Regionalkultur Der Landbote Dienstag, 26. Mai 2015 7 Sie gibt den Worten einen Mantel IllNau-effRetIkoN Im Paperwerk werden nicht nur Bücher originell veredelt, sondern auch viele Produkte in schönem Leder eingefasst. Doch Ines Copas hat noch mehr Ideen. Auf dem ehemaligen Heuboden einer alten Scheune verfolgt Ines Copas ein Herzensprojekt. Hier hat sich die gelernte Handbuch binderin vor einem halben Jahr ein eigenes kleines Atelier einge richtet. Davon träumte sie seit ihrer Lehre. Doch die gebürtige St. Gallerin zog es erst mal in die USA, wo sie ihren Mann kennen lernte und zwei Kinder bekam. Nach neun Jahren kehrte die Familie wieder in die Schweiz zurück. Nun werden im Paperwerk Bücher, Tagebücher sowie Ab schlussarbeiten zu Unikaten. Ein Einband oder eine Prägung aus Leder, Pergament, farbenfrohen Papieren, Marmorierungen oder Buchbinderleinen gibt ihnen die persönliche Note. Auch älteren Schriftstücken in nicht mehr bestem Zustand versucht Ines Copas frischen Glanz zu verlei hen, indem sie sie neu heftet so wie Deckel oder Rücken ausbes sert. «Gerade habe ich mit Origa mi angefangen. Eigentlich erst nur als Deko für Ausstellungen gedacht, wollten dann aber alle die Deko kaufen», erzählt die Ill nauerin lächelnd. Altes Handwerk mit frischen Ideen. Ines Copas ist Handbuchbinderin aus Passion. Marc Dahinden Neues aus Sattelleder Die Kreationen der 40Jährigen hören jedoch nicht beim Papier auf, sondern fangen dort erst an. «Ich arbeite sehr gerne mit Le der. Das Material ist schön, edel und dehnbar», erklärt Ines Co pas. Mit grosser Freude präsen tiert sie ihre liebevoll verzierten Schmuckschachteln oder eine spezielle Jasskiste, in der Karten, Tafel, Schwamm und Stifte ihren Platz finden. Auch auf ihre mit Sattelleder gebundenen Mappen, iPadMinihüllen und Agenden ist sie stolz. Letzteres habe ihr schon lange vorgeschwebt – eine Agenda zum Selberfüllen. Weil sie gerne Gebrauchsgegenstände herstelle, die die Leute täglich nutzen und wertschätzen wür den. Auf das Sattel leder stiess sie durch Zufall, ver liebte sich in das Ma terial und wollte unbedingt damit arbeiten. Dabei war es ihr auch wichtig, einen echten Sattlerfaden für die Bindung zu benutzen und den richtigen Stich zu erlernen. «Es muss alles stimmen und darf nicht gebastelt aussehen. Ich muss hinter dem Produkt stehen können.» Lebendige Tradition Ihr Atelier unter dem Dach er zählt auch ein Stück Handwerks geschichte. Denn viele der Ma schinen, mit denen Ines Copas arbeitet, waren zuvor schon Jahrzehnte bis Jahrhunderte in alten Buchbindereien in Betrieb. In der einen Ecke erblickt man eine fast 500 Kilo schwere Pap penschere mit massivem Guss tisch, die, weil sie nicht tragbar ist, unter grössten Mühen durch das Fenster gehievt wurde. Ge genüber steht die Prägemaschi ne, mit deren Hilfe Ines Copas verschiedene Bleisätze und Schriften in Silber, Gold oder Schwarz in die Materialien dru cken kann. Daneben eine Bohr maschine für Leder und Papier und auf dem grossen Arbeits tisch in der Mitte des Raumes eine alte Buchpresse, die auch das Logo von Paperwerk ziert. Zudem ist am Tisch ein Leder schärfgerät angebracht und Ines Copas hat einen Kasten voller alter Prägestempel, Filet ten enannt, den ihr ihr alter Lehrmeister vererbte. Oft sei sie schon gefragt wor den, warum ihr Atelier Paper werk heisse, wenn sie doch so viel mit Leder machen würde. «Der Name rührt ursprünglich von meiner Angewohnheit, aus den Ferien immer schön dessi niertes Papier mit nach Hause zu bringen. Meine letzte Errungen schaft war japanisches Chyoga mi, auf dem jede Blume einzeln von Hand gesiebdruckt wurde», berichtet Ines Copas. Die Sieb drucktechnik fasziniert sie seit Neuestem. Gerne würde sie da mit ein Design für Rezeptkarten entwerfen, die dann ein Kochre gister komplettierten. «Ideen ha be ich sehr viel mehr als Zeit», meint die Buchbinderin. Gerade das Erlernen neuer Techniken sei sehr zeitintensiv. Doch das würde sie nicht davon abhalten, mehr Aufträge anzunehmen und vielleicht demnächst auch Kurse in Origami oder Buchbinden zu geben. Sarah Stutte Am Sonntag, 23. August, bietet Ines Copas ihre Arbeiten auf dem Koffermarkt in Winterthur an. www.paperwerk.ch Dienstboten nutzten den Dornröschenturm NefteNbach Ein fantastischer Turm schmückt das Märchenschloss Wart bei Neftenbach. In seinen Mauern leben Menschen, die sich der Armut verschrieben haben. A n einem sonnigen Südost hang zwischen Neften bach und Dättlikon gele gen, sticht es von weitem ins Auge: das Schloss Wart. In der zersiedelten Vorortslandschaft nimmt es sich wie ein Findling aus vergangenen Zeiten aus – oder eher sogar wie die Kulisse für einen DisneyFilm. Vor allem der Turm mit seinem Nebentürm chen, das er wie ein Junges auf dem Rücken trägt, vermittelt die sen Eindruck. einen herrschaftlichen Wohnsitz in einem Verschnitt von engli scher Gotik und deutschem Mär chenmittelalter. Der Turm erin nert an Schloss Neuschwanstein in Bayern. Aus diesem Land stammt denn auch der Adelstitel der von SulzerWart. Johann Heinrich Sulzer hat ihn 1814 vom bayrischen König Maximilian Jo seph verliehen bekommen. Der Monarch dankte Johann Hein rich damit für seine Arbeit als Salzkommissär des Königreichs. Der Salzhandel hat auch den Grundstein für den Reichtum der weit verzweigten Familie Sulzer gelegt. Max von SulzerWart tut «Diese Menschen waren reich, aber arm im Herzen.» sich nun vor allem damit hervor, diesen Reichtum zu verschleu dern. Er lässt ein Prunkschloss er richten, das er nie wirklich be wohnen wird. Gar nichts von solchem Reich tum hält Ernst Erbslöh. Der schlanke 82jährige Mann führt durch das fast leere Schloss, zeigt Hallen, prunkvolle Herren und Damenzimmer, ausgetäfelte Stu dierräume, Kamine, getarnte Tü ren, Treppenaufgänge. Erbslöh gehört zur Philanthropischen Ge sellschaft. «Dein Reich komme, auf Erden wie im Himmel», zitiert er im Turmzimmer mit Blick auf den Säntis und erklärt: «Das hier In Wirklichkeit diente der Turm lediglich als Dienstbotenaufgang. Das richtige Treppenhaus war den Herrschaften vorbehalten. Verhältnisse, die längst vergessen sind, werden im Schloss Wart le bendig, so, als wären Mägde und Köchinnen gerade am Holzherd in der Küche zugange. Er funktioniert noch tadel los. Alles im Schloss ist erhalten, kaum etwas renoviert. Man glaubt, wie durch Magie ins 19. Jahrhundert geraten zu sein. Dies selbst beim Ausblick aus dem run den Dornröschenzimmer oben im Turm, von wo aus man die Hoch häuser von Winterthur erkennt. Sie verschwinden, und statt ihrer rauchen wieder Fabrikschlote auf dem SulzerGelände. Es ist ein Spross der Sulzers, Ba ron Max von SulzerWart, der 1889 den Schlossbau in Auftrag gibt. Die Winterthurer Architek ten Jung und Bridler entwerfen Das spektakuläre Schloss Wart zieht noch heute die Blicke von Besuchern auf sich. Heinz Diener ist ein Experiment. Wir Phil anthropen versuchen, das Reich Gottes auf Erden zu verwirkli chen.» Die Philanthropen leben und arbeiten ohne Lohn auf ins gesamt neun Stationen in den deutschsprachigen Ländern so wie in Frankreich. Schloss Wart ist eine davon. Zwei alte Men schen wohnen in diesem kleinen Gottesreich, gestützt von Spen den. Derzeit erhält gerade das Wirtschaftsgebäude auf dem Schlossgelände ein neues Dach. Schloss und Garten sind gepflegt. Man möchte an einen Spuk glau ben. Oder dann an die gesunde Schaffenskraft Ernst Erbslöhs. Aus religiösen Gründen verzich tet er auf alles, was süchtig macht. Dazu gehören nicht nur Alkohol und Kaffee, sondern auch Zucker und Schokolade. Nachdem Schloss Wart fertigge stellt ist, weigert sich die Gattin von Max SulzerWart, darin zu wohnen. Die Gegend ist ihr zu we nig mondän. So lässt das Paar nur seine kleine Tochter, die 1890 ge borene MargareteAnna, im Ge bäude zurück, zusammen mit einer Schar von Dienstboten. Schon 1912 verkaufen die Sulzer Wart das Anwesen. «Diese Men schen waren reich, aber arm im Herzen», kommentiert Erbslöh. Es ist, als läge darum ein Bann auf Schloss Wart. Nach 1912 wechselt es ständig die Besitzer. Mehrfach muss es versteigert werden, oft mit Preisabschlag. 1935 erwirbt die Philanthropische Gesellschaft das Schloss. Sie allein bricht den Fluch – vielleicht weil materieller Reichtum auf Wart nun nichts mehr zählt. Ernst Erbslöh hat für sich eine andere Erklärung: «Wir leben im Glauben.» Christian Felix Karen Lugo tanzt. pd Moderner Flamenco RoRbas Das spanische En semble Mujer Klórica zeigt, wie Flamenco heutzutage interpre tiert wird. In einer poetischen Show mit Tanz, Gesang und Live musik bietet sich die seltene Gele genheit, das immaterielle Unesco Weltkulturerbe in der Region zu erleben. Dabei hat das Team von Kultur Roboz wieder Spitzen künstler engagiert: die Sängerin Alicia Carrasco, ihren Mann, den Gitarristen José Manuel León, die junge Tänzerin Karen Lugo, Au dun Waage an der Trompete sowie Miguel Hiroshi, Perkussion. Mujer Klórica ist ein weltweit auftretendes Quintett, das die tra ditionelle Kunstform fern von Rüschen und Rosenklischees zeitgenössisch präsentiert. Musi kalisch stehen dem Flamenco Nuevo dabei Jazz und Weltmu sikelemente zur Seite. gsp Mujer Klórica Sonntag, 31. Mai, 19 Uhr. Café Rorboz, Kirchgasse 7, Rorbas. Eintritt: Fr. 25.–/20.– www.kultur-rorboz.ch
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