Die Menschen sind sehr dankbar

Susanne Welslau von der Gruppe „Fremde werden Freunde“ ist auch Sprachpatin und hilft den Flüchtlingen beim Deutschlernen.
Fotos: Lorenz
„Die Menschen sind sehr dankbar“
EHRENAMT Die Gruppe „Frem-
de werden Freunde“ hilft
den Flüchtlingen im Übergangswohnheim Dachelhofen dabei, sich in ihrem neuen Leben zurechtzufinden.
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VON CORNELIA LORENZ
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SCHWANDORF. Wenn Susanne Welslau
das Flüchtlingswohnheim in Dachelhofen betritt, dauert es meistens nicht
lang, bis sie von Bewohnern umringt
ist – und alle haben eine Frage an „Sister Susi“, wie sie die 50-Jährige liebevoll nennen. Eine junge Frau mit Unterleibsschmerzen will wissen, welche
Bescheinigung sie braucht, um zum
Arzt gehen zu dürfen. Ein Mann fragt,
woher man eine Genehmigung bekommt, um mit dem Zug zu Verwandten in Aachen zu fahren. „Landratsamt“ lautet das magische Wort, das
Welslau den Flüchtlingen immer wieder nennt und erklärt. Doch das ist nur
ein kleiner Teil ihres ehrenamtlichen
Engagements. Zusammen mit einem
harten Kern von etwa zehn weiteren
freiwilligen Helfern der Gruppe
„Fremde werden Freunde“ sorgt Welslau nicht nur dafür, dass die Bewohner
sich in ihrem neuen Leben nach der
Flucht zurecht finden, sondern auch
die deutsche Sprache lernen können
und mit lebensnotwendigen Dingen
wie Kleidung versorgt sind.
Hilfsgüter für Bosnien
Ehrenamtliches Engagement für Menschen in Not gehört nicht erst zu Welslaus Leben, seit die Zahl der Asylbewerber in Deutschland in den letzten
Monaten in die Höhe schnellt. Die
Dachelhoferin hat bereits vor 20 Jahren den Verein „Fremde werden Freunde“ ins Leben gerufen. Damals halfen
die Mitglieder Kriegsflüchtlingen aus
Bosnien, schickten Hilfsgüter in die
Krisenregion und unterstützten den
Wiederaufbau der Schule in Lukawac.
1997, zwei Jahre nach Kriegsende, löste sich der Verein offiziell auf.
Als im Juli 2015 Neonazis in
Dachelhofen aufmarschierten,
um gegen die Flüchtlinge zu
hetzen, trafen sich viele ehemalige Vereinsmitglieder
bei der Protestaktion gegen die Rechtsradikalen
wieder: Die Gegen-Demo
brachte Gleichgesinnte
Monika Lauber nimmt
Spenden entgegen.
Klaudia Seegmüller arbeitet am Mittwochnachmittag in der Kleiderkammer.
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VIEL ZU TUN FÜR EHRENAMTLICHE HELFER
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➤ Kleiderkammer: Die Gruppe „Fremde
werden Freunde“ hat eine Kleiderkammer eingerichtet. Sie ist im alten Dachelhofer Rathaus (Dachelhofer Straße 135)
untergebracht. Monika Lauber und Klaudia Seegmüller sind immer mittwochs
von 15 bis 18 Uhr vor Ort und nehmen
Spenden entgegen.. Derzeit ist die Kleiderkammer gut bestückt, allerdings
werden dringend Babysachen benötigt,
da im Wohnheim schwangere Frauen leben. Auch Teppiche werden gebraucht.
Außerdem werden für Kinder, die nachts
einnässen, Windeln in großen Größen
benötigt. Möbelspenden sind immer
willkommen.
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➤ Hausaufgabenbetreuung: Wer Zeit
und Lust hat, Flüchtlingskindern nachmittags zwischen 13.30 und 16 Uhr bei
den Hausaufgaben zu helfen, wird gebeten, sich mit den Helfern in Verbindung
zu setzen. Ansprechpartnerin ist Susanne Welslau, Telefon 09431/529 230.
➤ Patenfamilien gesucht: Die Helfergruppe würde gern die Kontakte zwischen den Flüchtlingen und den Einheimischen intensivieren. Familien, die Lust
haben, näheren Kontakt zu einer Flüchtlingsfamilie zu knüpfen und sie auch im
Alltag ein wenig mit Rat und Tat zu unterstützen, können sich ebenfalls unter
Telefon (09431/529 230 melden.
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mit dem Willen zu helfen wieder zusammen. „Wir wollten ein Bindeglied
schaffen“, erklärt Welslau. Ein Bindeglied aus Menschen, die den Dachelhofer Bürgern die Angst vor den Menschen aus fremden Ländern nehmen
wollen, indem sie die Flüchtlinge unterstützen, ihnen zeigen, dass sie willkommen sind – und ihnen gleichzeitig
aber auch klar machen, dass dieses ehrenamtliche Engagement nicht selbstverständlich ist.
Doch das haben die derzeit 55 Bewohner des Übergangswohnheims ohnehin längst verstanden. „Die Menschen sind sehr
dankbar“, sagt Welslau. Und
deshalb sind jeden Tag sechs
bis acht Helfer der Gruppe
„Fremde werden Freunde“
vor Ort, betreuen die neun
Schulkinder bei ihren
Hausaufgaben, halten Kontakt zu ihren Lehrern, unter-
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stützen die Bewohner bei Behördengängen oder begleiten sie zum Arzt.
Da klingelt auch mal nachts das Telefon, wenn eine hochschwangere Bewohnerin Wehen hat klagt und ins
Krankenhaus muss.
Angst vor der Busfahrt
Die nächtliche Fahrt zum Kreißsaal erwies sich als falscher Alarm – genauso
wie Befürchtungen, die Dachelhofer
könnten ihre neuen Mitbürger aus Syrien, dem Irak, Äthiopien und Tschetschenien ablehnen. „Die Dachelhofer
haben sich gut arrangiert, sagt Welslau. Besonders freut sie sich über spontane Hilfsangebote aus der Bevölkerung, die den Flüchtlingen das Leben
leichter machen. Ältere Damen zum
Beispiel haben die Kinder mit dem Auto zu ihren Schulen gefahren, als diese
sich weigerten, in die Busse einzusteigen – aus Angst, von ihren Eltern getrennt und in ein Lager gebracht zu
werden. Mittlerweile haben die
Flüchtlingskinder verstanden, dass ihnen im Bus keine Gefahr droht. Sie
trauen sich die Fahrt zur Grundschule
in Ettmannsdorf und zur Kreuzbergschule jetzt allein zu.
Doch längst sind nicht alle Wunden in den Seelen der Kinder verheilt.
Manche der Buben im Grundschulalter, die tagsüber fröhlich mit dem Roller über den großen Platz vor dem
Wohnheim flitzen, kommen in der
Nacht nicht zur Ruhe, weinen und
schreien in Schlaf oder brauchen sogar
eine Windel – ein Zeichen für die tiefe
Verunsicherung dieser Kinder. Auch
die Erwachsenen hadern Welslaus Erfahrungen nach sehr mit ihrer Situation. Das fiel ihr zum Beispiel auf, als sie
einem muslimischen Flüchtling vorschlug, ihm die Schwandorfer Moschee zu zeigen. Der Mann lehnte das
Angebot sofort ab. „Er hatte die
Schnauze voll vom Islam. Er sagte, er
wolle nur noch seinen Frieden haben“,
erinnert sich Welslau.
Viele Hindernisse bewältigt
Dafür tun sie und die anderen Helfer
der Gruppe „Fremde werden Freunde“
ihr Möglichstes – auch wenn sie dabei
immer wieder vor Hindernissen stehen. „Wir sind so viel mit organisatorischen Dingen beschäftigt, obwohl das
eigentlich gar nicht unsere Aufgabe
ist“, sagt Welslau. Am Tag des Einzugs
zum Beispiel besorgten sie Essen und
Getränke für die Bewohner, die ansonsten völlig hilf- und planlos vor
dem Wohnheim aus dem Bus stiegen.
Auch der bauliche Zustand der Unterkunft macht den Helfern immer wieder zu schaffen: Da war zum Beispiel
der Wasserrohrbruch gleich am ersten
Tag nach dem Einzug der Bewohner.
Viel zu tun hatten die Helfer auch, bis
endlich Handwerker kamen, um die
kaputte Heizung zu reparieren.
Trotz aller Widrigkeiten lassen sich
die Ehrenamtlichen die Freude am
Helfen nicht verderben. „Wir werden
noch lange so weitermachen. Das
Schlimmste ist jetzt geschafft“, sagt
Welslau. Woher sie selbst die Energie
nimmt, kann sie selbst nicht so genau
sagen. Sie hat drei Kinder, kümmert
sich neben ihrer Arbeit als Förderlehrerin zuhause in Dachelhofen um ihre
pflegebedürftigen Eltern – und nimmt
sich trotzdem fast täglich Zeit für die
Flüchtlinge. „Wir müssen etwas wiedergutmachen, wenn mit deutschen
Waffen Häuser bombardiert oder die
Eltern derer getötet werden, die zu uns
als Flüchtlinge kommen. Man hat als
Mensch doch eine Verantwortung.“