Aufgabe 7 „Trennungs- und Abstraktionsprinzip“ 1. Charakterisieren Sie kurz die Quellen 1 und 2a und ordnen Sie sie in ihren jeweiligen historischen Kontext ein. 2. Vergleichen Sie die Voraussetzungen für die Eigentumsübertragung nach ius commune und nach Savigny. 3. Wie begründet Savigny seine Position? 4. Welche Arten von Verträgen unterscheidet er? 5. Was sind die Entscheidungsalternativen, die die BGB-Kommission erwägt? 6. Wie verläuft der Entscheidungsprozess? 7. Wie begründet die Mehrheit ihre Entscheidung? Was ist der Hintergrund? LITERATUR: (S. 62-76). Falk/Luminati/Schmoeckel, Fälle aus der Rechtsgeschichte, 2008, Fall 5 Dr. Anna Margarete Seelentag Propädeutikum Rechts- und Verfassungsgeschichte II Sommersemester 2015 Text 1 [ACCURSIUS] Digestum Vetus et Novum commentariis Accursii, Turin 1576. (zitiert nach: Hattenhauer/Buschmann, Textbuch zur Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 2. Aufl. 2008, S. 17) Dig. 41,1,31: Paulus libro trigensimo primo Dig. 41,1,3,1 Paulus im einunddreißigsten ad edictum. Buch zum Edikt Numquam nuda traditio transfert dominium, sed ita, si venditio aut aliqua iusta causa praecesserit, propter quam traditio sequeretur. Niemals überträgt eine bloße Übergabe das Eigentum. Das geschieht nur, wenn ein Kauf oder ein anderer Rechtsgrund vorangeht, deswegen die Übergabe nachgeht. Glosse. “Numquam”. Casvs. Nuda traditio non transfert dominium, sed ea, quae fit cum causa: ut si tradatur res ex causa uenditionis. Uel simili… FRAN. Glosse: „Niemals“. Rechtsfall. Die bloße Übergabe überträgt das Eigentum nicht, sondern nur diejenige, die mit einem Rechtsgrund geschieht, wie z.B. wenn eine Sache wegen eines Kaufes oder dergleichen übergeben wird… Franciscus ACCURSII “Sed ita” scilicet transfertur dominium „Das geschieht“, d.h. das Eigentum wird traditione. durch Übergabe übertragen. “Iusta causa”. Uera uel putatiua: alioquin id est, si dicas ex putatiua non transferri dominium: totus tit. de condict. inde. repugnaret: qui titulus habet locum, quando transfertur dominium alicuius rei ex putatiua causa. Idem in promisssore per stipulationem: ut inf. de do ex ce. l. 2 § cicra ibi. Si quis sine causa &c. & in confessione: ut sup. de probation l. cum de indebito. §. fin. & facit. C. de parct. [l.] traditionibus. & supra de do. l. nuda. „Rechtsgrund“. Er ist entweder tatsächlich oder vermeintlich vorhanden. Es wäre anders, wenn man sagte, durch einen vermeintlichen Rechtsgrund werde kein Eigentum übertragen. Der gesamte Titel Dig. 12,6 würde dem widersprechen. Dieser Titel greift Platz, wenn das Eigentum an einer Sache auf Grund eines vermeintlichen Rechtsgrundes übertragen wird. Dasselbe gilt von demjenigen, der sich durch ein Leistungsversprechen verpflichtet. Vergl. unten Dig. 44,4,2,3; 44,4,2,3 a.E.; und für das Anerkenntnis vergl. oben Dig. 22,3,25,4. Ferner gilt Cod. 2,3,20 und oben Dig. 39,5,26.“ Dr. Anna Margarete Seelentag Propädeutikum Rechts- und Verfassungsgeschichte II Sommersemester 2015 Text 2a Friedrich Carl von Savigny, Das Obligationenrecht als Teil des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1853, S. 256f. „Die wahre Bedeutung der justa causa ist vielmehr folgende. Man kann eine Tradition vornehmen zu sehr verschiedenen Zwecken: es kann geschehen, indem man eine Sache vermietet, zur Aufbewahrung hingibt, oder als Pfand, und in diesen Fällen geht gewiss kein Eigentum über;1 es kann aber auch geschehen in Folge eines Verkaufs, eines Tausches, oder in den soeben angeführten Fällen eines Geschenks oder eines Darlehens, und in allen diesen Fällen geht Eigentum über. Worin liegt nun der wahre Unterschied zwischen diesen beiden Klassen von Fällen? Lediglich darin, dass in den letzten Fällen der bisherige Eigentümer das Eigentum übertragen will, in den ersten dagegen nicht will. Daraus folgt, dass die Tradition das Eigentum überträgt durch den übereinstimmenden Willen beider handelnden Personen, ohne diesen Willen aber nicht.2 Wörtlich eben so wird die Sache ausgedrückt in einer Stelle des Gaius und in einer Stelle der Institutionen, die nur den Wollen erfordern, und von einer justa causa daneben kein Wort sagen.3 Text 2b Inst. 2.1.40 (Übers.: O. Behrends/ R. Knütel/ B. Kupisch/ H.H. Seiler: Corpus Iuris Civilis, Die Institutionen, Text u. Übersetzung, 21999) Per traditionem quoque iure naturali res nobis adquiruntur: nihil enim tam conveniens est naturali aequitati, quam voluntatem domini, volentis rem suam in alium transferre, ratam haberi. „Auch durch Übergabe erwerben wir nach Naturrecht Eigentum an Sachen. Denn nichts entspricht so sehr der natürlichen Gerechtigkeit, als den Willen des Eigentümers, der seine Sache einem anderen übereignen möchte, als wirksam anzuerkennen. […]“ 1 In den meisten Stellen, und bei genauer Rede, wird der Ausdruck traditio bezogen auf die Übertragung des juristischen oder Interdicten-Besitzes, wohin das Pfand gehört. Aber mehrere Stellen gebrauchen ihn auch von der Übertragung der bloßen Detention, wohin die Miete und das Depositum gehören. L 20 commod. 13.6, L 1 § 36.37 depos. 16.3 L 31 loc. 19.2. 2 Die Tradition selbst ist daher ein wahrer Vertrag, nur nicht ein obligatorischer, sondern ein dinglicher; wohl zu unterscheiden von dem obligatorischen Vertrag (Kauf, Tausch usw.), der bei ihr zum Grunde liegen kann, und meist wirklich zum Grunde liegt und vorher zu gehen pflegt. Vgl. System B. 3 § 140. 3 L 9 § 3 ad adqu. rer. dem (41.1) (Gaius) „… nihil enim tam conveniens est naturali aequitati quam voluntatem domini volentis rem suam in alium transferre, ratam haberi“. - § 40 J de div. rer. (2.1), wörtlich gleichlautend mit der Stelle des Gaius, Theophilus hat dieselbe Rechtsregel weiter ausgeführt. Dr. Anna Margarete Seelentag Propädeutikum Rechts- und Verfassungsgeschichte II Sommersemester 2015 Text 3a Protokolle der Kommission für die zweite Lesung des Entwurfs des Bürgerlichen Gesetzbuchs III, 1899, S. 196f., 200f. „Es lagen die Anträge vor: I als § 874a zu bestimmen: Befindet sich der Veräußerer im Besitz der Sache, so kann die Übergabe dadurch ersetzt werden, dass der Erwerber ihm den Besitz als Nießbraucher, als Mieter oder Pächter oder als Verwahrer belässt. Diese Vorschrift findet keine Anwendung, wenn die Umstände ergeben, dass durch die Veräußerung dem Erwerber Sicherheit wegen einer Forderung verschafft werden soll. … Man wandte sich zur Beratung des Abs. 2 des Antrags 1 … Der Antrag wurde abgelehnt... Die Mehrheit hat erwogen: Die vorgeschlagene Vorschrift würde sich als rein positive Ausnahme von dem aus gewichtigen Gründen angenommen Grundsatze der Unabhängigkeit der Eigentumsübertragung von ihrem Rechtsgrund darstellen. … Das Reichsgericht hat es mit Recht abgelehnt, in einer Übereignung der hier fraglichen Art eine Umgehung der auf die Erfordernisse des Pfandrechts an beweglichen Sachen bezüglichen Vorschriften zu erblicken (Entsch. in Civils. 26, S. 180). Auch daraus lasse sich die Notwendigkeit der beantragten Bestimmung nicht herleiten, dass durch die Belassung des Besitzes beim Veräußerer andere Gläubiger desselben über seine Kreditfähigkeit getäuscht werden könnten; denn die Gläubiger seien im Allgemeinen nicht berechtigt, sich darauf zu verlassen, dass alle im Besitz des Schuldners befindlichen Sachen diesem auch gehörten.“ Bürgerliches Gesetzbuch § 929 Einigung und Übergabe Zur Übertragung des Eigentums an einer beweglichen Sache ist erforderlich, dass der Eigentümer die Sache dem Erwerber übergibt und beide darüber einig sind, dass das Eigentum übergehen soll. … § 930 Besitzkonstitut Ist der Eigentümer im Besitz der Sache, so kann die Übergabe dadurch ersetzt werden, dass zwischen ihm und dem Erwerber ein Rechtsverhältnis vereinbart wird, vermöge dessen der Erwerber den mittelbaren Besitz erlangt. § 932 Gutgläubiger Erwerb vom Nichtberechtigten (1) Durch eine nach § 929 erfolgte Veräußerung wird der Erwerber auch dann Eigentümer, wenn die Sache nicht dem Veräußerer gehört, es sei denn, dass er zu der Zeit, zu der er nach diesen Vorschriften das Eigentum erwerben würde, nicht in gutem Glauben ist. … Dr. Anna Margarete Seelentag Propädeutikum Rechts- und Verfassungsgeschichte II Sommersemester 2015
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