DER TAGESSPIEGEL vom 14.11.2015 Seite: Ressort: K06 KARRIERE Nummer: Auflage: Rubrik: Gattung: WEITERBILDUNG Tageszeitung Reichweite: 22581 127.020 (gedruckt) 112.555 (verkauft) 115.588 (verbreitet) 0,25 (in Mio.) Studium mit Weitblick Mehr als 160 000 Deutsche haben sich für ein Fernstudium eingeschrieben. Und es werden immer mehr. Ein Leitfaden für künftige Fernstudenten Von Daniel Mosler Eigentlich haben sie genug zu tun: Sie haben einen Job, oft sogar Vollzeit und viele sogar schon Familie - und trotzdem finden sie die Zeit um nebenbei noch Seminararbeiten und Aufsätze zu schreiben und Referate vorzubereiten. Was für viele wie ein übervolles Programm klingt, gehört für mittlerweile für mehr als 160 000 Deutsche zum normalen Tagesablauf: Die Rede ist von den Fern-Studierenden, die parallel zu ihrem Beruf, ihre akademische Laufbahn nachholen oder erweitern. Seit einigen Jahren wird diese Gruppe immer größer. Eine Entwicklung, die der kleinen Nordrhein-Westfälischen Stadt Hagen zugute kommt: Denn das Städtchen ist stolz auf seine Universität mit rund 77 000 Studierenden. Sogar auf den gelben Ortsschildern wird auf die Universität hingewiesen. Nur das typische Studentengefühl fehlt in der Stadt irgendwie: Es gibt kaum Copy-Shops und kein Lärm vor Mensen. Das liegt daran, dass in Hagen Deutschlands einzige und größte Staatliche Fernuniversität steht. Die meisten der 77 395 Studierende, die sich auf zwanzig Studiengänge in den Fakultäten Kultur- und Sozialwissenschaften, Mathematik und Informatik, Wirtschaftswissenschaft und Rechtswissenschaft aufteilen, befinden sich physisch weit weg von der Uni. Neben dieser staatlichen Fernuniversität gibt es in Deutschland aber noch eine große Bandbreite privater Hochschulen, wie die Stuttgarter AKAD-Hochschule oder die Wilhelm-Büchner-Hochschule in Darmstadt. Sie sind oft auf bestimmte Studiengänge, wie Maschinenbau oder Management, spezialisiert. Wer ebenfalls überlegt, ein Fernstudium neben dem Beruf zu beginnen, stellt sich oft eine Reihe von Fragen. Wir beantworten einige davon. VORAUSSETZUNGEN Die Anforderung für ein Fernstudium sind abhängig von der gewählten Fernuniversität und dem gewünschten Studiengang. Nur selten ist jedoch ein Numerus Clausus (NC) vorhanden. An der Fern-Uni Hagen beispielsweise sind alle Studiengänge NC-frei. Dafür ist eine Allgemeine Hochschulreife (Abitur), oder in einigen Fällen auch die Fachhochschulreife, verpflichtend. Private Fern-Unis können für manche von Vorteil sein, weil sie teilweise andere Zugangsvoraussetzungen anbieten. Ein Vergleich lohnt sich hier in jedem Fall. Wer bereits fachliche Kenntnisse durch seinen Beruf mitbringt, kann außerdem auf einen erleichterten Zugang hoffen. ALTERSDURCHSCHNITT Betrachtet man den Altersdurchschnitt an deutschen Fernuniversitäten, fällt auf, dass viele Studierenden eher jung sind. Für Susanne Bossemeyer, Pressesprecherin der Fernuniversität Hagen, ist das keine Überraschung: "Viele Berufstätige durchleben in ihren Zwanzigern eine Umbruchphase - wollen neuen Weg einschlagen oder ihrem Job eine neue Perspektive bieten." Oft schließen Studierende daher ihren Bachelor an einer klassischen Präsenz-Uni ab, starten in einen Job und schließen parallel den Master an einer Fern-Uni ab. Insgesamt gibt es an einer Fern-Uni tendenziell mehr männliche als weibliche Studierende. ABSCHLUSS Rein akademisch sind Abschlüsse einer Fern-Uni und die einer klassischen Präsenzuniversität gleichwertig. Möglich macht dies die europäische BolognaReform. "Die meisten Arbeitgeber machen keinen Unterschied. Ganz im Gegenteil, bringen Absolventen von Fernuniversitäten oft wertvolle Arbeitserfahrung mit", sagt Bossemeyer. Diese gilt in vielen praktischen Berufen oft mehr als die reinen universitären Leistungen. Oftmals entscheiden auch so genannte Soft-Skills, also beispielsweise Pünktlichkeit oder Organisationstalent über einen Job. "Hier sind Studierende einer Fern-Uni prädestiniert", erklärt Susanne Bossemeyer, Pressesprecherin der Fernuniversität Hagen. KOSTEN Ein Bachelorabschluss an einer Staatlichen Fern-Uni schlägt oft mit mehr als 2 400 Euro zu Buche, ein anschließender Master mit weiteren 1000 Euro. Noch nicht eingerechnet sind anfallende Fahrtkosten und Bücher. Verglichen mit den durchschnittlichen Semesterbeiträgen einer klassischen Präsenzuniversität, ist ein Abschluss an einer Präsenz-Uni damit deutlich günstiger. Die Preise von privaten Fernuniversitäten liegen dagegen wesentlich höher. Im Vergleich: Ein Bachelor- und Masterstudium an der Wilhelm-Büchner-Hochschule in Darmstadt kostet rund 25 000 Euro - bei Abschluss in Regelstudienzeit. Ganz im Gegensatz zu staatlichen Fern-Unis müssen private Hochschulen zum Großteil ohne staatliche Unterstützung auskommen. Die Staatliche Fernuniversität in Hagen beispielsweise wird zu zwei Dritteln vom Land NordrheinWestfalen finanziert. "Eine Investition, die sich lohnt", sagt Bossemeyer. "Schließlich zahlen die meisten unserer Studierenden bereits Steuern." FERNSTUDIUM UND BERUF Die Rahmenbedingungen für ein Fernstudium sind auf eine größtmögliche Flexibilität ausgerichtet. "Das Ziel ist es, Studium und Beruf verbinden zu können", sagt Susanne Bossemeyer. Dazu wurden auch die 13 deutschen und neun internationalen Regionalzentren geschaffen: Sie werden von Mentoren betreut und können von Studierenden für Kurse genutzt werden, die mit Vorträgen oder Klausuren abgeschlossen werden müssen. "Die Kursteilnehmer können sich dabei aussuchen, in welchem Regionalzentrum sie ihre Prüfun- gen ablegen möchte". Es gehe vor allem darum, sicherzustellen, dass die Prüfung nach gültigen Richtlinien absolviert werden, so Bossemeyer. Auch private Hochschulen bieten ähnliche Modelle an. ABLAUF Die meisten Unterlagen werden zum Semesterbeginn oder im Laufe des Semesters von der Fernuniversität per Post versandt, an der Wilhelm-BüchnerHochschule in der Regel alle drei Monate. Bei Fragen können Mentoren oder die Professoren selbst kontaktiert Wörter: © 2015 PMG Presse-Monitor GmbH 931 werden. Auf uni-internen Plattformen werden weitere Unterlagen, wie Videos oder Bücherinhalte, zur Verfügung gestellt. Das Internet habe das Fernstudium revolutioniert, sagt Susanne Bossemeyer. So stellen Professoren oft Vorlesungen online oder bilden Studierende über Skype oder Facebook Arbeitskreise. AUS DEM AUSLAND ES ist problemlos möglich von einem Wohnsitz im Ausland aus an einer deutschen Fernuni zu studieren - sowohl an einer privaten als auch ander staatlichen. Die Fernuniversität Hagen verschickt ihre Studienunterlagen in weltweit über 100 Länder. Rund 4 000 Studierende in Hagen haben weder eine deutsche Staatsbürgerschaft noch einen deutschen Wohnsitz: "Viele Kursteilnehmer absolvieren ein Doppeldiplom, studieren also an einer Präsenzuniversität im Ausland und gleichzeitig bei uns", sagt Susanne Bossemeyer. Prüfungen können Kursteilnehmer in der örtlichen Handelskammer oder einem GoetheInstitut absolvieren.
© Copyright 2024 ExpyDoc