Handout Psychische Gewalt

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Handout Psychische Gewalt
„Den Schlag, den man fürchtet, der aber nicht kommt,
hat eine ebenso schädigende Wirkung wie der reale Schlag,
der nicht unbedingt dann erfolgt, wenn man ihn erwartet.“
– H IRIGOYEN –
▐ WARUM IST ES SO SCHWIERIG PSYCHISCHE GEWALT ZU VERSTEHEN?
Psychische Gewalt wird auf sehr subtile Art und Weise ausgeübt. Sie setzt sich aus vielen kleinen,
aufeinanderfolgenden Angriffen auf die Wahrnehmung, das Selbstwertgefühl, die Würde und die
Integrität der Betroffenen zusammen.
Psychische Gewalt kann auf allen Ebenen der nonverbalen (ignorieren bzw. eisiges Schweigen,
mitleidiges Seufzen, aggressive Mimik und Gestik, abwehrende Körperhaltung) und verbalen
Kommunikation (scharfer Tonfall, zischende Drohungen, offene Kritik) und somit indirekt oder
direkt erfolgen. Gerade diese Tatsache macht es so schwierig psychische Gewalt als solche zu
definieren, da es sich hierbei auch immer um die subjektiven Wahrnehmungen der Betroffenen
handelt.
▐ WARUM IST ES SO SCHWIERIG PSYCHISCHE GEWALT ZU ERKENNEN?
Psychische Gewalt verläuft kreisförmig.
Anfängliche Grenzüberschreitungen sind nicht immer eindeutig
zu erkennen, die darauf folgenden Angriffe noch sehr subtil bzw.
schwer beschreibbar und der Übergang zur Gewalt ist fließend.
Aus diesem Grund kann ein Anfang des Konfliktes von den
Betroffenen auch nachträglich nicht mehr oder nur sehr schwer
bestimmt bzw. benannt werden.
Intensität
Grenzüberschreitung
oder
psychische Gewalt
Abb. 1: Kreisförmiger Verlauf psychischer Gewalt.
Es entsteht eine sogenannte abwärtsverlaufende Gewaltspirale, welche
geprägt ist durch Wiederholung und Steigerung.
Häufigkeit
Ungleichgewicht
Das heißt anfängliche Grenzüberschreitungen entwickeln sich schleichend
zu einer psychischen Gewalttätigkeit. Die Angriffe auf die Partnerin
erfolgen in immer kürzeren Zeitabschnitten und die Intensität sowie
Schwere dieser nehmen kontinuierlich zu.
Aus einer anfänglichen Gleichberechtigung zweier Personen entwickelt sich
ein deutliches Ungleichgewicht innerhalb der Partnerschaft.
Abb. 2: Abwärtsverlaufende Gewaltspirale.
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▐ WAS IST PSYCHISCHE GEWALT?
Um psychische Gewalt handelt es sich dann, wenn mindestens zwei der Merkmale wiederholt und
über einen längeren Zeitraum hinweg, nebeneinander und/oder gleichzeitig auftreten.
▐ DEMÜTIGUNG & BELEIDIGUNG
▐ KRITIK & BEVORMUNDUNG
▐ SCHULDZUWEISUNGEN & ANKLAGEN
▐ MANIPULATION & TÄUSCHUNG
▐ BEFEHLE & VERBOTE
▐ DROHUNGEN & SANKTIONEN
▐ VERHARMLOSUNG & LEUGNEN
▐ SÜHNE & VERHANDELN
Abb. 3: Merkmale psychischer Gewalt.
Die psychische Gewalt wird individuell an das Opfer und deren Lebensumstände angepasst, erfolgt
zunächst wohldosiert und wird äußerst vielfältig ausgeübt. Charakteristisch ist, dass die Merkmale
psychischer Gewalt wie bei einem Puzzle ineinander greifen und sich immer weiter verstärken. Die
verletzenden Interaktionen und psychischen Angriffe kreisen wiederholt und ohne Verjährung um
die gleichen Themen, Problematiken sowie „wunden Punkte“ des Opfers.
Vordergründig ist keine böse Absicht des Partners zu erkennen bzw. wird diese nicht als solche
interpretiert. Die psychischen Angriffe erfolgen für das Opfer unerwartet, können durch
Kleinigkeiten (wie z.B. eine falsche Geste, fehlendes Nicken im richtigen Augenblick ect.)
ausgelöst werden und stehen oftmals in keinerlei Relation zur Situation. (Aus diesem Grund werden
die psychischen Angriffe auch vom sozialen Umfeld des Opfers nicht selten als alltägliche
Streitigkeiten in einer Partnerschaft abgetan und erscheinen – wenn man diese einzeln betrachtet –
eher harmlos.)
Die psychischen Angriffe ähneln sich dabei in einem Punkt fortwährend: Sie haben in der
gegenwärtigen Situation die größtmögliche negative Wirkung auf die Wahrnehmung, das
Selbstwertgefühl, die Würde und Integrität der Betroffenen. Alle Versuche der Betroffenen eine
Änderung herbeizuführen bleiben wirkungslos. Die Problematiken bzw. Thematiken lassen sich in
Gesprächen mit dem Täter und auch durch noch so große Bemühungen des Opfers nicht lösen, auch
wenn dies bisweilen den Anschein macht.
Greift eine Technik bzw. „funktioniert“ ein Thema nicht (mehr), wird zur nächsten gewechselt bzw.
ein neues Thema gesucht.
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„Geliebt wirst du einzig dort,
wo schwach du dich zeigen darfst,
ohne stärke zu provozieren.“
– A DORNO –
▐ WIE GERÄT MAN IN EINE GEWALTBEZIEHUNG?
Oft werden wir in unserer Beratungsarbeit gefragt, warum Frauen, die in eine Gewaltbeziehung
geraten, die Beziehung nicht sofort verlassen.
Dies liegt daran, dass psychische Gewalt nicht von Anfang an als solche erkennbar ist und
in verschiedenen Phasen verläuft. Sie verändert ihre Form und führt in jedem Stadium zu einem
seelischen Ungleichgewicht der Betroffenen. Ich möchte im Folgenden den Verlauf der Phasen mit
ihren Auswirkungen auf die Betroffenen verdeutlichen.
▐ ERSTE PHASE: FORDERUNG VS. VERZICHT
In der ersten Phase vermeiden beide Partner einen Konflikt offen auszutragen. Der Mann versucht
seine Bedürfnisse durch indirekte Forderungen durchzusetzen. Die Frau geht anfangs auf die
Bedürfnisse des Mannes ein. Sie akzeptiert seine Forderungen, weil seine Argumente ihr
schmeicheln, sie die Vorstellung von Kompromissen in der Partnerschaft vertritt usw. Erkennt sie
seine Forderungen nicht an, so ergreift er Maßnahmen zur Bestrafung in Form von
Schuldzuweisungen oder Liebesentzug. Machtstreben und Eifersucht werden als Liebesbeweis
akzeptiert. Die Frau wird in den meisten Fällen weiteren Forderungen nachkommen. Die Beziehung
wird auf Kosten eines Partners aufrechterhalten. Die Frau erkennt die negativen Seiten des Mannes
(„Macken“) an und idealisiert die positiven Seiten, um die Beziehung aufrecht zu erhalten. Würde
sie das nicht tun, würde an dieser Stelle eine Trennung erfolgen.
In jeder Beziehung werden Sie Merkmale der ersten Phase entdecken können. Wahrscheinlich
haben Sie selbst schon ähnliche Verhaltensweisen angewandt, wenn es Konflikte mit dem Partner
gab. Auffälligkeiten in der ersten Phase der Gewaltentstehung liegen nicht in den kleinen,
möglicherweise häufigeren Grenzüberschreitungen gegenüber dem Partner, sondern in deren
ungleicher Verteilung (immer zieht nur der eine den Kürzeren) und der mangelnden Fähigkeit sich
darüber auseinander zu setzen.
Folgen:
Die betroffenen Frauen stellen ihre eigenen Bedürfnisse zu Gunsten des Partners zurück. Bestrafung
durch den Mann führt zu Vermeidungsverhalten.
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„Aber den Punkt als das überschritten wurde und ich mich verloren hatte den habe ich nicht
bemerkt, die Grenze des Stopps sagen.“
▐ ZWEITE PHASE: „(UN-)BERECHENBARKEIT VS. VERWIRRUNG“
Der Mann wird immer beherrschender, was seine Partnerin wiederum irritiert. Er verwirrt mit
Unterstellungen ohne jeglichen Hintergrund. Wird er darauf angesprochen, verwirrt er mit der
Unterstellung, die Frau habe das falsch verstanden. Sie fühlt sich leer im Kopf/ wie betäubt. Die
Frau wagt es in diesen Situationen nicht zu wiedersprechen oder kann es nicht. Selbst wenn die
Frau sich ungerecht behandelt fühlt, so besteht für sie keine Möglichkeit zu reagieren, weil er
immer das letzte Wort hat.
In dieser Phase hat die Frau wiederum zwei Möglichkeiten: Entweder sie erkennt, dass der Partner
ein Problem hat und sie nichts daran ändern kann. Dann ist sie handlungsunfähig und es bleibt nur
die Trennung (es sei denn der Partner zeigt ebenfalls eine ersthafte Motivation zur Änderung). Oder
Sie hält an der Beziehung fest. In diesem Fall bleibt ihr nur die Möglichkeit der Fügung (Hinnahme
des Verhaltens).
Für die Frauen gibt es während dieser Phase vielerlei Gründe in der Beziehung zu verbleiben, z.B.
Liebe, gemeinsame Vergangenheit, der eigene Anspruch an sich selbst, der Glaube den anderen
ändern zu können usw. usf.
Mit der Fügung entsteht ein enormer psychischer Stress, weil ab diesem Zeitpunkt durch den Mann
suggeriert wird, das die Frau an der Situation schuld sei, damit nimmt die Verwirrung zu.
In dieser Phase beginnt der Wechsel zwischen indirekten Feindseligkeiten zu offensichtlicher
Gewalt.
Beispiele für die zweite Phase:
„Jedes Mal wenn ich Interesse hatte, mich nach meinen Vorstellungen zu kleiden. Ich bin
gern weiblich gekleidet, sportlich. Meinem Alter entsprechend, schick trotz alledem. Also ein
schwarzweißer Pulli mit einem Spitzeneinsatz, eine schöne schwarze Hose drunter und mein
Partner sagt: Du siehst aus wie meine Mutter. Und hatte ich zum Beispiel eine Bluse mit
Herzchen, verspielt dann: Schau doch mal was das für eine Wirkung auf dich hat.“
Folgen:
Die Grenzen der Frau werden nach und nach und immer weiter überschritten. Dadurch, dass das
Opfer
mit
dem
Täter
nicht
reden
kann,
entsteht
ein
Gefühl
der
Hilflosigkeit/Machtlosigkeit/Handlungsunfähigkeit, weil die Frau an der Beziehung festhalten
möchte. Erste Beklemmungsgefühle treten auf. Die Frau ist destabilisiert/verwirrt.
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„Da fehlen einen die Worte, in den Situationen.“
„Also ich habe mir über meine Grenzen hinweg wehtun lassen.“
An diesen zwei ersten Phasen kann man erkennen, wie die inneren Grenzen des Opfers erst
geschwächt und später gesprengt werden. Wann die Sprengung in Gewalt umschlägt ist
schwer auszumachen.
▐ DRITTE PHASE „SCHULDZUWEISUNG VS. VERANTWORTUNGSABGABE“
Kommt es das erste Mal zur Gewalt, bricht dies in die seelische Struktur des Opfers ein. Das
traumatische Erlebnis führt zum regredieren auf das Stadium eine hilflosen, abhängigen Kindes.
Anders ausgedrückt, werden Abwehrmechanismen gebildet, die ein „Überleben“ in der Beziehung
ermöglichen.
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A B W E H R M E C HA N I S M E N :
Dissoziation und Verleugnen
Dissoziation und Verleugnung von Gefühlen, wie z.B. Angst, Wut, Unglücklich sein. Im
Unterschied zur Verdrängung wird kein innerer Konflikt ausgeblendet, sondern ein äußerer
Realitätsausschnitt wird in seiner Bedeutung nicht anerkannt. Veränderungen beim Partner werden
wahrgenommen aber emotional nicht erlebt und rational nicht anerkannt (Weil nicht sein kann, was
nicht sein darf.) Bei dem Gewaltakt handelt es sich um einen Vorfall der undenkbar scheint, das
Opfer bestreitet dadurch die Wirklichkeit. Das Opfer bemüht sich die Situation zu verstehen und
sucht nach logischen Erklärungen, warum der Täter handelt, wie er handelt. Das Opfer denkt, dass
der Täter Schuldgefühle, Scham, Mitleid, Trauer aufgrund seiner Tat verspürt. Aber die meisten
Täter suchen nicht bei sich nach der Schuld/Scham, sondern geben diese an das Opfer zurück. Das
Opfer wiederum nimmt die Schuld/Scham an und sieht in seiner Person die Schuld bzw. den Grund
zum Schämen.
„Da gehen einen keine Gedanken mehr durch den Kopf, weil das im ganzen Verlauf der
Beziehung – egal was es für einen Stress gab von seiner Seite wo ich mich versucht habe zu
wehren – er hat es nicht anerkannt und akzeptiert und gesehen. Da konnte ich mir den Mund
fusselig reden, dass und das war nicht in Ordnung, hast du das nicht begriffen? Es war nicht
er, so nach dem Motto. Oder das bilde ich mir alles ein.“
„Ich hab ihm geglaubt das ich wirklich scheiße bin“
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Internalisierung der Gewalterfahrung/-beziehung durch Introjektion
Werte, Norm, bestimmtes Verhalten das vom Partner gewünscht wird, wird in die eigene IchStruktur aufgenommen, sodass sie nicht mehr als Bedrohung erlebt werden. Die Verantwortung für
das Verhalten des Täters wird sich selbst zugeschrieben und/oder die Einstellung des Täters wird
übernommen (Identifikation mit dem Aggressor). Das dient der Abwehr unerträglicher
Hilflosigkeit/Angst und suggeriert die Rücklagerung von Kontrolle. Schuldgefühle haben nichts
mit der Wirklichkeit zu tun, die Opfer haben nur verinnerlicht was der Täter suggeriert.
„Ich habe keinerlei Interesse gehabt, was könnte mir gefallen. Sondern habe versucht mich
so zu gestalten, wie er mich gerne hätte. Ich habe versucht diesem Ideal nah zu kommen.
Ohne zu bemerken das ich mich immer weiter von mir selbst
entferne.
Besonders gefährlich ist in dieser Phase, dass der Partner nicht nur abwertend/kontrollierend
(gewalttätig) ist, sondern auch liebenswürdiges Verhalten zeigt (siehe Phase 4).
Folgen:
Eine Folge dieser Phase ist Stress:
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Das Opfer gibt sich die Schuld und nimmt Unterwerfung hin, dadurch entsteht eine
Spannung, die wiederum Stress auslöst.
Das Opfer will alles richtig machen, den Anderen keinen Grund zur Unzufriedenheit
geben, ihn bei Erregung beruhigen.
Das funktioniert aber nicht.
Dadurch können keine Stresshormone abgebaut werden.
Erste Symptome, wie Erschöpfung, Beklemmung, Nervosität, Ängstlichkeit,
Reizbarkeit, Schlafstörungen treten auf.
Später äußern sich diese dann in psychosomatischen Beschwerden wie, Magen-DarmBeschwerden, Kopfschmerzen, Infektanfälligkeit.
Erste depressive Stimmungen treten auf, weil kein Verhalten einen Erfolg bringt.
Diese ersten Anzeichen chronifizieren sich, was bis hin zu Angststörungen führen kann.
Diese Phase ist eine Phase der ständigen Spannung und übermäßiger Wachsamkeit.
Eine weitere Folge ist, dass die Widerspruchsmöglichkeiten und die Widerstandskraft des Opfers
schwinden. Das Opfer büßt jede kritische/ reflektierende Fähigkeit ein. Sie trauen ihren Gefühlen
nicht mehr und reden sich ein, ihre Sicht der Wirklichkeit sei verkehrt. Mitunter wird die Gewalt
auch nicht mehr erkannt, weil diese nur mit bösen Absichten in Verbindung gebracht wird. Das
Selbstbewusstsein und der Selbstwert schwinden, ebenso wie die Fähigkeit Entscheidungen zu
treffen.
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„Da konnte ich nichts mehr reflektieren. Schon nicht mehr. Da war ich nur noch ohnmächtig und
fassungslos.“
▐ VIERTE PHASE: „HOFFNUNG VS. ABHÄNGIGKEIT“
Bei der zyklischen häuslichen Gewalt, bei der es nicht nur um Beherrschung geht, schafft der
Wechsel von Gewalt, Beschwichtigung und Versöhnung ein System, was dem Sprichwort
„Zuckerbrot und Peitsche“ sehr nahe kommt. Wann immer der Täter zu weit gegangen ist und
befürchten muss, seine Frau zu verlieren, versucht er sie mit Freundlichkeiten oder Aufmerksamkeit
an sich zu binden (auch eine Versöhnung im Bett zählt darunter). Aber auch in dieser Phase
erfolgen manipulative Strategien um das Selbstbewusstsein des Opfers zu zerstören.
Beispiele für die vierte Phase:
„Ich habe zu ihm aufgeschaut, das hat mich fasziniert. Sein Leben.“
„Aber wenn ich erschöpft und müde war oder Rückenschmerzen, da hat er mir eine Decke
gebracht oder einen Lavendelheizkissen. Also Geborgenheit konnte er schon vermitteln. Das
ist einfach wie Butterbrot und Peitsche.“
Folgen:
Es wird ein Prozess ausgelöst, der ein Verhalten in Gang setzt, das bewirkt, dass ein Gefühl von
inneren Unbehagen verscheucht oder gelindert wird. Dieses Verhalten wird unkontrolliert
wiederholt, obwohl bekannt ist, dass es einem schadet. Auch in dem der Partner Äußerungen trifft,
die suggerieren, dass das Opfer ohne den Gewalttäter nicht zurechtkommen kann, bindet er das
Opfer an sich. Dieses Verhalten ist nicht unbedingt immer eine bewusste Strategie des Täters.
Wir haben es in der Berufspraxis auch schon erlebt, dass die Abhängigkeit der Frau in dem Glauben
bestand, dass der Partner ohne sie nicht zurechtkommen wird, verbunden mit der Hoffnung, dass er
dann merkt, was er an seiner Partnerin hatte. Es besteht eine emotionale Abhängigkeit vom Partner,
man ist auf die Anerkennung des Partners angewiesen (in einer gesunden Beziehung sollte sich
jeder gewiss sein, dass er ohne den anderen leben kann und nicht auf die Anerkennung bestimmter
Personen angewiesen ist).
▐ FÜNFTE PHASE: „ANGST VS. EINSCHÜCHTERUNG“
In diesem Stadium der Gewalt sind die Opfer ständig auf der Hut, belauern den Blick des Täters,
die unausgesprochenen Aggressionen. Sie fürchten die Reaktion des Täters. Egal ob sich das Opfer
fügt oder wehrt, es ist im Unrecht. Überkommt das Opfer plötzlicher Hass, gibt das dem Täter
Recht „Nicht ich hasse ihn, er hasst mich“.
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„Also ich habe mir über meine Grenzen hinweg mir wehtun lassen.“
Nach einem Gewaltvorfall: „Ich habe mich dann auch in meinem Zimmer das ich bei ihm
hatte verbarrikadiert. Eingeschlossen. Am Tag darauf sind wir uns in der Küche begegnet
und da hat er gesagt: Wieso hast du dich denn eingeschlossen? Da habe ich gesagt: Ich
hatte Angst. Er Wieso?“
Folgen:
Die Opfer verstellen und verbiegen sich und geben somit ihre Identität auf/sind nicht mehr sie
selbst.
„Ich habe mit allen möglichen Mitteln versucht ihm zu gefallen. „
Sie verfallen in eine Schockstarre:
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Werden sich die Opfer der Aggression bewusst, sind sie meist geschockt.
Sie sind traurig, verletzt, fassungslos, enttäuscht.
Alles bricht zusammen.
Sie spüren keinen Zorn:
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In dieser Phase ist meist kein Zorn spürbar, selbst wenn der Entschluss zur Trennung
feststeht.
Das Opfer erkennt die Ungerechtigkeit, kann aber nicht rebellieren, weil sie kraftlos und
voller Angst sind.
Der Zorn kommt oft später, ist dann aber kontrolliert und somit nicht befreiend fürs
Opfer.
Mit dem Bewusstwerden der seelischen Gewalt fühlen sich die Opfer betrogen, missachtet,
missbraucht, getäuscht. Sie verlieren ihre Würde und die Achtung vor sich selbst und schämen
sich, dass alles mit sich machen gelassen zu habe. Die Opfer hoffen auf Entschuldigung des
Täters und wollen, dass ihre Identität anerkannt wird. Das passiert in den meisten Fällen nicht.
Eine weitere Folge ist die Dekompensation(Unausgeglichenheit, Entgleisung):
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Die ständigen, bewussten Angriffe führen beim Opfer zur psychischen Erschöpfung.
Die Widerstandsfähigkeit ist nicht endlos.
Durch den Stress kann keine Anpassungsleistung erbracht werden.
Es kommt zur Dekompensation (Unausgeglichenheit, Entgleisung) in Form von:
 psychosomatischen Störungen (Körper drückt seelische Verletzung aus)
 generalisierter Angststörung
 Depression (wird nicht nur durch Trauer oder Trennung ausgelöst, sondern auch
der Verlust eines Ideals, wird als Niederlage empfunden)
 Gegenaggression (bei impulsiven Persönlichkeitstypen)
 Dissoziation (erlebte Erfahrungen werden gefiltert, führt zur Erleichterung und
partiellen Schutz)
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 Betäubung von Gefühlen/Ängsten durch Alkohol, Medikamente, Drogen
▐ LETZTE PHASE „TRENNUNGSPROZESS VS. UNFREIHEIT“
Erfolgt eine Trennung vom Täter, dann meist nur unter seelischen Schmerzen und Schuldgefühlen,
weil der Täter dem Opfer noch immer Schuldgefühle suggeriert. Das Opfer ist durch die
Schuldgefühle meist zu Zugeständnissen bereit. Stets beklagt sich der Täter alles zu verlieren,
obwohl das Opfer tatsächlich alles verliert. Er kämpft nun mit allen Mittel (Versprechungen,
Gerichtsprozesse um Kinder, Vermögen, weitere Gewalt…).
Nach der Trennung wollen die Opfer oft zur Normalität übergehen. Sie sprechen nicht mehr über
das Erlebte.
„Das tat weh. Es kamen natürlich auch Fragen auf wenn ich hier aus dieser Beziehung evtl.
raus gehe habe ich keinerlei was mir gehört. Was einen Neubeginn ermöglichen könnte“
„Mehr und mehr bemerkte ich dass ich, das in unserer Partnerschaft etwas nicht stimmt. Ich
hier nicht glücklich bin. Wusste nur nicht wie ich hier weg komme. Weil ich kein Geld hab
und die Fremde und die Scham.“
„Ich glaube manchmal selber nicht dass mir diese Dinge passiert sind bzw. sie zu
erwähnenswert ist. Das es ab und zu durch kommt, dass kannst du ja … Da haben andere
doch viel schlimmeres erlebt.“
Folgen:
Es stellen sich posttraumatische Probleme ein, die die Opfer hinnehmen (wie in der
Gewaltbeziehung wird versucht die Probleme wegzuzaubern). Situationen, die Gefühle/Gedanken
an die Gewalt hervorrufen könnten, werden meist vermieden. Auch nach 20/30Jahren erfüllt die
Opfer ein Gefühl der Verzweiflung, wenn sie den Peiniger sehen. Es gibt auch Opfer, die in Trauma
verharren und verbittert werden, sie holen immer wieder alte Grübeleien zum Vorschein und führen
damit im sozialen Umfeld zur Genervtheit.
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