Nr. 1 / März 2016 Zeitung für die Spenderinnen und Spender von Pro Infirmis Das Schicksal schlägt gleich zweimal zu. SH Schaffhausen Rheinfelden Basel Frauenfeld Pratteln 8 Fragen an... Delémont News aus den Kantonen Olten SO JU Solothurn LU Biel/Bienne La Chaux-de-Fonds Neuchâtel NE VD Prilly Burgdorf Fribourg BE Thun FR Lausanne Luzern Sarnen OW Zihlschlacht St. Gallen AR Wattwil AI Appenzell Pfäffikon SG Zug ZG NW TG Winterthur Herisau Stans Bern Yverdon-les-Bains ZH Aarau Zürich AG Amriswil Gedanken zum Rolli von Andreas Pröve Baden SZ Glarus Brunnen Sargans GL Chur Altdorf UR Ilanz GR Samedan 2 Editorial Liebe Spenderin Lieber Spender Voller Wärme und Neugier werden wir von vier Kindern und der Mutter willkommen geheissen. Es ist eine kleine Rasselbande, die uns empfängt. Erstaunlicherweise sind die grossen Mädchen fast etwas scheuer als ihre jüngeren Brüder. Der Kleinste, Chris, strahlt uns an und bewegt sich mit erstaunlicher Wendigkeit in der kleinen Wohnung. Niemand würde vermuten, dass der 3-Jährige seit Geburt behindert ist. Ihm fehlen die rechte Hüfte und der ganze Oberschenkel. Mit seiner Orthoprothese ist er heute schon fast so mobil, als wenn er zwei gesunde Beine hätte. Später am Nachmittag zeigt er uns seine Kunststücke auf dem Trampo lin. Etwas, das niemand für möglich gehalten hätte. Sogar die Physio therapeutin von Chris konnte es kaum glauben. Erst in einem Video, das die Mutter aufgenommen hatte, konnte sie sehen, wie mutig und bewegungsfreudig ihr kleiner Patient ist. Dass der Jüngste der Geschwister trotz seiner Behinderung so aktiv und quirlig ist, hat viel mit seinem älterem Bruder Ruben zu tun, der sein grosses Vorbild ist und dem er nacheifert. Dort, wo Ruben ist, findet man sicher auch Chris nicht weit entfernt. Und das wiederum hilft Ruben sehr. Denn bei dem 7-jährigen wurde vor gut einem Jahr Autismus diagnostiziert. Keine leichte Situation für die sechs köpfige Familie. Aber wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Dieses Lebens motto der Familie verkörpert schon der Kleinste ganz selbstverständlich. Jacqueline Brunner Redaktion aktuell Jeden Morgen zieht die Mutter Chris die Orthoprothese an. Diese ermöglicht es dem Kleinen, aufrecht zu laufen. Sonst kann er nur auf dem Boden kriechen, da seine Beine unterschiedlich lang sind. Nicht viel Raum, enge Platzverhältnisse, aber ganz viel Liebe und Wärme zeichnet das Familienleben von Karin und Thomas S. mit ihren vier Kindern aus. Die Eltern achten darauf, dass die älteren beiden Mädchen nicht zu kurz kommen, denn die jüngeren Brüder brauchen jeder auf seine Art sehr viel Betreuung und Unterstützung. Der Zweitjüngste, Ruben, hat Autismus und Chris, der Jüngste, kam ohne rechte Hüfte und Oberschenkel zur Welt. Etwas, das viele Eltern in grosse Not versetzen würde, meistern diese beiden mit einer Gelassenheit und Ruhe, die staunen lässt. Die beiden Buben haben ganz unterschiedliche Behinderungen und helfen sich doch auf ihre Art gegenseitig. Das kleine Stehaufmännchen Chris, der trotz fehlender Hüfte und Oberschenkel flink und quirlig alle auf Trab hält, steht seinem grösseren Bruder Ruben bei. Ruben hat Autismus und diese Entwicklungsstörung bringt ihn oftmals in schwierige Situationen, in denen er sich nicht mitteilen kann und seiner Energie Ausdruck geben will, aber nicht weiss wie. Dann lässt er in seiner Umgebung Dampf ab und das kann auch die Mutter oder den kleinen Bruder treffen. Aber Chris lässt sich davon nicht beirren. Mit seinem sonnigen Gemüt geht er einfach wieder auf den Bruder zu und das hilft Ruben, im Kontakt zu bleiben und einen Weg aus seiner inneren Not zu finden. Und mittendrin kümmert sich die Mutter unermüdlich um ihre Liebsten: dass die Mädchen nicht zu fest zurückstehen 3 Wo Pro Infirmis hilft Dank Spenden erhält die Familie von Chris und Ruben wertvolle Hilfe: • Allgemeine Sozialberatung und Administration • Informationsdrehscheibe rund um die Behinderung • Sozialversicherungsrechtliche Ansprüche abklären • Suche nach Entlastungsmög lichkeiten und Finanzierung eines Entlastungswochenendes für die Familie Wenn es Ruben gut geht, ist er immer für einen Spass zu haben. Sobald Situationen schwierig werden, kommt der 7-Jährige in Not und weiss nicht, wie er sich verständlich machen soll. Hier hilft ihm das liebevolle familiäre Umfeld sehr. müssen, Ruben seinem Wesen entZwei unterschiedliche Behinderungen sprechend Entwicklungsschritte maDass dies keine einfache Aufgabe ist, chen kann, Chris gefördert wird, dakann man sich gut vorstellen. Als Rumit er mit seinem verkürzten Bein ben vor 7 Jahren als drittes Kind zur seinen Weg gehen kann. Und vielleicht Welt kam, war schon viel los in der auch, dass sie und ihr Mann einmal kleinen Familie. Doch alles schien einen kurzen Moment der Zweisamnoch in normalen Bahnen zu verlaukeit finden können. Zurzeit ist das fast fen. Im Kindergarten bewahrheitete nicht möglich, aber sie meint voller sich dann aber der Verdacht, dass mit Zuversicht: «Ich glaube fest daran, Ruben etwas nicht stimmen konnte. dass mein Mann und ich, wenn die Was die Eltern bereits gespürt hatten, Kinder etwas grösser sind, wieder einwurde jetzt im Kontakt mit seinen mal gemütlich zusammen Nachtessen Spielkameraden deutlich: Es wurde gehen können.» In dem ganzen Trubel ihm zu viel mit all den Kindern und es ist Karin S. das Herz und der ruhende war für den autistischen Jungen Pol der Familie, zusammen mit ihrem schwierig, seinen Platz zu finden. Alle Mann Thomas, der unermüdlich und Chris ist ein richtiger Sonnenschein, der Betroffenen suchten nach einer andehart arbeitet, um seiner Familie ein für seinen autistischen Bruder Ruben ren Lösung, die dem Kind gerecht ganz wichtig ist und diesen immer wie- wurde. So wurde ein kooperativer Kingutes Leben zu ermöglichen. Die 6-köpfige Familie lebt in beschei- der aus dessen eigener Welt herausholt. dergarten gefunden. Damals war der denen Verhältnissen, aber was an kleine Chris gerade auf die Welt gePlatz vielleicht nicht vorhanden ist, ist kommen und auch hier musste mit umso mehr in den Herzen und in der Fürsorge des Vaters der neuen Situation umgegangen werden. Obwohl schon und der Güte der Mutter da. Eine grosse Warmherzigkeit während der Schwangerschaft klar wurde, dass beim rechund Freundlichkeit strahlen alle Mitglieder der Familie ten Bein etwas nicht stimmte, konnte sich niemand vorstelaus. Ein besseres Umfeld könnten die beiden Jungen mit len, wie dies dann wirklich aussehen würde. Die Mutter ihren ganz unterschiedlichen Behinderungsformen wohl musste ihre kleinen Mädchen beruhigen. Für Kinder ist es nicht haben. Alle schauen zueinander und haben dennoch schwierig, einzuordnen, was es heisst, eine Behinderung genügend Raum für ihre eigene Persönlichkeit. Dafür sor- zu haben. Der Zufall wollte es, dass die Geschwister mit gen die Eltern tagtäglich. dem Vater ins Spital kamen, als die Mutter den kleinen Chris wickelte. So sahen sie den kleinen Bruder gleich mit 4 seiner Körperbehinderung. auch von sich aus angeruEs war nur ein kleiner fen und sich über die beiden Schreckensmoment, um Buben erkundigt hat. Ich sich dann umso mehr über fühle mich so aufgehoben das herzige Baby zu freuen und unterstützt. Dies ist in und es in die Arme zu unserer Situation sehr wertschliessen. Der Mutter ist voll, denn obwohl Autismus heute noch die Erleichteeine bekannte Behinderung über diesen wichtigen rungsart ist, ist doch jedes Moment anzumerken. «Ich Kind individuell und muss war so dankbar, dass die seinen eigenen Weg finden. drei Älteren ihren jüngeren Und die Behinderung von Bruder gleich ins Herz geChris ist selten. Ein verschlossen haben.» Denn der kürztes Bein kommt häufig Alltag war schwierig genug. vor, aber eine fehlende HüfUmso wichtiger, dass alle te gibt es nicht sehr oft. Wir am gleichen Strick ziehen. sind unendlich dankbar für Dass der Alltag gemeistert die gute Entwicklung unsewerden konnte, dafür sorgrer beiden Buben. Auf die te auch Pro Infirmis. Die SoFrage hin, was sie sich für zialarbeiterin hilft und beihre Familie und im Spezielrät die Familie in allem, was len für ihre beiden Buben rund um die Behinderun- Die Mutter (Mitte) ist das liebevolle Zentrum der Familie. Die wünscht, kommt die Antgen der beiden Buben an- beiden älteren Schwestern sind eine grosse Hilfe für die behin- wort der Mutter sehr klar steht - gerade auch was die derten Brüder. Der Vater ist bei der Arbeit. und schnell: «Ich wünsche Versicherungen betrifft. mir mehr Toleranz und «Mir fiel ein grosser Stein vom Herzen, als ich alle Schwie- dass die Umgebung nicht gleich nach dem ersten Augenrigkeiten und Fragen mit der Sozialarbeiterin von Pro Infir- schein, der manchmal trügen kann, urteilen würde. Sonmis anschauen konnte. Sie hat immer ein offenes Ohr, wo- dern mehr Verständnis für die nicht alltäglichen Momente für ich sehr dankbar bin. Denn manchmal hatte ich Hem- und diese besonderen Menschen hat.» mungen, anzurufen. Da half es mir ungemein, dass sie In Kürze PFFD steht für Proximal Femoral Focal Deficiency. Es handelt sich dabei um eine angeborene Fehlbildung und umfasst ein weites Spektrum von Defekten im Bereich des Oberschenkels. Das Hüftgelenk ist in den meisten Fällen ebenfalls unterentwickelt. Obwohl bereits viele Hypothesen als Ursache des PFFD vorgeschlagen wurden, ist bisher noch nicht geklärt, wodurch die Erkrankung entsteht. PFFD ist nicht genetisch bedingt. Diese angeborenen, komplexen Fehlbildungen sind sehr selten. Bei Chris fehlten das Hüftgelenk und der Oberschenkel komplett. Er trägt eine Orthoprothese, die den fehlenden Teil des Beines ersetzt. Der obere, orthetische Teil stabilisiert und fixiert das Bein, darunter ist die Fuss-Prothese. Autismus ist ein Begriff aus dem Griechischen und bedeutet «sehr auf sich bezogen sein». Manche Menschen sind Einzelgänger, die sich nur für ein Spezialgebiet interessieren, sich nur mit Mühe in andere Menschen einfühlen beziehungsweise mit ihnen adäquat kommunizieren können und Kontakte eher vermeiden. Menschen mit einer autistischen Störung nehmen ihre Umwelt «anders» wahr. Oft orientieren sie sich an Details und haben Probleme, eine Situation ganzheitlich zu erfassen. Sie suchen selten den Blickkontakt und können die Stimmung ihres Gegenübers aus dessen Gesicht kaum erkennen. Die Symptome verändern sich in ihrer Ausprägung im Laufe der kindlichen Entwicklung. Durch die richtige Förderung können beeinträchtigte Fähigkeiten verbessert und autistische Verhaltensweisen vermindert werden. 5 8 Fragen an... Beat Husmann wohnt in Steinhuserberg (Wolhusen) Bauberater Pro Infirmis Zug 53 Jahre, fünf Kinder Husm t a e B ann Warum arbeiten Sie bei Pro Infirmis und seit wann? Mein Vorgänger stellte mir bei einer zweitägigen Weiter bildung abends bei einem guten Glas Wein in Aussicht – wenn er mal pensioniert werde – könnte er sich mich als seinen Nachfolger vorstellen. Das war vor etlichen Jahren. Nun bin ich seit September 2014 in einem Teilpensum für die Beratungsstelle Zug tätig. Als Vater einer Tochter mit Behinderung schätze ich Pro Infirmis sehr. Für diese nun tätig zu sein, ist für mich ein wirklicher Glücksfall. lassen Bauprojekte oftmals den Gedanken der vollständigen Inklusion vermissen. Ansprüche an die Gestaltung gehen den Anforderungen der hindernisfreien Bauweise vor! Was machen Sie bei Pro Infirmis? Mein Aufgabenbereich ist sehr vielfältig. Zum einen berate ich bei baulichen Fragen Menschen mit Behinderung und deren Angehörige. Diese individuellen Abklärungen umfassen oftmals die Anpassung von privaten oder Arbeitsräumen. Zum anderen berate ich Bauherren, Projektverfasser und stehe allen am Bau Beteiligten für Fragen zur hindernisfreien Bauweise zur Verfügung. Ein wesentlicher Teil meiner Arbeit besteht in der Prüfung und Vernehmlassung von Baugesuchen. Ich schreibe zu diesen für die Bewilligungsbehörde eine Stellungnahme oder einen Fachbericht. Ein weiterer wichtiger Aufgabenbereich ist die Öffentlichkeitsarbeit, um mit allen Aspekten für die hindernisfreie Bauweise zu sensibilisieren. Die nächsten Ferien, wohin geht es da? Ferien sind momentan keine geplant. Ich denke aber, als nächstes gehe ich ins Tirol. Was war Ihr schönstes Erlebnis bei Pro Infirmis? Immer wenn Menschen mit Behinderung durch meine Arbeit als Bauberater für hindernisfreies Bauen im Sinne der Inklusion umfassend teilhaben können am täglichen Leben. Was war Ihr traurigstes Erlebnis bei Pro Infirmis? Oft erfahre ich in Beratungsgesprächen, wie Sparmassnahmen Menschen mit Behinderung hart treffen. Auch Was sind Ihre Hobbys? Die Bergwelt bestimmt meine Hobbys. Wann immer ich Zeit finde, erklimme ich diese mal joggend, mal in stundenund teils tagelangen Wanderungen oder mit den Tourenski. Neustens habe ich Schneeschuhlaufen lieb gewonnen. Was wünschen Sie sich für diese Welt? Die Welt hat für uns Menschen eine unglaubliche Lebensvielfalt zu bieten. Ich wünsche mir Menschen, die die Welt schätzen, lieben, schonen und im Frieden zusammenleben. Wir sind Gäste auf dieser Erde und ich wünsche mir ein Benehmen aller Menschen und Völker, wie sich dies für Gäste gebührt. Was möchten Sie unseren Spender/-innen mitteilen? Ihnen gebührt grosser Dank und Respekt für Ihre Grosszügigkeit! Die Spenden ermöglichen ein vielfältiges Engagement in wichtigen und vielfältigen Projekten, die Menschen mit Behinderung ihr Leben erleichtern. Pro Infirmis setzt sich stark für einen hindernisfrei gebauten Lebensraum ein, der letztlich allen offen steht. Rampen oder Aufzüge statt Stufen nützen allen, sei es mit dem Kinderwagen, dem Einkaufswagen oder dem schweren Rollkoffer. Ihre Spenden ermöglichen Projekte für eine inklusive Gesellschaft, worin bauliche Hindernisse niemanden mehr ausgrenzen. 6 In Kürze Pro Infirmis in den Kantonen SH Schaffhausen Rheinfelden Basel Frauenfeld Pratteln Olten SO JU NE VD Prilly SZ: RIGI FÜR ALLE Ein Naturerlebnis – auch im Rollstuhl: Auf der Rigi wurde der längste hindernisfreie Panoramaweg der Schweiz eröffnet. Pro Infirmis war bei der feierlichen Eröffnung dabei und informierte die Besucherinnen und Besucher über Unterstützungsmöglichkeiten im Alltag. Trotz kühler Wetterverhältnisse machten sich zahlreiche Menschen mit und ohne Behinderung auf den Weg zur Rigi, der Königin der Berge. VD/ZH/AG/TI: INTEGRATION GE LUNGEN Die Wohnschule in Prilly VD feierte ihr 15-jähriges Bestehen. Junge Menschen mit einer leichten geistigen Behinderung oder einer Lernbehinderung bereiten sich dort auf ein selbstständiges Leben vor. Sie lernen, Verantwortung zu übernehmen und die Herausforderungen des Alltags zu meistern. Das Erfolgsmodell hat sich bewährt, Heimaufenthalte können vermieden werden. Weitere Pro Infirmis-Wohnschulen gibt es in den Kantonen Zürich (Foto), Aargau und Tessin. GE BE Sarnen OW Thun NW AI Appenzell Pfäffikon SG ZG Luzern Stans Bern Fribourg St. Gallen Zug LU Burgdorf Neuchâtel Zihlschlacht AR Wattwil AG Biel/Bienne La Chaux-de-Fonds Amriswil Herisau Aarau Zürich Solothurn Yverdon-les-Bains ZH Baden Delémont TG Winterthur SZ Glarus Brunnen Sargans GL Chur Altdorf UR Ilanz GR FR Samedan Lausanne Sierre Monthey Genève Martigny Sion Brig TI Bellinzona VS Locarno Kantonale Geschäftsstellen Massagno Beratungsstellen Beratungsstellen von Partnerorganisationen Wohnschulen BS: MEHR HINDERNISFREIE WOH NUNGEN! Pro Infirmis setzt sich dafür ein, dass Wohngebäude in verstärktem Mass hindernisfrei werden. Denn sowohl Rollstuhlfahrer als auch Senioren sind auf barrierefreie Wohnungen angewiesen. Deshalb hat Pro Infirmis Basel-Stadt bei der Fachhochschule Nordwestschweiz eine Studie in Auftrag gegeben. Die Studie untersuchte die Situation in Basel und erkannte ein enormes Potenzial: Mehr als die Hälfte des Gebäudebestandes könnte mit relativ einfachen Mitteln hindernisfrei umgebaut werden. Interessante Erkenntnisse, die Pro Infirmis weiterverfolgt. GR: KREATIV IM RAMPENLICHT Die Theatergruppe «MiMe» hat mit ihrer neuen Produktion wieder das Publikum begeistert. Unter dem Titel «Anfang ohne Ende» drehte sich die spannende Geschichte um Menschen, die in einem Zivilschutzraum eingeschlossen sind. Schon seit über zehn Jahren stehen die behinderten Laienschauspielerinnen und –schauspieler auf der Bühne. Unter fachkundiger Anleitung werden die Stücke gemeinsam erarbeitet. Fähigkeiten, Interessen und Vorlieben der Mitwirkenden fliessen in die Theaterarbeit ein. 7 Andreas Pröve Loblied an den Rolli Seit einem Verkehrsunfall im Jahre 1981 mit der Diagnose Querschnitts lähmung ist sein Leben von Aben teuern geprägt. Auf unzähligen Reisen durch alle Erdteile sucht er die Grenzen des Machbaren. Sein Motor ist dabei der Drang, Neues zu entdecken und sich einem Land vollkommen auszusetzen. Dass Rollstühle noch immer mit Begriffen wie Siechtum und Depression gleichgesetzt werden, ist ein Zustand, über den Andreas Pröve in seiner neuen Kolumne nachdenkt. «Manchmal muss man an seinen Mitmenschen verzweifeln. Da hat mich doch neulich ein Journalist als einen «an den Rollstuhl gefesselten Behinderten bezeichnet», der sein «Schicksal tapfer meistert». Ja geht´s noch, schoss es mir durch den Kopf, aus welchem Jahrhundert stammst du? Die ganze Sache wäre nicht der Rede wert gewesen, könnte man dies als Einzelfall abtun. Doch noch immer werden Menschen, die anders aussehen oder sich anders bewegen, von der Gesellschaft mit Begriffen belegt, die vielmehr ihre eigene Unsicherheit und Einfältigkeit offenbaren. Denn niemand ist an den Rollstuhl gebunden oder gefesselt. Nicht sinnbildlich und auch nicht real. Das Gegenteil ist der Fall. Unser Rollstuhl gibt uns Freiheit, Mobilität, für manche ist er wie ein geliebter Teil des Körpers, aber mindestens wie ein bester Freund, der uns dabei hilft, unseren Horizont zu erweitern. Wie habe ich meinen ersten Rollstuhl herbeigesehnt, nach dem Unfall und zwei Monaten regungsloser Bettruhe. Wild auf Mobilität und darauf, der Enge des Krankenzimmers zu entfliehen, konnte ich es nicht erwarten, endlich im Rollstuhl zu sitzen. Damals hätte man mir einen beliebigen Sitz mit Rädern anbieten können, es wäre mir egal gewesen. Ich bekam ihn. Und in der Tat, es war für heutige Begriffe eine furchtbare Krücke, deren schlecht geölte Räder überall hinlenkten, nur nicht dahin, wohin ich wollte. Doch das war mir egal. Kurz darauf kam der erste farbige Rollstuhl auf den Markt - eine Revolution begann. Vorbei die Zeiten, als Rollstühle mit blauer Bespannung und Chromrohr alle gleich aussahen und mehr schlecht als recht ihren Besitzern dienten. Von nun an wurden sie bunt blinkend, schnittig, schnell und wendig zu einem Hingucker. Und doch wird es noch lange dauern, bis sich der Begriff «Rollstuhl» von Analogien wie Siechtum, Depression und Leid gelöst hat. Also, machen wir uns an die Arbeit, mischen wir uns unter das Volk, zeigen wir ihnen, dass ein Rollstuhl normal ist wie falsche Zähne, Haarteile, künstliche Hüften, Hörgeräte und die vielen anderen kleinen Hilfsmittel und Krücken, die dem Menschen das Leben erleichtern. Dann folgen unsere Rollstühle vielleicht eines Tages sogar der Brille, die es von einem Hilfsmittel gegen Sehschwäche zu einem modischen Accessoire gebracht hat. Zu wünschen wäre es uns.» Mehr von Andreas Pröve im nächsten «aktuell» Andreas Pröve verdient seinen Lebensunterhalt mit Vortragsreisen und dem Verkauf seiner Bücher. Falls Sie mehr darüber erfahren möchten, besuchen Sie seine Website www.proeve.com 8 Spenderstimmen: Dank diesen Menschen und Ihnen können wir helfen. «Die Notizblöckli für Pro Infirmis herzu stellen, ist eine wichtige Arbeit für uns.» Die Notizblöckli werden in einer Druckerei im Toggenburg produziert und dann im Johanneum, einem Verein, in dem Menschen mit einer Behinderung arbeiten, konfektioniert. Ein wichtiger Auftrag, der den Menschen, die daran arbeiten, sichtlich Spass macht. besprechung wird diskutiert, wer an welchem Arbeitsplatz tätig ist. Der ausgebildete Gruppenleiter führt die Gruppe und entscheidet am Schluss, aber die Mitarbeitenden mit ihren Beeinträchtigungen stehen immer im Zentrum. Jeder wird hier entsprechend seinen Fähigkeiten eingesetzt. Vielleicht fällt die Arbeit an manchen Tagen etwas schwerer. Dann erhält die Person eine leichtere Aufgabe. Oder vielleicht möchte sich jemand mehr engagieren, auch darauf wird geachtet. In der wöchentlichen Arbeits- Dem Verein ist es wichtig, dass die Arbeitsplätze attraktiv und sinnstiftend sind und eine gute Atmosphäre herrscht. So wird ein freundlicher, wertschätzender Umgang miteinander gepflegt. Auch Geselligkeit spielt dabei eine Rolle: in den Pausen, am Werkstatt fest oder auf den Märkten. Wir unterstützen gerne regelmässig die Pro Infirmis. Sie ist für uns die Institution, die dort aktiv wird, wo Eltern mit ihren kranken Kindern durch ihre Aufgabe überfordert sind. Gesund durchs Leben gehen zu dürfen, ist ein grosses Geschenk für welches wir dankbar sind. Das gibt uns die Möglichkeit, freiwillig soziale Aufgaben zu übernehmen. Während meiner beruflichen Tätigkeit als Logopädin und als langjährige freiwillige Bezirksleiterin der Pro Juventute See, habe ich verschiedene Schicksale kennen gelernt. Seit 1902 ist das Johanneum Ankerpunkt für Menschen mit einer geistigen Behinderung oder einer Lernbehinderung – zurzeit sind es rund 220 Schüler, Jugendliche und Erwachsene. Sie besuchen die Schule, klären die Berufswahl, absolvieren eine Berufslehre oder arbeiten in einer der geschützten Werkstätten. Mehr dazu finden Sie auf: www.johanneum.ch Das Notizblöcklein ist ein Geschenk an unsere Spenderinnen und Spender als Dankeschön für die treue Unterstützung. Jacqueline Brunner Dabei versuchte ich, die Familien nach Möglichkeit zu unterstützen. Nun im jetzigen Lebensab schnitt organisiere ich Zusammenkünfte für kontaktsuchende ältere Mitmenschen und bin aktiv im claro Weltladen. Dieser unterstützt mit dem Verkauf ihrer Produkte den fairen Handel. Weiterhin leisten wir gerne unsere Beiträge an die Pro Infirmis, um schwer geprüften Eltern ihren Alltag zu erleichtern. Hans und Madeleine Zuercher haben eine Patenschaft bei Pro Infirmis übernommen. Impressum aktuell: Ausgabe 1, März 2016; erscheint 4 x jährlich Redaktion und Verlag: Pro Infirmis, Postfach, 8032 Zürich Tel. 044 388 26 88, Fax 044 388 26 00 www.proinfirmis.ch, [email protected] Jacqueline Brunner (verantwortlich), Stefanie Huber, Ellen Thiele, Gaby Ullrich Fotos: Ursula Meisser, Andreas Pröve Gestaltung: bartók GmbH, Zürich Produktion: Prowema GmbH, Pfäffikon Abo.: Fr. 5.– pro Jahr ist in Ihrer Spende inbegriffen. Postkonto: 80-22222-8
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