Predigt über Lukas 8,4-8: Es ging ein Sämann aus … Pfarrer Florian Kunz Es ging ein Sämann aus zu säen seinen Samen. Und indem er säte, fiel einiges auf den Weg und wurde zertreten, und die Vögel unter dem Himmel fraßen's auf. Und einiges fiel auf den Fels; und als es aufging, verdorrte es, weil es keine Feuchtigkeit hatte. Und einiges fiel mitten unter die Dornen; und die Dornen gingen mit auf und erstickten's. Und einiges fiel auf gutes Land; und es ging auf und trug hundertfach Frucht. Als Jesus das sagte, rief er: Wer Ohren hat zu hören, der höre! Es ging ein Sämann aus zu säen seinen Samen. Vincent van Gogh hat ihn gemalt – den Sämann. Zielstrebig und mit großem Schritt geht er über sein Feld. Ein großes grobes Leinentuch hat er umgebunden, darin seine Saat. Immer wieder schöpft er aus dem Tuch, taucht seine Hand in die goldgelben Körner und wirft sie mit Schwung, sie fliegen in weitem Bogen. Seine Bewegungen wirken fast grazil, als wäre es ein Tanz. Das Gesicht des Sämanns kann man nicht sehen. Es verschwindet unter der breiten Krempe seines Schlapphuts und im Schatten eines Baumes, der am Wegesrand steht. Im Hintergrund geht die Sonne auf, taucht den Acker in ein vielfarbiges Schimmern. Gelb, Orange, Rot, Violett, Blau. Es wimmelt vor Farbe, alles scheint sich zu bewegen. Das Feld lebt. Es ging ein Sämann aus zu säen seinen Samen. „Er ist verrückt dieser Sämann“, sagen die Leute. „Die gute Saat! Er wirft sie nicht nur auf sein Feld, nein auch auf den Weg wo die Körner zertreten werden und die Krähen sie fressen. Er wirft sie auf felsigen Boden, wo sie gar keine Wurzeln bilden kann und bald verdorrt. Er wirft sie unter die Dornen, die mit aufgehen und die jungen Triebe ersticken. Er ist verrückt dieser Sämann“ sagen die Leute. „Sämann!“ rufen sie ihm zu. „Warum wirfst du deine Körner so – auf den Weg, auf den Fels, unter die Dornen? Das bringt doch nichts!“ Und der Sämann antwortet lächelnd: „Ich habe mehr als genug. Wie soll das Korn wachsen, wenn ich es nicht aussähe?“ „Aber es wächst doch nicht auf dem Weg, auf Fels und unter den Dornen!“ entgegnen die Leute. „Da ist es vergeudet.“ „Nein“ sagt der Sämann fest. „Keines meiner Körner ist vergeudet. Solange Erde und Himmel bestehen, will ich weiter sähen und mich auf die Ernte freuen, die kommt.“ Und er holt wieder aus und wirft die Körner weit. Es ging ein Sämann aus zu sähen seinen Samen. Der Samen, das ist Gottes Wort. Fällt hinein in diese Welt, viele Stimmen tragen es weiter – wie der Wind die Samenkörner in alle Himmelrichtungen weht. So wird es ausgestreut das Wort. Auch wir streuen es aus. Jetzt im Gottesdienst geben wir ihm Raum. In Liedern und im Orgelspiel ist es eingepflanzt, es sprießt aus den Texten der Bibel und im Gebet, ja auch in der Stille wächst es auf. Im Abendmahl essen wir von dem Wort, brotgewordene Samenkörner. Doch wir nehmen das Wort auch mit in unseren Alltag. Manchmal ist es zwischen den Zeilen eingestreut, manchmal verkleidet als Wunsch an jemanden, als Zuspruch und Trost. Nicht immer muss Gottes Name fallen und trotzdem ist es sein Wort. Vielleicht tragen wir das Wort auch nicht immer auf den Lippen, so dass es uns ständig aus dem Mund wächst, vielleicht keimt es noch vorsichtig in uns, oder es grünt bereits kräftig und erfüllt unser Innerstes. Aber es gibt auch Zeiten, da geht das Wort in uns verloren, wird verdrängt vom Dornengestrüpp der Sorgen des Alltags, kann keine Wurzeln schlagen, weil wir unsere Herzen wie Fels verhärtet haben. Und da sind Schicksalsschläge auf unserem Lebensweg - wie Vögel fliegen sie herein und fressen Glaubensfreude und Gottesnähe einfach weg. Es ging ein Sämann aus zu säen seinen Samen. Der Samen, das sind wir. Das sind Menschen und ihr Leben. Wie Samenkörner ausgestreut über die Zeit. Mancher Menschen Leben fällt auf fruchtbaren Boden. Alle Rahmenbedingungen stimmen: lockere Erde, Sonne und Regen. Ein behütetes Aufwachsen, genug Nahrung und Bildung, einen guten Beruf, Anerkennung und Selbstbestimmung. Sie wachsen und entfalten sich: Die Saat geht auf. Sie können ernten, was in sie gesät wurde. Und es kann sein, dass sie selbst anfangen zu säen –anderen weitergeben von ihrer Fülle: Sie teilen Wissen, teilen Liebe, teilen Hoffnung aus. Mancher Menschen Leben fällt auf felsigen Grund. Sie können nicht so werden, wie sie gemeint sind, haben keine Chance sich zu verwurzeln, sich zu entfalten und zu wachsen: - Kinder – sterben mit 5 Jahren, weil es in ihrem Land, keine Medikamente gibt um sie gesund zu machen. - Menschen, von Terror und Vertreibung entwurzelt, aus ihrer Heimat zu uns geflohen. Keine offenen Arme sondern Ablehnung treffen sie an. So kann man schwer neue Wurzeln schlagen, heimisch werden. Mancher Menschen Leben fällt unter die Dornen. Hass und Gewalt ersticken Liebe und Menschlichkeit noch im Keim. So wachsen Menschen auf – auch in unserem Land. Geprügelt, missbraucht, allein gelassen. Wer nie Nähe und Bestätigung erfährt wie soll er sie anderen weitergeben? Wo Zuneigung und Selbstwert keine Chance haben zu wachsen, da gehen andere Saaten auf. Mancher Menschen Leben fällt auf den Weg. Und da lauern Ängste und düstere Gedanken, wie schwarze Vögel, die Hoffnung und Freude einfach wegpicken: Die Trauer um den geliebten Menschen, der so schmerzhaft fehlt, die Diagnose, die alle Pläne zu Nichte macht, der Jobverlust mit Ende fünfzig. Es ging ein Sämann aus zu säen seinen Samen. Samenkörner fallen auf Fels, unter die Dornen, auf den Weg. Dann geht die Saat nicht auf, geht verloren. Hat keine Chance. Sooft verfehlt das Wort Gottes sein Ziel, sooft können Menschen ihr Leben nicht entfalten. Dabei ist Saat doch gute Saat. Könnte wachsen wenn man sie nur ließe. So kann er das doch nicht gemeint haben, der Sämann! „Warum?“ rufen wir ihm zu, wir am Rand des Feldes stehend. Doch der Sämann antwortet uns nicht, er sät weiter, den Schlapphut tief ins Gesicht gezogen. Es ging ein Sämann aus zu säen seinen Samen. Auf einmal sät er sich selbst, der Sämann. Streut sich aus in diese Welt, mit großem Schwung wirft er sich hinein in diese Erde, in das Leben der Menschen. Doch er landet nicht auf dem fruchtbaren Ackerboden, er fällt auf den Weg, fällt auf den Fels, fällt unter die Dornen. Fällt in Leere und Hoffnungslosigkeit, fällt in Trauer und Angst, fällt in Hass und Gewalt. So lässt er sich selbst verloren gehen – als lebendiges Wort, das verhallt in tauben Ohren, als Mensch, der misshandelt und getötet wird. Und er sagt: „Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein; wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht.“ Es ging ein Sämann aus zu säen seinen Samen. Zielstrebig und mit großem Schritt geht er über sein Feld. Immer wieder schöpft er aus seinem Tuch, taucht seine Hand in die goldgelben Körner und wirft sie mit Schwung, sie fliegen in weitem Bogen – auf den Acker, unter die Dornen, auf den Weg auf den Fels. Später hat man Dornen gefunden unter denen Blumen blühten und man hat Felsen gesehen zwischen denen Löwenzahn frech seine gelben Köpfe emporreckte. Und da war dieser Vogel. Hatte vom Weg gegessen, die zertretene Saat aufgepickt und sie später gut verdaut in eine Ackerfurche fallen lassen. So gedüngt ist sie aufgegangen - die Saat, strohblonder Weizen, der sich im Wind wiegt. Und im Hintergrund ist die Sonne aufgegangen, hat gestrahlt über Weizen und Gräsern, Kornblumen und Mohn, Dornen und Unkraut. Hat alles in ein vielfarbiges Schimmern getaucht, wimmelnde Farben - als würde das Feld leben. Amen.
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