eine „Inszenierung”, nicht um das vollständige Ritual. Diese „Inszenierung“ fand dann in der letzten Augustwoche 2012 statt und wurde in den vergangenen zwei Jahren wiederholt. Parade vor männlichem Publikum Eine Diaschau auf der Homepage des National Heritage Council zeigt die Ehrengäste, die zu diesem Ritual eingeladen wurden. Bequem unter einem schattigen Zeltdach sitzen sie, vorwiegend Männer, in modernen Anzügen, während die Mädchen und 2|2015 afrika süd 31 Die Autorin ist seit 25 Jahren in der namibischen Frauenbewegung aktiv. Zur Zeit ist sie ProgrammManagerin für das Women‘s Leadership Centre, einer feministischen NRO. Ihr Beitrag erschien zuerst in: Perspektiven 2014 – Das junge Namibia – Träume und Realität. Informationsausschuss der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Namibia (DELK) 32 afrika süd 2|2015 jungen Frauen in traditionell spärlicher Kleidung an ihnen vorbeiziehen. Der Spaß der Zuschauer an dieser Parade ist an ihren Gesichtern abzulesen. Die jüngste Teilnehmerin ist 12 Jahre alt. Ihr Gesicht verschwindet unter ihrer Kopfbedeckung, ihr Oberkörper dagegen ist frei. Wer hat es entschieden, dieses junge Mädchen auf derartige Weise diesen Männern aus allen Ecken Namibias vorzuführen? Wer hat sie über ihre sexuellen Rechte, über HIV-Prävention und Schwangerschaftsverhütung aufgeklärt? Wurde sie nach dieser bestandenen Zeremonie „verführt“, sprich vergewaltigt? Ist sie inzwischen schwanger, oder hat sie gar ihr erstes ungewünschtes Kind zur Welt gebracht – es etwa ausgesetzt? Würden die Männer ihre eigenen Töchter zu dieser „Inszenierung“ schicken? Würde jemand unter der restriktiven Neuregelung von Forschungsvorhaben in Namibia überhaupt eine Genehmigung bekommen, diesen Fragen offiziell nachzugehen? In der Werbung für das Olufuko-Kulturfest 2013 wurde deutlich, dass es sich vor allem um eine Kommerzialisierung dieses Rituals handelt, denn es dient als Rahmenprogramm für eine in Outapi neu eingerichtete Wirtschaftsmesse. Diese wird parallel zur jährlichen Handelsmesse in Ongwediva in der letzten Augustwoche durchgeführt – und um Besucher und Investoren auch nach Outapi zu locken, brauchte man(n) etwas Besonderes. Doch welches Signal gibt die „Wiederbelebung“ von Olufuko im Interesse der Politik und der Wirtschaft? Es zeigt sehr deutlich, dass diese demütigende Vorbereitung junger Frauen auf ihre unterwürfige Rolle als Sexualpartnerin, Ehefrau und Schwiegertochter nun auch offiziell zum „kulturellen Erbe“ unseres Landes deklariert wurde. Dabei wird vergessen, dass Namibia auf der vierten Weltfrauenkonferenz in Beijing im Jahr 1995 eine Vorreiterrolle spielte in der Frage: Welchen Schutz und welche Unterstützung brauchen Mädchen und junge Frauen, um ihre Rechte auf Bildung, Beruf und ein selbstbestimmtes Leben wahrnehmen zu können? Das Kapitel zu Mädchen in der Aktionsplattform entstammt namibischer Federführung und spiegelt sich wider in der aktuellen National Gender Policy, wo es unter anderem um den Schutz von Mädchen gegen schädliche Rituale geht. Warum wird geschwiegen? Weshalb schweigen also das Frauenministerium und Frauen im Parlament zum Thema Olufuko? Könnte der Grund sein, dass es noch viele rituelle Handlungen in verschiedenen ethnischen Gruppen im Land gibt, die im Namen von Kultur und Tradition Mädchen und junge Frauen auf ähnliche oder schlimmere Weise demütigen und zur Unterwürfigkeit erziehen, die aber von der Politik bisher weitgehend ignoriert werden, um die politische Unterstützung der (fast nur) männlichen Stammesführer beizubehalten? Zum Beispiel hat die Frauenorganisation Women’s Leadership Centre in Zusammenarbeit mit Frauen der verschiedenen ethnischen Gruppen der Zambezi- (ehemals Caprivi)-Region viele solche menschenunwürdige Praktiken ans Licht gebracht. Nachdem sie erkannt hatten, dass diese Rituale gegen die Menschenrechte und Menschenwürde von Mädchen und Frauen verstoßen, brachen Frauen ihr gesellschaftlich verordnetes Schweigen zu diesem Thema. Was also kann junge Frauen wirklich für ein selbstbestimmtes Leben stark machen? Auf keinen Fall die Fortsetzung oder Wiederbelebung einer Erziehung zur geistigen, körperlichen und sexuellen Unterwürfigkeit. Stattdessen brauchen sie Aufklärung und Information über die in unserer Verfassung verankerten Menschenrechte, über die Gesetzgebung zur Verhinderung von Vergewaltigung und häuslicher Gewalt sowie über alle weiteren Gesetze, die das Recht junger Frauen auf Menschenwürde und volle Gleichberechtigung verankern. Namibia kann stolz sein auf den modernen gesetzlichen Rahmen zur Gleichstellung der Geschlechter, der von unserem Parlament geschaffen wurde. Doch es besteht dringender Handlungsbedarf, damit alle junge Frauen in diesem Land ihre demokratischen Rechte auch leben und genießen können. Dazu bedarf es eine Stärkung von Frauenorganisationen, die mit jungen Frauen in verschiedenen Regionen zusammenarbeiten und sie dabei unterstützen, ihre Rechte zu erkennen und ihre Stimmen in gesellschaftliche Prozesse einzubringen. >> Liz Frank
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