EINBLICK
EINBLICK
Preisgekrönter Weißkopfsaki:
Auch für Tierpräparatoren
gibt es Europameisterschaften.
Club der
toten Tiere
Als Kind besprühte er Fische mit Haarspray.
Heute arbeitet Jan Panniger als Tierpräparator.
Ein aussterbender Beruf.
T E X T : R A B E A Z Ü H L K E | F OT O S : DA N I E L S C H M I D
D
er Blick des Mäusebussards ist scharf, als hundert Bewerbungen. In Stuttgart bekam er eine
der Körper angespannt, so krallt er sich Stelle als Volontär, aus der erst eine Vertretungsstelle
in seinen Ast. Weiter links auf einer wurde, dann eine Festanstellung. „Das war mein
Briefwaage ein kleines Nasenbärbaby. Glückslos im Leben.“ Er lächelt. „Ich freue mich monDas Fell flauschig, die Augen schläfrig. tags genauso wie freitags auf meine Arbeit.“ Wie viele
Daneben Jan Panniger, Drei-Tage-Bart, grünes Shirt, Stunden er pro Woche arbeitet, das weiß Panniger nicht
ausgeblichene Jeans, weiße Sneaker.
genau. Seine WG ist nur wenige Minuten vom NaturIn Pannigers Arbeitsraum stehen robuste Holzti- kundemuseum entfernt. Oft ist er auch am Wochenensche. An den Wänden hängen Sägen, Zangen und Pin- de in seiner Werkstatt.
Panniger wühlt in seiner Gefriertruhe, schiebt einen
zetten in jeder Größe. Seine Werkstatt ähnelt der eines
Schreiners – nur, dass er kein Holz bearbeitet, sondern gefrorenen Eichelhäher beiseite, sucht weiter. „Das ist
eine Langschwanzratte.“ Er hält eine kleine, gefrorene
Tiere. Tote Tiere.
Jan Panniger streicht dem Bussard sanft über einen Ratte in einem Beutel hoch. Die Tiere leben zwar auch
Flügel. Seit elf Jahren arbeitet er im Stuttgarter Natur- in Deutschland, stammen aber eigentlich aus Südostasikundemuseum als Tierpräpaen. Vor einigen Jahren hatte
Panniger viele von ihnen
rator. „Präparieren heißt sehen
während einer Expedition in
lernen“, sagt der 32-Jährige.
Madagaskar präpariert. „Über
Es geht darum, ein Tier inten200 Jahre hat sich niemand
siv zu studieren, die Haltung
um diese Art gekümmert“,
und den Blick einzufangen.
sagt er. Schließlich wollte sie
„Das ist das Schwierigste.“
ein Biologie-Doktorand unManchen Tieren, wie dem
Mäusebussard, zieht er dafür
tersuchen. Panniger kam mit
die Haut ab, um sie später auf
und präparierte die Tiere für
einen neuen, modellierten
die Forschung.
Körper zu spannen. FlederAls Kind lebte Jan Pannimäuse, Käfer und kleinere
ger in einem kleinen Dorf
Tiere lässt er trocknen oder
nahe Leipzig. Die Sommer
durchtränkt sie mit einem
verbrachte er mit seinen
härtenden Kunststoff. Seine
Freunden beim Angeln oder
Arbeit hat nichts Furchteinim Wald. „Wir fühlten uns
wie Tom Sawyer und Huckleflößendes, nichts Abstoßendes. Er skizziert und modelberry Finn“, sagt er. „Wir waliert, arbeitet wie ein Künstler
ren ständig im Kontakt mit
Panniger: „Das war mein Glückslos im Leben.“
an einem Gemälde. Schon als
den Tieren und der Natur.“
Kind besprühte er tote Fische mit Haarspray. Er trock- Mit 15 Jahren sah Panniger einen Bericht über den Benete die Tiere, fixierte sie mit dem Lack. Die mumifi- ruf des Tierpräparators im Fernsehen. Da fiel seine Entzierten Fische sahen nicht besonders schön aus, aber sie scheidung: „Das wollte ich machen und nichts anderes.“
waren gemacht für die Ewigkeit.
In Pannigers Lagerraum stehen eng aneinander geJan Pannigers Beruf wird immer seltener. In reiht Moschustiere in Regalen, Elchgeweihe liegen auf
Deutschland arbeiten noch etwa 1000 Menschen als dem Boden. Weiter hinten im Raum sitzt ein WeißPräparationstechnische Assistenten. Auf der einzigen kopfsaki auf einer Expeditionskiste. Es ist eines seiner
deutschen Berufsfachschule können jedes Jahr in Bo- Meisterwerke. Im April hat Panniger mit dem Affen
chum 20 bis 30 junge Präparatoren ausgebildet werden. die Europameisterschaften in Italien gewonnen. Mit
Eine Anstellung finden danach nicht viele. „Aus mei- dem Nasenbärbaby sogar die Weltmeisterschaft vor
nem Jahrgang arbeiten nur noch zwei in dem Beruf “, zwei Jahren.
„Man stopft keine Tiere aus, weil es geil aussieht“,
sagt Panniger. Und das, obwohl er wichtig ist: Ohne die
Präparatoren wüssten wir nur aus Büchern, wie ausge- sagt er und blickt auf einen Löwen mit zweifarbiger
storbene Tiere aussehen, welches Gefieder sie haben, Mähne. Der Kaplöwe ist inzwischen ausgestorben. Nur
welche Körperhaltung. „Präparate sind Zeitzeugnisse noch sieben Präparate gibt es von der einst größten Lövom Ist-Zustand“, sagt Panniger. „Nur durch sie wissen wenart Afrikas. Dass sie nicht in Vergessenheit gerät,
wir, was es mal gab.“
verdankt sie dem Beruf des Tierpräparators, dessen
Trotz der schlechten Aussichten wollte Panniger die Schicksal dem des Kaplöwen gleicht. Er ist heute vom
Ausbildung machen. Als er fertig war, schrieb er mehr Aussterben bedroht.
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