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Technik
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in Smartphone für Henner zum 70. Geburtstag! „Ach,
du lieber Himmel, was soll ich denn damit? Ich habe doch mein Handy, damit komme ich sehr gut zurecht!“ Was hat sich der Herr Sohn denn nur dabei gedacht?
Wer braucht denn so was? Er, der Henner, kann sehr gut ohne
den Schnickschnack leben.
Aber so leicht kommt Henner nicht davon. Der Sohn
erklärt ihm, was man mit dem Smartphone alles machen
kann, was mit seinem einfachen Handy so nicht geht:
„Mit dem Smartphone kannst Du zum Beispiel im Internet surfen wie mit dem Computer. Du kannst mit Skype
über das Internet telefonieren und mich oder die anderen Geschwister sogar beim Telefonieren sehen, wie im Fernsehen.
In dem Kalender kannst Du alle deine Termine speichern und
Du wirst sogar mit einem Signal laut daran erinnert. Auf dem
Planer kannst Du wichtige Informationen speichern, die Du
nicht vergessen darfst, wie zum Beispiel die Medikamente,
die Du einnehmen musst. Und natürlich speichert man auch
im Smartphone alle wichtigen Telefonnummern mit Namen
und sämtlichen Informationen, telefoniert damit wie mit dem
alten Handy und verschickt und empfängt E-Mails oder nutzt
WhatsApp für die Nachrichten.“
Und da das längst nicht alles ist, fährt der Sohn fort: „Wenn
Du unterwegs bist, findest Du mit dem Navigationsprogramm
im Smartphone die nächste Bankfiliale, den nächsten Briefkasten, auch in einer fremden Stadt. Und wenn Du beim Wandern
mal den Weg verloren hast, kein Problem! Mit dem Smartphone kannst Du Deinen Standort bestimmen und den Weg
wieder finden. Du kannst deine Autofahrten damit planen,
Deine eigenen Bilder ansehen, Nachrichten hören, Filme im
Internet ansehen und Musik hören, E-Mails schreiben und noch
vieles mehr. Das alles geht mit dem einen, kleinen Gerät.“
Dem Henner qualmt der Kopf: „Ja, aber das brauche ich
doch alles nicht. Und überhaupt: wie soll das denn funktionieren?“ „Man muss sich nur die passenden Apps auf das Smartphone herunterladen, die gibt es sogar kostenlos“, erklärt ihm
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der Sohn. Dem Henner wird schon vom Zuhören ganz schwindelig: Was sind “Äpps“? Was heißt hier „herunterladen“? Was
ist „sörfen“ und was, um Himmels willen ist „Skaip“ oder
„Wottsäp“? Oh, nein, das ist alles viel zu kompliziert!
Natürlich bekommt auch er mit, wie „kinderleicht“ seine Enkel ihr Smartphone bedienen und damit rumspielen.
Aber er will einfach nicht dumm dastehen, wenn er das
alles nicht sofort kapiert oder auch schnell wieder vergisst,
was ihm Sohn und Enkel gerade erst erklärt haben. Das ist
entschieden gegen seine Würde. Der Sohn sieht das Problem.
Es gibt ja Möglichkeiten genug, den Umgang mit dem Smartphone zu lernen: Kurse an der Volkshochschule oder Initiativen
an Schulen, wo Schüler den alten Herrschaften auf die Sprünge
helfen. Aber das ist alles nichts für Henner, das hatten wir ja
schon: Er fürchtet nichts mehr, als sich zu blamieren.
Nun kennt der Henner auch das Begegnungszentrum für
Senioren, das „Haus Herbstzeitlos“ in der Marienborner Straße 151 in Siegen. Da geht er ab und zu schon mal donnerstags
zum Mittagessen hin. Und er weiß, dass es da das Senec@fé
gibt, ein Internetcafè auch für Anfänger wie ihn. Bisher war
ihm nie der Gedanke gekommen, da mal hinzugehen. Was
sollte er auch mit seinem Handy in einem Internetcafé?
Henner gibt sich einen Ruck. Er stellt fest, wie viele
Senioren ähnliche Probleme zu haben scheinen wie er. Etwas mulmig ist dem Henner beim diesem ersten Besuch
im Senecafé schon noch, doch in der Gesellschaft der anderen Seniorinnen und Senioren und in der lockeren Atmosphäre, die hier herrscht, fühlt Henner sich bald wohl: Hier
wird auch gelacht, wenn mal wieder was nicht geklappt
hat. Auch die anderen müssen immer wieder fragen, wenn
sie etwas nicht verstanden haben. Er ist also nicht alleine
„dumm“. Und als eine Stimme ertönt: „Ja, will denn heute
keiner Kuchen essen und Kaffee trinken?“ wird die emsige
Lerngruppe zum gemütlichen Kaffeekränzchen.
Und so geht wieder ein Senior mehr ans Netz: Ja, wer
sagt’s denn? Geht doch!
Anne Alhäuser
durchblick 1/2016